Wenn man den Threadtitel liest, könnte man denken, es solle hier ernsthaft um eine Art "Operndidaktik" gehen - welche Werke, Komponisten sind für "Anfänger" besonders geeignet. Das könnte doch eine interessante Diskussion sein - in die auch durchaus einfließen könnte, ob für Anfänger Inszenierungen aus dem Dunstkreis des "Regietheaters" in Frage kommen können oder nicht. Stattdessen wird hier offenbar (in Nabelschau) der ewig selbe und langweilige Gaul (im Übrigen ein Hauptgrund für meine sehr seltenen Posts, weil einige der hiesigen Schreiber es bei fast jedem Thema im fünften Post zum "Verunstaltungstheater" schaffen) zu Tode geritten.
Mal aus einem anderen Fach gesprochen: Die Germanistik hat sich vor ca. 70 Jahren von der Fragestellung "Was will der Autor damit sagen?" gelöst - glücklicherweise. Wir werden es nämlich nie herausfinden und es ist letztendlich völlig irrelevant. Ich versuche seit 11 Jahren als Deutsch-, Philosophie- und Musiklehrer meine Schülerinnen und Schüler konsequent zu einem "Was sagt der Text über seine Entstehungszeit?", "Was sagt er uns heute noch?", "Wie wurde er rezipiert?" und "Wie ist er gemacht?" zu leiten - dies alles sind nämlich Fragestellungen, die wir heute beantworten können. Dasselbe gilt für Opern. Wer behauptet, er wisse, wie ein Werk aufgeführt gehört, wie der Komponist es sich gedacht habe, ist ein (pardon) "Schaumschläger".
Ich selbst bin - Dank engagierter Musiklehrer - durch die Schule zur klassischen Musik und vor allem der Oper gekommen, zwei Opernbesuche waren (und sind an meinem alten Gymnasium bis heute) Pflicht: "Zauberflöte" in Klasse 6, ein intensiv vorbereitetes Werk in der Oberstufe. Letztere Fahrt war immer für interessierte Schülerinnen und Schüler geöffnet. Gesehen habe ich in diesem Zusammenhang (immer in Essen) "Die Zauberflöte" (Chundela), "Don Carlos" und "Fidelio" (beide Hilsdorf), "Tosca"(Mielitz) und "Die Liebe zu den drei Orangen" - und ich gehe nach wie vor gern in die Oper...
Für Schülerinnen und Schüler ist es - das kann ich nach 13 Jahren im Schuldienst wohl einigermaßen beurteilen - herzlich egal, ob sie eine moderne oder eine klassische Produktion sehen. Sie muss in sich stimmig sein - und sollte am "Text" des Werkes nichts willkürlich ändern, sprich: keine Nummern streichen oder hinzufügen, aus Hosenrollen Männerpartien machen, möglichst viel originalen Dialog belassen (das war der wesentliche Kritikpunkt an Hilsdorfs "Fidelio" - der Dialog war gestrichen).
Meine Schülerinnen und Schüler gehen (im Klassen- bzw. Kursverband) dreimal in Aufführungen des Musiktheaters, das erste mal in Klasse 5/6 - "Zauberflöte", "Hänsel und Gretel" oder deutsche Spieloper, die meisten sitzen andächtig schauend auf ihren Plätzen, viele haben inzwischen ihre Eltern genötigt, privat mit ihnen in die Oper zu gehen. In Klasse 8/9 gibt es meist Musical, wenn es inhaltlich passt auch Oper (also: "Freischütz" und "Black Rider", nächstes Schuljahr wird es "Miss Saigon" und "Butterfly") und dann nochmal in der Oberstufe (oft Wagner, Verdi, aber auch schon "Wozzeck" und "Grand Macabre"). Klagen über "Verunstaltungen" etc. gibt es nicht - das könnte daran liegen, dass so gut wie jedes Theater didaktisch aufbereitetes Material zur Inszenierung herausgibt und Fotos bereitstellt, mit Hilfe derer man sich konkret auf den Besuch vorbereiten kann. Die Theater sind meist (auf Grund Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln) Bonn und Hagen - zwei sehr ordentliche Ensemblehäuser mit Mut zu auch ungewöhnlichem Repertoire.
Allerdings muss ich eingestehen, dass ich Oper generell für eine Kunstform halte, der ein bloß passives Genießen-Wollen nicht gerecht wird, die Vorbereitung und Mit- bzw. Nachdenken erfordert.
Zur Frage also (etwas uminterpretiert): Opernneulinge sollten gut vorbereitet in Vorstellungen gehen (völlig unabhängig vom Inszenierungsstil), ich befürchte, dass heute nur noch eine durch Schule oder privaten Musikunterricht angeleitete Begegnung wirklich Erfolg haben kann.
P.S. und Off-Topic: Herzliche Grüße an Holger Kaletha, ich denke gern an die Seminare in Siegen zurück und bin trotzdem froh, nicht in die Verlegenheit zu kommen, Heidegger unterrichten zu müssen...)!