Beiträge von Guercoeur

    Hallo, liebe Taminoianer,


    als ich gestern mal wieder in dem Thread 'Meine aktuelle Wunschliste' gestöbert habe, kam ich auf ein Thema, über das ich mir in den letzten Jahren schon ab und zu Gedanken gemacht habe.
    Wenn man einen gewissen Überblick über das Oeuvre eines oder mehrerer Komponisten hat, stößt man immer wieder auf Werke, die - aus unterschiedlichsten Gründen - noch nie eingespielt wurden.


    Bei den Komponisten der von mir vermißten Stücke handelt es sich zwar meistens um dem Hörer des Standardrepertoires eher unbekannte Namen wie z. B. Albéric Magnard, Charles Koechlin, Sir Granville Bantock, Joseph Marx, Bernhard Sekles, Kurt Atterberg, allerdings fallen Euch sicher auch unter den bekannten Komponisten einige Werke ein, die noch nie auf LP oder CD erschienen sind, die Ihr aber liebend gerne besitzen würdet, sei es, daß Ihr von den betreffenden Werken durch ein Konzert oder nur von faszinierenden Beschreibungen aus Musiklexika bzw. Komponisten-Portraits Kenntnis erhalten habt und die in Euch die Sehnsucht auf eine Einspielung geweckt haben. Also Werke, von denen Ihr überzeugt seid, daß sich insbesondere die Entdecker-Labels wie CPO, Naxos, Chandos, Hyperion ihrer dringend annehmen müßten.
    Manchmal sind es auch nur interessant klingende Werktitel oder extravagante Besetzungen, über die man in Werkverzeichnissen oder Lexika gelesen hat und die die Lust auf mehr geweckt haben.


    Ich gebe hier mal ein Beispiel:
    Einen besonders lang gehegten CD-Wunsch von mir betrifft einen meiner Lieblingskomponisten, den in den 10-er und 20-er Jahren vielgespielten Opernkomponisten Franz Schreker (1878-1934). Seine von 1924 bis 1928 geschriebene Oper in 4 Akten 'Der singende Teufel' ist in der Enzyklopädie des Musiktheaters von Piper ausführlich, anschaulich und so packend beschrieben, daß ich allein beim Lesen über das Werk eine Gänsehaut bekomme. Da ist zunächst eine hochinteressante Handlung, in deren Mittelpunkt - wie in allen Opern Schrekers - die Musik selbst oder ein Musikinstrument steht, im 'Singenden Teufel' ist es eine riesige Orgel, die in der Oper natürlich eindrucks- und wirkungsvoll zum Einsatz kommt. Auch das Orchester ist enorm groß und mit teils exotischen Instrumenten besetzt, z. B. enthält die Schlagzeugsektion: Pauken, kleine Trommel, große Trommel, Becken, Rührtrommel, Negertrommel, chinesische Becken, kleines und großes Tamtam, Triangel, Glockenspiel, tiefe Glocken, Xylophon, Kastagnetten, Tamburin, antike Zimbeln.


    Und zum Schluß noch einen kurzen Auszug aus der Beschreibung der Musik:
    "Nach Amandus' Wahnsinnsszene, dem Zusammenbruch des Individuums, und vor der großen Finalszene, dem von den Heiden entfachten Weltenbrand, greift Schreker, hier das einzige Mal auf eine Verwandlungsmusik verzichtend, zum extremsten Kontrast und eröffnet mit der Buffoszene der Laienbrüder den Totentanz in der Kirchenszene. Schon der Marsch der Heiden im 1. Aufzug zeigte die Tendenz zum Bruitismus, der die Kirchenszene nun dominiert. Glockenchöre, die mächtigen Klänge der Orgel, eine grelle Marschrhythmik, dissonante Chöre schichtet Schreker (über zum Teil langen Orgelpunkten) zu riesigen ostinaten Klangflächen, bis das gespenstische musikalische Bild beim Zerschmettern der Kirchentore in einer Klangorgie kulminiert."


    Wie in dem beschriebenen Beispiel gibt es sicher noch viele vernachlässigte, aber entdeckenswerte Werke, die es verdient hätten, eingespielt zu werden.


    Abschließend also nochmals meine Frage:
    Welche nicht eingespielten Werke würdet Ihr auf eine solche Wunschliste setzen? Und gebt evtl. einen Grund für Euer Interesse an den genannten Werken an. So ausführlich wie das obige Beispiel muß es natürlich nicht sein.


    Nun lasse ich Euch den Vortritt. Meine eigene Wunschliste werde ich in ein paar Tagen nachreichen, ist gerade noch in Arbeit.


    Herzliche Grüße
    Johannes

    Hallo, Ihr Liebhaber schöner Vogelstimmen,


    nein, noch bin ich nicht zum Vogel mutiert. Die in meinem Betreff geäußerten Laute sind Zitate aus einem außergewöhnlichen Werk, das bisher noch nicht genannt wurde:


    Eine der schönsten Opern überhaupt, die die wohl größte Vogelschar vereint, ist die in den 20-er Jahren äußerst beliebte und vielgespielte Oper von



    Walter Braunfels (1882-1954):
    Die Vögel - Lyrisch-phantastisches Spiel in 1 Prolog und 2 Akten, opus 30 1913-19



    Der in den 20-er Jahren neben Franz Schreker und Richard Strauss meistaufgeführte Opernkomponist verfaßte das Libretto selbst, welches eine freie Bearbeitung der Komödie des Aristophanes ist.
    In Braunfels' Oper, die mit ihrer spätromantisch farbigen Musiksprache stilistisch in die Nähe von Richard Strauss gehört, tummelt sich eine bunte und große Schar von Vögeln:


    "Die vielen Vogelstimmen erklingen in feiner, teils lautmalerischer Differenzierung, führend die Nachtigall, mit ihren typischen Sekundschlägen, Tonrepetitionen, Trillern und Koloraturen in höchster Lage das Ensemble überstrahlend:
    die piependen Meisen, der krächzende Rabe, die zwitschernden Schwalben, das 'Tse-tse-tse' der Grasmücken, das 'Tia-tio' der Drossel, die Kuckucksrufe; nur der Adler steht warnend abseits mit finster drohendem Baß. Der König Wiedhopf, einst selbst Mensch, singt mit klangvollem Bariton und menschlich bewegender Rhetorik und sein Diener Zaunschlüpfer mit anmutigen Rufen und Melismen ...
    Einen wesentlichen Musikanteil bilden auch die vielfältig gestalteten Chorpartien ... An manchen Stellen zwitschern mehr als ein halbes Dutzend erregter Vogelstimmen gleichzeitig in ihrem charakteristischen Tonfall durcheinander.
    Der musikalische Höhepunkt ereignet sich zu Beginn des 2. Aktes, wenn sich die Stimmen von Nachtigall und (dem Wanderer) Hoffegut in herrlichem Zwiegesang mit unendlicher Melodik vereinen, ein grandioses Liebesduett, vergleichbar dem 2. Akt von Wagners 'Tristan und Isolde'."


    Hier ein wunderschön-sehnsuchtsvoll vertontes Zitat der Nachtigall an Hoffegut:
    "Dein Herz, wie geht es still und kalt einen einsamen traurigen Gang.
    In unserem regt sich mit der klopfende Puls der Natur, und unser Busen atmet mit das süße Wehn des Alls.
    Was aus tausend Quellen zu uns strömt, aus fernsten Sphären zu uns klingt, die Herzensharfe tönt weltvereint es mit!"


    Gruh! Gruh!
    Johannes



    P. S.: Eine in jeder Hinsicht hervorragende Einspielung ist unter Lothar Zagroseks Leitung bei Decca im Rahmen der höchst verdienstvollen Reihe 'Entartete Musik' erschienen.

    Hallo Spielmann,


    schön, daß Du die 'Heliane' und den 'Fernen Klang' auch kennst und schätzt!
    Wenn Du noch weitere, ähnlich rauschhaft-mitreißende Opern kennenlernen willst, kann ich Dir nur Eugen d' Albert: Die toten Augen (CPO) und Alexander von Zemlinsky: Eine florentinische Tragödie dringend empfehlen!!!


    Schöne Grüße
    Johannes

    Hallo,


    wenn Du speziell etwas aus Deinem bevorzugten Gebiet Violinkonzerte beitragen möchtest, ist das immer willkommen. Wende Dich dazu aber bitte an den Betreiber und Hauptautor der Homepage, dessen Webadresse unter der Rubrik 'Kontakt' zu finden ist. Gleiches gilt für die Berichtigung von Fehlern (wie in Deinem Beispiel Renzo Bossis opus 23). Da ich keinerlei Angaben zu diesem Komponisten besitze, kann ich dazu leider nichts sagen.


    Vielen Dank für Deine Hinweise und schöne Grüße
    Johannes

    Hallo Chor-Fans,


    da laut Vorgabe für die Nennung der Lieblings-Chöre alle Gattungen zugelassen sind, nehme ich u. a. die Symphonien hinzu, die ganz wunderbare gewaltige und ergreifende Chorstellen enthalten:



    I. Symphonien


    Gustav Mahler (1860-1911): Symphonie Nr. 2 c-moll "Auferstehung" 1887-94
    5. Im Tempo des Scherzo. Wild herausfahrend (Schluß): "Mit Flügeln, die ich mir errungen ..."


    Gustav Mahler (1860-1911): Symphonie Nr. 8 Es-dur "Symphonie der Tausend" 1906/07
    II. Teil: Chorus Mysticus: "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis ..."


    Jean Sibelius (1865-1957): Kullervo - Symphonie, opus 7 1891/92
    3. Allegro vivace - Kullervo und seine Schwester: "Kullervo, Kalervon poika"
    5. Andante - Kullervos Tod: "Kullervo, Kalervon poika"


    Karol Szymanowski (1882-1937): Symphonie Nr. 3 B-dur "Piesn o Nocy" ("Das Lied von der Nacht"), opus 27 1914-16
    1. Moderato assai: "O, nie spij, druhu, nocy tej!" ("Schlaf nicht, Gefährte, diese Nacht!")


    Ralph Vaughan Williams (1872-1958): Symphonie Nr. 1 "A Sea Symphony" 1903-09
    1. Moderato maestoso - A Song for All Seas, All Ships (Beginn): "Behold, the sea itself ..."
    4. Grave e molto adagio - Andante con moto - The Explorers:
    a) "O vast Rondure, swimming in Space ..."
    b) "Greater than stars or suns ..." (bis Ende)



    II. Werke für Chor a capella


    Alfred Schnittke (1934-1998): (Zwölf) Bußpsalmen für gemischten Chor a capella 1988
    12. Satz (textlos)


    Richard Strauss (1864-1949): Eine deutsche Motette, opus 62 1913
    "O zeig' mir, mich zu erquicken, im Traum das Werk beendet ..." (bis Ende)



    III. Werke für Soli, Chor und Orchester (Oratorien, Kantaten u. a.)


    Hector Berlioz (1803-1869): Grande Messe des Morts - Requiem, opus 5 1837
    2. Dies Irae, Dies Illa


    Hector Berlioz (1803-1869): Te Deum, opus 22 1848/49
    2. Tibi omnes Angeli; 6. Judex crederis


    Howard Ferguson (1908-1999): The Dream of the Rood - Kantate, opus 19 1958/59
    Allegro vivo - "But the Lord arose by His great might ..."


    Gustav Holst (1874-1934): The Cloud Messenger - Ode, opus 30; H 111 1909/10
    4. Moderato maestoso, senza accelerando - "Tarry not, O Cloud. Bow thy head."


    Vítezslav Novák (1870-1949): Boure (Der Sturm) - Eine Meer-Fantasie / Kantate, opus 42 1908-10
    Moderato - Schlußchor: "O, Stern des Meeres, Anker der Hoffnung ..."


    Sergej Prokofiew (1891-1953): Ivan Grosnyi (Iwan der Schreckliche) - Oratorium 1942-45 (Arr. von Abram Stasewitsch 1961)
    25. Finale - Moderato - Moderato fastoso: "Kehr zurück! Kehr zurück! Teurer Vater! ..." (bis Ende)


    Florent Schmitt (1870-1958): Psaume 47, opus 38 1904
    "Dieu est monté au milieu des chants de joie ..." (bis Ende)


    Arnold Schönberg (1874-1951): Gurrelieder - Oratorium in 3 Teilen 1900-11
    III. Teil: Schlußchor: "Seht die Sonne ..."


    Ralph Vaughan Williams (1872-1958): Sancta Civitas - Oratorium 1923-25
    "And I saw a pure river of the water of life ..." (bis Ende)



    IV. Ballett


    Maurice Ravel (1875-1937): Daphnis et Chloé - Ballett-Symphonie in 3 Teilen 1909-12
    Sämtliche Stellen mit Chor



    V. Opern


    Albéric Magnard (1865-1914): Guercoeur - Lyrische Tragödie in 3 Akten und 5 Bildern, opus 12 1897-1901
    I. Akt: Klage, Szene 1: "Le temps n' est plus, l' espace n' est plus."
    II. Akt, 3. Bild: Das Volk, Szenen 1-5: "Du pain! Misère! Du pain!"


    Franz Schreker (1878-1934): Der ferne Klang - Oper in 3 Aufzügen 1901-10
    II. Akt, Vorspiel, 1. Szene bis 6. Szene (Beginn)


    Karol Szymanowski (1882-1937): Król Roger (König Roger) - Oper in 3 Akten, opus 46 1918-25
    I. Akt (Beginn): "Hagios, Kyrios, Theos Sabaoth!"



    Beste Grüße
    Johannes

    Hallo petemonova,


    kaum schreibt man ein Wort zu viel, schon ist man enttarnt. :-)
    Aber wenn man ein so schönes Kompliment bekommt, kann ich gut damit leben.
    Ja, mittlerweile gibt es 92 Werkverzeichnisse von mir auf besagter Site (Komponisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts), weitere sind in Arbeit. Jetzt gerade das sehr umfangreiche von Bohuslav Martinu. Ein höchst interessanter und vielseitiger Komponist übrigens, von dem man im allgemeinen (auch ich) noch viel zu wenig kennt.


    Herzliche Grüße
    Johannes

    Hallo Alfred,


    Zitat:
    <Peinlicherweise (oder besser gesagt lustigerweise) ist der Redaktion des Altehrwürdigen Riemann-Musiklexikon ein Lapsus passiert, Jägermeier wurde dort etliche Auflagen als real geführt.
    Dieses Schicksal teilt Riemann übrigens mit den "Klassika"-Internetseiten.>


    Diese Annahme, lieber Alfred, ist, was 'Klassika' betrifft, nicht richtig! Als Mit-Autor der Homepage habe ich den guten Otto Jägermeier ganz bewußt in die Reihe der real existierenden Komponisten mit aufgenommen und wollte die Nichtexistenz grundsätzlich unerwähnt lassen, um den irreführenden Scherz des noch zu entdeckenden Schöpfers großer symphonischer Dichtungen fortzuführen. Leider bin ich jedoch aus Zeitmangel noch nicht dazu gekommen, das Kapitel Jägermeier mit Angaben zu Leben und Werk zu ergänzen.
    Und ich denke, genau die gleiche Absicht verfolgte auch Gerhard Dietel mit dem Eintrag über Jägermeiers Symphonische Dichtungen in seinem Buch 'Musikgeschichte in Daten' (dtv), der keinerlei Hinweis auf die Erfindung dieses Phantoms enthält:


    Otto Jägermeier (1870-1933):
    Symphonische Dichtungen - 1900-21:


    "Letzte hypertrophe Steigerung der sinfonischen Dichtung Richard Straussscher Prägung; neben dramatisch-aktionistischen erscheinen auch philosophische und wissenschaftliche Programme:
    'Psychosen' (1900) basiert auf Sigmund Freuds 'Studien über Hysterie' und der psychoanalytisch orientierten Ästhetik Sir Andrew Marbots, die 'Titanenschlacht' (1901) führt zum Kampf zweier gegeneinander anblasender Blechbläsergruppen mit offenem Ausgang (Vorwegnahme aleatorischer Ideen), die 'Grundzüge der tanszendentalen Analytik nach Kant für großes Orchester, Soli, Chor, Orgel und obligatem Universitätsprofessor' (1914) verbindet sinfonische Dichtung, Oratorium und Melodram, 'Im Urwald' (1920) schließlich verwendet madegassische Eingeborenengesänge und phonographische Aufzeichnungen von Urwaldlauten."


    Außer Jägermeier und dem bekannteren P.D.Q. Bach scheint es jedoch noch mehr solcher fiktiven Musikergestalten zu geben. Über den angeblichen Komponisten Rainer Hohn-Jeckenbach gab es z. B. vor einiger Zeit ein exzellent gemachtes Komponistenportrait im Radio (Bayern 4), das von seiner Präsentation her einen absolut seriösen Eindruck machte, lediglich jedoch durch manche inhaltliche Merkwürdigkeiten zu Leben und Werk aufhorchen ließ und das Hörer-Publikum ins Grübeln brachte.


    Gruß
    Johannes

    Hallo Rüdiger,


    schön, daß Du Dich für dieses allgemein leider kaum bekannte Stück interessierst. Was für mich beim ersten Hören vollkommen überraschend war, daß es trotz der großen Besetzung und gewaltigen Ausdruckskraft lediglich eine Dauer von knapp 8 Minuten hat.
    Kennengelernt habe ich es durch ein 9-teiliges Komponistenportrait von Andreas Wehrmeyer, das SWR 2 im Januar und Februar 2003 anläßlich von Prokofiews 50. Todestag ausgestrahlt hat. In der 3. Folge mit der Überschrift 'Russische Moderne' wurde die Kurz-Kantate 'Semero Ich' in der Rozhdestvensky-Aufnahme von 1968 zur Gänze gespielt.


    Leider existiert bis heute keine neuere Einspielung des Stücks (auch Neeme Järvi hat das Werk bisher bei seinen Prokofiew-Aufnahmen auf Chandos ausgelassen), es gibt also nach meinen Recherchen nur zwei Einspielungen älteren Datums:


    1. Semero Ich, Alexander Newsky - Kantate
    Yuri Yelnikov, Tenor; Moskauer Radio-Chor, Moskauer Radio & TV SO der UdSSR, Gennadi Rozhdestvensky (Semero Ich, Aufnahme: 1968); Evgeni Svetlanov (Alexander Newsky)
    LP: früher: Melodiya, später: EMI ASD
    CD: Chant du Monde CDM LDC 278 389 - Aufnahme: 1962-68 - 1 CD


    2. Semero Ich, Skythische Suite, Symphonie Nr. 1 "Symphonie Classique", Klavierkonzert Nr. 1 D-dur
    Dir.: Karel Ancerl
    CD: Praga PR 254 004 - Aufnahme: 1960-66 - 1 CD


    Die Rozhdestvensky-Einspielung, die ich selbst nur als Radio-Mitschnitt auf Kassette, also auch noch nicht als CD besitze, finde ich sowohl interpretatorisch als auch klanglich hervorragend und sehr mitreißend. Die Ancerl-Aufnahme kenne ich nicht. Ob die CDs im Handel erhältlich sind, entzieht sich im Augenblick meiner Kenntnis. Da mußt Du eben mal bei jpc, amazon oder anderen Anbietern des Versandhandels auf die Suche gehen.


    Viel Erfolg und herzliche Grüße
    Johannes

    Hallo Karsten,


    oje, oje, nach Deiner Beschreibung der Solti-Interpretation werde ich wohl doch nicht um eine Bestellung der CD- bzw. der DVD-Ausgabe herumkommen. Bei den anderen Opern (insbesondere bei 'Elektra') ist er ohnehin meine erste Wahl.


    Beste Grüße
    Johannes

    Hallo allerseits,


    bezüglich meiner "magischen Momente" mit hohem Gänsehaut- / Rührungsfaktor möchte ich zunächst einige Szenen aus deutschsprachigen Opern des frühen 20. Jahrhunderts nennen:


    Franz Schreker (1878-1934): Der ferne Klang - Oper in 3 Aufzügen 1901-10
    3. Akt, 11. Szene: Vogelstimmenkonzert (Orchester); Fritz: "Mir ist so seltsam zumut!"
    3. Akt, 15. Szene: Schlußduett Grete / Fritz: "Hast du mir verziehn?"


    Erich Wolfgang Korngold (1897-1957): Das Wunder der Heliane - Oper in 3 Akten, opus 20 1924-26
    2. Akt, 3. Szene: Verteidigungsarie der Heliane: "Ich ging zu ihm"
    3. Akt, 3. Szene: Auferweckung des Fremden (Orchester); Volk: "Seht! Seht ihn! Den Toten!"
    3. Akt, 4. Szene: Schlußduett Heliane / Der Fremde: "Am siebten Tore nun"


    Richard Strauss (1864-1949): Die Frau ohne Schatten - Oper in 3 Akten, opus 65 1914-18
    3. Akt: Schlußquartett Barak / Kaiser / Kaiserin / Färberin: "Nun will ich jubeln, wie keiner gejubelt"


    Richard Strauss (1864-1949): Daphne - Bukolische Tragödie in 1 Akt, opus 82 1936/37
    Verwandlung der Daphne in den Baum Daphne (Orchester); Daphne: "Ich komme - ich komme - grünende Brüder"


    Eugen d' Albert (1864-1932): Die toten Augen - Eine Bühnendichtung in 1 Vorspiel, 1 Akt und 1 Nachspiel 1912/13
    Akt: Heilung von Myrtocles Blindheit: "Ja! Wenn Sehnsucht und Hoffnung schon Glaube ist!"
    Akt: Myrtocle blendet ihre Augen in der Sonne: "O wär ich noch das unwissende blinde Kind"


    Rudi Stephan (1887-1915): Die ersten Menschen - Oper in 2 Aufzügen 1914
    2. Akt, 7. Szene: Erschlagung Chabels durch Kajin; Chabel: "Das ... Leben ... mir gabst du ... heut Nacht ... mein Gott - !"


    Alexander von Zemlinsky (1871-1942): Eine florentinische Tragödie - Oper in 1 Aufzug, opus 16 1915/16
    Liebesduett Guido / Bianca: "Komm mit dem jüngsten Frührot."


    Erwin Schulhoff (1894-1942): Plameny (Flammen) - Musikalische Tragikomödie in 2 Akten zu 10 Bildern, opus 68 1927-29
    1. Akt, 4. Szene: Chimäre. Schatten: "Sonnenräume, Ewigkeit. Und der Menschen glühend Herz ..."


    Ferruccio Busoni (1866-1924): Doktor Faust - Dichtung für Musik in 2 Vorspielen, 1 Zwischenspiel und 3 Hauptbildern 1916-24 (Fassung von Philipp Jarnach 1925)
    3. Hauptbild: Fausts Schlußmonolog und Tod: "Hilf, Sehnsucht, Urzeugerin, zwingende, erfüllende Kraft"


    Walter Braunfels (1882-1954): Die Vögel - Lyrisch-phantastisches Spiel in 1 Prolog und 2 Aufzügen, opus 30 1913-19
    2. Akt (Beginn): Duett Hoffegut / Nachtigall: "Ah, ah! Narzissus, zitterst du im Licht?"



    Und nun noch ein paar "magische Momente" aus anderssprachigen Opern:


    Ralph Vaughan Williams (1872-1958): The Pilgrim' s Progress - Eine Moralität in 1 Prolog, 4 Akten und 1 Epilog 1921-49
    1. Akt, 2. Szene: The House Beautiful. Pilgrim: "Save me! Save me, Lord!"
    4. Akt, 2. Szene: The Shepherds of the Delectable Mountains. 1st Shepherd: "Who so dwelleth under the defence of the Most High"


    Gustav Holst (1874-1934): Savitri - Eine Episode aus dem Mahabharata / Kammeroper in 1 Akt, opus 25; H 96 1908
    "Liebes-"Duett Savitri / Death: "Savitri! I am Death. I am the law that no man breaketh ..." -
    Savitri: "Welcome, Lord! Thou art called the Just One"


    Béla Bartók (1881-1945): A Kékszakállú Herceg Vára (Herzog Blaubarts Burg) - Oper in 1 Akt, opus 11; Sz 48 1911
    Öffnung der 5. Tür: Blaubarts Reich
    Öffnung der 7. Tür: Blaubarts frühere Frauen


    Albéric Magnard (1865-1914): Guercoeur - Lyrische Tragödie in 3 Akten und 5 Bildern, opus 12 1897-1901
    3. Akt: Die Hoffnung, 3. Szene. Tröstung Guercoeurs = Schlußquartett der Göttinnen Vérité, Bonté, Beauté, Souffrance: "Oublie à jamais l' angoisse passagère!"


    Noch viele schöne magische Momente wünscht
    Johannes

    Hallo Theophilus,


    natürlich hast Du absolut Recht, daß die Kantate 'Alexander Newsky' (nach der gleichnamigen Filmmusik) von Prokofiew in die Auflistung mit hinein gehört. Ein monumentales Spektakel ist es auf jeden Fall, ganz besonders der 5. Satz 'Die Schlacht auf dem Eis', in dem so ein Konzerthaus schon mal in seinen Grundfesten erschüttert werden kann. (Meine bevorzugte Aufnahme ist die 1979/80 von Claudio Abbado geleitete mit dem London Symphony Chorus & Orchestra bei DGG.)
    Aber es ist hier nun mal so wie auch in anderen Aufstellungen von Werkfavoriten (z. B. den Lieblings-Opern), daß es recht schnell ins Uferlose geht, wenn man sich nicht doch auf bestimmte Werke beschränkt, die einem persönlich am wichtigsten erscheinen. 'Iwan der Schreckliche' finde ich eben doch etwas abwechslungsreicher als 'Alexander Newsky'.
    Auch bei den englischen Komponisten (insbesondere Ralph Vaughan Williams) hätte ich noch einiges mehr an schönen und beeindruckenden Chorwerken nennen können. Aber vielleicht komme ich bald dazu, ein paar Werke in einzelnen Threads vorzustellen.


    Schöne Grüße
    Johannes

    Hallo Thomas,


    obwohl ich keinerlei Vergleichsaufnahmen hier zu Hause stehen habe, kann ich aber ohne Einschränkung die Gesamtaufnahme (tatsächlich gesamt, weil glücklicherweise ohne die ätzenden Striche, die sich manche Dirigenten erlauben) unter Wolfgang Sawallisch von 1987 (bei EMI) empfehlen. Durchweg gutes bis hervorragendes Sängerensemble (mit Cheryl Studer als Kaiserin, Hanna Schwarz als Amme, Alfred Muff als Barak, auch René Kollo als Kaiser macht eine gute Figur). Was ich allerdings als größte Leistung dieser Einspielung ansehe, ist Sawallischs gleichfalls sehr souveräne wie in den dramatischen Stellen enorm zupackende und fesselnde Interpretation mit dem Chor und SO des BR. Besonders beeindruckend die bei anderen Dirigenten meist gestrichene oder stark gekürzte melodramatische Szene des von der Kaiserin gesprochenen Monologs: "Ach! Mein Liebster starr! Lebendig begraben im eigenen Leib! Erfüllt der Fluch! ...".
    Auch die von Dir gewünschte Klangqualität ist über jeden Zweifel erhaben: Absolut brillantes Klangbild!


    Ich weiß jedoch nicht, ob die Aufnahme im Augenblick erhältlich ist. Ansonsten ist vielleicht Solti auch nicht zu verachten.


    Schöne Grüße
    Johannes

    Hallo Joschi, hallo Alfred,


    besten Dank für die großzügige Erlaubnis, mich hier austoben zu dürfen!
    Da ich eine besondere Vorliebe für große bzw. riesige Besetzungen habe, habe ich eben auf dem Gebiet der Chor-Orchesterwerke an dieser Stelle doch einiges aufzuzählen, was mich stark ekstatisiert.
    Da außer Oratorien und Kantaten anscheinend ebenfalls die Nennung von Requien gestattet ist, nehme ich auch aus dieser Gattung noch einige meiner Lieblingswerke hinzu, sowie am Ende ein paar großartige und äußerst mitreißende Psalm-Vertonungen.


    An allererster Stelle muß ich als Liebhaber der Musik um 1900 das mir am wichtigsten erscheinende Oratorium aus dieser Zeit nennen: Arnold Schönbergs 'Gurrelieder', die einerseits sozusagen den Endpunkt der spätromantischen Musik markieren (mit vielen Anklängen an Wagners Musikdramen) und andererseits (im Sprechgesang des Melodrams im 3. Teil) auf die Moderne des 20. Jahrhunderts vorausweisen. Darüber hinaus handelt es sich wohl um das am größten besetzte Oratorium: mit 5 Solisten, 1 Sprecher, mehreren Chören (mindestens 500 SängerInnen) und mindestens 150 Orchestermitgliedern. Jedoch nicht nur in der Quantität ist das Stück aufsehenerregend, sondern auch in seiner melodischen Erfindung und der höchst differenzierten wie raffinierten Orchestrierung hat das Werk einiges zu bieten. Und wer einmal eine Aufführung dieses zweistündigen Kolosses im Konzert erlebt hat (ich durfte bereits viermal in den Genuß kommen, einmal davon unter Abbados Leitung), wird nachvollziehen können, welch enorme Wirkung insbesondere der Schlußgesang mit allen Chören samt Orchester hat, der einen der strahlendsten und mächtigsten Sonnenaufgänge der Musikgeschichte zum Klingen bringt.


    Auch viele andere der hier genannten, den meisten Klassikhörern wahrscheinlich kaum bekannten Chorwerke haben ähnlich mitreißende und berauschende Qualitäten (Vítezslav Nováks 'Der Sturm', Sergej Prokofiew, Florent Schmitt, Max Reger, William Walton). Andere wiederum sind erfüllt von einer solch ungeheuren berührenden emotionalen Tiefe, daß man es kaum glauben kann, daß diese Musiken nicht aufgeführt werden (Lili Boulangers Psalmvertonungen, Ralph Vaughan Williams, Frederick Delius u. a.).



    I. Oratorien / Kantaten:


    Arnold Schönberg (1874-1951):
    Gurrelieder - Oratorium in 3 Teilen für Sopran, Mezzosopran, 2 Tenöre, Baß, Sprecher, 3 vierstimmige Männerchöre, achtstimmigen gemischten Chor und großes Orchester 1900-11


    Ralph Vaughan Williams (1872-1958):
    - An Oxford Elegy für Sprecher, kleinen gemischten Chor und Kammerorchester 1947-49
    - Sancta Civitas - Oratorium für Tenor, Bariton, Halbchor, Fernchor, gemischten Chor, Orgel und Orchester 1923-25


    Vítezslav Novák (1870-1949):
    Boure (Der Sturm) - Eine Meer-Fantasie für Soli, gemischten Chor und Orchester, opus 42 1908-10
    (Leitung: Zdenek Kosler)


    Sergej Prokofiew (1891-1953):
    - Ivan Grosnyi (Iwan der Schreckliche) - Oratorium für Mezzosopran, Bariton, Sprecher, gemischten Chor und Orchester 1942-45 (Arr. von Abram Stasewitsch 1961)
    - Semero Ich (Sieben, es waren ihrer sieben) - Kantate für Tenor, gemischten Chor und Orchester, opus 30 1917/18
    - Kantate zum 20. Jahrestag der Oktoberrevolution in 10 Sätzen für Sprecher, 2 gemischte Chöre, Akkordeon-, Blechläser-, Schlagzeug-Ensemble und Orchester, opus 74 1936/37


    Howard Ferguson (1908-1999):
    The Dream of the Rood - Kantate für Sopran / Tenor, gemischten Chor und Orchester, opus 19 1958/59


    Sergej Rachmaninow (1873-1943):
    Kolokola (Die Glocken) - Kantate für Sopran, Tenor, Bariton, gemischten Chor und Orchester, opus 35 1913


    Gustav Holst (1874-1934):
    - The Cloud Messenger - Ode für Alt, gemischten Chor, Orgel und Orchester, opus 30; H 111 1909/10
    - The Hymn of Jesus für Frauenhalbchor, 2 gemischte Chöre, Orgel und Orchester, opus 37; H 140 1917


    Frederick Delius (1862-1934):
    A Song of the High Hills für gemischten Chor (textlos) und Orchester 1911


    Sir Williams Turner Walton (1902-1983):
    Belshazzar' s Feast für Bariton, gemischten Chor, Orgel und Orchester 1930/31


    Hans Pfitzner (1869-1949):
    Von deutscher Seele - Eine romantische Kantate in 3 Teilen (Eichendorff-Kantate) für S, A, T, B, gemischten Chor, Orgel und Orchester, opus 28 1920/21


    Aarre Merikanto (1893-1958):
    Genesis für Sopran, gemischten Chor und Orchester 1955/56


    Alexander Scriabin (1872-1915):
    Mysterium (daraus: Acte Préalable) - (Fragment) 1914/15



    II. Requien:


    Maurice Duruflé (1902-1986):
    Requiem für Mezzosopran, Bariton, gemischten Chor, Orgel und Orchester, opus 9 1947


    Herbert Howells (1892-1983):
    Hymnus Paradisi - Requiem für Sopran, Tenor, gemischten Chor, Orgel und Orchester 1936-38


    Hector Berlioz (1803-1869):
    - Grande Messe des Morts - Requiem für Tenor, gemischten Chor und Orchester, opus 5 1837
    - Te Deum für Tenor, Knabenchor, 2 gemischte Chöre, Orgel und Orchester, opus 22 1848/49


    Max Reger (1873-1916):
    - (Lateinisches) Requiem für S, A, T, B, gemischten Chor und Orchester (opus 145) 1914 (unvollendet)
    - Requiem für Alt / Bariton, gemischten Chor und Orchester, opus 144 b 1914/15



    III. Psalm-Vertonungen:


    Florent Schmitt (1870-1958):
    Psaume 47 für Sopran, gemischten Chor, Orgel und Orchester, opus 38 1904
    (Leitung: Jean Martinon, EMI)


    Lili Boulanger (1893-1918):
    - Du Fond de l' Abîme (Psaume 130) für Alt, Tenor, gemischten Chor, Orgel und Orchester 1914-17
    - Psaume 24 für gemischten Chor, Orgel, Blechbläser, Harfe und Pauken 1916
    - Psaume 129 für Bariton, gemischten Chor und Orchester 1916
    (!alle drei Werke nur unter Leitung von Igor Markevitch, EMI oder Yan Pascal Tortelier, Chandos!)


    Alexander von Zemlinsky (1871-1942):
    Psalm 13 für gemischten Chor, Orgel und Orchester, opus 24 1935
    (Leitung: Riccardo Chailly, Decca)


    Max Reger (1873-1916):
    Psalm 100 für gemischten Chor, Orgel und Orchester, opus 106 1908/09


    Beste Grüße
    Johannes

    Hallo Joschi,


    eine Frage ganz nach meinem Geschmack! Nur wüßte ich vor der Beantwortung noch gerne, ob man definitiv nur Oratorien angeben darf oder ob auch die Nennung von Kantaten erlaubt ist. Soweit ich weiß, ist eine eindeutige Abgrenzung der beiden Begriffe sehr schwierig, d. h. die Grenzen sind fließend. Außerdem ist es mir persönlich ziemlich egal, ob eines meiner Lieblingswerke mit der Besetzung für Solisten, Chor und Orchester die Bezeichnung 'Oratorium' oder 'Kantate' trägt.
    Und, soll es eine mengenmäßige Beschränkung geben?


    Gruß
    Johannes

    Hallo Alfred,


    schön, daß es jetzt auch einen Thread über dieses wundervolle Label gibt.
    Seit ich Klassik höre und ganz besonders, seit ich die englischen Komponisten kennen und lieben gelernt habe, ist 'Chandos' genau wie 'Hyperion' aus meiner Sammlung nicht mehr wegzudenken!


    Bestimmte Serien des Labels sammle ich nicht.
    Was ich aus dem bekannteren Repertoire sehr empfehlen kann, ist die Gesamtaufnahme der Prokofiew-Symphonien als auch 'Eine Alpensymphonie' von Richard Strauss jeweils unter Leitung von Neeme Järvi. (Äußerst massive, blechbläserbetonte Interpretationen!)


    Was ich aber auch absolut großartig finde, daß man bei Chandos so richtig auf Entdeckungsreise gehen kann, z. B.:


    Rued Langgaard: Symphonie Nr. 1 "Klippenpastorale" (das reife Meisterwerk eines ca. 15-jährigen Spätromantikers; Leitung: Leif Segerstam),
    Lili Boulanger: 'Faust et Hélène'-Kantate, Orchester- und Chorwerke (Yan Pascal Tortelier),
    Reinhold Glière: Symphonie Nr. 3 "Ilya Murometz" (unter Edward Downes),
    Paul Dukas: La Péri, L' Apprenti Sorcier (Yan Pascal Tortelier),
    Erich Wolfgang Korngold: 'Sinfonietta' und 'Sursum Corda' (Matthias Bamert).


    Im englischen Repertoire sind es vor allem die im frühen 20. Jahrhundert noch ganz spätromantisch und klangschön komponierenden Tonschöpfer, die ich hauptsächlich durch Chandos kennenlernen durfte:


    Gustav Holst: The Cloud Messenger - Kantate, The Hymn of Jesus (Richard Hickox)
    Howard Ferguson: The Dream of the Rood - Kantate u. a. (Richard Hickox)
    John Ireland: Orchester- und Chorwerke: These Things Shall Be u. a. (Richard Hickox)
    Herbert Howells: Hymnus Paradisi & Missa Sabrinensis (Gennady Rozhdestvensky)
    Frank Bridge: Orchesterwerke Vol. I-V (Richard Hickox)
    usw.


    Abgesehen von den enormen Entdeckerqualitäten finde auch ich die Aufmachung sehr ansprechend, gleichfalls die hervorragende Aufnahmequalität, die speziell bei meinen angeführten Werken äußerst bombastisch, aber gleichzeitig auch sehr brillant und klangschön daherkommt. Ein exzellentes Klangbild, das ich sonst nur von 'Hyperion' kenne.


    Herzliche Grüße
    Johannes

    Hallo Radagast,


    also ich würde sowohl Debussys 'L' Enfant Prodigue' als auch Lekeus 'Andromède' jeweils zu den Kantaten zählen und nicht zur Gattung Oper. Debussy nennt sein Werk im Untertitel zwar 'Lyrische Szene', komponiert hat er es allerdings als sogenannte Rom-Kantate für den 'Prix de Rome'-Wettbewerb. Für eine szenische Aufführung war das Stück anscheinend nicht geplant. Genauso verhält es sich bei der 'Andromède'-Kantate.


    Toll, daß Du den beeindruckenden Lekeu kennst! Ich bin immer wieder fasziniert und ergriffen von der emotionalen Tiefe und Melancholie des leider so früh verstorbenen Komponisten (1870-1894). Kennst Du auch die Orchester-, Kammermusikwerke und Lieder? Kann ich nur empfehlen.
    Auch unsere Übereinstimmung in Sachen Strauss, Zemlinsky und Schreker finde ich bemerkenswert. Wie steht es denn mit Deiner Begeisterungsfähigkeit für den 'Fernen Klang'? (Ist mein persönlicher Favorit bei Schreker.)


    Schöne Klänge
    Johannes

    Hallo,


    Nachschlagewerke / Musiklexika nutze ich vor allem zur Erstellung von Komponisten-Werkverzeichnissen, allerdings nur in Bibliotheken. (Anschaffung zu teuer.)
    Die mir wichtigsten und ausführlichsten sind:


    Musik in Geschichte und Gegenwart - MGG
    The New Grove
    Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters: Oper - Operette - Musical - Ballett
    Komponisten der Gegenwart (KdG); Text und Kritik


    Johannes

    Liebe Taminos,


    unter meinen zehn Lieblings-Dirigenten befinden sich - bedingt durch das recht ausgefallene Repertoire, das ich bevorzuge - auch einige kaum bis gar nicht genannte Orchesterleiter, die jenseits jeglichen Starrummels bewundernswerte Pionierarbeit geleistet haben:


    Sir Georg Solti
    Riccardo Muti (70-er / 80-er Jahre)
    Claudio Abbado
    André Previn
    Vladimir Ashkenazy
    Neeme Järvi
    Richard Hickox
    Vernon Handley
    Leif Segerstam
    Gerd Albrecht


    Wenn ich noch weitere Dirigenten nennen dürfte, wären außerdem z. B. Bernard Haitink, Pierre Boulez (60-er / 70-er Jahre), Michel Plasson, Riccardo Chailly, Gennady Roshdestvensky und Israel Yinon mit dabei.


    Schöne Grüße
    Johannes

    Hallo an die Liebhaber schöner Klänge,


    Schöne oder erhabene Musik zum Genießen gibt es im 20. Jahrhundert, finde ich, massig. Und zwar ganz besonders von britischen Komponisten, von denen bis auf zwei, drei Ausnahmen in diesem Thread noch kein Name genannt wurde:


    - Ralph Vaughan Williams (1872-1958):
    Symphonie Nr. 7 "Sinfonia Antartica" 1949-52
    Five Mystical Songs für Bariton, gemischten Chor und Orchester 1911
    On Wenlock Edge -Liederzyklus für Tenor und Orchester 1923
    Sancta Civitas - Oratorium für Tenor, Bariton, Halbchor, Fernchor, gemischten Chor, Orgel und Orchester 1923-25
    Flos Campi - Suite für Viola, kleinen gemischten Chor (textlos) und Kammerorchester 1925
    Serenade to Musik für 4 Soli, gemischten Chor und Orchester 1938
    An Oxford Elegy für Sprecher, kleinen gemischten Chor und Kammerorchester 1947-49
    Hodie (This Day) - Eine Weihnachtskantate 1953/54
    The Pilgrim' s Progress - Eine Moralität in 1 Prolog, 4 Akten und 1 Epilog 1921-49
    und viele, viele andere


    - Gustav Holst (1874-1934):
    The Evening-Watch - Motette für gemischten Chor a capella, opus 43 Nr. 1; H 159 1924
    The Cloud Messenger - Ode für Alt, gemischten Chor und Orchester, opus 30; H 111 1909/10
    The Hymn of Jesus für Frauenhalbchor, 2 gemischte Chöre, Orgel und Orchester, opus 37; H 140 1917


    - Sir Granville Bantock (1868-1946):
    Hebridean Symphony 1913
    Celtic Symphony für Streichorchester und 6 Harfen 1940
    Song of Songs - Oratorium in 5 Teilen für 6 Soli, gemischten Chor und Orchester 1921-26


    - Sir Arnold Bax (1883-1953):
    Spring Fire - Symphonie 1913
    Symphonische Dichtungen
    Symphonie Nr. 2 e-moll & C-dur 1924-26 u. a.
    Mater Ora Filium für gemischten Chor a capella 1921


    - Frederick Delius (1862-1934):
    A Song of the High Hills für gemischten Chor und Orchester 1911
    Requiem für Sopran, Bariton, gemischten Chor und Orchester 1914-16
    Hassan - Bühnenmusik für Tenor, Bariton, gemischten Chor und Kammerorchester 1920-23


    - Herbert Howells (1892-1983):
    Paradise Rondel für Orchester 1925
    King' s Herald für Orgel und Orchester 1937
    Hymnus Paradisi - Requiem für Sopran, Tenor, gemischten Chor, Orgel und Orchester 1936-38


    - John Ireland (1879-1962):
    Greater Love Hath No Man - Motette für Soli, gemischten Chor, Orgel und Orchester 1924
    These Things Shall Be - Kantate für Bariton / Tenor, gemischten Chor, Orgel und Orchester 1937


    - Sir Arthur Bliss (1891-1975):
    Lie Strewn the White Flocks - Pastorale für Mezzosopran, gemischten Chor und Kammerorch., opus 46 1928
    Adam Zero - Ballett in 1 Bild für Orchester, opus 67 1946
    Things to Come - Filmmusik für Orchester, opus 53 1934/35


    - Cyril Scott (1879-1970):
    Symphonie Nr. 3 "The Muses" 1937
    Neptune - Meeresgedicht für Orchester 1933


    - Howard Ferguson (1908-1999):
    The Dream of the Rood - Kantate für Sopran / Tenor, gemischten Chor und Orchester, opus 19 1958/59


    - Sir Herbert Hamilton Harty (1879-1941):
    In Ireland - Fantasie für Orchester 1935
    The Children of Lir - Symphonische Dichtung für Sopran und Orchester 1938


    - Patrick Hadley (1899-1973):
    The Trees so High - Symphonische Ballade a-moll für Bariton, gemischten Chor und Orchester 1931


    Und das war nur eine kleine Auswahl. Wie man aber anhand dieser Aufzählung bereits sehen kann, gibt es aus England eine solche Fülle von absolut unproblematisch zu hörenden Werken, die aber seltsamerweise gerade im deutschsprachigen Raum fast völlig ignoriert werden.


    Von den nicht-englischen Komponisten, die im 20. Jahrhundert gleichermaßen schöne, genießbare Musik geschrieben haben, fallen mir gerade ein:


    Kurt Atterberg (1887-1974): Symphonien Nr. 1-9;
    Erich Wolfgang Korngold (1897-1957): Das Wunder der Heliane - Oper in 3 Akten 1924-26, Anthony Adverse - Filmmusik 1936, The Adventures of Robin Hood - Filmmusik 1938;
    Joseph Marx (1882-1964): Herbst-Symphonie H-dur 1920/21, Natur-Trilogie für Orchester 1922/25, Klavierkonzerte Nr. 1 (1916-19) & Nr. 2 (1929/30);
    Sergej Prokofiew (1891-1953): Romeo und Julia - Ballett in 4 Akten, opus 64 (1935/36);
    Sergej Rachmaninow (1873-1943): Klavierkonzert Nr. 4 g-moll, opus 40 (1926), Paganini-Rhapsodie, opus 43 (1934), Symphonische Tänze für Orchester, opus 45 (1940);
    Maurice Ravel (1875-1937): Daphnis et Chloé - Ballett für gemischten Chor und Orchester 1909-12, L' Enfant et les Sortilèges - Oper 1920-25;
    Ottorino Respighi (1879-1936): La Sensitiva für Mezzo und Orchester 1914, Concerto Gregoriano für Violine und Orchester 1921, Poema Autunnale für Violine und Orchester 1920-25, Belkis, Regina di Saba - Ballett 1930/31;
    Othmar Schoeck (1886-1957): Lebendig begraben - 14 Gesänge für Baß / Bariton, gem. Chor, Orgel und Orchester, opus 40 (1926);
    Arnold Schönberg (1874-1951): Gurrelieder - Oratorium in 3 Teilen 1900-11;
    Richard Strauss (1864-1949): Vier letzte Lieder für Sopran und Orchester 1946-48, Daphne - Oper in 1 Akt, opus 82 (1936/37);
    Alexander von Zemlinsky (1871-1942): Lyrische Symphonie in 7 Gesängen für Sopran, Bariton und Orchester, opus 18 (1922).


    Einen schönen Ohrenschmaus wünscht
    Johannes

    Hallo Alfred,


    vielen Dank, daß Du diesen Thread über den so sträflich und völlig zu Unrecht vernachlässigten Magnard eröffnet hast.
    Ja, ein klein wenig habe ich mich schon mit ihm beschäftigt, am intensivsten allerdings mit seiner zweiten Oper 'Guercoeur', die in einer hervorragenden EMI-Einspielung von 1986 unter Leitung von Michel Plasson 1987/88 herauskam, nach wenigen Jahren aber wieder gestrichen wurde und seither (in Deutschland) nicht wieder aufgetaucht ist.
    Die vier Symphonien besitze ich gleichfalls in der soliden Einspielung des Orchestre du Capitole de Toulouse unter Michel Plasson auf EMI, die außerdem drei weitere Orchesterwerke, eine Ouvertüre, 'Chant Funèbre' und 'Hymn à la Justice' enthält; ich kenne jedoch keine anderen Interpretationen, so daß mir die Vergleichsmöglichkeiten fehlen.
    Das gleiche Schicksal wie die Opern-Aufnahme ereilte auch die 1983-87 entstandene Gesamtaufnahme der Kammermusik, samt Klavierwerken und Liedern, mit dem Artis Quartett Wien u. a. des Labels Accord auf 5 CDs. (Diese besitze ich leider nicht.)


    Was Musiklexika betrifft, so geben zumindest die zwei größten, das 'MGG' (Musik in Geschichte und Gegenwart) und 'The New Grove' Auskunft über die wichtigsten Lebensstationen und listen das komplette Werkverzeichnis auf. Sogar Pipers fünfbändige Enzyklopädie des Musiktheaters behandelt auf eineinhalb Seiten recht ausführlich die Oper 'Guercoeur'.


    Um den Lesern dieses Forums ein wenig Appetit auf diesen wunderbaren Komponisten zu machen, möchte ich versuchen, einige Charakterzüge seines Wesens wie seiner Musik darzustellen:


    Lucien Denis Gabriel Albéric Magnard (* 09.06.1865 Paris, F; † 03.09.1914 Baron, F)


    Charakterzüge Magnards:
    Nach ersten Aufführungserfolgen seiner Werke, Anfang der 1890-er Jahre, zieht sich Magnard mehr und mehr von der Öffentlichkeit zurück, versagt sich den Spielregeln des verhaßten hektischen Pariser Musiklebens. Er weigert sich, für Aufführungen seiner Werke die notwendige Reklame zu machen, pflegt weder Bekanntschaften noch Freundschaft, außer mit dem langjährigen Freund und Komponistenkollegen Joseph Guy Ropartz (1864-1955). 1908 kehrt er Paris endgültig den Rücken und zieht sich in die Provinz auf sein altes Landhaus in Baron zurück. Sein Leben lang war er Atheist, ließ sich weder kirchlich trauen noch seine Kinder taufen.
    Sein Wesen ist gekennzeichnet von Kompromißlosigkeit gegen sich selbst und andere, ungestümem Temperament, Eigenbrödlertum und Unbedingtheit im eigenen Standpunkt, manchmal auch einer gewissen Grobheit. Die Zeitgenossen haben darunter zu leiden. Im scheinbaren Widerspruch zu diesen Ausfälligkeiten steht sein Werk (Kammermusik, drei Opern, Lieder, Orchesterwerke), das zum feinsten und vitalsten der französischen Musik vor dem 1. Weltkrieg gehört.


    Charakterisierung von Magnards Musik:
    Wie Du in Deinem Beitrag bereits bemerkt hast, kann man nur schwer irgendwelche Parallelen zu anderen Komponisten ziehen, was die Eigenständigkeit von Magnards musikalischem Stil unterstreicht! Auch ich bin der Meinung, daß kaum etwas in seinen Werken an Mahler erinnert.
    Schüler Théodore Dubois', Jules Massenets und Vincent d' Indys gehört er zu den lange Zeit wenig beachteten Randfiguren des französischen Fin de siècle zwischen "Wagnerismus" und "Impressionismus".
    Besonders durch den Unterricht bei d' Indy bekommt der Strukturfanatiker Magnard für seine Kunst das nötige Rüstzeug: Gründliche Kenntnis des Kontrapunkts und der Fugenarbeit, zyklische Anlage und weitgespannte Entwicklungsbögen.
    Der polyphone Stil ist ein bevorzugtes Ausdrucksmittel in nahezu allen seinen großen Werken. Fugen markieren den Brennpunkt dramatischer Entwicklung im Kopfsatz der 3. und im Finale der 4. Symphonie, im 1. Satz des Quintetts d-moll für Holzbläser und Klavier und der Cellosonate, in den Außensätzen der Violinsonate und ein regelrechtes Feuerwerk einer Doppelfuge im Klaviertrio f-moll, opus 18 (1904).


    Anhand der 1. und der 2. Symphonie sowie der Opern möchte ich noch weitere Besonderheiten in Magnards Musik beleuchten.


    Symphonie Nr. 1 c-moll , opus 4 1890 (Vincent d' Indy gewidmet):
    Die Erste gilt als ein - bei allen genialen Zügen - noch nicht voll ausgereiftes Werk, zu komplex in ihrem Überreichtum an Themen - verschlungen - wuchernd - dunkel. Doch der Elan, mit dem sich Magnard zu Wort meldet, lassen die Einwände verstummen.
    Immer wieder wird in Magnards Werken ein Kampf ausgefochten, auf der einen Seite steht: die irdische Not, auf der anderen: jenseitige Vision.
    Daß ausgerechnet die Musik eines Skeptikers, eines bekennenden Antireligiösen durchaus religiös-utopische Züge trägt, das ist ein Widerspruch, der so recht zu ihrem Verfasser paßt. Und immerhin hat Magnard selbst den abgehobenen (2.) langsamen Satz der 1. Symphonie mit 'Religioso' überschrieben. Sein Beginn, mit der ungewöhnlichen Kombination zweier Klarinetten und dreier Saxophone in unterschiedlichen Lagen, weckt unweigerlich Assoziationen zu Orgel- oder Harmonium-Klängen.


    Ein religiöses Motiv kommt auch in allen seinen drei Opern zum Vorschein. Es ist eine dramatische Grundkonstellation, die in 'Yolande' (dem teilweise verschollenen einaktigen Opernerstling von 1889-91) bereits angelegt ist und in den beiden folgenden großen dreiaktigen Opern 'Guercoeur' (1897-1901) und 'Bérénice' (1905-09) vertieft wird: Es geht um Verzicht, um Überwindung der eigenen Wünsche und Sehnsüchte im Hinblick auf ein höheres oder um anderen das Heil zu ermöglichen.


    Symphonie Nr. 2 E-dur, opus 6 1893:
    Die zweite Symphonie, in der leuchtenden Tonart E-dur geschrieben, von sehnsüchtiger Freude durchzogen, ist eines seiner lichtesten, sommerlichsten Werke. Der komponierte Atem ist länger, entspannter geworden. Die melodischen Bögen gewinnen eine Weite, die den Himmel zu erreichen scheint. Der Satz ist geprägt von energetisch vibrierender Klarheit.
    Im Zentrum, ein groß angelegter Variationssatz 'Chant Varié' (3.) in ätherischem Fis-dur. Ein aus den Blasinstrumenten aufsteigender Akkord, eine der Wunderschöpfungen des Harmonikers Magnard, aus dem sich eine nicht enden wollende Melodie löst. Dieses Element der unendlichen Melodie ist eine der wenigen, aber charakteristischen Gemeinsamkeiten mit dem Stil Richard Wagners, der in der Oper 'Guercoeur' noch deutlicher zum Vorschein kommt.
    Diese werde ich aber in einem separaten Thread in der Rubrik 'Vokalmusik' näher vorstellen.


    Viel Freude bei der Entdeckung dieses wahrhaft großen Komponisten.
    Johannes

    Hallo Claus,


    vielen Dank für diese Neuigkeit. Na, das wäre ja großartig, wenn es von 'Die ersten Menschen' bald noch eine weitere Aufnahme gäbe. Weißt Du denn nähere Einzelheiten (Sänger, Orchester, Dirigent) bzw. hast Du den Mitschnitt im Radio gehört?


    Johannes

    Hallo Theophilus,


    vielen Dank für Deine Empfehlung der 'Nase'-Einspielung! Die werde ich mir für eine der nächsten Bestellungen vormerken.
    Mit Deiner Vermutung, daß Du Dich aufgrund mangelnder Beschäftigung noch nicht so richtig für die Schrecklinskys begeistern kannst, hast Du, denke ich, Recht. Mir ist es schon ab und zu so gegangen, wenn mir ein Werk nicht auf Anhieb gefallen hat, daß sich dies nach mehrmaligem Hören vollkommen geändert hat. In Sachen des von Dir erwähnten Alban Berg gibt es bei mir auch noch etwas nachzuholen.
    Natürlich ist das Ganze außerdem ein Zeitproblem. Man kann nun mal leider nicht alles, was jemals komponiert wurde, hören bzw. kennen, selbst wenn man sich 24 Stunden am Tag und an allen Tagen der Woche von Musik berieseln ließe.


    Im Falle von Rudi Stephans Oper 'Die ersten Menschen' gab es bis jetzt so gut wie noch keine Gelegenheit, sie auf Tonträger kennenzulernen. (Aufführungen gibt es leider auch höchst selten.) Es existieren nur zwei Aufnahmen, von denen die erste - eine Radio-Einspielung des HR von 1952 unter Winfried Zillig - alle zwanzig Jahre einmal im Rundfunk gesendet wird, und die zweite von 1998 unter Karl Anton Rickenbacher noch nicht auf CD erschienen ist, jedoch dieses Jahr beim Label CPO herauskommen soll, wobei ich aber nach wie vor die alte Aufnahme wegen der hervorragenden Sänger (Otto von Rohr, Erna Schlüter, Franz Fehringer und Ferdinand Franz) bevorzuge.


    Johannes

    Hallo Theophilus,


    vielen Dank für Dein nettes Interesse.
    Die Frage, ob mir Schostakowitschs Oper 'Die Nase' gefallen wird, möchte ich nicht von vorn herein verneinen, nur weil sie eine Satire ist. So kategorisch bin ich in meiner Außerachtlassung der Komik denn doch nicht. Wie mir mittlerweile wieder eingefallen ist, habe ich vor ein paar Jahren bereits einzelne Ausschnitte aus einer Suite daraus gehört und fand sie recht interessant, insbesondere ein Instrumentalzwischenspiel, in dem ausschließlich die Schlagzeuggruppe spielt. Kennst Du eine empfehlenswerte Einspielung der Oper?


    Tja, und der Korngold hat's mir schon sehr angetan. Auch die frühen Werke des Wunderkindes Korngold möchte ich auf keinen Fall missen. Zur Zeit der Komposition der von Dir erwähnten 'Violanta' war er zwar kein Kind mehr, trotzdem finde ich diesen Einakter auch für einen Siebzehn- bis Neunzehnjährigen sehr beachtlich und bezaubernd. In meine Auflistung habe ich ihn aber dennoch nicht mehr aufgenommen, weil ich in den Nachfolgern 'Die tote Stadt' und mehr noch 'Das Wunder der Heliane' einen bedeutenden Qualitätssprung sehe und ich die Aufzählung nicht uferlos werden lassen wollte.
    Deinem Profil habe ich entnommen, daß Dein musikalisches Interesse bis zur Spätromantik reicht. Bist Du da auch (gerade) noch empfänglich / begeisterungsfähig für die Komponisten des Übergangs von der Spätromantik zur Moderne wie Korngold, Schreker, Zemlinsky, Stephan usw. und was kennst Du davon?


    Johannes

    Hallo, Liebhaber vokaler Klänge,


    nun möchte auch ich ein paar Empfehlungen für faszinierende Chorwerke a capella und deren gelungene Einspielung geben.


    Einer meiner absoluten Lieblingskomponisten aus Great Britain - Ralph Vaughan Williams - hat im Lauf seines Lebens sehr viel englisches Volksliedgut und Weihnachtslieder gesammelt und für Chor arrangiert. Eine sehr schöne Auswahl aus diesem Schaffen sowie ein paar Eigenkompositionen finden sich auf der von dem kleinen aber feinen Label Hyperion herausgebrachten CD mit dem Titel:


    Vaughan Williams (1872-1958): Over Hill, Over Dale - Partsongs, Folksongs and Shakespeare Settings
    Ian Bostridge, Tenor; Michael George, Baß; Holst Singers, Stephen Layton
    Aufnahme: London, 02/1995
    Hyperion CDA 66 777


    An Stimmungen findet sich darauf alles, vom beschwingten Volksliedsatz bis zum langsam getragenen Lamento über die verlorene Liebe. Viele der auch harmonisch in noch ganz spätromantisch ungebrochenem Stil gehaltenen Stücke haben einen direkt überirdisch schwebenden Charakter, den das exzellente Chorensemble, the Holst Singers, sehr klangschön zu Herzen gehen läßt. Auch aufnahmetechnisch finde ich die Produktion - wie alles, was ich bisher vom Label Hyperion kennengelernt habe - hervorragend.
    Besonders die Sätze, in denen der für die sensiblen Passagen geradezu prädestinierte, äußerst feinsinnige Tenor Ian Bostridge vom Chor, manchmal mit Text, manchmal nur summend, begleitet wird, haben eine wunderbare balsamisch-beruhigende Wirkung auf den Hörer, z. B. das siebenminütige 'Ca' the Yowes' oder 'Bushes and Briars' oder 'The Spring Time of the Year'. Einfach sterbensschön! Selbst der allseits beliebte Klassiker 'Greensleeves' fehlt nicht auf dieser mit 74 Minuten gut gefüllten und von mir wärmestens empfohlenen CD.



    Wie Vaughan Williams, so hat sich auch sein Komponistenkollege und guter Freund Gustav Holst dem Chorgesang gewidmet. Eines seiner herausragendsten Werke sind die teilweise mit Orchester, teilweise nur mit Harfe begleiteten 'Choral Hymns from the Rig Veda', opus 26; H 97-100 (1908-12). Diese sind auf einer gleichfalls äußerst brillanten Aufnahme, gekoppelt mit der 'Hymn to Dionysus', opus 31 Nr. 2; H 116 (1913) und den 'Two Eastern Pictures', H 112 (1911), beim Label Unicorn erschienen:


    Gustav Holst (1874-1934):
    Choral Hymns from the Rig Veda, Hymn to Dionysus, Two Eastern Pictures
    Royal College of Music Chamber Choir; Osian Ellis, Harfe; Royal Philharmonic Orchestra, Sir David Willcocks
    Aufnahme: London, 12/1984
    Unicorn DKP (CD) 9046


    Auch die 'Choral Hymns from the Rig Veda' beinhalten eine vielseitige Mischung von schönen Gesängen; vom für Holsts Duktus typischen, gravitätisch dahinschreitenden Satz 'To the Unknown God' bis zum in ätherische Höhen entschwebenden 'Funeral Chant' (auch von der Aufnahmetechnik perfekt eingefangen, wie sich der Chor, gleichsam physisch, zum Ende des Stücks immer weiter nach oben hin entfernt).



    Die von Parsif / Rüdiger vor einigen Monaten bereits empfohlene Einspielung des 'Konzert' für gemischten Chor a capella 1984/85 von Alfred Schnittke, mit der Russian State Symphonic Cappella unter Valéry Polyanskys Leitung, findet auch meine uneingeschränkte, begeisterte Zustimmung.


    In gleicher Weise möchte ich eine der ausgezeichnetsten Aufnahmen, die ich je gehört habe, in höchsten Tönen loben, und zwar die vom selben Komponisten stammenden zwölf 'Bußpsalmen', manchmal werden sie auch 'Bußverse' oder 'Bußlieder' genannt, zu englisch 'Psalms of Repentance' für gemischten Chor a capella 1988. Es handelt sich um folgende CD:


    Alfred Schnittke (1934-1998):
    Psalms of Repentance
    Swedish Radio Choir, Tõnu Kaljuste
    Aufnahme: Stockholm, 02/1996
    ECM 1583 / 453 513-2


    Vielleicht auch eine Musik für jene, die sich bisher von Schnittkes polystilistischen, manchmal extrem disharmonischen und schwierigen instrumentalen Werken haben abschrecken lassen. Hier, in den Bußpsalmen, präsentiert sich ein anderer, ein ernstzunehmender geistlicher Komponist, der für die Besetzung Chor deutlich harmonischer und eingängiger schreibt als das meiste seines orchestralen Oevres. Es gibt zwar auch hier einige starke harmonische Reibungen, diese werden jedoch meist gegen Ende eines Satzes bzw. am Schluß des Werkes aufgelöst.
    Die Sätze 1-11 haben Text, nur der 12., der mit Abstand effektvollste, kommt ganz ohne Worte aus, wird teils gesummt, teils auf Vokalisen gesungen. Und hier haben, finde ich, Chor, Dirigent und Aufnahmetechnik ein wahres Wunder vollbracht. In manchen Passagen hat man das Gefühl, daß ein ganzes Orchester spielt, angefangen von den unheimlichen Bässen am Beginn des 12. Satzes, die sich wie Kontrabässe, einige Takte später wie Celli anhören usw. Am größten ist dieser Effekt natürlich mit einer guten Anlage und Boxen mit einem großen Klangvolumen herzustellen.
    Insgesamt ist es eine das Kennenlernen absolut lohnende CD, zwar mit Versen von schwarzer Trauer, jedoch auch einer wahrhaft himmlischen Musik und eine glänzende, dem Rang des Werkes angemessene Einspielung.


    Mit sphärischen Grüßen
    Johannes

    Hallo Theophilus,


    Zitat: <das ist mit Sicherheit die ungewöhnlichste Liste von Lieblingsopern, die mir je untergekommen ist.>


    Vielen Dank für diesen Ausspruch, den ich als wunderbares Kompliment auffasse.
    Der Grund, warum Ravels 'L' Heure Espagnole' in meiner Auflistung nicht dabei ist, liegt darin begründet, daß ich nicht so ein großes Faible für komische Opern habe. Trotzdem mag ich 'Die Spanische Stunde' ganz gern. Hat aber nicht ganz gereicht für meine Opera-Favorites.
    Schostakowitschs erste Oper 'Die Nase' habe ich leider noch nie gehört, deshalb fehlt sie auch hier in der Aufstellung.


    Johannes

    Hallo, Freunde der Oper,


    wie in meiner Neulings-Vorstellung zu lesen, liegt mein Schwerpunkt in der Musik Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Genauso verhält es sich auf dem Gebiet der Oper.
    Zwar befinden sich in der Auflistung auch ein paar allseits bekannte Werke, allerdings liegen mir die wenig gespielten, aber dennoch absolut entdeckenswerten, unterschätzten Opern am meisten am Herzen.
    Ein paar dieser an Opernhäusern fast völlig ignorierten Werke werde ich zu gegebener Zeit jeweils in einem separaten Thread genauer vorstellen, z. B. das von Albéric Magnard (1865-1914) komponierte Meisterwerk mit dem Titel 'Guercoeur', den ich für meinen Forums-Namen gewählt habe.



    Hier aber erst einmal die Aufstellung meiner liebsten Opern:


    Franz Schreker (1878-1934):
    Der ferne Klang - Oper in 3 Aufzügen 1901-10


    Erich Wolfgang Korngold (1897-1957):
    Das Wunder der Heliane - Oper in 3 Akten, opus 20 1924-26
    Die tote Stadt - Oper in 3 Akten, opus 12 1916-19


    Ralph Vaughan Williams (1872-1958):
    The Pilgrim' s Progress - Eine Moralität in 1 Prolog, 4 Akten und 1 Epilog 1921-49 (rev. 1951/52)
    Hugh the Drover or Love in the Stocks - Eine romantische Balladen-Oper in 2 Akten 1910-14


    Richard Strauss (1864-1949):
    Elektra - Tragödie in 1 Aufzug, opus 58 1906-08
    Die Frau ohne Schatten - Oper in 3 Akten, opus 65 1914-18


    Albéric Magnard (1865-1914):
    Guercoeur - Lyrische Tragödie in 3 Akten und 5 Bildern, opus 12 1897-1901


    Eugen d' Albert (1864-1932):
    Die toten Augen - Eine Bühnendichtung in 1 Vorspiel, 1 Akt und 1 Nachspiel 1912/13


    Rudi Stephan (1887-1915):
    Die ersten Menschen - Oper in 2 Aufzügen 1914


    Gustav Holst (1874-1934):
    Savitri - Eine Episode aus dem Mahabharata / Kammeroper in 1 Akt, opus 25; H 96 1908


    Béla Bartók (1881-1945):
    A Kékszakállú Herceg Vára (Herzog Blaubarts Burg) - Oper in 1 Akt, opus 11; Sz 48 1911


    Karol Szymanowski (1882-1937):
    Hagith - Oper in 1 Akt, opus 25 1912/13
    Król Roger (König Roger) - Oper in 3 Akten, opus 46 1918-25


    Erwin Schulhoff (1894-1942):
    Plameny (Flammen) - Musikalische Tragikomödie in 2 Akten zu 10 Bildern, opus 68 1927-29


    Aarre Merikanto (1893-1958):
    Juha - Oper in 3 Akten, opus 25 1920-22


    Walter Braunfels (1882-1954):
    Die Vögel - Lyrisch-phantastisches Spiel in 1 Prolog und 2 Aufzügen, opus 30 1913-19


    Alexander von Zemlinsky (1871-1942):
    Eine florentinische Tragödie - Oper in 1 Aufzug, opus 16 1915/16
    Der Zwerg / Der Geburtstag der Infantin - Oper in 1 Akt, opus 17 1920/21


    Maurice Ravel (1875-1937):
    L' Enfant et les Sortilèges - Lyrische Fantasie in 2 Teilen 1920-25


    Ferruccio Busoni (1866-1924):
    Doktor Faust - Dichtung für Musik in 2 Vorspielen, 1 Zwischenspiel und 3 Hauptbildern 1916-24 (unvollendet; ergänzt von Philipp Jarnach 1925)


    Othmar Schoeck (1886-1957):
    Penthesilea - Oper in 1 Akt, opus 39 1923-25


    Paul Hindemith (1895-1963):
    Sancta Susanna - Oper in 1 Akt, opus 21 1921


    Emil Nikolaus von Reznicek (1860-1945):
    Ritter Blaubart - Märchenstück / Musikdrama in 3 Akten 1915-17


    Ottorino Respighi (1879-1936):
    Semirama - Lyrische Tragödie in 3 Akten 1910


    Albert Roussel (1869-1937):
    Padmâvatî - Opern-Ballett in 2 Akten, opus 18 1914-18


    Dmitri Schostakowitsch (1906-1975):
    Ledi Makbet Mtsenskovo Uyesda (Lady Macbeth von Mtsensk) - Oper in 4 Akten, opus 29 1930-32


    Igor Strawinsky (1882-1971):
    The Rake' s Progress - Oper in 3 Akten und 1 Epilog 1948-51


    Alberto Franchetti (1860-1942):
    Cristoforo Colombo - Lyrisches Drama in 3 Akten und 1 Epilog 1892


    Jules Massenet (1842-1912):
    Esclarmonde - Opéra Romanesque in 1 Prolog, 4 Akten und 1 Epilog 1889


    Richard Wagner (1813-1883):
    Der Ring des Nibelungen - Ein Bühnenfestspiel für 1 Vorabend und 3 Tage 1853-74


    Hector Berlioz (1803-1869):
    Les Troyens - Grand Opéra in 2 Teilen und 5 Akten / 9 Bildern 1856-58


    Schöne Grüße
    Johannes