Beiträge von alfons

    Orlando di Lasso: Spem in alium


    steht - fast möchte ich sagen: natürlich - an der Spitze der Liste der mir liebsten a-capella-Stücke. Zum einen natürlich ob der Wahnsinnstechnik: eine 40-stimmige Motette! Aber viel mehr, weil diese Musik in ihrer Innigkeit direkt zum Herzen spricht. Es ist das Stück, das bei meiner Beerdigung gespielt werden wird (möge sie noch lange auf sich warten lassen), und das will für einen Nicht-Christen schon eine Menge heißen... :angel:


    Auf den weiteren Plätzen:
    Carlo Gesualdo: Illumina faciet tuam
    Orlando di Lasso: Missa Bell' Amfitrit' Altera
    Palestrina: Missa Papae Marcelli
    Ockeghem: Requiem


    ...und natürlich jede Menge Chorsätze von Johann Sebastian Bach



    Alfons



    Dass bei mir fast jeder musikalische Abend mit geistlicher Musik aus Renaissance oder Barock endet, hat gar nichts mir irgendeiner religiösen Orientierung zu tun. Sondern ist schlicht der Erfahrung geschuldet, dass diese wunderbare, friedliche und innige Musik dazu angetan ist, einen Schlussstrich unter den Tag zu ziehen, mit allem Guten oder Schlechten, das er gebracht hat, und um sich dann ganz auf sich selber zu besinnen und zu sich zu kommen. Heute Abend also Palestrina...


    Alfons

    Vielleicht verfehle ich das Thema des Threads hier knapp, denn von "Komponist" kann im eigentlichen Sinne kaum die Rede sein, aber: Gregorianischen Gesang höre ich stets mit dem Maßstab "Solesmes". Das geht mir auch nach vielen Jahren und vielen anderen musikalischen Erfahrungen so - wenn ein Chor ein "Salve festa dies" oder ein Kyrie anstimmt, höre ich im Hintergrund die Mönche der Abtei Saint Pierre.


    Mit "Sangeskunst" oder "schönen Stimmen" hat das gar nicht zu tun. Es scheint mir so, als sei der Gesang der Benediktiner von Solesmes am nahesten an dem, was Gregorianik für mich ausmacht. Sozusagen gesungene Spiritualität.


    Alfons

    Natürlich die Eingängigkeit seiner Melodien. Auch für kindliche Gemüter fassbar. Das sage ich bewusst so, denn für mich - in einer amusischen Familie aufgewachsen - war das 1. Klavierkonzert von Tschaikowsky eine der drei Schallplatten, die mir als Jugendlichem das Tor zur klassischen Musik aufgestoßen haben. (Die anderen beiden übrigens waren "Carmen" und "Rhapsodie in Blue").


    Alfons

    Ganz sicher würde ich von einem Konzert, das mir gefallen hat, am Ende einen Mitschnitt kaufen. Und wie einen Schatz nach Hause tragen.


    Dass das für den Künstler eine lukrative Einnahmequelle ist, wage ich allerdings zu bezweifeln. Denn oft ist es doch so, dass ohnehin ein Verkaufsstand mit CDs im Foyer steht, nicht selten mit Ladenhütern bestückt. Ich erinnere mit gut an ein John-Williams-Konzert in der Kölner Philharmonie, wo ich mehrere Platten kaufte, bei deren Anhören dann meine Gefühle am besten mit "Betroffenheit" zu umschreiben sind. Und wenn die Konzertbesucher den Mitschnitt kaufen, werden sie wohl weniger von den älteren Aufnahmen mitnehmen.


    Alfons

    Johann Sebastian Bach "Weichet nur, betrübte Schatten" BWV 202


    Die Hochzeitskantate in einer Aufnahme des Collegium Aureum mit Elly Ameling. Mich fasziniert an dieser Kantate immer wieder der fast schwermütige, nachdenkliche Beginn. Soll man in eine Ehe so nachdenklich starten? Wäre bei mancher Ehe vielleicht nicht schlecht gewesen...


    Alfons

    Da ist es, mein Stichwort. Danke, salisburgensis: Orlando di Lasso (1532 -sagt er- bis 1594).


    Seine Verehrter nannten ihn "princeps musicorum", den Fürsten der Musiker. Berühmt war er zu seiner Zeit und auch finanziell erfolgreich. Mit der extremen Gefühlstiefe seiner Musik, mit der peniblen Kontrapunktik, dem Einsatz einer Fülle musikalischer Mittel und den theatralischen Effekten weist er schon über die Renaissance hinaus.


    Sein Leben böte Stoff für manchen Roman. Als Kind - er stammt aus dem heute belgischen Mons, also aus Flandern - wegen seiner schönen Stimme nach Sizilien entführt, später Kapellmeister im römischen Lateran (Palestrina wurde dort sein Nachfolger), dann auch als Abenteurer in England am Hof der blutigen Queen Mary. Gebildet und polyglott, von rasender Schöpferkraft, ebenso lebenslustig wie depressiv. Der französische König Charles IX. gewährte ihm eine Ehrenpension, der deutsche Kaiser Maximilian II. erhob ihn in den Adelsstand.


    Von seinen rund 2000 Werken sind heute vor allem kirchliche bekannt - das eindrucksvolle "Le lagrime di San Pietro" und einige seiner etwa 70 Messen. Nie werde ich vergessen, wie ich das erste Mal eines seiner Werke hörte. Spät nachts in einem Hotelbett, das Radio dudelte noch leise etwas Klassisches, und als ich erschöpft von einer langen Wanderung wegduselte, begleiteten mich die wunderbaren polyphonen Melodielinien einer nie zuvor gehörten Musik in die Träume. Erst Tage später habe ich herausgefunden, wer der Komponist war.



    Meine anderen "verborgenen Meister" wurden in diesem Thread schon genannt: Ottorino Respighi schätze ich hoch, Joseph Martin Kraus hat in meinem CD-Regal ein eigenes Fach, und zu den Klängen von Bedrich Smetanas "Ma vlast" bin ich einmal an der Moldau hinunter gefahren, von der Quelle aus bis Prag.


    Alfons

    "Gewitter und Sturm" ist eine sehr beeindruckende Szene aus der Alpensinfonie von Richard Strauss. Wie da erst Nebel aufsteigen, die Sonne sich allmählich programmatisch verdüstert... und nach einer geradezu quälenden "Stille vor dem Sturm" bricht es dann los, das Gewitter!


    Für mich sehr beeindruckend auch immer wieder die "Sinfonia antartica" von Ralph Vaughan-Williams bzw seine Filmmusik zu "Scotts letzte Fahrt" ("Scott of the Antarctica"), aus der er seine 7. Sinfonie entwickelt hat.


    Alfons

    Zitat

    Original von Andrew
    Ja. Haffner wäre hier auch ein lohnendes Thema für einen ausführlicheren Austausch. Ich habe fast all seine Bücher gelesen, einiges sogar zweimal. Aber davon ein anderes mal.


    Haffner schätze ich seit langem. Erstaunlicherweise habe ich "Geschichte eines Deutschen" erst vor wenigen Monaten das erste Mal gelesen. Grandioses Buch. Ausdrücklich lobend hinweisen möchte ich auf "Preußen ohne Legende" - spannend und lehrreich war es für mich, das Buch parallel zu Joachim Fernaus "Sprechen wir über Preußen" zu lesen.


    Derzeit liegen aber völlig andere Bücher auf meiner Schreibtischkante, nämlich die Scheibenwelt-Romane von Terry Pratchett: "Es heißt, die Welt sei flach und werde von vier Elefanten getragen, die auf dem Panzer einer riesigen Schildkröte stehen..."


    Alfons


    Komplett heißt der Schluss der ersten Strophe dieses Chorals:


    Nun isst Gottfried ohn Unterlass,
    Alfred hat nun ein Ende.


    So jedenfalls haben wir es als Kinder gesungen (bei uns zu Hause wurden ständig Kirchenlieder angestimmt), aber wie soll man das auch anders singen, wenn einer der Brüder Gottfried heißt, und nicht "Groß Fried"...


    Alfons

    Für mich war bisher dies die schönste Folia-Aufnahme:



    Aber ich werde flugs die von sagitt gerühmte Savall-Aufnahme bestellen: Unterschätze nie ein Urteil aus berufenem Munde.


    Alfons

    Zitat

    Original von Ulli
    (...) auch grauenhaft Gespieltes kann eine gewisse Faszination ausüben... jedenfalls auf mich.


    Das kannst du wohl laut sagen. Mir hat die Musikgruppe einer Werkstatt für geistig Behinderte einmal eine CD geschenkt, die sie selber aufgenommen hat: acht Behinderte hauen auf ihre jeweiligen Percussion-Instrumente ein, dass es nur so scheppert, und ein Betreuer klampft auf der Gitarre dazu . Das war so grauenhaft - und strahlte dennoch eine derartige Fröhlichkeit, ja Heiterkeit aus, dass ich die Scheibe immer wieder angehört habe.


    Und noch ein Beispiel. Einige Jahre lang fanden die Weihnachtsfeiern meiner Firma an immer neuen, überraschenden "Locations" statt. Einmal waren wir in einem Musikstudio. Und natürlich mussten wir Weihnachtslieder singen. Und natürlich wurden diese mitgeschnitten und als CD abgemischt. Und natürlich hört man einen Sänger ganz besonders deutlich raus: mich! Und natürlich gab es seitdem kein Weihnachten, an dem meine Kinder nicht diese grauenhafte CD rauskramten und pausenlos abspielten: "Leg doch noch mal den Papa auf!" "Au ja!"


    Alfons

    Für jemanden, der sich näher mit Bachs Kantaten befassen will, führt am "Dürr" kein Weg vorbei. Er bietet eindeutig die meisten Fakten, er hat sämtliche Kantatentexte, die Besetzungen, Aufführungsdauer, dazu eine sehr informative Einleitung - und dass die Beschreibung der Kantaten und der einzelnen Sätze betont sachlich gehalten sind, halte ich für einen Vorzug. Jubeln kann der Hörer schließlich selber.


    Der "Schulze" wendet sich an einen breiteren Hörerkreis - die Texte sind 1991 bis 1994 als Sendereihe für den Mitteldeutschen Rundfunk entstanden, bieten also für jede Kantate eine Einführung von ein paar Sprechminuten, mehr plaudernd als wissenschaftlich in die Tiefe gehend, und natürlich gibt es dadurch weder Notenbeispiele noch die Kantatentexte. Aber das Buch ist angenehm zu lesen und sachlich exakt - auch Schulze gehört zu den größten Bach-Fachleuten weltweit.


    Beide genannten Werke, "Dürr wie auch "Schulze", bieten Einzelbesprechungen der Kantaten in der Reihenfolge des Kirchenjahres.


    Ein völlig anderes Konzept hat "Die Welt der Bachkantaten" von Christoph Wolff und Ton Koopman. Das Werk ist nicht dazu gedacht, einzelne Kantaten nachzuschlagen, sondern bietet tief schürfende Aufsätze vieler Autoren zu verschiedenen Aspekten des Kantatenwerks. So schreibt der erwähnte Hans-Joachim Schulze über "Texte und Textdichter", George Stauffer über "Bach als Organist", Philip Ambrose über "Klassische Mythen in Bachs weltlichen Kantaten" und so weiter.



    Kurzfassung:
    Dürr als unentbehrliche Basis
    Schulze als leicht verstehbare Einführung
    "Welt der Bachkantaten" für vertiefendes Hintergrundwissen



    Alfons

    Leider fehlt mir das ehrwürdige Alter, um Folgendes selber erlebt zu haben. Beim Blättern in alten Zeitungen - bei der Suche nach Material zum Thema "Vor 100 Jahren" - fand ich heute diesen Zeitungsbericht vom 5. Januar 1907:


    "Die zornige Primadonna


    In der Oper zu Genua ereignete sich ein sensationeller Zwischenfall. In der Pause zwischen dem ersten und dem zweiten Akt von "Mignon" stieg die Primadonna Sanfelice plötzlich in den Orchesterraum hinunter und ohrfeigte den Dirigenten. Mit Mühe nur konnte die Rasende von ihrem Opfer getrennt werden. Die Ursache zu dem Racheakt vor breitester Öffentlichkeit soll intimer Natur sein."


    Alfons

    Die sechs mir liebsten Pianistinnen und Pianisten hatte ich vor ein paar Wochen mal notiert, aber vergessen, hier zu posten. Dann habe ich vor ein paar Tagen Martin Stadtfeld gehört - schon bin ich bei sieben. Hier sind sie:


    Alfred Brendel
    Glenn Gould
    Rosalyn Tureck (hat die überhaupt schon jemand bisher hier genannt?)
    Svjatoslav Richter
    Clara Haskil
    András Schiff
    Martin Stadtfeld


    Ach, vielleicht sollte ich in sentimentaler Erinnerung noch jemanden nennen, auch wenn ich sein mir liebstes Werk nicht unter Klassik einsortiert habe: Keith Jarrett.


    Alfons

    Auch wenn man seinen Text zehnmal durchliest und dreimal korrigiert - irgend ein Fehler flutscht doch durch. :(


    Korrigieren muss ich im Werdegang von Georg Christian Lehms den Namen seines Dienstherrn in Weißenfels. Der hieß Johann Georg (nicht Johann Ernst), regierte von 1697 bis zu seinem Tod im März 1712 und war der ältere Bruder des ab 1712 regierenden Herzogs Christian von Sachsen-Weißenfels - richtig, genau der, für den Bach dann die Jagd-Kantate schrieb: "Wo Regenten wohl regieren, kann man Ruh und Frieden spüren". (Was der Christian übrigens nicht tat, seine Prachtentfaltung trieb das kleine Herzogtum fast in den Ruin. Aber da war Lehms ja längst in Darmstadt.)


    Auf Lehms' Dienstherrn Johann Georg von Sachsen-Weißenfels war Johann Sebastian Bach übrigens gar nicht gut zu sprechen. Denn der Herzog hatte 1702 seine Anstellung als Organist in Sangerhausen verhindert. Der Stadtrat von Sangerhausen hatte den erst 17-jährigen Bach bereits gewählt, als der Landesherr eingriff, den Ratsbeschluss kassierte und einen älteren und erfahrenen Organisten, Johann Augustin Kobelius, durchsetzte.


    Alfons

    Hallo und guten Abend, Masetto,


    das eindeutig wichtigste Werk über Bachkantaten ist nach meiner Ansicht


    Alfred Dürr: Johann Sebastian Bach - Die Kantaten


    Das gibt es als 1038 Seiten (!) starkes Taschenbuch beim Bärenreiter-Verlag in der zurzeit 9. Auflage: alle Texte, Unmengen an Fakten, Notenbeispiele. Gibt den Stand der Forschung von 1995 wieder. Am "Dürr" führt, wenn man sich mit Bachkantaten näher befasst, kein Weg vorbei. Mit 29,50 Euro ist das Buch vergleichsweise billig.


    Für mich am Zweitwichtigsten ist die Bach-Biographie


    Christian Wolff: Johann Sebastian Bach


    erschienen 2000 bei Fischer. Die aktuelle Neuauflage als Taschenbuch, vermehrt um 18 Seiten neuer Forschungsergebnisse, kam im Oktober 2005 heraus und kostet gerade einmal 14,90 Euro - ein Schnäppchen.


    Diese beiden Bücher sind aus meiner Sicht sozusagen die Pflicht. Es folgt die Kür. Im Kür-Bereich steht für mich oben ein schon etwas betagtes Taschenbuch


    Johann Sebastian Bach - Leben und Werk in Dokumenten


    Hans-Joachim Schulze - der Name bürgt für Qualität - hat 1975 die wichtigsten schriftlichen Dokumente zu Bachs Leben zusammen gestellt. Es ist eine Auswahl aus den vom Bach-Archiv Leipzig herausgegegebenen dreibändigen (inzwischen vierbändigen) Bach-Dokumenten. Natürlich kann man sich auch gleich die kaufen... kosten aber pro Band 25 Euro. Das bei dtv-Dokumente heraugekommene Taschenbuch kostete damals (1985) 9,80 D-Mark. Heute antiquarisch im Internet ab 3 Euro. Allein anhand dieses dünnen Bändchens kann man belegen, wie in manchen Biographien gemogelt wird - es ist erschreckend.


    Nett und informativ zu lesen ist


    Hans-Joachim Schulze: Die Bachkantaten


    eine Einführung zu sämtlichen Kantaten, schön nach dem Kirchenjahr sortiert, wie auch der Dürr. Absolut verlässlich - Schulze gehört zu den Top-Leuten der Bachforschung - aber nicht mit dem wissenschaftlichen Ansatz des Dürr. Mehr informative Plauderei eben. Auch keine Notenbeispiele. Und mit 44 Euro nicht billig.Ist im Frühjahr 2006 bei der Evangelischen Verlagsanstalt erschienen.


    Ob


    Christoph Wolff/Ton Koopman: "Die Welt der Bachkantaten"


    wirklich gut und wichtig ist, kann ich noch nicht sagen, ich habe es erst seit vorgestern. Es ist eine Sammlung von Fachaufsätzen zur Bach- und Kantatenforschung (Originalausgabe ist von 1998 ), leider schluderig gedruckt, mit Setzfehlern, und nicht billig: Originalausgabe 86,40 Euro, Taschenbuch-Sonderausgabe um 50 Euro. Den Bach-Librettisten Georg Christian Lehms, über den ich gerade geschrieben habe, habe ich natürlich sofort begierig nachgeschlagen, fand aber weniger, als ich selber bereits herausgefunden hatte.


    Heftig empfehlen kann ich


    Maarten t'Hart: Bach und ich


    Der holländische Schriftsteller, dessen Roman "Das Wüten der Welt" sich ebenfalls mit Johann Sebastian Bach befasst, nähert sich den Thema Bach und bach-Kantaten zwar belletristisch, ist dabei aber auf der Höhe der Bachforschung und bringt sehr interessante neue Aspekte in die Diskussion. Und außerdem gibt es bei dem Taschenbuch (Serie Piper) für gerade mal 9,80 Euro sogar noch eine CD mit den nach Harts Ansicht schönsten Stücken von Bach dazu - was will man mehr?


    Absulut abraten möchte ich von der alten Ausgabe der rororo-bild-monographien


    Luc André Marcel: J. S. Bach


    - faktenarm und voller falscher Mutmaßungen. Es ist antiquarisch noch massenhaft in Umlauf. Der Verlag hat es 1993 bereits durch


    Martin Geck: Johann Sebastian Bach (rororo-Monographie)


    ersetzt - das ist sehr gut!


    Ebenfalls abraten möchte ich von der Bach-Biographie


    Christoph Rueger: Wie im Himmel so auf Erden


    Obwohl erst 2000 bei Heyne als Taschenbuch erschienen, wärmt der Autor Uralt-Klischees über Bach auf. Das Buch ist das anschauliche Beispiel, wie allzu große Verehrung blind macht für die Realität.


    Schöne Grüße


    Alfons

    Ob Weiber wohl Menschen sind?


    Das Thema, das im Posting oben angesprochen wurde, lag damals in der Luft. Einerseits, weil gerade zur Zeit des Spätbarock viele selbstbewusste Frauen als Schriftstellerinnen an das Licht der Öffentlichkeit traten – auf die Gottschedin und die Bach-Librettistin Mariane von Ziegler werden wir in diesem Forum sicher noch zu sprechen kommen. Zum anderen, weil zu jener Zeit immer noch oder schon wieder heftig diskutiert wurde, „ob die Weiber Menschen seyn“. Das Buch mit diesem provozierenden Titel war da zwar schon mehr als 100 Jahre alt, aber die Frage derart aktuell, dass nicht nur Lehms in seinem Schriftstellerinnen-Lexikon darauf eingeht, sondern dass auch Mariane von Ziegler in einem Spottgedicht Stellung nimmt:


    Die Männer müssen doch gestehen,
    Daß sie, wie wir, auch Menschen sind.
    Daß sie auch auf zwey Beinen gehen;
    Und dass sich manche Schwachheit findt.


    Die Begründung, dass Frauen keine Menschen seien, hatte der anonyme Autor übrigens aus der Bibel abgeleitet. Dort sei keine Stelle zu finden, in der Frauen als menschlich bezeichnet würden. Lehms schildert in seinem Frauen-Lexikon die Anekdote, dass ein Student aus Köln, der vor einem weiblichen Publikum diese Ansicht vortrug, von den Zuhörerinnen mit ihren Stühlen erschlagen worden sei. Die These von Lehms, dass „das weibliche Geschlecht so geschickt zum Studieren als das männliche“ sei, muss gerade in einer Universitätsstadt wie Leipzig für Aufsehen gesorgt haben. Etwa zu der Zeit, als Lehms in Leipzig studierte, hatte sich die Universität dort ein wenig für Frauen geöffnet – die Kollegien zur Bibel fanden in deutscher Sprache außerhalb des Universitätsgeländes statt und waren damit zugänglich auch für Leipziger Bürgerinnen.


    Otterngift und Gnadenfinger


    Ein fleißiger, fast schon arbeitswütiger Poet ist Lehms. Mehrere doppelte Kantaten-Jahrgänge, das Dichterinnen-Lexikon, Opernlibretti, Gelegenheitsdichtungen und vor allem „galante“ (gemeint sind: leicht erotische) Romane – seine Produktion ist enorm.


    Wenn auch nicht gut. Gefühlsüberschwang und überbordend-kühne Bilder sind sicher typisch für das Barock, wenn sie auch zur Zeit Bachs bereits aus der Mode kamen. Doch schiefe Bilder waren nie modern. Die singenden Adern aus der Kantate 110 oder „der Mund voll Otterngift, der oft die Unschuld tödlich trifft“ aus BWV 170 trafen schon zu damaligen Zeiten auf Stirnrunzeln. Ebenso die unbeholfenen Reime, die entstanden, wenn Lehms aktuelle Nutzanwendung aus biblischem Geschehen ziehen wollte, etwa wenn er aus der Heilung eines Taubstummen (Markus 7, 31-37, Evangelium für den 12. Sonntag nach Trinitatis) diese Bitte destillierte: „Ach, lege nur / den Gnadenfinger in die Ohren, / sonst bin ich gleich verloren. / Rühr auch das Zungenband / mit deiner starken Hand“ (BWV 35).


    Dass der Leipziger Literaturpapst Johann Christoph Gottsched ihn ob solcher poetischen Fehlleistungen nicht mochte, ist leicht einzusehen. Er hat Lehms nicht nur nicht gemocht, er hat ihn heftig in Streitschriften befehdet. Dabei hätten sich die beiden Dichter eigentlich gut verstehen müssen, denn in Sachen Frauenemanzipation waren sie einer Meinung: Gottsched gab in Leipzig 1725 „Die vernünftigen Tadlerinnen“ heraus – die erste deutsche Frauenzeitschrift.


    Pallidors Lebensekel


    Wer Lehms’ Texte anschaut, merkt schnell, dass ihn drei Themenkreise faszinieren: Erotik, Reue&Zerknirschung, Todessehnsucht.


    Erotisch getönt, um mit diesem Blickpunkt Lehms’scher Dichtung zu beginnen, sind sogar manche seiner Kantaten. In BWV 57 „Selig ist der Mann“ lässt der Dichter Jesus singen „Ich reiche dir die Hand und damit auch das Herze“, worauf die Seele antwortet „Ach! Süßes Liebespfand...“ – das könnte ebenso gut aus einem seiner Romane sein. Wie auch der Dialog aus BWV 32: „Nun will ich nicht von dir lassen / Und ich dich auch stets umfassen“.


    Zum Barock-Autor gehört das schicke Pseudonym: „Pallidor“ nannte sich Lehms, wenn er seine „galanten“ Erzählungen verfasste (in denen am Ende natürlich zugleich mit der Liebe auch die Keuschheit siegt). Die Themen fand er, das war sozusagen sein Erfolgstrick, in der Bibel, sie reichten von der tugendsamen Zurückweisung unsittlicher Angebote wie bei Susanna im Bade bis zum Liebesleben des Königs Salomo. Unter dem unverdächtigen Titel „Helden-Liebe der Schrifft alten und neuen Testaments zweyter Theil“ zum Beispiel schilderte Lehms „16 anmuthige Liebes-begebenheiten“; das Frontispiz dieses im Mai 1710 erschienenen Werks zeigte „Sinnbilder der Geilheit und der Keuschheit: der rechten der beiden Frauen, die geil auf üppiger Wiese das Knie zeigt, schlägt der Blitz den Anker entzwei; der linken, in grüner Wiese bleibt solches Ungemach bei Sonnenschein erspart“. Das Spannende an dieser Notiz, die ich in einem Antiquariatskatalog fand, steht am Schluss: „dedication Fridericen Elisabethen Herzogin von Sachsen-Weißenfels, signet George Christian Lehms“ – er hat sein Buch, handsigniert, seiner Dienstherrin verehrt.


    Auf Lehms’ ans Pathologische grenzende Sucht, sich selber zu erniedrigen, habe ich weiter oben schon hingewiesen. Die wenigen Kantaten, die Bach aus seinem Werk heraus gegriffen hat, bieten da eindrucksvolle Beispiele: „Mein Jammerkrug ist ganz / mit Tränen angefüllet“ (BWV 13), „Mein Herz, das sonst in Ach und Schmerz sein ewig Leiden findet, und sich als wie ein Wurm in seinem Blute windet“ (BWV 57) oder „Doch Gott muß mir gnädig sein, weil ich das Haupt mit Asche, das Angesicht mit Tränen wasche, mein Herz in Reu und Leid zerschlage“ (BWV 199).


    Größer (und erschreckender) ist nur seine Todessehnsucht. Mal wunderbar poetisch: „Ach! Jesu, wär ich schon bei dir, / Ach striche mir / der Wind schon über Gruft und Grab...“ (BWV 57), mal voller Verzweiflung: „Mein liebster Jesu, löse doch / das jammerreiche Schmerzensjoch / und laß mich bald in deinen Händen / mein martervolles Leben enden!“ (BWV 35), mal als lapidare Feststellung: „Mich ekelt mehr zu leben, / Drum nimm mich, Jesu, hin!“ (BWV 170) oder gar als eine fröhliche Aufforderung, die aus heutiger Sicht wie die Ankündigung eines Selbstmords klingt: „Ich ende behände mein irdisches Leben. Mit Freuden zu scheiden verlang ich itzt eben. Mein Heiland, ich sterbe mit höchster Begier, hier hast du die Seele, was schenkest du mir?“ (wieder BWV 57).


    „Ist das morbide!“ habe ich gedacht, als ich diese Verse das erste Mal hörte. Aber wenn ich nun überlege, dass Georg Christian Lehms sich als Lungenkranker tot gehustet hat, mit gerade einmal 33 Jahren, dann meine ich: Er durfte so schreiben.


    Alfons


    Besprechungen der einzelnen Aufnahmen der Kantate BWV 110 folgen noch.

    Zitat

    Original von Caesar73
    Und dieser (für mich untrennbare) Zusammenklang aus Wort und Musik bringt dann beim Gläubigen eine besondere Saite zum Schwingen. (Mir gefällt diese Metapher von Paul so gut, dass ich sie hier einfach einmal klaue :D)


    Pardon - das war von mir:


    Zitat

    Religiöse Hörer sind sozusagen der Meinung, durch eine von religiösen Menschen komponierte Musik werde in ihnen selber eine Saite zum Klingen gebracht, die nicht-religiöse Menschen nicht hören können, weil diese Saite in ihnen gar nicht vorhanden ist.


    :D


    Ansonsten:
    Top-Diskussion. Ich bin stolz auf uns.


    Alfons

    Des Menschen Niedrigkeit


    Der Text der Kantate hat, wenn man ihn genauer betrachtet, durchaus etwas mit Weihnachten zu tun, aber auf eine besondere, Lehms’sche Art. Der Hofpoet kommentiert das Weihnachtsgeschehen sozusagen von außen. Er fordert seine „Gedanken und Sinnen“ auf, himmelwärts zu steigen und über die „Tat“ Gottes, nämlich dessen Menschwerdung, nachzudenken. Als nächstes spricht er, in dem ausgewählten Jeremias-Wort, Gottes Größe an, was ihm endlich Anlass gibt, im Umkehrschluss zu seinem Lieblingsthema zu kommen: der Niedrigkeit des Menschen. Da läuft Lehms zur Hochform auf. In anderen Kantaten noch mehr als hier – BWV 199 „Mein Herze schwimmt in Blut“ ist da ein schauriges Beispiel. Aber auch diese Alt-Arie ist ja recht ausdrucksstark: „Ach Herr, was ist ein Menschenkind? Ein Wurm, den du verfluchest“.


    Lehms suhlt sich gerne in seiner Erniedrigung. Zerknirschung und Reue sind seine Leitmotive. Dafür verfälscht er ungeniert schon mal das Wort der Bibel. Die Frage „Ach Herr, was ist ein Menschenkind“ ist nämlich wiederum ein Zitat aus den Psalmen, Psalm 8 Vers 5: „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst?“ Doch im Psalm folgt dann nichts von einem verfluchten Wurm. Im Gegenteil: „Du hast ihn weniger niedrig gemacht als Gott, mit Ehre und Schmuck hast du ihn gekrönt.“


    Nach dem Gotteslob der Engel aus Lukas 2.14 fordert Lehms in der dritten Arie auch die Gläubigen auf, Freudenlieder zu singen. Er tut das mit einem erlesen schiefen Bild: „Wacht auf, ihr Adern und ihr Glieder, und singt dergleichen Freudenlieder“.


    Nun ist die barocke Dichtung ja voller Allegorien und Bilder – „das von Blut fette Schwert“ (Gryphius), „das Angedenken der Zuckerlust“ (Hofmannswaldau), und bei Paul Gerhardt gibt es sogar Jesus in der Gestalt eines Huhns: „Breit aus die Flügel beide, o Jesu, meine Freude, und nimm dein Küchlein ein“ – aber selbst wenn man hinter Lehms’ skurrilen Reimen die Allegorie von der Kirche als Leib Christi vermuten würde: das Bild von den schlafenden Adern, die nach dem Wecken fröhlich Lieder singen, ist einfach nur schlechte Dichtung und muss damals schon unfreiwillig komisch gewirkt haben.



    Deutschlands erster Frauenrechtler


    Als Bach die Kantate schrieb, über die wir heute sprechen, war Lehms bereits tot – gestorben am 15. Mai 1717 an Lungentuberkulose, 33 Jahre alt. Wer war dieser Georg Christian Lehms?





    Die biographischen Daten sind rar. Nicht einmal seinen Geburtstag wissen wir, nur das Jahr: 1684. Geboren im schlesischen Liegnitz, das heute Legnica heißt und zu Polen gehört. Er besucht das Gymnasium in Görlitz, studiert dann in Leipzig. Dort lernt er den ein Jahr älteren Christoph Graupner kennen – der spätere Komponist Graupner ist Thomaner, studiert bei Schelle und ab 1701 bei dem Bach-Vorgänger Kuhnau.


    Seine erste Anstellung findet Lehms am Hof des Herzogs Johann Ernst von Sachsen-Weißenfels, wo er die neue Art, Kantaten zu dichten, von Erdmann Neumeister kennen lernt. Neumeister – auch er hatte an der Leipziger Universität studiert und später auch gelehrt – war von 1704 bis 1706 Hofdiakon in Weißenfels.


    Ende 1710, als 26-Jähriger, wird Lehms in das weit entfernte Darmstadt berufen, als Hofpoet und Hofbibliothekar des Fürsten, Landgraf Ernst-Ludwig von Hessen-Darmstadt.


    Eine gut funktionierende Seilschaft nennt man so etwas heute. Denn seit 1709 ist Christoph Graupner Hof-Kapellmeister in Darmstadt. Und auch der Vize-Kapellmeister ist ein alter Bekannter aus Leipzig: Gottfried Grünewald. Dass die guten Verbindungen allerdings nicht immer funktionieren, wird Kapellmeister Graupner später merken, 1723, als er Nachfolger seines Lehrers Kuhnau werden möchte und sich um die Stelle des Thomaskantors in Leipzig bewirbt. Er kriegt den Job – aber Landgraf Ernst-Ludwig, nicht nur Musikliebhaber, sondern gar selber Komponist, gibt ihn nicht frei. So wird dann ein gewisser Bach Thomaskantor.


    Kaum in Darmstadt angekommen, beginnt Lehms mit der Produktion von Kantaten, der erste Jahrgang erscheint schon 1711: „Gott-Gefälliges Kirchen-Opffer“. Aus diesem Buch hat Johann Sebastian Bach die elf Kantaten entnommen, von denen uns heute noch zehn als Bach-Werke bekannt sind. Zwei dieser Kantaten komponiert Bach bereits 1714 oder früher, die anderen acht (wahrscheinlich sogar neun) in der Zeit zwischen Weihnachten 1725 und dem 8. September 1726. Auch andere Komponisten vertonen Texte von Lehms: Graupner und Grünewald natürlich, aber zu meinem Erstaunen sogar Telemann.


    Erst 1970 hat die Bach-Forschung festgestellt, dass Lehms zu Bachs Librettisten zählt. Dass es mit Elisabeth Noack eine Frau war, die ihm auf die Spur kam, würde ihn sicher gefreut haben. Gilt der Darmstädter Hofpoet doch heute als „the first german Frauenrechtler“ – so eine amerikanische Website über die Entwicklung der Frauen-Emanzipation.


    Diesen Ruhm erwarb sich Lehms mit einem Lexikon. 1715 erschien „Teutschlands galante Poetinnen. Mit ihren sinnreichen u. netten Proben. Nebst e. Anh. ausländ. Dames, so sich gleichfalls durch schöne Poesien bey d. curieusen Welt bekannt gemacht, u. e. Vorrede, daß das weibl. Geschlecht so geschickt z. Studieren, als das männl.“ 48 Schriftstellerinnen stellte Lehms in diesem Werk vor. Und wirbt zugleich dafür, Frauen zur Universität zuzulassen.


    Alfons


    Fortsetzung folgt

    Auch ich habe keine Bedenken, dass sich die Thread nicht füllen werden. Das kommt schon noch! Wenn auch langsam.


    Natürlich würde ich gerne schneller meinen Senf zu diesen wundervollen Werken dazu geben, scheitere dabei aber an meiner krankhaften Zwang zur Gründlichkeit. So hatte ich mir vorgenommen, anlässlich der Kantate "Unser Mund sei voll Lachens" BWV 110 auch ein paar Zeilen über den Librettisten dieses Werks zu schreiben. Da ist dann fast ein Forschungsprojekt draus geworden. Seit zwei Wochen jage ich dem Herrn Georg Christian Lehms hinterher.


    Aber siehe da: Jetzt ist die Geschichte einigermaßen rund, noch heute Abend werde ich sie ins Netz stellen. Und mich dann endlich daran machen, meine fünf oder sechs Aufnahmen der BWV 110 zu hören und zu vergleichen. Ob das nun noch einmal eine Woche dauert? Ich weiß es nicht. Aber ich mache mir da keine Sorgen...


    :)
    Alfons


    PS: Und dass MarcCologne die anstrengende Aufgabe übernommen hat, für jede Kantate einen Thread zu eröffnen und das Werk schon einmal vorzustellen, finde ich derartig großartig---- Chapeau! Und herzlichen Dank!

    Robert Stuhr schrieb zu meinem Beitrag "Glaube als Voraussetzung":


    Zitat

    Original von Robert Stuhr
    Der erste und der letzte Satz verdeutlichen bereits das Mißverständnis, dem der ganze Beitrag unterliegt: Die grundsätzliche Fehlvorstellung vom Glauben als etwas zu Beweisendes oder Beweisbares, oder als etwas, das sich gegenüber den anderen beweisen muß.


    Nein nein, Robert, natürlich kein Missverständnis. Ich schrieb: „Diese These hat mit jeder anderen Glaubensaussage gemeinsam, dass sie nicht beweisbar ist.“


    Gegenstände des Glaubens sind nicht beweisbar, sonst würden wir von Wissen reden. Sowie jedoch ein Gegenstand des Glauben zur Sachbehauptung wird, unterliegt er natürlich dem normalen Diskurs und seinen Regeln: jemand, der eine Behauptung aufstellt, die nicht allgemein anerkannte Gültigkeit hat, muss sie auch beweisen.


    Äußert jemand zum Beispiel als Glaubensaussage „Ich glaube an die Existenz Allahs“, dann ist das intellektuell nicht anzuzweifeln. Es ist allerdings eine Aussage, die nur für den jeweiligen Sprecher Gültigkeit hat. Es ist diskurstechnisch kein Argument. Glauben kann jeder, was er will. Behauptet er hingegen „Allah existiert“, dann ist das eine Sachaussage. Und für Sachaussagen gilt: Wer sie behauptet, muss sie beweisen.


    Du hattest den Satz aufgestellt: „[...]Meiner Meinung nach kann man einen tiefen Zugang zu [...]s Musik nur erlangen, wenn man willens und in der Lage ist, das starke religiöse Element nicht nur rein intellektuell nachzuvollziehen, sondern aus vollem Herzen zu bejahen.[...].“


    Das, so hatte ich argumentiert, könne ja nur eine Glaubensaussage sein. Also eine nicht dem Beweis unterliegende und nur auf den Sprecher zutreffende Ansicht. Denn sollte der Sprecher sie als Behauptung in die Diskussion einführen wollen, als allgemein gültigen Satz (Meiner Meinung nach kann man ... – „und dies gilt nicht nur für mich, Robert Stuhr, sondern für jeden Menschen auf dieser Welt“) – dann muss derjenige eine solche Behauptung auch beweisen.


    Also: Solltest du mit deiner Aussage „Meiner Meinung nach“ nur deine eigene persönliche Befindlichkeit dargestellt haben, dann ist das völlig okay, hat aber außer für dich selber keinerlei Bedeutung.


    Solltest du diese Behauptung tatsächlich als Argument aufrecht erhalten wollen, wirst du sie auch beweisen müssen.


    Alfons

    Zitat

    Original von musicophil
    Eines jedoch hast Du falsch. Ich behauptete nicht "Weil jene Dirigent nicht-Gläubiger sei, ist es ihm dadurch nicht gelungen, die Essenz oder Quintessenz jener Passion zu erfahren oder zu vermitteln...", sondern "jene Dirigent sei nicht-Gläubiger. Und vielleicht ist es ihm dadurch nicht gelungen, die Essenz oder Quintessenz jener Passion zu erfahren oder zu vermitteln."
    Da habe ich nicht eine Regel abgeleitet, aber versucht eine Erklärung zu finden.


    Da hast Du natürlich Recht.


    Herzlichst
    Alfons

    Glaube als Voraussetzung?


    Kern der Auseinandersetzung in diesem Thread ist die Aussage von Robert Stuhr: „Meiner Meinung nach kann man einen tiefen Zugang zu [...]s Musik nur erlangen, wenn man willens und in der Lage ist, das starke religiöse Element nicht nur rein intellektuell nachzuvollziehen, sondern aus vollem Herzen zu bejahen.[...]“


    Diese These hat mit jeder anderen Glaubensaussage gemeinsam, dass sie nicht beweisbar ist: Ich sehe was, das du nicht siehst, und das ist unsichtbar... Man muss eben daran glauben. Denn wie müsste ein Beweis beschaffen sein, der die These „Nur gläubige Menschen haben einen wirklich tiefen Zugang zu religiöser Musik“ belegt? Er müsste zeigen, dass zum einen vom Sender, also dem Komponisten und dem Interpreten, Signale ausgehen, die ein Teil der Menschen empfängt, der andere nicht. Und zugleich müsste bewiesen werden, dass religiöse Menschen in der Lage sind, eine Botschaft zu empfangen, von der behauptet wird, dass sie real vorhanden ist, jedoch vom überwiegenden Teil der Menschen nicht vernommen wird.


    Im Grunde ist an dieser Stelle die Diskussion beendet. Gläubige werden sagen: „Jawohl, so ist es“. Nicht religiöse Menschen werden milde lächelnd den Kopf schütteln und sich wieder ihren geliebten Bachkantaten zuwenden, oder welche Musik sie sonst gerade hören.



    Jenseits der Geheimsprache


    Für alle Leser mit genug Muße möchte ich die Fragestellung aber doch einmal aufdröseln.


    Es sind zwei Thesen, die hier zu diskutieren sind:


    1. Die erste besagt, dass Komponisten, die religiös sind und/oder religiöse Werke schreiben, nicht nur sich einer musikalischen Sprache bedienen, die von Menschen, die nicht religiös sind, nicht verstanden wird, sondern dass ihre Musik darüber hinaus etwas enthält, was nur ein religiöser Hörer empfinden kann. Die musikalische Sprache Bachs also, um einen Komponisten als Beispiel zu nehmen, bei dem ich mich ein wenig auskenne, enthalte nicht nur Verschlüsselungen, deren Code mit etwas Mühe von jedermann aufzulösen ist, sondern sei zusätzlich versehen mit Signalen, deren Empfang nur jemandem möglich ist, der sich selber als gläubig empfindet.


    2. Zweitens wird behauptet, dass Musikhörer, die religiös sind, Musik auf eine andere (gemeint ist damit oft: tiefere, bessere) Art hören und empfinden, als es nicht-religiöse Hörer können. Religiöse Hörer sind sozusagen der Meinung, durch eine von religiösen Menschen komponierte Musik werde in ihnen selber eine Saite zum Klingen gebracht, die nicht-religiöse Menschen nicht hören können, weil diese Saite in ihnen gar nicht vorhanden ist. Das geht bis hin zu der Behauptung, dass nur gläubige Christen in der Lage seien, das Wesentliche solcher Musik zu erfassen.


    Verstehen ist lernbar


    Sehen wir uns diese beiden Thesen einmal näher an.


    Zum Verständnis eines religiös motivierten Kunstwerks – da nähere ich mich dem Aussagegehalt einer Binsenweisheit – ist die Kenntnis des religiösen Kontextes und des kulturellen Hintergrundes unabdingbar. Wer die Bedeutung des Kreuzes für das Christentum nicht kennt, wird Bachs Kreuzstab-Kantate nicht wirklich verstehen können. Wer ein Seufzer-Motiv zwar erkennt, aber sich nicht klar macht, dass es in der Musik an dieser Stelle um die Grablegung Christi geht, hat ebenfalls Probleme, den Sinngehalt des Werkes zu erfassen. Wie Robert Stuhr schon sehr richtig gesagt hat: „Dafür ist sie geschrieben worden.“


    Dies aber setzt nicht automatisch den religiösen Menschen in Vorteil, sondern jenen, der sich mit religiösen und kulturellen Kontexten intensiv beschäftigt hat. Je weiter wir in der Musikgeschichte zurück gehen, desto schwerer wiegt dieses Argument. Denn die religiöse Vorstellungswelt – auch dies fast eine Binsenweisheit – hat sich im Lauf der Jahrhunderte gewandelt. Von der Glaubenswelt der Luther-Zeit sind wir heute weit entfernt.


    Nun ist aber in der Diskussion nicht so sehr von Verständnis, sondern vom Gefühl geredet worden. Etwa wenn Musicophil schreibt: „Es ist nicht hören, sondern empfinden. Und das Empfinden ist mehr als nur hören.“ Und geredet worden ist auch nicht nur von der dem Zeitenwandel unterworfenen religiösen Vorstellungswelt, sondern vom Glauben an und für sich, wenn ich Robert Stuhr richtig verstehe.


    Verfechter der Ansicht, dass in der Musik religiöser Komponisten etwas enthalten sei, das nur gläubige Menschen erkennen können, werden sich an dieser Stelle vor dem Problem sehen, wie groß dieser Kreis der Gläubigen zu ziehen ist. Ist der Glaube an sich das Instrument der Erkenntnis, egal welcher Religion der Glaubende angehört, dann sollte nicht nur ein religiöser Menschen aus jedem beliebigen Kulturkreis die transzendentalen Schwingungen einer sagenwirmal Bachkantate empfinden, nein, dann müsste auch ein mitteleuropäischer Christ beim Hören von balinesischer Gamelan-Musik oder tibetanischer Gebetsgesänge tief ergriffen sein. Ich bezweifle das. Ist jedoch dezidiert der christliche Glaube notwendig, um die Tiefe einer Bachkantate ausloten zu können (Robert Stuhr: „Ob einer Protestant, Katholik oder orthodox ist, spielt mE bei christlicher Musik keine ausschlaggebende Rolle“), entsteht das Problem, dass (nebst den Atheisten natürlich) auch Hindus, Buddhisten, Muslime, Juden sowie sämtliche Nur-Namenschristen von den höheren Weihen der Erkenntnis ausgeschlossen sind. Da bleiben ja nicht mehr allzu viele übrig, global gesehen...


    Aus was aber besteht dieses religiöse Signal, das der eine angeblich empfängt und der andere nicht? Welcher Akkord, welche Kadenz, welche Tonfolge löst dieses tiefere religiöse Empfinden aus?

    Man könnte versuchen, dies am Agnus Dei aus Bachs h-moll-Messe zu belegen – wenn irgend in der Musik ein religiöser Sinngehalt augenfällig wird, dann hier in diesem innigen Flehen um Erbarmung. Die Musik stammt aus der weltlichen Hochzeitskantate „Auf! süß-entzückende Gewalt“ (BWV Anh. I, 14) von 1725. Bach hat sie dann ein erstes Mal 1735 für das Himmelfahrtsoratorium BWV 11 parodiert („Ach bleibe doch, mein liebstes Leben“), bevor er sie in der h-moll-Messe verwendete. Sollten sich die von religiösen Hörern erwarteten Signale finden lassen, so müssten sie in der Art der Umformung dieser Musik durch Bach zu finden sein; ich fürchte aber, wir suchen hier vergebens.


    Besonders kritisch werden solche Behauptungen, wenn sie auch noch auf den Interpreten ausgedehnt werden. So etwa, wenn musicophil, also Paul, über einen Dirigenten schreibt, dessen Darbietung eines religiösen Werkes ihn nicht beeindrucken konnte: „Jahre später hörte ich, jene Dirigent sei nicht-Gläubiger. Und vielleicht ist es ihm dadurch nicht gelungen, die Essenz oder Quintessenz jener Passion zu erfahren oder zu vermitteln.“ Paul ist ein wirklich netter Mensch, und nach allem, was ich bisher von ihm gelesen habe, schätze ich ihn sehr. Aber auch nette Menschen können irren. Ungeachtet dessen, was er in jener Situation empfunden hat: daraus eine allgemein gültige Regel ableiten so wollen, erinnert mich an vulgär-anthropologische Behauptungen wie „Nur ein Schwarzer kann den echten Blues singen“ oder „Um Reggae zu fühlen, musst du Rastafari sein“.


    Damit sind wir bei der zweiten These: dass religiöse Hörer Musik auf eine besondere Art hören, dass sie also so etwas wie einen siebten Sinn haben, der nicht-religiösen Menschen abgeht. Sozusagen die Antenne für die Signale, die der Komponist speziell für diese Klientel aussendet. Auch dies fällt wieder unter jene Art von Behauptungen, der für Glaubensaussagen typisch ist: sie sind unbeweisbar.


    Musik zur Erbauung


    Sicher ist allerdings – aber das geht nun wieder in den Bereich der Binsenweisheiten – dass religiöses Empfinden durch Musik, von der man weiß oder ahnt, dass sie einen religiösen Hintergrund hat, verstärkt und bestätigt wird. Im Titel dieses Threads „Musik für Fromme - oder - das religiöse Bonuselement“ ist ja der Zusatz-Nutzen angesprochen worden, den religiöse Hörer bei Musik haben, die für religiöse Zwecke oder mit religiösem Hintergrund geschaffen wurde. Das ist nach meiner Ansicht nicht nur ein Zusatz- sondern sogar ein Hauptnutzen, der sich aus dieser Musik entwickelt.


    Allerdings ist dieser Teil solcher Musik für einen nicht-religiösen Hörer ebenso hörbar wie für den religiösen, nur dass er ihn nicht zum Erzeugen oder Nachvollziehen religiöser Gefühle und Rituale nutzt. Er wird das aber kaum als Manko empfinden. Und nur ein fanatischer Religionsgegner wird den Religiösen die Erbauung und den Trost missgönnen, den sie im sonntäglichen Hören einer Bachkantate finden. Eben so wenig, wie ich einem Pärchen, dass sich zum Liebesspiel regelmäßig Ravels „Bolero“ auflegt, dieses Tun missgönne. Ich sehe allerdings durchaus die Gefahr, dass jemand, der Bachs Musik als Vademecum, als Mittel und Anleitung zum Zweck religiösen Rührung und Erbauung benutzt, sich mit diesem Zweckdenken nur einen Faden aus dem Gewebe eines prächtigen Gobelins zieht und sich den Blick auf den ganzen Bach schwer macht.


    So, und nun lege ich, wie oben angekündigt, eine meiner geliebten Bachkantaten auf. Sicher wird es viele Menschen geben, die ein tieferes Verständnis von dieser Musik haben als ich. Sollten sie das mit ihrer Religiosität begründen wollten, dann müssten sie es mir allerdings beweisen...


    Alfons



    Hallo, Paul,


    es handelt sich um die "Sage von Chodeh, dem Eingemauerten" aus "Im Reich des silbernen Löwen" Band IV. Und die Geschichte endet auch etwas anders, als du dich erinnerst:


    Zitat

    Der Teufel saß als Gott im Heiligtum. Doch seine Scharen regten sich, ihn eiligst für das Volk hier einzumauern. Das Bauwerk stieg ihm immer höher, bis an den Leib - - - bis an die Brust - - - bis an den Hals! Und betend lag dabei die Andacht auf den Knieen! Der Kopf verschwand nun auch. Fast war der Berg verschlossen. Da schwang ein dunkler Flederhäuter sich aus der letzten Oeffnung und flatterte in das Verschwundensein. Und in demselben Augenblicke erschien der Architekt vor seinem Werke und lobte laut, daß er zufrieden sei.


    Ausgerechnet Karl May als Gewährsmann in Fragen der Religion heranzuziehen, halte ich allerdings für verfehlt. Nach Ansicht der Karl-May-Fachliteratur handelt es sich bei der "Sage von Chodeh" um eine Persiflage Mays auf das Kyffhäuser-Denkmal.


    Alfons

    Jesuskind oder Erbfolgekrieg?


    Bach, diesem großen Zauberer der Musik, wird manches Zauberkunststück zugetraut. Zum Beispiel, dass er nicht nur mit seiner Musik, sondern mit den Noten selber Bilder malte, indem etwa die Zeichen auf dem Notenpapier manchmal Wellen (BWV 81) oder Kreuze (BWV 6) nachbilden (beides stimmt übrigens). Oder dass die Anzahl der Nennungen des Namens Gottes in der Bibel in seinem Werk ablesbar seien (das halte ich für Unfug). Oder auch, dass er verschlüsselt in seiner Musik zu Tagesereignissen und eigenen Befindlichkeiten Stellung nahm – letzteres halte ich übrigens für gut möglich. Oder ist es etwa nicht auffallend, dass gleich die erste Kantate seines ersten Leipziger Jahrgangs den sprechenden Titel „Die Elenden sollen essen“ (BWV 75) trägt? Uraufgeführt am 30. Mai 1723, zwei Wochen nach der ersten Gehaltszahlung – und wir wissen, dass er in Leipzig weniger verdiente, als man ihm ursprünglich zugesagt hatte...


    Ein untergründiger Sinn wurde in der Bachforschung auch der Kantate BWV 110 zugeschrieben. Das liegt nahe, weil man einerseits lange Zeit wenig über die Entstehung dieser Kantate wusste und andererseits der Text, von dem Lukas-Zitat im 5. Satz einmal abgesehen, mit Weihnachten nicht viel zu tun hat. Der inhaltliche Kern des Kantatentextes: Gott wird für eine Erlösungstat gepriesen. Aber welche? Arnold Schering hat 1933 in seinen „Kleinen Bachstudien“ die Idee referiert, Johann Sebastian Bach nehme mit seiner Kantate Stellung zu dem für Sachsen glücklichen Ausgang des Polnischen Erbfolgekrieges Ende 1734.


    Das ist gar nicht so abwegig, wenn man sich zum Beispiel den Text des 1. Satzes anschaut: „Unser Mund sei voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens. Denn der Herr hat Großes an uns getan.“ Das ist ein bewusst entstelltes Zitat aus dem Psalm 126, wo es um die Hoffnung auf ein Ende der Gefangenschaft geht: „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein.“ Diese Verse auf Weihnachten und die Geburt Christi zu beziehen ist schon ziemlich kühn. Da drängt sich leicht die Frage auf: Wollte Bach damit etwas ganz anderes sagen?


    Die Spekulation erledigte sich dann aber, als der Textdruck gefunden, der Librettist ausgemacht und die Kantate eindeutig auf den 1. Weihnachtstag 1725 datiert werden konnte. Eine hübsche Idee war es aber schon vom Herrn Schering...


    Bach hat den Text zur 1725er Weihnachtskantate – es war sein dritter Leipziger Kantatenjahrgang – aus dem 1711 erschienenen ersten Jahrgang „Gottgefälliges Kirchen-Opffer“ mit Kantaten des Darmstädter Hofpoeten Georg Christian Lehms entnommen. In zehn der heute bekannten Bachkantaten verwendet er Texte von Lehms, eine elfte mit dem Titel „Liebster Gott, vergisst du mich“ ist verschollen. Lehms hatte für jeden Sonntag des Kirchenjahres zwei Kantaten verfasst, eine für den Hauptgottesdienst mit Arientexten, Choralstrophe und Bibelworten, eine weitere für die Nachmittagsandacht, in der auch frei gedichtete Rezitative ihren Platz hatten – also die neuere Kantatenform nach Neumeister, die Bach bevorzugte. Fast immer nahm Bach aus dem Buch von Lehms die Nachmittags-Kantaten. Nur einmal verwendete er die Vormittags-Form mit den Bibelworten. Nämlich in dieser Weihnachtskantate BWV 110.


    Auf den Herrn Lehms komme ich weiter unten noch einmal zu sprechen – ein interessanter Charakter, mal so gesagt.


    Kostbarkeit in nur fünf Takten


    Drei Arien für Tenor, Alt und Bass bilden das Rückgrat der Kantate. Die drei Bibelworte, die mit den Arien abwechseln, hat Bach unterschiedlich und höchst phantasievoll gestaltet. Das erste, die verfälschten Psalmenverse, hat er in seine Ouvertüre BWV 1069 eingebettet. Die zweite, ein nur fünf Takte langes Rezitativ mit einem Bibelzitat aus Jeremias 10 Vers 6, ist „eine Kostbarkeit“, sagt Alfred Dürr.


    Recht hat er. Wie verschwenderisch Bach oft mit seinen Ideen um sich wirft! Allein aus diesen aufwärts weisenden Streicher-Figuren, die den Bass-Gesang begleiten, würde man heute in der Pop-Musik einen ganzen Schlager zimmern können („Und nun, seit drei Wochen auf Platz 1 der Hitparade, Elton John mit >You are great<“) – uuups, hoffentlich kommt niemand auf die Idee! Nummer 3, das „Ehre sei Gott in der Höhe“ aus der Weihnachtsgeschichte, ist als wunderbares Duett, Sopran und Tenor, aus dem Magnifikat BWV 243 a adaptiert. Der abschließende Choral ist die fünfte und letzte Strophe aus dem Kirchenlied „Wir Christenleut“ von Kaspar Füger, das auch heute noch im Evangelischen Gesangbuch steht.


    Fortsetzung folgt


    Alfons

    Zitat

    Original von klingsor
    ich dachte, die forschung wäre schon seit einiger zeit d'accord, daß 'gloria in excelsis' KEINE kantate sei ?!?


    Das stimmt. Aber wir haben ja ein großes Herz...


    Alfred Dürr hat BWV 191 nach wie vor auch in der neuesten Auflage (2005) von "Johann Sebastian Bach - Die Kantaten" noch drin, er nennt das Werk diplomatisch mal "Weihnachtsmusik", mal "Kantate".


    Schulze ("Die Bachkantaten") folgt dem Stand der Forschung und hat BWV 191 rigoros aussortiert.


    In den Gesamteinspielungen wird es unterschiedlich gehalten. Rilling und Koopman haben "Gloria in excelsis Deo" mit drin, Leusink und Harnoncourt/Leonhardt nicht.


    Ich habe die drei Sätze bislang durchaus als Kantate verstanden, da bin ich nicht so pingelig (wie bei BWV 11 übrigens auch nicht).


    Alfons