Beiträge von Barockbassflo

    WTC Buch II Teil 1 mit Edwin Fischer von "www.pristineaudiodirect.com.
    Musikalisch nicht zu schlagen, und die bisher beste Überspielung einer historischen Klavieraufnahme in meiner Sammlung.


    Fischers samtmagischer Ton kommt voll zur Geltung.


    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    :hello:
    Flo

    Wer Lust auf Edwin Fischer mit dem Wohltemperierten Clavier bekommen hat kann sich seit heute bei "www.pristineaudiodirect.com einen neuen Transfer entweder als mp3 herunterladen oder als CD bestellen.


    Ist etwas teurer als NAXOS, klingt dafür aber auch sagenhaft gut.


    Ein Beispieltrack ist auf der Website ebenfalls zu finden.


    Ich habe ja immer so meine Schwierigkeiten mit historischen Klavieraufnahmen, weil das Instrument da meist bis zur Unkenntlichkeit verfärbt klingt. Hier nicht - ich habe noch nie so einen guten Transfer einer alten Klavieraufnahme gehört!


    Deswegen auch die schamlose Werbung - aber es lohnt sich, Fischers legendärer Ton kommt spektakulär zur Geltung, berücksichtigt man das Alter der Aufnahme.


    :hello:
    Flo

    Lieber Tastenwolf,


    aber ich habe doch gar nicht Geburtstag heut' - warum mich trotzdem mit solch einem Beitrag beschenken? Doppelt natürlich deswegen mein Dank...


    :angel:


    Zum Thema:


    Offensichtlich sind wir uns einig, denn es muss natürlich beides stimmen, die Technik und die Musik, sonst haut's nicht hin - und für ausübende Musiker ist es heutzutage keine Geschmackssache mehr, wofür man sich entscheidet, denn es gibt mittlerweile genügend Leute, die sowohl alle Töne treffen als auch musikalisch sind - bei den Geigern fällt mir da spontan Hilary Hahn ein, die Frau ist ein Phänomen...


    Schwierig, da jetzt noch sinnvoll etwas zu antworten: ich denke, Ziel sollte es immer sein - wie es wohl auch immer schon war - alle Töne richtig zu spielen und Musik zu machen, die Fehler schleichen sich dann von selber ein. Außerdem gibt es natürlich noch den Unterschied zwischen der Perspektive eines "normalen" Hörers und des Mitglieds einer Wettbewerbsjury oder einer Prüfungskommission. Aber auch die Ansprüche des "normalen" Publikums sind enorm gestiegen, was die Technik betrifft. In diesem Sinne kann man auch sicher sagen, dass Andras Schiff "besser" spielt als Edwin Fischer, nämlich technisch besser und trotzdem musikalisch.


    Trotzdem: Deine eigene, bewegende Ehrfurcht vor Edwin Fischer zeigt, dass es noch eine andere Dimension gibt: die totale, auch keine technischen Rücksichten nehmende Identifikation des Interpreten mit der Musik, die zu kompromisslos individualistischen Interpretationen führt, die, so man Zugang zu ihnen findet, mehr geben können als alle wie "musikalisch" auch immer ausgeführte "objektivere" Interpretationsarbeit. Die großen Interpreten der Vergangenheit konnten sich m.E. noch den Übergang in die Welt des existentiell-menschlichen Kunsterlebens erlauben, wo die erklingende Realität zurücktritt hinter die kommunizierte Macht des hinter den Noten liegenden, des Gemeinten, der Musik.


    Nur: heutige Interpreten können sich diesen Zugang nicht mehr leisten, weil sie ungeschützt von historischer Aura sich nicht mehr zu glaubwürdigem Hohepriestertum der Kunst aufschwingen können. Ob das jetzt gut ist (weil das Werk mehr in den Vordergrund tritt und der Interpretenkult langsam aber sicher bröckelt) oder schlecht (weil das Musizieren gewissermaßen domestiziert wird) ist eine andere Frage, aber als ausübender Musiker hat man, da gebe ich Dir Recht, keine Wahl.


    Zu Edwin Fischer:
    Die Analogie mit der "schönen Frau" verstehe ich nicht so ganz, aber ich gehe mal davon aus, dass Du keine charakterlichen Mängel, sondern Imperfektionen der Außenseite gemeint hast. Dazu kann ich nur sagen, dass mich ganz persönlich zum Beispiel gerade die Krähenfüße meiner Einen, Einzigen und Einzigartigen in Verzückung setzen, will sagen, wo die Liebe sich mischt mit dem ästhetischen Empfinden sind keine verallgemeinernden Aussagen mehr möglich, weil die Schönheit gerade dann radikal im Auge des Betrachters liegt.


    Und selbst wenn Imperfektionen auch subjektiv als Mängel empfunden werden: dann tun sie zwar der Schönheit Abbruch, aber sie gehören eben zum "Gesamtkunstwerk". Ich denke nicht, dass diese Analogie entwicklungsfähig ist, jedenfalls verstehe ich sie im Moment nicht so recht.


    Gut.


    Edwin Fischers falsche Töne: ich bin im Allgemeinen ziemlich empfindlich was falsche Töne angeht, siehe meine Ausführungen zu Karajans Berliner Philharmonikern. Aber bei Edwin Fischer hat mich im WTC bisher noch nie großartig was gestört, was im Umkehrschluss bedeutet, dass ich Klavierfehler einfach nicht so gut höre wie schlechte Streicherintonation (scheint bei Dir ja umgekehrt zu sein).


    Trotzdem denke ich nicht, dass eine Fehlerliste Edwin Fischer beschädigen würde, denn gegen die technischen Schwachstellen zeigt sich doch nur umso deutlicher die existentiell-menschliche Qualität, die künstlerische Wahrheit des Empfindens, die er kommunizieren konnte und die alle technischen Beschränkungen seines Spiels und der Aufnahmetechnik auch nach 70 Jahren noch überwindet.


    Aber das führt alles am Kern vorbei: das Wertvollste in diesem Zusammenhang ist Deine Ehrfurcht vor Edwin Fischer, denn gerade die Tatsache, dass Du Dich im vollen Bewusstsein seiner technischen Unzulänglichkeiten scheust, diese offenzulegen, lässt einen Schluss auf die Intensität des Kunsterlebnisses zu, das er Dir geben kann.


    Oder das Du in der Lage bist Dir von ihm schenken zu lassen.


    DARUM geht es m.E. in der Kunst, dass der Mensch zum Menschen spricht, und zwar von Dingen, die in keiner anderen Sprache als der der Kunst zu sagen sind.


    Wie gesagt, ich würde mich freuen über eine Fehlerliste, aber sie hätte für mich nur profanes Interesse und Gehörbildungseffekt.


    Und das wäre mit einer Beschädigung Deiner heiligen Ehrfurcht zu teuer bezahlt.


    Sorry für das Pathos, aber ich meine das echt.
    Tut mir leid.
    Apollinischer Ekstatiker halt.


    Ohne Musik (die definitiv MEHR ist als richtige Töne) wäre das Leben nun einmal ein Irrtum, resp. ein grausamer Scherz,


    in diesem Sinne,
    Flo

    Lieber tastenwolf,


    ja, an diesen Perfektionsdruck im Studium kann ich mich auch erinnern - ich bin dann aus- und umgestiegen. Und ich denke auch, dass niemand bestreiten wird, das heutzutage technisch wesentlich besser gespielt wird als damals - wer heute das Beethoven-Violinkonzert so spielen würde wie Fritz Kreisler selig käme wohl über die Zwischenprüfung nicht hinaus...


    Und ich gebe Dir völlig Recht: im Grunde kann das Musizieren erst dann beginnen, wenn man die richtigen Noten spielt, denn falsche Töne sind immer unmusikalisch.


    Mir sind nur beim Fischer-WTC ehrlich nicht so schrecklich viele falsche Töne aufgefallen - ich wäre Dir also für eine "Liste" sehr dankbar, dann kann ich mal mein Gehör ein wenig schärfen. Überhaupt ist man ja als Laie auf professionellen Input angewiesen, weil man einfach nicht genug Detailkenntnisse bzw. analytische Fertigkeiten besitzt, um zu objektiv richtigen Aussagen zu kommen. Und da kannst Du als Profi uns eben diese Lücke füllen und uns sagen, wie Fischers Leistung an aktuellen professionellen Maßstäben gemessen zu bewerten ist. Was eine sehr wertvolle Information wäre.


    Allerdings fände ich es extrem schade, wenn Du Dir erst die Arbeit einer solchen Liste machen und die dann an eine einzige PN vergeuden würdest. Und ich denke nicht, dass eine solche Liste ein Pietätsbruch wäre: ganz im Gegenteil. Gerade die Zahl der Fehler, die man bei ihm und z.B. Alfred Cortot hinzunehmen bereit ist zeigt doch unschlagbar deutlich, wie groß ihre musikalische Ausstrahlung auch heute noch wirkt, wo man eigentlich nur technisch besseres geboten bekommt.


    Denn es ist doch so: Fischer mit falschen Tönen (das unmusikalischeste was es gibt) ist in der Summe trotzdem musikalischer als die Mehrheit derjenigen, die alle richtigen Töne liefern. Ähnlich ist es mit Cortot.


    Ich denke daher, dass wir mit Deiner Liste dem Phänomen Fischer sehr viel näher kommen könnten als wenn wir uns auf das Murmeln von Bewunderungsmantras beschränken.


    Ich wäre Dir jedenfalls enorm dankbar, respektiere aber Deine Scheu und hielte es für schwer überzogen, wenn Du diese Arbeit nur an mich verschwenden würdest.


    :hello:
    Flo

    Ich vermute anhand der Interpretenliste, dass die Kammermusik identisch ist mit dem Brilliant Kammermusikwürfel, den ich mein Eigen nenne. Die historischen Liedaufnahmen dürften mit der Raucheisen-Edition identisch sein.


    Damit ist die Tonqualität der letzteren nur für Hartgesottene, was auch für einige Sänger (Leisner, Lemnitz) gilt.


    Der Kammermusikwürfel ist sehr ordentlich, teils sehr gut. Das Tokyo String Quartet spielt für meinen Geschmack halt mit etwas viel Vibrato, aber Kalichstein-Laredo-Robinson legen eine fantastische Einspielung der Trios (ohne die Urfassung des ersten) vor. Auch die Klarinettenwerke sind mit Karl Leister exquisit besetzt. Györgyi Pauk legt eine sehr ordentliche Einspielung der Violinsonaten vor, mir gefällt sie zwar nicht übermäßig, aber weder Suk/Katchen noch Schneiderhan/Seemann gefallen mir besser. Die Cellosonaten mit Stegenga sind ebefalls gut. Auch nicht schlecht sind die Sextette, wenngleich die Hyperion-CD besser ist.


    Die Chorwerke kenne ich nicht, sie haben aber recht gute Kritiken bekommen. Was man von den Symphonien nicht sagen kann.


    Der Kammermusikwürfel ist aber in jedem Fall empfehlenswert!


    Die Klavierwerke gibt es aber bei Decca mit Katchen bzw. bei Berlin Classics mit Peter Rösel. Den Katchen habe ich und mag ihn, wenn die Tonqualität auch nicht immer besonders gut ist. Dafür bekommt man eben Katchen, den zärtlichsten Vulkan der Klaviergeschichte.


    Rösel ist moderner im Klang und hat gute Kritiken bekommen.


    Mit mehr Info kann ich leider auch nicht dienen...


    LG,
    Flo

    Zitat

    Original von Tenorist
    Wie ist es bei Hilary Hahn? Ich durfte sie noch nie live erleben. Schafft sie es wirklich so einen wunderbar warmen Ton wie auf ihrer Spohr-CD zu erzeugen?


    Lieber Tenorist,


    sie erzeugt im Konzert sogar noch viel wärmere, vollere, differenziertere wunderbare Klänge! Ich habe sie in drei Sonatenabenden und einmal mit dem Elgar Violinkonzert im Konzert erlebt und war jedesmal völlig wie erschlagen. Über Musikalität lässt sich streiten, aber ich finde, sie spielt auf ihre Art vollkommen.


    Technisch und klanglich kann ich's einfach kaum glauben. Es ist einfach perfekt. Nicht nur, dass es keine unsauberen Töne gibt (ich habe jedenfalls keine gehört!), es gibt auch keine unschönen. Alles ist perfekt ausgewogen und beherrscht - und das auch noch ohne "Mätzchen" im Dienste der Musik.


    Auf ihren Platten spiegelt sich das leider nur bruchstückhaft. Sowohl die Elgar- als auch die Paganini/Spohr-Einspielung haben mich ein bisschen enttäuscht. Sie wirken musikalisch und klanglich verkrampft, will sagen, weniger ausgeglichen und mit schärferem Geigenton.


    Woran das liegt weiß ich auch nicht, wahrscheinlich an einer Kombination vom Stress des CD-Perfektionsdrucks (wobei der bei ihrer technischen Souveränität eigentlich so groß nicht sein kann...) oder daran, dass das Aufnahmemikrophon direkt vor der Geige sich befindet und daher das volle Obertonspektrum aufzeichnet, während im Konzert die hohen Frequenzen erstens über den Abstand zum Zuhörer von der Luft im Saal z.T. stark abgedämpft werden und sie natürlich auch im Gesamtklang untergehen, was dann zu einem "wärmeren" Klangbild führt.


    :hello:
    Flo

    Lieber Santoliquido,


    mal schaun. Muss mir die Aufnahme wohl noch ein paar Mal zu Gemüte führen - der schiere Glanz des Materials ist jedenfalls schon mal nicht seine hervorstechendste Eigenschaft.


    Aber er scheint mir radikal an die Grenzen zu gehen.


    Herb.


    Ich melde mich dann im einschlägigen Thread...


    Guads Nächtle,
    Flo

    Liebe Forianer,


    ich möchte auf eine 20 Minuten dauernde Kurzdoku über den von mir hochverehrten Leopold Stokowski hinweisen, die im November 1976 entstand und bei youtube in zwei Teilen zu finden ist:


    Teil 1: "http://www.youtube.com/watch?v=MSvWDoXN3nA
    Teil 2: "http://www.youtube.com/watch?v=FBTDbA7BqOk


    Es handelt sich um eine Mischung aus Proben- und Filmausschnitten mit Interviews mit und über Stokowski in englischer Sprache.


    Leopold Stokowski war damals bereits 94 Jahre alt, im Jahr darauf ist er dann gestorben - an genau dem Tag, an dem er die 2. Symphonie von Rachmaninoff hätte aufnehmen sollen.


    Angeklickt hatte ich den ersten Teil aus Neugier, weil ich einen Blick auf den Mann werfen wollte, der noch im Jahre 1977 einer meiner Lieblingsplatten einspielen konnte


    .


    Ich hatte also durchaus erwartet, dass Stokowski auch damals noch Herr der Lage war, aber auf die an Shakespeares King Lear oder die Raserei des späten Picasso gemahnende Intensität dieser einigermaßen bizarren Aufnahmen war ich nicht gefasst.


    Stokowski verhält sich dem Interviewer gegenüber äußerst eigenartig; an einer Stelle wundere ich mich wirklich, dass Dan Rather das Gespräch nicht abgebrochen hat - aber er kannte den Showman Stokowski natürlich nicht erst seit gestern. Aber es bleibt nicht bei der Show - Stokowski strahlt eine gewaltige Energie aus - aus einem vom Alter schwer gezeichneten Körper. Auf die Frage hin, wie er denn dem Orchester seine Vorstellungen kommuniziere, SPRINGT Stokowski vom Stuhl auf, nimmt eine Art Boxerhaltung ein, funkelt seinen Interviewpartner an und sagt dann - Freundschaft sei der Kern, freundschaftliches Zusammenwirken mit den Musikern.


    Die Probenausschnitte zeigen einen besessen arbeitenden Stokowski, der nichts durchgehen lässt und einen ziemlich fordernden Eindruck macht - irgendwas in der Technik klappt nicht und man bekommt den Eindruck, er würde die armen Techniker am liebsten bei lebendigem Leib verspeisen. Und diese gnadenlose Intensität, mit der er zu Werke ging - er hatte sich vom Auftreten in der Öffentlichkeit bereits zurückgezogen und arbeitete nur noch mit einem "Telefonorchester" im Studio, wohl um der ablaufenden Zeit noch soviel wie möglich abzuringen.


    Eine Figur wie aus einem Dürer-Holzschnitt.


    Mensch, Tod und Trotz gewissemaßen - also Kunst. Am Ende sagt er, um seine freien Interpretationen zu rechtfertigen: "No Emotion: Death."


    Flo

    Beethoven IX:
    1) Furtwängler 1937
    2) Furtwängler 1942
    3) Furtwängler 1951 Bayreuth
    4) Furtwängler 1953 Wien
    5) Toscanini 1948 VHS
    6) Toscanini 1951
    7) Karajan 1963
    8 ) Karajan 1977
    9) Karajan 1977 VHS (andere Besetzung)
    10) Karajan 1984
    11) Karajan 1984 VHS (andere Besetzung als die CD!)
    12) Harnoncourt 1991 :jubel:
    13) Stokowski 1967
    14) Fricsay
    15) Leopold Ludwig
    16) Klemperer Studio
    17) Klemperer 1964 VHS
    18 ) Gardiner :kotz:
    19) Bernstein Wiener Philharmoniker



    Beethoven V:
    1) Nikisch 1913 :jubel: :jubel: :jubel:
    2) Furtwängler 1926
    3) Furtwängler 1943
    4) Furtwängler 1954 Studio
    5) Karajan 1977
    6) Karajan 1984
    7) Klemperer 1960
    8 ) Harnoncourt 1991
    9) Furtwängler 1954 Live :kotz:
    10) Klemperer 1968 Wiener Philharmoniker Live :jubel: :jubel:
    11) Toscanini 1951
    12) Toscanini 1952 VHS
    13) Gardiner :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz:
    14) Weingartner
    15) Bernstein Wien



    Beethoven III:
    1) Toscanini 1939
    2) Toscanini 1951
    3) Toscanini 1953
    4) Furtwängler 1952 Studio
    5) Furtwängler 1952 Berlin Live
    6) Karajan 1966 VHS
    7) Karajan 1978
    8 ) Karajan 1984
    9) Karajan 1984 VHS
    10) Harnoncourt 1991
    11) Stokowski 1973 :jubel:
    12) Gardiner
    13) Klemperer 1954
    14) Klemperer 1960
    15) Bernstein Wien


    Beethoven Violinkonzert
    1) Fritz Kreisler 1926 :kotz: :kotz: :kotz:
    2) Fritz Kreisler 1936 :kotz: :kotz: :kotz: :kotz:
    3) Menuhin/Furtwängler
    4) Francescatti
    5) Oistrach Live (Brilliant-Box)
    6) Hilary Hahn :jubel:
    7) Heifetz/Toscanini :kotz:
    8 ) Mutter/Karajan VHS :O


    Das meiste davon als Teenager angesammelt. Liegt jetzt im Keller. Muss mich mal zu einem großen Abverkauf aufraffen...


    :hello:
    Flo

    Lieber Alfred,


    mir ging es ganz genauso. Am Anfang ist es ein Singen aus einer versunkenen Welt, pathetisch und mit sehr eigenartigen Vokalfärbungen. Aber mit der Zeit hört man sich in seine sängerische Sprache ein und entdeckt eine sehr charakteristische Tenorstimme.


    Über seine drei Beiträge zur Raucheisen Lied-Edition hatte ich geschrieben:
    "Leo Slezak (...) ist in der Raucheisen-Liededition mit drei Liedern vertreten: einer 1934 aufgenommenen Feldeinsamkeit von Brahms sowie (undatiert) dem Nussbaum und der Mondnacht von Schumann.


    In allen Liedern setzt Slezak seine berühmte, mirakulös intakte, perfekt integrierte, enorm farbenreiche, leuchtende und frei auf dem Atem schwebende Kopfstimme weit mehr ein als seine nicht weniger berühmte, von 30 schweren Heldenjahren gezeichnete Bruststimme, die nun aber in der Tiefe wohlige baritonale Wärme und Fülle verströmt.


    Im Nussbaum ist das Ergebnis eine wunderschöne, herbstlich-bittersüße Aufnahme eines elegischen Liebeslieds, die allerdings nicht an die Ausdruckskraft der Mondnacht heranreicht. Hier reizt Slezak die Palette seiner Kopfstimme hinsichtlich von Farbe und Volumen voll, nein: radikal aus, von hellen, beinahe knabenhaften Tönen bis hin zu einem lange ausgehaltenem, in einem magischen Diminuendo gleichzeitig immer dunkler und wärmer gefärbten „Haus“ das sich mit einem fast unhörbaren Schluss-S in nichts auflöst. Dazwischen gibt es Töne in der strapazierten und vokalverfärbten Bruststimme, die allerdings den wehmütigen Charakter des Liedes nur unterstützen – es ist schon ergreifend, wie die Flügel eben einen Erdenrest zu tragen haben, aber die Seele dann doch magisch-konjunktivisch ihren Flug sich träumt. Zusammen mit der hochsensiblen, das Tempo meisterhaft fluktuierenden Klavierbegleitung kommt das Lied zu wahrlich romantischem Leben.


    Zu Momenten existenzieller Ausdrucksintensität verdichten sich all’ diese Elemente in der Brahms’schen Feldeinsamkeit: hier finden Sänger und Pianist für jedes Wort die rechte Farbe und einen großen, großen weiten Atem für das ganze Lied. Slezaks Himmelsbläue ist eine wirklich blaue voix mixte, die schönen stillen Träume weisen – mit einem beinahe, aber eben nur beinahe brechenden Vokal E – ins Unendliche, beim „gestorben bin“ kommt die Welt zum Stillstand, während der nachfolgende selige Aufschwung in die ewigen Räume mit diesem so passend beschlagenen Glanz der Heldenstimme sich wieder in ein körperloses, doch voluminöses Falsett auflöst, man weiß nicht, wie.


    Eine radikale, tief berührende Lesart, die den Hörer ein gutes Stück mitnimmt in die ewigen Räume."


    Das ist für mich der Kern der Slezak-Faszination: ein distinktes Timbre, dass er zu Ausdruckszwecken sehr reich schattieren kann. Überdies standen ihm sowohl die hauchzartesten Falsettgespinste wie stählern strahlende Heldentenorausbrüche zu Gebote.


    Sein Otello ist zu Recht berühmt, aber auch sein Meyerbeer ist eine Fundgrube von tenoralen Gustostückerln. "Herr dich in den Sternenkreisen" z.B. ist ein tenorales Glanzfest mit gelagehaften Zügen, während "O Mathilde, du Engel meiner Triebe" gleichzeitig ein Rausch der sängerischen Virtuosität und emotional berührend ist.


    Besonders charakteristisch ist für ihn - da stimme ich Herrn Kesting zu - das durch den ganzen Stimmumfang reichende tenorale Timbre, das auch tiefen Tönen tenoralen Glanz leiht. Wie man dem obigen Zitat entnehmen kann, gilt dies jedoch nur für seine "Glanzzeit". Im Alter dunkelte die Tiefe etwas nach.


    Und diese Strahlkraft, die doch nicht eindimensional auf Squillo gebürstet ist, sondern eine Vielzahl von Schattierungen zulässt, macht seine Stimme für mich so ausdrucksstark. Deswegen kann ich auch der von Kesting und Fischer geäußerten Kritik der Eintönigkeit nicht zustimmen - sicher ist Slezaks Farbpalette hauptsächlich auf Schattierungen von Silber begrenzt, aber dafür so reich, dass ich mich nicht dran satthören kann.


    Außerdem meine ich, bei ihm ähnlich wie bei Joseph Schmidt eine tiefe Melancholie durchzuhören - der Brahms'schen Feldeinsamkeit kommt das natürlich ganz besonders zugute.


    M.E. ist bei Slezak einfach alles da: charakteristisches Timbre, sexy Spitzentöne aber auch ein hauchfeines pianissimo, eine reiche dynamische und farbliche Palette und die "Träne in der Stimme".


    Jedenfalls nimmt er mich jedesmal wieder gefangen und schenkt mir intensive Musikerlebnisse.


    Von seinen Büchern ganz zu schweigen...


    Verzückte Grüße,
    Flo

    Lieber Johannes, lieber Theophilus,


    dann werde ich die beiden CDs mal zum Probehören vormerken, vielen Dank!


    Hören tu ich im Moment:


    Raucheisen Lied-Edition CD 60:


    Lieder von Otto Nicolai


    Und zwar mit Josef Greindl, Peter Anders, Hilde Scheppan, Erna Berger, Hans Hotter und dem wunderbar knurrenden Josef von Manowarda.


    Wunderschöne Lieder, zum teil herrlich sentimental, dann wieder sehr witzig ("Flohjammer", "Du bist zu klein, mein Hänselein"), manchmal auch einfach nur ergreifend: Peter Anders in "Beruhigung".


    :hello:
    Flo

    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    und zu guter letzt ein weitere Ausflug in die Welt von gestern - Priser hat die Preise (vorübergehend ?) gesenkt....



    Bitte schreib' und wie der Slezak Dir gefallen hat - ich verehre diesen Sänger sehr und diese CD "lockt" mich auch schon länger...


    :hello:
    Flo

    Leopold Stokowski auf youtube: Proben zu Sibelius I und Interview mit Dan Rather, 1976.


    Stokowski, 94jährig, sieht aus wie 194 und platzt fast vor Energie. Und hat seinen Laden im Griff. Will keine Sekunde Zeit verlieren.


    Auch eindrucksvoll: probt und dirgiert Passacaglia und Fuge c-moll mit dem Südwestfunk, ca 1969 - ich wusste gar nicht, dass er so gut Deutsch konnte!


    Wärmstens empfohlen...


    :hello:
    Flo

    Lieber Siegfried,


    ich denke, Du hast recht. Immerhin bin ich im Besitz zweier Knappertsbusch-Mitschnitte aus Bayreuth, also wenn der Geist mich mal anweht bin ich gerüstet ;).


    Wird aber wohl noch dauern - bin ich doch gerade eben erst alt genug geworden für Mozart (das sage ich jetzt ohne jede Ironie als die reine Wahrheit)!


    Lieber Bernd,


    den Solti-Tannhäuser habe ich auch und frage mich seit Jahren, wie er das gemacht hat: in anderen Aufnahmen aus diesen Jahren spielen die Wiener Philharmoniker genauso schlampig wie die Berliner auch in dieser Zeit und der Staatsopernchor singt dass man glaubt der Weltuntergang war schon und man hat es nur verpasst irgendwie und jetzt geht der finale Weltenwürgewecker - und hier spielen und singen sie blitzsauber!


    Victor Braun ist natürlich kein besonders idiomatischer Wolfram, und ich habe schon oft lesen müssen, dass Wolframs Arien zu den einfallslosesten Stücken dieser Oper gehören - aber ich kann mir nicht helfen, ich schmelze einfach. Wenn es eine Opernfigur gibt mit der ich mich identifizieren kann und die ich selber auch mal gerne singen würde wenn ich denn singen könnte, dann ist es der Wolfram.


    Und wenn man hört wie Heinrich Schlusnus den Wolfram gesungen hat - da kann man (also ich zumindest) nur noch lyrisch werden...


    Aber wie Du schon gesagt hast: de gustibus...


    Und ich will den Tristan ja auch nicht madig machen, ist für mich halt (noch?) einfach zuviel des Guten (auch dies sage ich ohne Ironie).


    :hello:
    Flo

    Lieber Christian,


    da hast Du natürlich recht.


    Seine Bruckner VII



    geht auch in meinem Empfinden weit über den bloßen Schönklang hinaus, ähnlich wie das Wagner-Konzert mit Jessye Norman



    Beide Aufnahmen gehören für mich in die Kategorie "existentielles Kunsterlebnis".


    Die Bruckner VIII mit den Wienern ist allerdings ein anderer Fall - da kann ich mich überhaupt nicht hineinfinden.


    Von 1978 gibt es auch einen Videomitschnitt der Bruckner IX mit Te Deum aus dem Wiener Musikverein mit den Wiener Philharmonikern, das halte ich auch für eine ganz große Aufnahme. Vielleicht kommt die bei DG ja bald im Rahmen der UNITEL-Neuauflagen wieder heraus. Mein VHS davon ist jedenfalls nicht mehr in besonders guter Form...


    Aber wie gesagt, von den soeben genannten Ausnahmen abgesehen höre ich seine Aufnahmen kaum noch, weil mir erstens das Orchester oft die Schuhe auszieht und ich im Moment anderes Repertoire und Instrumentarium erkunde.


    :hello:
    Flo