Beiträge von Holger Sambale

    Hallo!


    Ich möchte besonders auf die beiden Sinfonietten des polnisch-sowjetischen Komponisten Mieczyslaw Weinberg (1919-1996) hinweisen, die auf den folgenden beiden CDs erhältlich sind (auch wenn jpc angibt, auf der ersten CD seien die Sinfonien Nr1&5 enthalten, was nicht stimmt - es handelt sich um die Sinfonie Nr.5 und die Sinfonietta Nr.1):



    Die Werke sind recht verschieden, aber beide sehr reizvoll.


    Sinfonietta Nr.1 d-moll op.41 (1948 )
    Dieses Werk hat vier Sätze, dauert etwa 22 Minuten und ist für volles Orchester komponiert. Die Musik ist eindeutig von jüdischer Folklore inspiriert, daneben tritt Schostakowitschs Einfluss zu Tage. Der Kopfsatz exponiert (nach einer Einleitung, die durch markante Triller aufhorchen lässt) ein kraftvolles, forsches Thema, das sich besonders durch den Einsatz übermäßiger Sekunden auszeichnet. Der zweite Satz ist lyrischer Natur - ausgedehnte, rezitativisch erscheinende Hornsoli umrahmen eine ausdrucksstarke, leicht rhapsodisch wirkende Melodie. Das an dritter Stelle stehende Scherzo umspielt ein einfaches, volkstümlich wirkendes Thema; der Tonfall ist eher gedämpft. Das (D-Dur-) Finale ist dann von sprühender Ekstase erfüllt. Insgesamt ein sehr lebhaftes, effektvolles und spritziges Stück, das einfach Laune macht.


    Sinfonietta Nr.2 g-moll op.74 (1960)
    Zunächst muss ich bemerken, dass die Tonart, die auf der Chandos-CD angegeben ist (a-moll) einfach falsch ist; die Sinfonietta steht klar in g-moll. Der Kontrast zum Vorgängerwerk ist sehr groß: an Stelle des vollen Orchesters setzt Weinberg hier nur ein Streichorchester ein, das in den Ecksätzen durch Pauken erweitert wird. Der Tonfall ist sehr introvertiert und persönlich, Melancholie und Retrospektion dominieren die Atmosphäre. Das Eingangsthema des ersten Satzes ist neobarock geprägt, aber Weinberg entwickelt daraus einen dunkel getönten Satz nicht ohne dramatische Untertöne. An zweiter Stelle steht eine Art Scherzo, das wiederum ein einfaches, volkstümliches Thema in eher lyrisch-melancholischem Tonfall präsentiert. Der langsame Satz ist ernst und nachdenklich, und bei dem sich unmittelbar anschließenden letzten Satz handelt es sich um ein Andantino, das auf einem Lied aus Weinbergs Zyklus "Erinnerungen" aufbaut. Ein stilles, resignativ zurückblickendes Finale, das schließlich vor dem Hintergrund leiser Paukenwirbel in der Einsamkeit verschwindet.


    Beide Sinfonietten höre ich ausgesprochen gerne und empfehle sie (wie den Komponisten Weinberg überhaupt - vielleicht werde ich an anderer Stelle näher auf ihn eingehen) nachdrücklich weiter.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo!


    Gerade läuft eines der großartigsten Violinkonzerte, das ich kenne:



    Boris Tschaikowski (1925-1996)
    Violinkonzert F-Dur (1969)
    Viktor Pikaisen, Violine / Odense SO / Eduard Serow


    Leider ist die Aufnahmequalität eher unbefriedigend, aber das kann nicht verbergen, dass das Konzert ein Meisterwerk ist. Tschaikowski hat bei der Komposition an seinen früh verstorbenen Vater gedacht, er wollte dessen Leben sozusagen in dieser Musik "bewahren". Das Ergebnis sind gut 40 Minuten ausdrucksstärkste, hoch intensive und emotionale Musik, voller Trauer und gleichzeitig Schönheit. Das Orchester besteht nur aus Streichern, Pauken und Blechbläsern, wobei die Instrumente auch noch sehr ökonomisch eingesetzt werden - es vergehen rund 25 Minuten, bis zum ersten Mal die Blechbläser eingesetzt werden. Überhaupt spielt sich die Entwicklung der Musik sehr langsam ab. An anderer Stelle werde ich irgendwann mal näher darauf eingehen.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    wie angekündigt, kam heute gleich noch eine CD von jpc:



    Boris Tischtschenko (*1939)
    Dante-Sinfonie Nr.1 "Unter den Lebenden - Einleitung" op.123 Nr.1 (1997)
    Dante-Sinfonie Nr.2 "Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren - Inferno: Erster bis Sechster Kreis" op.123 Nr.2 und 3 (2000)
    Philharmonisches Orchester St. Petersburg / Juri Kotschnew (Nr.1), Nikolai Alexejew (Nr.2)


    Die ersten beiden Sinfonien aus Tischtschenkos großem Zyklus nach Dantes Göttlicher Komödie - insgesamt entstanden fünf Sinfonien, die letzte wurde 2005 vollendet. Die Dritte ist übrigens auch auf CD erhältlich. Ich höre gerade die erste Sinfonie und bin sehr angetan!


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    eben ausgepackt:



    Mieczyslaw Weinberg (1919-1996)
    Fantasie für Violoncello und Orchester op.52 (1951-53)
    Flötenkonzert Nr.1 d-moll op.75 (1961)
    Flötenkonzert Nr.2 G-Dur op.148 (1987)
    Klarinettenkonzert op.104 (1970)
    Claes Gunnarsson, Violoncello; Anders Jonhäll, Flöte; Urban Claesson, Klarinette / Göteborger SO / Thord Svedlund
    Interessante Neuerscheinung in Chandos' (leider etwas langsam voranschreitender) Weinberg-Serie.




    Kalevi Aho (*1949)
    Sinfonie Nr.12 "Luosto-Sinfonie" (2002/03)
    Taina Piira, Sopran; Aki Alamikkotervo, Tenor; Hannu Lehtonen, Saxophon / Sinfonieorchester Lahti, Lappländisches Kammerorchester / John Storgards
    Ahos Zwölfte ist durch den lappländischen Berg Luosto inspiriert, ja sogar für diesen konzipiert: sie soll ursprünglich an seinen Hängen aufgeführt werden (die Uraufführung fand dort auch statt). Das große Orchester, das Kammerorchester und die Solisten (neben Sopran, Tenor und Saxophon noch diverse Blechbläser und Schlagzeuger) sind nach einem genauen Plan postiert. Die musikalischen Bilder sind durch die Natur Lapplands geprägt (Winter, Mittsommer, Sturm etc.).


    Morgen dürfte noch eine weitere CD eintreffen...


    Viele Grüße
    Holger


    Hallo Frank,


    da kann ich auch nur gratulieren! Simpsons Sinfonien sind ein großartiger Zyklus, die Neunte z.B. gehört für mich zum Gewaltigsten, was ich jemals gehört habe. Unglaublich, welche geradezu kosmischen Energien da frei werden, welche musikalische Größe und Erhabenheit... Auch mir geht es so, dass diese Musik nicht unbedingt mit dem korreliert, was ich mir unter "britisch" vorstelle. Da mir britische Musik allerdings im Grunde genommen nicht so schrecklich nahe steht (obwohl es auch Ausnahmen gibt!, aber zum Beispiel russische Musik spricht mich in toto doch noch ein gutes Stück mehr an), ist das vielleicht auch ein Grund, warum mir von den Briten ausgerechnet Simpson besonders gut gefällt.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    gerade läuft:



    Andrei Golowin (*1950)
    "Canto d'attesa" für Violine und Orchester (1999)
    Maxim Fedotow, Violine / Philharmonisches Orchester Brünn / Mischa Damew


    Ein noch recht junges Violinkonzert, dessen Tonsprache allerdings doch sehr traditionell gehalten ist. Golowins "Gesang der Erwartung" ist von kantablen Linien, romantisch anmutender Harmonik sowie tiefer Melancholie und Sehnsucht durchzogen. Ein sehr schönes Werk, wie ich finde.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    gerade läuft:


    Jauhen Zikozki (1893-1970)
    Sinfonie Nr.6 A-Dur op.65 (1963)
    Staatliches SO Weißrusslands / Witali Katajew


    Zikozki, auch (in der russischen Namensform) als Jewgeni Tikozki bekannt, war einer der Begründer der weißrussischen Sinfonik. Seine letzte Sinfonie ist ein durch und durch traditionelles, recht heroisches Werk. Ich freue mich, dass es mir kürzlich möglich war, drei seiner Sinfonien in meine Sammlung aufzunehmen.


    Viele Grüße
    Holger

    Zitat

    Original von pbrixius


    Die ist dank Deiner Empfehlung inzwischen auch in das Fach der gerade eingetroffenen, aber noch nicht gehörten CDs eingestellt worden. Ich bin gespannt ...


    Hallo Peter!


    Ich habe mir das Stück gestern natürlich gleich zu Gemüte geführt, obwohl ich es in letzter Zeit mehrfach als Mitschnitt angehört hatte, aber eine CD ist eben doch noch mal etwas anderes... Besonders interessant finde ich übrigens Baurs eigene Kommentare, die im Beiheft abgedruckt sind. Sie haben mir noch einmal wesentliche zusätzliche Einblicke in die Gedankenwelt und musikalische Konzeption der Metamorphosen geliefert.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    gestern ist folgende jpc-Lieferung bei mir eingetroffen:



    Jürg Baur (*1918 )
    Sinfonische Metamorphosen über Gesualdo (1981)
    WDR SO Köln / Rudolf Barschai
    "Romeo und Julia", Visionen für Orchester (1962/63)
    RSO Stuttgart / Hans Müller-Kray
    "Musik mit Robert Schumann", Suite für Orchester (1972)
    SO des Bayerischen Rundfunks / Hanns-Martin Schneidt
    Concerto Romano für Oboe und Orchester (1960/61)
    Otto Winter, Oboe / Bamberger Symphoniker / Hanns-Martin Schneidt
    Nachdem ich die Gesualdo-Metamorphosen ja kürzlich im Radio mitgeschnitten hatte, freue ich mich nun, dieses tolle Stück auch in CD-Qualität in meiner Sammlung zu haben.



    Henri Dutilleux (*1916)
    Sinfonie Nr.1 (1950/51)
    Violoncellokonzert "Tout un monde lointain..." (1970)
    "Timbres, espace, mouvement ou La Nuit étoilée" für Orchester (1977/78, rev. 1988 )
    Jean-Guihen Queyras, Violoncello / Orchestre National Bordeaux Aquitaine / Hans Graf
    Die CD mit der Zweiten Sinfonie habe ich schon länger, diese Musik gefällt mir ausnehmend gut, sodass die vorliegende Ausnahme längst an der Reihe war.



    Ahmed Adnan Saygun (1907-1991)
    Sinfonien Nr.3 op.39 (1960/61) und Nr.5 op.70 (1984)
    Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz / Ari Rasilainen
    Damit wäre meine CPO-Saygun-Sammlung komplett, ich hoffe aber, dass noch mehr erscheint.



    Andrei Golowin (*1950)
    Präludium über das Thema E-F-G für Orchester (2002)
    Russisches Akademisches SO / Andrei Golowin
    Acht Gedichte von Graf Wassili Komarowski für Sopran und Orchester (2006)
    Mlada Chudolei, Sopran / Tschaikowski SO des Moskauer Rundfunks / Rudin
    Canto d'attesa für Violine und Orchester (1999)
    Maxim Fedotow, Violine / PO Brünn / Mischa Damew
    Walzer aus der Filmmusik "Über Liebe" (1998 )
    SO der Moskauer Neuen Oper / Andrei Golowin
    Ein eher traditionsverbundener zeitgenössischer russischer Komponist aus dem Kreise Boris Tschaikowskis.



    Fritz Geißler (1921-1984)
    Kammersinfonie Nr.1 (1954)
    RSO Berlin / Rolf Kleinert
    Sinfonie Nr.3 (1965/66)
    RSO Leipzig / Herbert Kegel
    Nonett Nr.1 "Ode an eine Nachtigall" (1966)
    Bläserquintett und Mitglieder des RSO Leipzig
    Klavierkonzert (1969/70)
    Rolf-Dieter Arens, Klavier / RSO Leipzig / Herbert Kegel
    Geißler gehörte zu den "experimentelleren" DDR-Komponisten, seine Kammersinfonie etwa bezieht schon Mitte der 1950er Jahre dodekaphone Elemente mit ein (was in der DDR damals eigentlich verpönt war).



    Rudolf Wagner-Régeny (1903-1969)
    Orchestermusik mit Klavier (1935)
    Eleonore Wikarski, Klavier / RSO Berlin / Heinz Bongartz
    Suite aus der Oper "Persische Episode" (1940-50)
    Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin / Klaus Tennstedt
    "Cantica Davidi Regis" für Bass, Chor und Orchester (1954)
    Wolfgang Pfau, Bass / Chor und RSO Leipzig / Herbert Kegel
    Einleitung und Ode für sinfonisches Orchester (1967)
    Berliner Sinfonie-Orchester / Kurt Sanderling
    Acht Kommentare zu einer Weise des Guillaume de Machaut für Orchester (1967)
    Kammerorchester der Dresdner Philharmonie / Kurt Masur
    Gesänge des Abschieds nach Hermann Hesse für Bariton und Orchester (1968/69)
    Siegfried Lorenz, Bariton / RSO Leipzig / Adolf Fritz Guhl
    Die neue Hastedt-CD, für mich natürlich ein Muss.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    bei mir mal etwas Moderneres:


    Brett Dean (*1961)
    "Amphitheatre", Szene für Orchester (2000)
    Melbourne Symphony Orchestra / Oleg Caetani


    Habe ich mir gerade "frisch" im Rundfunk mitgeschnitten. Dean ist Australier, er war allerdings über ein Jahrzehnt lang Bratschist bei den Berliner Philharmonikern. Sein Amphitheater - das erste Werk, das ich von ihm kennen lerne - hört sich gar nicht schlecht an, auf jeden Fall atmosphärisch sehr interessant, dunkle, schattenhafte Akkordfolgen stehen wüsten orchestralen Ausbrüchen gegenüber.


    Viele Grüße
    Holger

    Zitat

    Original von Thomas Pape
    Mit Jan Raupp geht der Tag zuende. Genauer: mit seinen "Metamorphosen für sinfonisches Orchester (und Violine)"
    Auch Jan Raupp's Werk ist bislang nicht aufr CD erhältlich, die genannte LP taucht zuweilen bei der Bucht auf.


    Hallo Thomas,


    zunächst noch eine kurze Bemerkung zur Musik Ernst Hermann Meyers: natürlich kenne ich auch seine Konzertante Sinfonie und etliches mehr. Meiner Meinung nach eine der herausragenden Erscheinungen des DDR-Musiklebens, seine Werke weisen allesamt eine enorm hohe Qualität auf. Sehr schade, dass er auf dem Tonträgermarkt (abgesehen von ein paar Liedern) so ganz und gar nicht präsent ist.


    Ich kenne eine Reihe sorbischer Kompositionen, da doch mehr auf CD veröffentlich ist, als man meint - nur, dass diese Sachen im regulären Handel (sprich jpc, amazon und Co.) nicht zu finden sind. Auch die Raupp-LP ist mittlerweile auf CD erhältlich; ich gebe dir mal einen Link: http://www.servi.de/IShop/index.html - einfach die Rubrik "CD sorb. Klassik" anklicken. Ich selbst habe die Raupp-CD noch nicht, habe sie mir jetzt aber auf deine Anregung hin bestellt.


    Viele Grüße
    Holger


    Nachtrag: Noch mehr findet man übrigens im E-Shop der Stiftung für das sorbische Volk: http://www.lodka.sorben.com/eshop.htm

    Zitat

    Original von Thomas Pape
    Bei mir das Violinkonzert op.64 von Siegfried Köhler (1927-1984). Es ist Köhlers letztes konzertantes Werk. Köhler war mir zuvor als Komponist der Weihnachtskantate "Tausend Sterne sind ein Dom" bekannt. Von dieser einschmeichelnden Melodik hat sich Köhler zum Ende seines Lebens entfernt. Schade, daß es keine Wiederveröffentlichung als CD gibt. Bei mir dreht sich folglich die Nova-LP



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:


    Hallo Thomas!


    Meinen allerherzlichsten Glückwunsch zum Erwerb dieser Platte! Während ich zu der Schubert-Sinfonie bislang noch keinen rechten Zugang gefunden habe, finde ich das Violinkonzert von Köhler schlichtweg phänomenal. Du hast Recht, Köhler schreibt hier schon deutlich avancierter als in früheren Jahren (ich kenne z.B. sein Klavierkonzert, ein heiteres, munteres, ja keckes Werk), trotzdem aber fasslich, verständlich. Das Konzert besitzt eine erstaunliche gedankliche Tiefe. Ich möchte versuchen, zu schildern, was mir daran so gut gefällt.


    Es ist wohl vor allem die Art und Weise, wie Köhler Tradition und Moderne miteinander in Verbindung setzt - Augenblicken, in denen blühende, meist elegisch angehauchte Melodik angedeutet wird (zur Entfaltung kommt diese ja eigentlich kaum, jedenfalls nicht über längere Zeit), steht aufgewühlte, von Schlagzeugpassagen und Dissonanzen geprägte Musik gegenüber. Auch der Luther-Choral im Finale (das Konzert wurde ja zum Luther-Jahr 1983 komponiert) bleibt schlussendlich (freilich gewichtige) Episode. Köhler wollte ihn so verstanden wissen, dass seine Intonation "Ausdruck der unlösbaren Einbindung des Gegenwärtigen in den Strom der Geschichte, des Bewegenden der Vergangenheit in die Bewegtheit der Gegenwart" sei.


    Für mich persönlich ist dieses Konzert wie ein Spiegel des Lebens: eine tiefe Sehnsucht nach Harmonie, Frieden und Schönheit, welche in einzelnen Momenten der Perfektion scheinbar nahe scheinen, letztlich aber vom Strom der Zeit hinweggerissen werden. Für mich persönlich ist dies ein äußerst faszinierendes, bewegendes Konzert!


    Falls du das Violinkonzert von Ernst Hermann Meyer noch nicht kennst, solltest du auch danach Ausschau halten - ebenfalls eine meisterhafte Reflexion über die Vergänglichkeit menschlichen Seins.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo Ralf,


    "MGG" ist die Abkürzung für "Die Musik in Geschichte und Gegenwart", das umfangreichste deutschsprachige Musiklexikon, dessen Neuauflage kürzlich fertiggestellt wurde. Es besteht aus insgesamt 9 Bänden Sachteil und 17 Bänden Personenteil - mit anderen Worten, man findet dort schon eine ganze Menge Informationen auch über sehr unbekannte Komponisten wie eben Nenow. Natürlich sind dort ebenfalls mitunter Fehler zu konstatieren (ein paar habe ich schon bemerkt!), aber generell ist diese Quelle natürlich schon als relativ sicher zu werten.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo Ralf,


    ich kenne Nenow nur dem Namen nach, daher kann ich nicht viel dazu sagen. Allerdings steht in der MGG, dass der Anlass für seine Entlassung die Reformen im Ausbildungssystem 1946 waren. Ich habe das von dir geschilderte Anekdötchen allerdings in der englischen Wikipedia wiedergefunden. Zumindest wäre ich vorsichtig damit, so etwas vorbehaltlos zu glauben - der Wikipedia-Artikel erscheint mir letzlich etwas tendenziös.


    Leider kannst du keine PNs empfangen - schau mal in mein Profil; da habe ich meine E-Mail-Adresse hinterlassen. Schreib mir mal, ich hätte da eine Frage...


    Viele Grüße
    Holger

    Zitat

    Original von Matthias Oberg
    Hallo Holger,


    Günter Kochans 2. Violinkonzert von 1980 läuft jetzt gerade bei mir - Großartig! Ebenso das Klavierkonzert Op.16 und die Symphonie Nr.5 auf der selben CD:


    Ansonsten werde ich mich dann wohl auch auf die LP-Suche begeben. Auf CD ist Kochan noch in den "Musik aus Deutschland", bzw "Musik in der DDR" - Reihen vertreten, aber das weißt Du natürlich sicher längst. Es wäre zu wünschen, dass Hastedt mehr Kochan herausbringt. Vieles andere aus Hastedts musikhistorisch verdienstvollen DDR-Reihe ist ja musikalisch doch eher medioker.


    Hallo Matthias,


    mit ein paar Tagen Verspätung - ich habe im Moment sehr viel zu tun und komme hier kaum zum Schreiben bzw. Lesen: Das, was es von Kochan auf CD gibt, habe ich fast alles. Ausnahmen sind die Vierte Sinfonie (wie erwähnt, die CD ist gestrichen) und ein paar Kleinigkeiten, es gibt z.B. noch ein Kammermusikwerk mit Blockflöte.


    Ich finde Hastedts Reihe insgesamt sehr erfreulich, auch wenn ich nicht alle CDs besitze - vor kurzem ist eine Wagner-Régeny-CD erschienen, die ich mir noch kaufen muss. Die Fritz Geißler-CD ist ebenfalls demnächst an der Reihe. Welche CDs hast du denn in deiner Sammlung bzw. was findest du mittelmäßig?


    Gerade läuft bei mir allerdings Musik aus der Sowjetunion:


    Qara Qarayev (1918-1982, auch: Kara Karajew): Leila und Madschnun, Sinfonische Dichtung (1947)
    Staatliches SO Aserbaidschans / Yalcin Adigözälov
    Musik aus Aserbaidschan - während sich Qarayev in späteren Jahren mit moderneren Kompositionstechniken beschäftigte, schrieb er hier noch eine grundsätzlich in der Spätromantik verwurzelte, emotionale Musik.


    German Galynin (1922-1966): Suite für Streichorchester a-moll (1949)
    Großes RSO der UdSSR / Nikolai Anossow
    Diese viersätzige Suite ist im Vergleich zu Qarayev viel stärker neoklassizistisch beeinflusst.


    Viele Grüße
    Holger


    Hallo Matthias,


    erst mal: es freut mich unheimlich, jemandem diese großartige Musik näher gebracht zu haben. Kochan gehört zu den von mir mesitgehörten Komponisten, ich liebe seine Musik richtiggehend. Anfang des Jahres habe ich ihm mal einen Brief geschrieben, in dem ich ihm meine Bewunderung für sein Schaffen mitgeteilt und ein paar Fragen gestellt habe. Erhalten habe ich eine sehr freundliche Antwort, in der Kochan unter anderem meinte, er "mache nur seine Arbeit".


    Das erste Violinkonzert ist in der Tat noch ein Schülerwerk, geschrieben mit Anfang 20. Merkmale von Kochans späterem Stil kann ich darin kaum wiederfinden. Für mich ist das einfach "hübsche", sympathische Musik, die ich daher gerne höre. An das (reife) Zweite Violinkonzert reicht es selbstredend nicht heran. Ich glaube, Kochan hat es sinngemäß mal als Übung in der Sonatenhauptsatzform bezeichnet. Es hat in der 1950er Jahren aber einigen Erfolg gehabt, wohl auch deshalb hat Kochan ihm die Opuszahl 1 verliehen. Im Klavierkonzert (dessen Partitur ich kürzlich antiquarisch erwerben konnte) ist Kochan schon viel, viel weiter.


    Bezüglich der Einschätzung der "Asche von Birkenau" und "Und ich lächle im Dunklen dem Leben" kann ich dir nur vollends zustimmen. Was für eine Ausdrucksgewalt! Es ist wirklich äußerst schade, dass Kochan so wenig Beachtung findet - er schrieb mir übrigens auch, dass Hastedt der einzige Verlag ist, der sich für seine "Arbeit" interessiert. Natürlich hat das auch politische Gründe - wenn man sich Interviews mit Kochan aus DDR-Zeiten durchliest, sind diese an Eindeutigkeit hinsichlich der ideologischen Orientierung ("wir Marxisten" etc.) kaum zu übertreffen. Ich finde das allerdings für mich persönlich nicht im Geringsten problematisch.


    Ich kenne noch einige weitere Werke Kochans, etwa das großartige Konzert für Orchester (Nr.1, nur auf Platte), natürlich die Zweite Sinfonie, die Dritte auf Platte. Die Vierte gab es mal auf einer CD, welche ich händeringend suche. Ich habe eine Partitur dieses Werkes, scheint hochinteressant zu sein! Ein anderes Werk, das ich nur in Partitur habe, ist die Musik für Orchester Nr.1 "In memoriam". Gab's mal auf Platte, auch hier bin ich intensiv am Suchen. Im Jahre 2006 hat Kochan übrigens eine weitere Sinfonie (seine Sechste) vollendet.


    Viele Grüße
    Holger


    Hallo Wolfgang,


    eine kleine Korrektur: "Frösö Blomster" übersetzt man nicht mit "Frühlingsblumen", sondern mit "Blumen aus Frösö" - Frösö ist eine schwedische Insel, auf der Peterson-Berger sein langjähriges Sommerdomizil aufgeschlagen hatte. Die Frösö Blomster sind eigentlich kleinere Klavierstücke (in drei Bänden) nach Art von Griegs Lyrischen Stücken. Ich habe sie in einer Einspielung mit Niklas Sivelöv. In der Suite, die du gehört hast, hat er ein paar Stücke aus dem ersten Heft, die seinerzeit übrigens recht populär gewesen sind, orchestriert. Klar ist das völlig harmlose, beschauliche Musik, aber trotzdem sehr schön.


    Dass Peterson-Berger in puncto Originalität einem Berwald nicht das Wasser reichen kann, steht außer Frage. Andererseits ist klar, dass Peterson-Berger in seinen Sinfonien deutlich ambitionierter war als in jenen kleinen Klavierminiaturen. Das Klavier im Orchester hört sich wirklich sehr apart an! Kennst du Peterson-Bergers Dritte Sinfonie "Same Ätnam (Lappland)"? Wäre auch eine Empfehlung wert...


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    es gibt eine ganze Reihe von (relativ unbekannten) Komponisten, von denen ich mehr oder minder alles zu bekommen versuche. Berwald ist chronologisch betrachtet der erste davon. Zunächst habe ich seine Sinfonien in den Naxos-Aufnahmen mit Kamu kennengelernt, später habe ich mir dann wesentlich mehr zugelegt, sodass ich mittlerweile seine gesamten Orchesterwerke (bis auf ein paar Opernouvertüren) und ebenso seine gesamte Kammermusik in Aufnahmen vorliegen habe.


    Was ich an dieser Musik so mag, ist ihre eigentümliche Herbheit, die geistreiche Kühle, die ihr innewohnt. Neben der "nüchternen", aber ausdrucksstarken Lyrik der langsamen Sätze gefällt mir der rhythmische Vorwärtsdrang seiner Musik außerordentlich. Irgendwie hat er einen ganz eigenen Tonfall entwickelt, den ich schwerlich mit anderen Komponisten vergleichen könnte - in Ansätzen vielleicht der erwähnte Mendelssohn. Ich habe mal gelesen, dass Berwalds Musik eher eine Weiterentwicklung der Wiener Klassik darstellt als eine schwedische Variante der Romantik - zumindest halte ich diese These für bedenkenswert. Ein Klassizist ist Berwald zweifelsohne.


    Im schwedischen Kontext ist Berwald ganz klar ein geradezu unerhörter Neutöner gewesen - ich kenne z.B. zwei Sinfonien eines gewissen Adolf Fredrik Lindblad, ungefähr ein Berwald-Zeitgenosse, der sich damals erheblich größerer Popularität erfreute als Berwald. Um ehrlich zu sein, halte ich diese Sinfonien für relativ belanglose, vielleicht an Haydn gemahnende Stückchen, da ist ein Berwald wirklich um Längen moderner.


    Übrigens ist Berwald mangelnde Popularität im schwedischen Musikleben seiner Zeit nicht nur seiner Musik, sondern auch seinem wohl eher rauen Umgangston geschuldet; er galt als arrogant und unnahbar. In die Salons jener Zeit hat er offenbar nicht hineingepasst, er war seinen Zeitgenossen anscheinend nicht "glatt" genug (was ihn mir persönlich eher sympathisch macht, aber das nur am Rande).


    Berwald Musik lebt auch von ihren Überraschungsmomenten, z.B. dem unvorhersehbaren, drastischen Paukenschlag im langsamen Satz der Dritten Sinfonie, oft auch plötzlichen Dynamikänderungen. Bemerkenswert originell ist auch etwa das fast bizarre Hauptthema des Finales der 3. Sinfonie. Sehr interessiert zeigte sich Berwald übrigens an Verknüpfungen mehrerer Sätze und quasi-einsätzigen Konstruktionen (2. Satz der Dritten Sinfonie, 2. und 3. Satz der 4. Sinfonie, Bogenform in Streichquartetten etc.). Berwald Instrumentation ist ebenfalls recht charakteristisch - im Allgemeinen eher durchhörbar. Hierzu habe ich übrigens mal gelesen, dass Berwald den Posaunen die Rolle zugesteht, die andere Komponisten seiner Zeit (etwa aus Deutschland) eher den (weicher klingenden) Hörner anvertrauen. Keine ganz unberechtigte Beobachtung, wie ich finde!


    Ich habe die Sinfonien mit Kamu und Goodman, wobei letzterer auch noch die frühe A-Dur-Sinfonie, ein Fragment von 1820, eingespielt hat. Schon in dieser Sinfonie findet man erstaunlich viele für den reifen Berwald typische Wendungen, sei es in der Melodik, Motivik oder Orchestrierung. Ansonsten sage ich offen, dass ich alle vier Sinfonien sehr schätze. Zwei davon habe ich mit Björlin. Ich denke, dass ich mir dessen Gesamteinspielung irgendwann auch noch zulegen werde, weil er diese Musik (in den mir vorliegenden Aufnahmen) schon ungewöhnlich gut trifft.


    Zu der letzten genannten CD (Schlacht bei Leipzig und anderes) folgende Bemerkungen: das ist meiner Meinung nach keine Sternstunde der Berwald-Diskographie, zum einen wegen der eher schwächeren, jedenfalls noch nicht den "echten", reifen Berwald zeigenden Werke (fast alles - bis auf die instrumentalen Opernausschnitte - Frühwerke aus dem Zeitraum 1815-30, die Schlacht bei Leipzig steht z.B. m.E. deutlich hinter Berwalds späteren Tondichtungen zurück), zum anderen auch wegen der mäßigen Interpretation, die Soloviolinen sind nicht immer unbedingt in Bestform, die Königin von Golconda-Ouvertüre habe ich auch schon zupackender gehört. Kann man sich anschaffen, wenn man schon viel von Berwald hat und noch mehr kennenlernen möchte, als Einstieg aber meiner Meinung nach völlig ungeeignet.


    Berwalds Opernschaffen soll nach Informationen der MGG nicht den Rang seiner Orchester- und Kammermusik besitzen, obwohl sich Berwald zeit Lebens sehr für Opern interessierte. Allerdings kenne ich auch keine seiner Werke aus diesem Bereich, ich referiere nur den Inhalt des MGG-Artikels.


    Übrigens hat Franz Liszt Berwalds Musik ziemlich geschätzt und ihm unter anderem in einem Brief geschrieben, er solle sich nicht von der mangelnden Anerkennung (durch das Publikum) beirren lassen.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    bei mir heute morgen:


    Karen Chatschaturjan (*1920)
    Sinfonie Nr.3 (1982)
    Staatliches SO der UdSSR / Wassili Sinaiski


    Ein einsätziges Werk, dauert 23 Minuten. Karen Chatschaturjan ist der Neffe vom berühmten Aram. Mit dessen Musik würde ich diese Sinfonie aber nicht vergleichen wollen - sie ist doch deutlich "moderner", und armenisches Kolorit kann ich nicht ausfindig machen. Obwohl auch Karen keinesfalls als Avantgardist zu bezeichnen ist, es gibt immer wieder ruhige, tonal gebundene Abschnitte, daneben aber auch heftige Orchesterausbrüche. Fazit: lohnt sich.


    Davor bin ich erstmals mit Musik von Wano Muradeli in Berührung gekommen, und zwar seiner Ersten Sinfonie. Würde ich als typisch "sowjetisch" (bzw. das, was man sich herkömmlicherweise darunter vorstellt) beschreiben. Auch wenn das sicherlich keine überragende Musik ist, ich höre sowas gerne.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    bei mir gerade folgendes Werk:


    Adolfs Skulte (1909-2000)
    Sinfonie Nr.5 (1974)
    Nationales Lettisches Sinfonieorchester / Aleksandrs Vilumanis


    Skultes Musiksprache erscheint hier im Vergleich zu den von Davidoff oben genannten Werken aus den 1950ern dramatisch und harmonisch deutlich geschärft, die fließende Melodik und große Geste bleiben aber dennoch ganz unverkennbare Kennzeichen seiner Musik. Seine Musiksprache ist von epischem Pathos und emotionaler Kraft erfüllt, deutlich "sowjetisch", lyrisch und episch ausladend, prachtvoll orchestriert. Eigentlich müssten seine neun Sinfonien unbedingt mal auf CD erscheinen.


    Viele Grüße
    Holger


    Hallo Michael,


    ich glaube auch, dass Saminsky für dich von Interesse sein könnte, mal schauen, was sich da machen lässt...


    Ich finde es übrigens sehr interessant, was die Nordwestdeutsche für den WDR alles einspielt, vor kurzem schon mal Orchestermusik von Hans von Bülow, außerdem kam am Freitag Abend eine Sinfonie eines gewissen Anton Urspruch, die ich allerdings beim ersten Hören eher hausbacken fand. Eigentlich schade, dass so etwas nicht mal in den Abo-Konzerten gespielt wird.


    Stulberg kannte ich vorher ehrlich gesagt nicht.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo Peter,


    schön, dir eine Anregung geliefert zu haben - wie gesagt, ich empfinde die Musik als äußerst lohnenswert.


    Das Stück, das ich jetzt gerade höre, habe ich ebenfalls im Rundfunk mitgeschnitten, es lief gestern abend auf WDR 3:



    Lazare Saminsky (1882-1959)
    Sinfonie Nr.3 op.30 "des mers" (1924)
    Nordwestdeutsche Philharmonie / Neil Stulberg


    Diesen Komponisten kannte ich vorher überhaupt nicht, und das Werk ist auch nicht auf CD greifbar. Ursprünglich ein russischer Jude, der 1919/20 in die Vereinigten Staaten emigrierte und sich intensiv mit jüdischer Musik auseinandersetzte, präsentiert sich Saminsky hier wie auch im ebenfalls mitgeschnittenen sinfonischen Triptychon "Vigiliae" als spätestromantischer Komponist, der mit einer üppigen Klangfarbenpalette (auch in harmonischer Hinsicht) hantiert. Die Dritte Sinfonie ist "Sinfonie der Meere" überschrieben - ein einsätziges Werk von knapp 22 Minuten Dauer. Auch dieser Mitschnitt hat sich für mich wirklich gelohnt.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    ich höre gerade folgendes Werk:



    Jürg Baur (*1918 )
    Sinfonische Metamorphosen über Gesualdo (1981)
    WDR SO Köln / Rudolf Barschai


    Wobei ich diese CD eigentlich nicht besitze: das Stück kam heute im Radio, und bei dieser Gelegenheit habe ich einen Mitschnitt erstellt, den ich gerade zum zweiten Mal hintereinander höre. Offenbar handelt es sich aber um die oben genannte CD-Einspielung; die Moderatorin sprach von einem Konzertmitschnitt aus dem Jahre 1994, und dieses Jahr wird bei jpc auch als Aufnahmedatum angegeben. Ich muss sagen, diese Musik gefällt mir sehr gut - ich glaube, die CD muss ich dringend kaufen! Die Metamorphosen sind etwas mehr als 17 Minuten lang, die Bezüge zu Gesualdos Musik (die ich allerdings nicht kenne) scheinen offensichtlich. Die Musik ist nicht übermäßig modern, für meine Begriffe eigentlich recht fasslich, klanglich zum Teil durchaus mächtig (der Schluss). Muss noch ein paar weitere Eindrücke gewinnen, aber wie erwähnt, die Musik sagt mir beim ersten Hören in hohem Maße zu.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    gerade läuft:


    Leo Spies (1899-1965)
    Streichquartett Nr.2 A-Dur (1963)
    Schuster-Quartett


    Eine Eterna-LP. Spies' Zweites Streichquartett ist ein typisches Werk für diesen leider sehr vernachlässigten Komponisten: grundsätzlich erst mal sehr konservativ; man kann etwa stellenweise Einflüsse von Brahms vernehmen, aber ohne, dass Spies eine Stilkopie erstellen würde - irgendwie hat er auf dieser Basis schon einen eigenen Tonfall entwickelt, der natürlich auch etwas avanciertere Harmonien mit einschließt. Dazu ist die Musik ungemein melodisch und wirklich inspiriert. Der erste Satz ist ein prachtvolles Allegro (mit langsamer Einleitung), das von seinem sehr markanten Hauptthema entscheidend geprägt wird. Der langsame Satz, der wie der erste Satz rund 12 Minuten Spieldauer in Anspruch nimmt, ist dagegen eine Art lyrischer Trauermarsch, der in den Schlusstakten eine ungeahnte Dramatik aufscheinen lässt. Auf ein zartes Intermezzo folgt schließlich ein kraftvolles Finale (Allegro appassionato), das dem groß angelegten Quartett einen angemessenen Abschluss bereitet. Das eigentlich sehr informative Beiheft gibt cis-moll als Haupttonart an, was allerdings kaum zutreffend ist: nur die langsame Einleitung des ersten Satzes steht in dieser Tonart. Für mich ein Werk, das richtig Spaß macht.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    beim Überfliegen der Beiträge fiel mir auf, dass folgendes Werk offenbar noch nicht genannt wurde:


    Boris Tischtschenko (*1939)
    Klaviersonate Nr.7 (C-Dur) op.85 mit Glocken (1982)


    Das dreisätzige Werk ist monumental, allein schon auf Grund seiner Spieldauer (über 50 Minuten). Tischtschenko komponierte es unter dem Eindruck des Todes eines Freundes. Nach seiner eigenen Aussage soll der langsame zweite Satz dessen Begräbnis darstellen, während das Finale die Rückkehr ins Leben symbolisiert. Die (verschieden gestimmten) Glocken selbst sollen (wie das Beiheft der mir vorliegenden CD-Einspielung berichtet) die "ewige und unbeugsame russische Seele" repräsentieren.


    Tischtschenko setzt sie sparsam ein; zwar beginnt die Sonate mit tiefen Glockenschlägen, aber ansonsten kommen die Glocken nur gelegentlich zum Einsatz: im ersten Satz in Form von periodischen Einsprengseln, im zweiten Satz zunächst gar nicht, nach etwas mehr als 14 Minuten dann aber im Rahmen einer längeren Passage. Das Finale schließlich, das ja wie erwähnt einen etwas anderen Kontext aufweist, bringt die eigentlichen Glocken gar nicht zum Einsatz, sondern lässt eines seiner Themen, eine Art Polka mit gewissen Anklängen an Schostakowitsch, am Ende vom Glockenspiel erklingen, bevor die Sonate zu einem leisen, unspektakulären Ende kommt - also hier quasi "kleine" Glöckchen als Symbol des Lebens im Kontrast zu den Quasi-Totenglocken der ersten beiden Sätze.


    Daneben verwendet auch der Klavierpart immer wieder Assoziationen an Glockenklänge, etwa mit mächtigen Akkorden, zum Teil in tiefen Lagen, zum Teil über die ganze Klaviatur verteilt, Arpeggien in hohen Lagen oder gewaltigen Quintschichtungen (letzteres etwa gegen Ende des ersten Satzes).


    Stilistisch ist die Sonate typisch für ihren Komponisten: Tischtschenko führt kleine, zum Teil erst mal fast banal erscheinende Motive ein, die er vielfältig beleuchtet, verzerrt und mit Dissonanzen überdeckt. Diese Tonsprache ist (jedenfalls in ihren Grundlagen) tonal, aber schon recht eigenwillig. Die Länge der Sonate ist durchaus typisch für Tischtschenko und kann mit seinem generellen Hang zu ausgiebigem "Monologisieren" erklärt werden. Zu gegebener Zeit werde ich an anderer Stelle ausführlicher auf diesen hochinteressanten Komponisten eingehen.


    Erhältlich in einer Einspielung mit Sedmara Zakarian Rutstein am Klavier und Michael Rosen an den Glocken:



    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    gerade zwei LPs erhalten:


    Ján Cikker (1911-1989)
    Sinfonie 1945 (1974)
    Slowakische Philharmonie / Zdenek Kosler
    Das erste Werk, das ich vom slowakischen Komponisten Ján Cikker kennen lerne, ich bin schon sehr gespannt! Cikker wird (zusammen mit Alexander Moyzes und Eugen Suchon) der Komponisten-Trias zugerechnet, die die Entwicklung einer spezifisch slowakischen modernen Musik entscheidend vorantrieb. Eine OPUS-LP.


    Fritz Geißler (1921-1984)
    Sinfonie Nr.5 (1968/69)
    RSO Leipzig / Herbert Kegel
    Ruth Zechlin (1926-2007)
    Kammersinfonie Nr.1 (1967)
    Kammerorchester Berlin / Helmut Koch
    Hier ist es Geißlers Sinfonie, die mich besonders interessiert. Geißler gehörte in der DDR zu den ersten Komponisten, die systematisch Zwölftontechnik verwendeten. Was ich bisher von ihm gehört habe (teilweise allerdings auch aus anderen Schaffensperioden), fand ich eigentlich sehr hörenswert. Label: Nova.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    ich habe auch mal darüber nachgedacht, welche Werke ich wohl nennen würde und bin zu folgendem Ergebnis gekommen - wobei ich zusätzlich darauf geachtet habe, von jedem Komponisten nur ein Werk zu nennen. Ich sortiere die Werke mal nach Entstehungsdatum:


    Sergei Prokofjew (1891-1953): Klavierkonzert Nr.2 g-moll op.16 (1913, rev. 1923)
    Béla Bartók (1881-1945): Klavierkonzert Nr.3 Sz 119 (1945)
    Ernst von Dohnányi (1877-1960): Klavierkonzert Nr.2 h-moll op.42 (1946/47)
    Geirr Tveitt (1908-1981): Klavierkonzert Nr.4 op.130 "Aurora borealis" (1947)
    Otar Taktakischwili (1924-1989): Klavierkonzert Nr.1 c-moll (1950)
    Dmitri Kabalewski (1904-1987): Klavierkonzert Nr.3 D-Dur op.50 (1952)
    Günter Kochan (*1930): Klavierkonzert op.16 (1957/58 )
    Boris Tschaikowski (1925-1996): Klavierkonzert c-moll (1971)
    Kurt Schwaen (1909-2007): Klavierkonzert Nr.2 "Vietnamesisches Konzert" (1987)


    Allerdings schwanke ich im Falle von Tveitt zwischen dem Vierten und dem Fünften, im Falle von Kabalewski zwischen dem Zweiten und dem Dritten Klavierkonzert. Wieso es in meiner Liste zu der Ballung in den 1940er und 1950er Jahren kommt, kann ich mir gerade auch nicht so recht erklären.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    gerade jetzt eine sehr schöne Entdeckung der letzten Zeit:


    Margeris Zarins (1910-1993)
    "Griechische Vasen", Suite für Klavier und Orchester (1960)
    Ivars Vigners, Klavier / Lettisches RSO / Leonids Vigners


    Ist natürlich eine Melodija-LP. Die Musik ist insgesamt sehr lebendig, mit teils neoklassizistischen, teils aber auch impressionistischen Anklängen. Tonal gebunden, in den schnellen Sätzen rhythmisch markant. Das Werk besteht aus fünf Sätzen, die Überschriften wie "Pygmäen im Kampf gegen Kraniche", "Ionische Vase" und so weiter tragen. Gefällt mir sehr gut!


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    heute kam so einiges...


    Zunächst drei Schallplatten, allesamt über Ebay erstanden:


    Jaan Rääts (*1932)
    Sinfonie Nr.3 op.10 (1959), Violinkonzert Nr.1 op.21 für Violine und Kammerorchester (1963), Sinfonie Nr.6 op.31 (1967)
    Estnisches RSO / Neeme Järvi (Sinfonien) Lemmo Erendi, Violine / Kammerorchester Tallinn / Neeme Järvi
    Estnischer Komponist, der sich später auch für Minimal Music interessierte.


    Margeris Zarins (1910-1993)
    „Griechische Vasen“, Suite für Klavier und Orchester (1960)
    „Medea“ aus: „Carmina antica“, Suite für Mezzosopran und Instrumentalensemble (1963)
    Partita im barocken Stil für Mezzosopran und Kammerorchester (1963)
    Ivars Vigners, Klavier / Lettisches RSO / Leonids Vigners (1)
    Laima Andersone, Mezzosopran / SO der Lettischen Staatsoper / Jazeps Lindbergs (2)
    Laima Andersone / Staatliches SO der UdSSR / Edgars Tons (3)
    Zarins war eine Doppelbegabung und trat auch als Schriftsteller in Erscheinung. Seine "Griechischen Vasen" hören sich schon mal sehr gut an, sehr vital!


    Leo Spies (1899-1965): Serenade für sechs Bläser, Harfe, Kontrabass und Klavier D-Dur (1946)
    Ruth Zechlin (1926-2007): Trio für Oboe, Viola und Violoncello (1957)
    Fritz Geißler (1921-1984): Heitere Suite für Bläserquintett (= Bläserquintett Nr.1, 1954)
    Mitglieder der Staatskapelle Berlin (Spies) - Hans-Werner Wätzig, Oboe; Hugo Fricke, Viola; Werner Haupt, Violoncello (Zechlin) - Bläservereinigung des RSO Leipzig (Geißler)
    Habe ich mir erst mal wegen der Spies-Serenade gekauft, einen Ausschnitt dieses sehr charmanten Werkes kannte ich nämlich schon vorher. Übrigens eine Eterna-LP, die obigen beiden sind natürlich Melodijas.


    Jetzt zu meiner neuen jpc-Lieferung:



    [tip]8646844[/tip]


    Johann Cilensek (1913-1998 )
    Sinfonie Nr.5 "Konzertante Sinfonie" (1959)
    Konzertstück für Klavier und Orchester (1966)
    Konzertstück für Violine und Orchester (1974)
    RSO Berlin / Horst Stein (1) - Dieter Zechlin, Klavier / Weimarer Staatskapelle / Gerhard Pflüger (2) - Konrad Other, Violine / RSO Leipzig / Max Pommer (3)
    Cilensek ist mir von einem Bekannten sehr empfohlen worden. Von der Hindemith-Nachfolge seiner 1954 entstandenen Ersten Sinfonie hat er sich schon in der nur fünf Jahre später entstandenen Fünften deutlich entfernt, das Konzertstück für Klavier spielt kompositorisch in einer ganz anderen Welt, hochinteressant!



    Ferruccio Busoni (1866-1924)
    Kammermusik mit Klarinette
    Duo für zwei Flöten mit Klavierbegleitung e-moll (1880)
    Consortium Classicum (insbesondere Dieter Klöcker, Klarinette)
    Ich verzichte hier mal auf eine detailliertere Auflistung der eingespielten Stücke, die fast ausschließlich Ende der 1870er Jahre entstanden sind. Lediglich eine Elegie für Klarinette und Klavier ist 1919/20 entstanden.



    Berthold Goldschmidt (1903-1996)
    "Komödie der Irrungen", Ouvertüre op.6 (1925/28, rev. 1975)
    Greek Suite (1940/41)
    Ervín Schulhoff (1894-1942)
    "Ogelala", Ballettmysterium op.53 (1922-24)
    Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz / Michail Jurowski
    Wobei ich den Schulhoff schon vorher kannte. Goldschmidt aus Interesse und wegen des niedrigen Preises.



    Gian Francesco Malipiero (1882-1973)
    Sinfonien Nr.5 "concertante, in eco" (1947), Nr.6 "degli archi" (1947), Nr.8 "Symphonia brevis" (1964) und Nr.11 "delle cornamuse" (1969)
    Moskauer Sinfonieorchester / Antonio de Almeida
    Malipieros Musik finde ich wirklich sehr interessant! Seine späten Werke zeigen ja eine interessante Anwandlung von "Alterswildheit" (Abwendung von der Tonalität, Experimente mit Dodekaphonie).



    Ernst Toch (1887-1964)
    Streichquartette Nr.8 Des-Dur op.18 (1910) und Nr.9 C-Dur op.26 (1919)
    Verdi-Quartett
    Nächstes Mal folgen dann die Quartette Nr.11&13. Speziell für Johannes Roehl nun doch an dieser Stelle ein paar Eindrücke zur Musik: zunächst sollte man die ersten drei Quartette (d.h. Nr.6-8, die ersten fünf sind ja verschollen, wie ich schon mal erwähnte) seperiert von den späteren betrachten. Die genannten drei Quartette also entstanden zwischen 1904 und 1910, sind also Werke eines jungen Komponisten, der wohl noch auf der Suche nach seinem eigenen Stil ist und erst mal im Fahrwasser der Spätromantik komponiert. Die Musik ist (nichtsdestotrotz) gut gemacht und sehr schön anzuhören. Ab dem Streichquartett Nr.9 komponiert Toch jedoch ganz anders, die Musik ist sehr stark chromatisch - nicht umsonst trägt das Neunte als letztes eine Tonartangabe, die aber schon hier kaum mehr eine größere Rolle spielt. Ich würde die Musik trotzdem nicht als wirklich atonal bezeichnen wollen, aber die tonalen Bezüge sind eben wechselhaft und verschleiert. Die Musik ist deutlich polyphon angelegt und recht expressiv. Prägnant für seine Tonsprache sind außerdem wohl markante Intervallsprünge und wechselhafte Metren. Ich könnte jetzt keinen Namen nennen, mit dem ich Toch ohne weiteres vergleichen würde. Ich halte seine reifen Werke jedenfalls für kraftvolle, lohnenswerte Musik und empfehle sie gerne weiter.


    Viele Grüße
    Holger

    Hallo,


    zum Thema Kjurktschijski:


    Zitat

    Original von andythr
    ein Konzert für Klavier und Orchester, welches Pancho Vladigerow gewidmet ist.


    Davon habe ich sogar eine Aufnahme, gar nicht so schlecht. Mit Barockmusik hat dieses Konzert aber nicht so viel zu tun, es ist eher nationalromantisch geprägt. Kjurktschijski hat es anlässlich des Todes seines Lehrers Wladigerow in den Jahren 1979/80 komponiert. Mittlerweile (2001) ist noch ein zweites Klavierkonzert gefolgt, wie man der MGG entnehmen kann. Die genannten Variationen (die ich leider nicht kenne) entstanden übrigens 1984.


    Ich könnte zu diesem Thema auch einiges beitragen, habe aber derzeit nicht genügend Zeit, Ende nächster Woche vielleicht wieder...


    Viele Grüße
    Holger