Hallo,
nicht einfach als Neuling bei euch sich zu Wort zu melden. (Im Vorstellungsthread steht einiges über mich).
Ermutigt durch die Entdeckung, dass hier nicht nur einige Leute weniger als 1000 Beiträge geschrieben haben, sondern sogar weniger als 100, spring ich also ins Haifisch- oder Goldfischbecken.
Ich war und bin ganz klar ein grosser Horowitz- Fan, weil er mich u.a. seit meinem 14. Lebensjahr begeistert und beschäftigt hat. Habe natürlich 30 bis 40 CDs von und mit ihm. 1986 bin ich in Hamburg in der Musikhalle in der vierten Reihe gesessen und habe u.a. Soirees de Vienne betitelte Schubertstücke gehört: toll, tänzerisch, mitreissend, poetisch und v.a. leise, dabei sehr pointiert alles. Das darf ein Schubert doch auch sein ?
Bei gewissen anderen Stücken an diesem Abend ergaben sich Töne/Akkorde, die nicht kamen, falsch waren, und ganz sicher auch Passagen von Horowitz anstatt (?) von Liszt, oder Chopin oder Schubert. Auch fehlte zuweilen der lange Atem des Meisters. Ich war trotzdem insgesamt natürlich sehr beeindruckt (er war damals 82).
1962 hatte sich der ältere Bruder meines Mitschülers, seines Zeichens junger Klavierlehrer, die damals ganz neue CBS- Lp mit der Trauermarschsonate u.a. von Chopin erstanden. Er führte uns vor, wie Horowitz das Tempo im Trauermarsch geführt hat, mit praktisch keinerlei Temposchwankungen bei den B- Ges- Harmoniewechseln, dann aber strategisch plazierten rhytmischen "Verziehungen" und Mini- Accelerandi in den Übergängen von Moll nach Dur. Ich weiss noch, dass ich jahrelang gebraucht habe, um diese Unterschiede genau zu hören bei Horowitz, Anda, Harasziewicz und anderen. Ich habe den Trauermarsch mindestens geschätzte 300 Mal gehört. Mit der Zeit lernt man, auch die Feinheiten zu hören und ordnet auch pianistische Veränderungen und Abweichungen stilistisch ein, bis dahin, dass einem auch die Carmen- Fantasie oder der Hummelflug oder sonst eine Petitesse gefallen kann, ja - man sich sogar sehr daran begeistern kann.
Ich finde es toll, dass ich aus dem Thread heraus viele Aufnahmen der Berceuse direkt anklicken konnte, aufmerksam gehört habe ich die Guiomar Novaes, St. Askenase und Alfred Cortot. Da die Brasilianerin, welche sie fast liedhaft- melodiös nimmt (Erinnerung an mittellaute, weich fliessende, trotzdem ausreichend artikulierte brasilianischen Sätze !), dort Askenase welcher einem schöne, poetische, für mich gut zugängliche Musik vorspielt und schliesslich das schwankende, fragile, unendlich differenzierte Gebilde eines Cortot, wobei man sich wie in einem leicht schwankenden Ruderboot fühlen kann, auf dem Rücken liegend, in die Sonne blinzelnd, mit offenen oder eben geschlossenen Augen.
Wir sind gut bedient, all diese Interpretationen nebeneinander aufzunehmen, die Wertigkeiten sollen m.E. nicht so sehr gesucht und dann auch nicht zu streng gegeneinander abgegrenzt werden.
Gruss vom Damiro
Ach so, MEINE damalige Klavierlehrerin hatte eine sehr schöne Monique Haas- 25 cm (!)- Lp. Sie durfte auch zwei Semester bei ihr in Paris studieren und sie durfte nicht wissen, dass ich sehr auf das hörte, was uns Horowitz vorgespielt hatte.