Wenn hier die Rede ist von den "unverzichtbaren Aufnahmen Herbert von Karajans", so sollten an erster Stelle seine frühen Londoner Aufnahmen mit dem von Walter Legge gegründeten Philharmonia Orchestra genannt werden. Mit diesem Orchester nahm Karajan zwischen 1951 und 1955 seinen ersten kompletten Zyklus der neun Beethoven-Sinfonien auf, die, abgesehen davon, daß sie noch (mit Ausnahme von Nr. 8 & 9) in Monotechnik entstanden, bis heute unter Kennern noch immer als seine bedeutendste angesehen wird.
So schrieb Alfred Beaujean, damals Musikkritiker bei HiFi-Stereophonie, 1989 aus Anlaß von Karajans Tod in der FAZ folgendes: ".... so hört man hier einen von starken rhythmischen Energien durchpulsten Beethoven, der sich betont von dem Beethovenbild des 1954 verstorbenen Furtwängler abhob. Er läßt den Eindruck durchscheinen, den Toscanini auf Karajan gemacht hatte, ohne daß dessen spätere Starre Vorbild für ihn gewesen wäre.
Die ungemein geschmeidige Artikulaton, die penible Genauigkeit in dynamischer Beziehung, vor allem was de untersten Stärkegrade angeht, die Deutlichkeit der Bläserstimmen, die eine superbe Qualität der damaligen Philharmonia-Bläser erkennen läßt, der so temperamentvolle, dabei stets genau kontrollierte Zugriff: All dies läßt noch nichts erkennen von jener selbstzweckhaft-luxuriösen Klanglichkeit, die dann das Signum von Karajans Arbeit mit den Berliner Philharmonikern werden sollte. Hier ist trotz der begrenzten Mono-Möglichkeiten der Klang noch ganz in den Dienst der sinfonischen Struktur gestellt. (...) es bleibt eine sachliche Sicht auf Beethovens sinfonisches Gebirgsmassiv. Er hütete sich vor Exzessen und ließ auch - etwa im Finale der Vierten - Virtuosität nie zum Selbstzweck ausarten. Manche Tempi sind sogar ruhiger als in späteren Aufnahmen."
Alfred Beaujean war alles andere als ein blinder Karajan-Jünger, oft, für meinen Geschmack zu oft, hat er seine Aufnahmen mit den Berliner Philharmonikern einer harschen Kritik unterzogen.
Doch zurück zu Karajans "unverzichtbaren Aufnahmen": Joseph II. hat in seinem Eingangsbeitrag bereits eine seiner Londoner Aufnahmen hoch gepriesen, und das zu Recht.
Hier beispielhaft noch eine, die ich als herausragend einstufe:
eine, auch sehr gut klingende, STEREO-Produktion aus dem Jahr 1960. Im gleichen Jahr beendete Karajan seine Zusammenarbeit mit dem Philharmonia Orchestra London. Es begann die Erfolgsserie mit der DGG und den Berliner Philharmonikern.
LG Nemorino