... ist mir bewusst geworden, wie viele Schätze auf dem Gebiet der Mozart Konzerte und Orchesterwerke (und nur darum gehts in diesem Thread) in den Archiven liegt, und wie sich der Geschmack und der Zeitgeist geändert hat - zumindest versucht man es, dies uns einzureden. Vielleicht sollten wir mal alte Einspielungen den neuen gegenüberstellen.
Wenn ich Alfreds Eingangsbeitrag richtig verstanden habe, ging es ihm nicht vorrangig um eine Bewertung der Klavierkonzerte-GA mit Derek Han an dieser Stelle hier, sondern um Mozarts Orchesterwerke und Konzerte ganz allgemein. Die Klavierkonzerte in der Kombination Han/Freeman waren nur als "Aufhänger" und Einstieg in das Thema "Mozart-Aufnahmen ... gestern und heute" gedacht.
So will ich jetzt einmal auf Mozarts Sinfonien kommen, die bei mir in insgesamt drei Gesamtaufnahmen vorliegen; dazu kommen zahlreiche Einzeleinspielungen.
Kennengelernt habe ich den Gesamtkomplex der Mozart-Sinfonien mit der allerersten GA überhaupt:
Über diese Box (deren Inhalt auch in unzähligen Einzelausgaben vorliegt) braucht man nicht viele Worte zu machen. Im wesentlichen ist alles gesagt: Karl Böhm (1894-1981) galt in den Nachkriegsjahren für viele Musikfreunde als der "Mozart-Papst" schlechthin, und das sehr zu Recht. Als seine Sinfonie-Einspielungen in den 1960er Jahren sukzessive erschienen, wurde praktisch jede neue LP sowohl von der Kritik als auch von den Käufern als richtungweisend gelobt und gepriesen. "Mozart-Glück pur" war ein Ausspruch, der in diesem Zusammenhang immer wieder fiel. Selbst heute noch, nachdem eine große Zahl neuer Aufnahmen den Markt überschwemmt haben, kommt noch ein Musikfreund zu dieser Aussage, die ich hier kurz zitieren möchte:
"Die Aufnahme ist alles Andere als 'historisierend', Böhm findet für Mozart seine eigene, legendäre, ausgewogene Sprache. Das mag manchen heute nicht mehr zeitgemäß vorkommen, hat aber einen unverwechselbaren Klang und immer noch einen unvergänglichen Charme."
Wer nicht auf HIP schwört, wird seinen "Mozart-Böhm" nach wie vor hoch schätzen und wie einen Schatz in seiner Sammlung hüten.
Natürlich ist inzwischen viel Wasser den Rhein oder die Donau heruntergeflossen, und jüngere Dirigenten haben ihre eigene, neue Sichtweise auf Tonträger dokumentiert.
Ich persönlich habe noch zwei weitere GA der Mozart-Sinfonien im Schrank, die ich ebenfalls nicht missen möchte:
Sir Charles Mackerras und das Prager Kammerorchester haben in den frühen 1990er Jahren eine wunderbare, ebenfalls zeitlose GA erstellt. Mackerras arbeitet mit einem deutlichen kleineren Orchesterapparat, was vor allem den frühen Sinfonien zum Vorteil gereicht, aber auch den Meisterwerken (Nr. 35-41) ganz neue Aspekte abgewinnt. Wer eine schöne, gültige Alternative zu Böhm haben möchte, der kann bedenkenlos zu dieser Ausgabe greifen.
Die folgende Ausgabe liegt mir besonders am Herzen, weil sie m.W. die einzige ist, die mit den Wiener Philharmonikern, die für viele Musikfreunde als das Mozart-Orchester schlechthin gilt. Und in James Levine hat es einen kompetenten Anwalt, der Mozarts Sinfonien glanzvoll zum Klingen bringt:
In den frühen 1980er Jahren hat es Nikolaus Harnoncourt (1929-2016) mit dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam unternommen, eine Großzahl von Mozart-Sinfonien seinem interpretatorischen Konzept zu unterziehen. Einem Konzept, "das Mozarts Musik durch scharfe Herausarbeitung von Klangfarben und polyphonen Stimmverflechtungen, durch entschiedene und pointierte Artikulation zu einer neuen Lebendigkeit zu verhelfen sucht", wie es Ingo Harden, ein seinerzeit renommierter Musikkritiker, formulierte.
Eine Gesamtaufnahme ist nicht zustande gekommen, aber immerhin liegen die Sinfonien Nr. 25, 26, 28-31, 34, 35, 38-41 in Harnoncourts Interpretation vor. Sie sind sämtlich in meiner Sammlung vorhanden, aber - ehrlich gesagt - trotz aller unbestreitbaren Vorzüge bin ich nicht warm mit ihnen geworden. Ihr Vorzug besteht für mich vor allem darin, daß sie sämtliche Wiederholungszeichen des Komponisten sorgfältig beachten und durch die betont artikulierte Spielweise aller Stimmen sozusagen "mehr Mozart" hörbar zu machen und die Partituren so farbig, abwechslungsreich darstellen wie kaum ein anderer Dirigent, aber irgendwie kommt mir Harnoncourts Sicht kalt, fast "herzlos" vor. Das "Singen", der "schöne Fluß", den ich bei Mozart so sehr schätze, kommt mir entschieden zu kurz. Alles klingt "statisch", wirkt kapellmeisterlich und nimmt der Musik etwas, ohne einen echten Ersatz dafür zu bieten. Das vielbeschworene "Mozart-Glück" will sich, zumindest bei mir, nicht einstellen.
Harnoncourts Amsterdamer Aufnahmen sind nie gebündelt erschienen, es gibt sie aber noch immer in diversen Einzelausgaben. Eine davon will ich hier als Beispiel abbilden:
Des weiteren möchte ich auf die zahlreichen Einzelaufnahmen mit den Dirigenten George Szell (CBS), Josef Krips (Philips), Leonard Bernstein, Ferenc Fricsay (DGG) und Otto Klemperer (EMI) aufmerksam machen. Wer HIP bevorzugt, wird lieber zu den Aufnahmen mit Trevor Pinnock und The English Consort greifen wollen. Mozarts Musik ist so universal, daß jede Musikrichtung auf ihre Kosten kommt.
LG Nemorino