Beiträge von Basti

    Meiner Ansicht nach gibt es keinen besseren Wotan als Hans Hotter. Er war mein erster Wotan in der Solti-Aufnahme, die ich zum Geburtstag bekam, und ist für mich immer noch überwältigend. Bei allen technischen Schwächen- seine exzellente, ergreifende Rollengestaltung macht alles wieder wett. Allein der Abschied in der Walküre rührt jedes Mal zu Tränen. Einen besseren Wotan kann und wird es nicht wieder geben; wer will ihm sein "Doch stand muß ich ihr halten" nachmachen?


    Ein weiterhin sehr guter Wotan war Friedrich Schorr, allerdings mehr in gesanglicher Hinsicht; gestalterisch sollte man nicht allzu viel von ihm erwarten.


    Natürlich war auch George London ein bezwingender Wotan; leider kenne ich die Leinsdorf-Walküre noch nicht. Doch sein Rheingold-Wotan bei Solti glüht vor Männlichkeit, Kernigkeit- vergisst aber in keiner Sekunde die Entwicklung der Figur. Hätte er mehr Gelegenheit gehabt, diese Rolle(n) vorzubereiten und zu entwickeln und hätte ihm seine Stimmbandlähmung keinen Strich durch die Rechnung gemacht, wäre er wohl ein über Hotter zu stellendes Ideal gewesen.


    Aber auch Theo Adam ist für mich einer der besten Wotane; ich hatte schon manches Schlimme über ihn hier gelesen, aber dann hörte ich in einer Radiosendung die Szene Wotan-Brünnhilde- und als danach gesagt wurde, dass Adam den Wotan sang, war ich verblüfft von seiner makellosen Diktion, der glaubwürdigen Darstellung und dem kernigen Timbre. Ganz groß.


    Böhm 1968


    Graf- Dietrich Fischer-Dieskau 4 (etwas zu sehr Feudalherr)
    Figaro- Hermann Prey 4,5 (eigentlich 5, aber ich mag seine Stimme
    nicht)
    Gräfin- Gundula Janowitz 4 (ein bisschen kalt)
    Susanna- Edith Mathis 4,5 (etwas zu "deutsch", zu hausbacken)
    Cherubino- Tatiana Troyanos 3 ("Hossa, kann ich schöne Koloraturen
    singen!")


    Rest 3


    Tonqualität 4,5


    Chor und Orchester der DOB- Karl Böhm 4,5 (für mich manchmal etwas zu langsam)


    Gesamt 3,92 (mit TQ 4)

    BESETZUNG


    Heinrich der Vogler, deutscher König Kwangchul Youn
    Lohengrin Klaus Florian Vogt
    Elsa von Brabant Dorothea Röschmann
    Friedrich von Telramund Gerd Grochowski
    Ortrud, seine Gemahlin Michaela Schuster
    Der Heerrufer des Königs Markus Brück


    Chor und Orchester der Staatsoper Berlin
    DANIEL BARENBOIM


    Für diese Neuinszenierung, deren Premiere am 4. stattgefunden hatte, hatte ich leider nur noch Karten für den 3. Rang rechts ergattern können; die Sicht war entsprechend miserabel. Das was man sah, war recht unterhaltsam- aber Regisseur Stefan Herheim ist offenbar nicht viel zum "Lohengrin" eingefallen.
    Die Bühne besteht quasi aus einer "Bühne auf der Bühne", die sich verschieben, teilen oder per Pappaufsteller zum Münster umwandeln lässt. In einigen zentralen Szenen (Bsp. Kampf Lohengrin-Telramund) wird zusätzlich ein Vorhang um diese "Bühne" gezogen und Videos auf diesen geworfen. Sehr gute Einfälle (z.B. den Chor bei "Für deutsches Land das deutsche Schwert" mit Wagner-Marionetten rasseln zu lassen; die Symbolisierung des Schwans durch eine Feder) wechseln sich mit sehr schlechten ab (der missglückte Gegensatz zwischen dem in Alltagskleidung gewandeten Chor und den Uralt-Kostümen der Hauptfiguren- Lohengrin trug gar einen Spitzbart (!); das Ende: Lohengrin wird nach oben gezogen und kracht von Schnürboden, dieser senkt sich herab und vorne dran steht "Kinder, schafft Neues").


    Kwangchul Youn (eingesprungen für René Pape)
    war ein wunderbar warm timbrierter, profunder Heinrich von eminenter Darstellungskraft (gut, das Ende des ersten Aktes- Chor und Heinrich zogen sich aus und trugen Ganzkörperanzüge mit Feigenblättern an den interessanten Stellen- war ihm sichtlich peinlich) und grandioser deutscher Aussprache und Diktion.


    Mit Klaus Florian Vogts Lohengrin war ich nicht recht zufrieden; er war für Burkhard Fritz eingesprungen. Der Mann verfügt zwar über eine wunderschöne, sanfte, hoch gelagerte Tenorstimme- verlässt sich aber zu sehr darauf. Möglicherweise blieb ihm deshalb in der Graslerzählung kurz die Stimme weg. Darstellerisch kam nichts. Er sang die Figur völlig blutleer und emotionslos; beim zweiten "Auflaufen" ging er gemeinsam mit Barenboim nach vorne, ich buhte- wie viele andere auch.


    Bei Dorothea Röschmann stimmte hingegen alles, lediglich der Schluss war etwas übertrieben. Ideale Stimmführung, gute Diktion selbst in den hohen Lagen und zudem eine sehr gute Darstellung der dankbar angelegten Figur.


    Gerd Grochowski als Telramund hatte eine große, volle Stimme, die er bravoröus einzusetzen verstand- aber mehr eben auch nicht. Die Stimme aber war sehr überzeugend.


    Für Michaela Schuster gilt dasselbe wie für die Röschmann; wie Herheim allerdings auf die Idee kam, sie zwei Drittel des ersten Aktes in der Proszeniumsloge verbringen zu lassen, das weiß er allein.


    Markus Brück, Ensemblemitglied der DOB, war sehr kurzfristig für Arttu Kataja eingesprungen. Stimmlich nichts Besonderes, aber darstellerisch gebührt ihm für seinen Heerrufer (der als schwul angelegt war) wohl die Krone des Abends.


    Eberhard Friedrich leitete einen gut disponierten Chor, dem keine Schwächen anzuhören waren.


    Die wirkliche Krone des Abends aber gebührt Daniel Barenboim, der das Werk spannend, lyrisch, nie zu laut und nie zu leise dirigierte; von der angeblichen Katastrophe bei der Premiere war auch im großartigen Orchester nichts zu hören. Das ist Wagnerklang, wie er sein sollte.


    Insgesamt ein sehr guter Opernabend; aber nicht wirklich schlimm, wenn man ihm verpasst hat.