Beiträge von Basti

    Ok, ich geb's zu: Ich liebe den "Rosenkavalier". Und ganz besonders liebe ich an ihm die Rolle des Barons Ochs auf Lerchenau.


    Der Ochs ist eine der tiefsten und gleichzeitig vom Tonumfang umfangreichsten Partien der gesamten Literatur (vom tiefen C bis zum hohen F). Vom groben Idioten über den feinsinnigen Idioten bis zum Wüstling hat es alle Darstellungen dieser facettenreichen Partien gegeben. Gucken wir uns doch mal ein paar an.


    Richard Strauss' persönlicher Favorit in der Partie war Richard Mayr. Er singt den Ochs auf der legendären, gekürzten Aufnahme unter Bruno Walter. Man muss einfach sagen: Stimmlich gesehen gibt es weit bessere profundere Vertreter. Mayr hat quasi keine Tiefe. Das tiefe E auf "Keine Nacht dir zu lang" wackelt stark, die tiefen Ds in "Wär net mein Gusto hier" sind gar völlig gemogelt. Mayr klingt für mich wie jemand, der gar nicht weiß, was um ihn passiert.


    Der noble Ochs par excellance ist Kurt Moll. Sein Gesang ist über jeden Zweifel erhaben, aber so richtig scheint er sich nicht mit der Figur zu identifizieren. Er steht eher daneben als mittendrin.


    Den Ochs auf der Referenzaufnahme unter Erich Kleiber singt Ludwig Weber. Er ist mit der Partie verwachsen und sieht den Baron als einen Mann, der sich für einen Herrn hält.


    Emanuel List kenne ich auszugweise von einer Liveaufnahme. Schade, dass er mit seinen gewaltigen stimmlichen Mitteln einen Grobian auf die Bühne stellt.


    Ein dramaturgisch eher zurückhaltender, gleichwohl mit noch riesigeren Mitteln gesegneter Interpret war Mikhail Szekely.


    Recht gut gefallen haben mir die Ausschnitte von Eric Halfvarson. Sein Deutsch ist makellos, und er singt wirklich differenziert, hat aber trotzdem Spaß.


    Einer der besten Interpreten der jüngeren Generation ist Franz Hawlata. Großartig, wie er ein singschauspielerisches Feuerwerk abbrennt. Hawlata ist Ochs.


    Otto Edelmanns stimmlich unzureichende und albern gespielte Karikatur des Barons verfehlt den Charakter der Partie meiner Meinung nach hingegen völlig.



    Was meint ihr zu dieser Partie und ihren Sängern?


    :hello:

    Ich persönlich kenne von René Jacobs bisher nur den "Giovanni" und den "Figaro", die ich aber beide großartig finde. Die "Nozze" dürfte eine der besten Aufnahmen des Werks überhaupt sein. "Don Giovanni" fällt gegenüber diesem hohen Niveau ein wenig ab. Dafür enthält die Aufnahme das Duett "Per queste tue manine". Die "Zauberflöte" kann man sich mit ein wenig Fingerspitzengefühl auch als Radiomitschnitt runterladen ;)...



    :hello:

    Zitat

    Original von musica
    Lieber Basti,


    es ist vielleicht dein Geschmack dass du den Sänger nicht so toll findest. Aber prinzipell haben es korpulente Männer wesentlich leichter als Frauen, kommt aber auch auf die Rolle an. Ein korpulenter, wohl genährter, im Gefängnis sitzender Florestan kann noch so schön singen, aber er ist für diese Rolle untauglich.


    Aber das ist ein anderes Thema....


    Im Gegenteil: Ich finde Hawlata nicht nur toll, sondern ganz und gar großartig. Eben weil er sich diese Dinge traut und dabei eine gute Figur macht. In Interviews betont er immer übrigens immer wieder, dass er ein Freund moderner Inszenierungen ist.


    :hello:

    Ich finde durchaus, dass ein darstellerisch begabter Sänger eine Menge reißen kann, wenn er nicht besonders singt. Nehmen wir den von mir bereits oft erwähnten Bass Franz Hawlata: Ich habe ihn jetzt als Sachs, Osmin, Ochs und Wozzeck auf DVD - kaum zu glauben, dass der derselbe Sänger sein soll, so gut fügt er sich in die Konzepte, so überzeugend und herausragend agiert er auf der Bühne, individuell in all diesen Rollen. Sängerisch ist das keine Referenz, da soll man lieber seine Alben aus den Neunzigern hören, aber was er darstellerisch leisten kann, ist enorm. Würde der visuelle Eindruck fehlen, wäre mein Urteil wohl nicht so positiv. Zudem hat er auch nicht gerade die Figur eines Athleten (er ist eher normal-kräftig gebaut), aber er hat das Selbstbewusstsein, Dinge zu tun, die andere nicht tun würden. Er hat schon ein paar Kilos mehr, aber dennoch steht er mit freiem Oberkörper auf der Bühne. Vielleicht haben Männer es mit der Figur leichter als Frauen?


    :hello:

    Noch ein kleiner Patzer gen Ende: König setzte bei den "Strahlen der Sonne" zu früh ein.



    Eine herausragend und spannend dirigierte, mit echtem Witz und Esprit geschmückte, durch einen grandiosen Sarastro und eine perfekte Königin geadelt, geht zu Ende. Bis auf Fedderly und die Knaben und mit Abstrichen Julia Kleiter haben mir alle Solisten gefallen, König, Gunn und Shagimuratova ragten heraus.
    (Eine Applaus-Skala kann ich leider nicht erstellen, da ich nicht rechtzeitig einen amerikanischen Sender fand - der WDR schnitt leider vorher ab.)



    Ich hoffe, es hat euch gefallen und sage "Gute Nacht!"


    :hello:

    Nathan Gunn macht auch viele Späße, aber er ist nicht so furchtbar maniriert wie Fedderly als Monostatos. Sein Papageno ist sehr amerikanisch - und als solcher sehr gut. Er interpretiert ihn wirklich.


    Bei Monica Yunus versteht man zwar kaum ein Wort, aber sie harmoniert und agiert mit ihrem Zukünftigen, das es eine Freude ist.
    Diese beiden Figuren waren wirklich gut besetzt, finde ich.

    Ich kann das Vorurteil gegen Wagner nicht verstehen, dass er "schwer" sei. Ich finde das überhaupt nicht. Seine Werke sind zwar häufig ellenlang und haben einige Durchhänger, aber sie gehören eben auch zu den größten und spannendsten Musikdramen, die je geschrieben wurden. Wenn man da erstmal einmal richtig drin ist, kommt man so leicht nicht mehr davon los.


    Dass ich den "Parsifal" für eine Außerkraftsetzung aller guten Dinge, die Wagner ausmachen und Puccinis Opern für kitschige Diabeteserreger halte, ist freilich ein Urteil meinerseits...


    :hello:

    Dass es berührende Perfektion gibt, bewies "Soll ich dich, Teurer, nicht mehr sehn?". Faszinierend, wie würdevoll und tiefsinnig König den Sarastro gibt.


    In gleichem Maße spaßig der Papageno von Nathan Gunn. Er singt nun besser als am Anfang, aspiriert zwar immer noch, aber dennoch wird "Ein Mädchen oder Weibchen" zu einem guten Moment des Abends.

    Selten hab ich so einen manirierten Unfug gehört wie von Greg Fedderly. Um Himmels Willen... :motz:


    Auch seine zweite Arie bereitet König keinerlei Probleme. Da Moll nicht unbedingt mein Favorit ist, möchte ich eher sagen: Er kommt fast an Franz Crass heran. Hätte der damals schon gesungen, dann hätte Böhm Hans-Peter König für seine Einspielung der "Zauberflöte" besetzt!

    Fedderly karikiert den Monostatos.


    Beängstigend gut und akzentfrei auch im Sprechtext: Albina Shagimuratova.


    Nun die große Arie. Die Stimme klingt nicht mehr ganz so perfekt wie am Anfang, aber Frau Shagimuratova intoniert immer noch perfekt und ist eine der wenigen Königinnen, die wirklich ausdrucksvoll singen.


    Der bisher längste und stärkste Applaus des Abends.

    Ich muss schon sagen: Die Akzente sind zwar unheimlich (Amerikaner merken das natürlich nicht), aber ich finde Gunn schon recht witzig.


    Die Damen und Herren singen ja sehr gut, harmonieren miteinander - aber die Akzente stören doch sehr. Wenn man darüber hinweghört, klingt das alles hervorragend. Die Sänger wissen, was sie singen. Fischer dirigiert hervorragend.

    Nach einem launigen Sklavenensemble und die Schlussszene des I. Aufzugs. Es wurde schon öfter erwähnt: Die Met sollte sich einen neuen Chor besorgen.


    Und nun: Hans-Peter König. Er klingt phänomenal. Auch im riesigen Auditorium der Met strömt die Stimme mühelos, und genauso mühelos lässt er aus Sarastro den gütigen Weisen werden.

    Frau Kleiter singt sehr "schön", was man von Gunn nicht unbedingt behaupten kann - aber ich finde ihn etwas charaktervoller.


    Die Knaben hören sich an, als hätten sie alle Asthma und zudem Helium eingeatmet :D.



    Polenzani klingt immer noch eng, stellt die Figur aber sehr differenziert dar. Würdevoll und mit schönem Bass der Sprecher von David Pittsinger.

    Da hat Alfred Recht: Komisch sind die Damen auf jeden Fall.


    Das Quintett nun eine runde Ensemblesache. Bisher in den Einzelleistungen bis auf die Königin nur gut.


    Grotesk der Akzent der Sklaven.


    Greg Fedderly überzeichnet als Monostatos ziemlich, dafür hören wir hoffnungsvolle erste Töne von Julia Kleiter.
    Wirklich komisch ist die Szene zwischen dem Mohren und dem Mann im Vogelkostüm nicht.

    "Dies Bildnis ist bezaubernd schön" sang Polenzani zwar mit balsamischem Legato und liebesschwangerem Ausdruck, aber immer noch mit kehligem Ton.


    Overacted das "Sie kommt!" der Damen.


    Eine Überraschung die Königin von Albina Shagimuratova: Keine Zwitscherliese, sie weiß wovon sie singt und tut das sehr gut.


    Jetzt wird's ernst: Die Koloraturen kommen. Mit nur einem unterbrechenden Schnappatmer meistert sie sie mit Bravour.

    Am 1. April gab Hans-Peter König als Sarastro sein Met-Debüt. Grund genug für einen Live-Kommentar zu einer Live-Übertragung einer weiteren Aufführung dieser Serie. Mithören kann man z.B. hier.


    Die Besetzung:


    Pamina..................Julia Kleiter (Debüt)
    Tamino..................Matthew Polenzani
    Königin der Nacht......Albina Shagimuratova
    Sarastro................Hans-Peter König
    Papageno................Nathan Gunn
    Papagena................Monica Yunus
    Monostatos..............Greg Fedderly
    Sprecher.................David Pittsinger
    Erste Dame..............Wendy Bryn Harmer
    Zweite Dame.............Jamie Barton
    Dritte Dame..............Tamara Mumford
    Erster Priester..................David Crawford
    Zweiter Priester..................Bernard Fitch


    Musikalische Leitung...............Adam Fischer



    Inszenierung..............Julie Taymor
    Bühnenbild............George Tsypin
    Kostüme........Julie Taymor
    Licht.......Donald Holder
    Puppenentwurf........Julie Taymor, Michael Curry
    Choreographie...........Mark Dendy
    Einstudierung..........David Kneuss



    Auf geht's!

    Zitat

    Original von musica
    Aber da sieht man mal wieder wie rücksichtsvoll mit den "Stars" umgegangen wird und die armen "Laien", so drückte sich F.J. Kapellmann aus, mussten probieren, ob das überhaupt machbar sei.


    Da hättest du ihn bei Gelegenheit fragen können, ob es da nicht irgendeinen Trick gab. Aber es ist immerhin einigermaßen rücksichtsvoll, das zunächst einmal ausprobieren zu lassen, finde ich. Wenn es nicht geklappt hätte, dann wäre es wahrscheinlich eben nicht reingenommen bzw. anders gemacht worden.



    Und wie gesagt: Mit dem Regietheater hat dieser "Ring" so viel zu tun wie der "Mutantenstadl" mit dem guten Geschmack...



    :hello:

    Eine Studioaufnahme einer Oper kostet zunächst einmal viel Geld. Da muss ein Orchester gemietet werden, und die großen Plattenfirmen versuchen, zumindest die großen Hauptrollen mit Starsängern zu besetzen, setzen aber in weniger tragenden Partien - sei es aus Experimentierfreude, um jungen Sängern eine Chance zu geben oder aus Kostengründen - auch gern auf junge, aufstrebende Talente (siehe die "Butterfly" mit Gheorghiu und Kaufmann, als Sharpless ist hier Fabio Maria Capitanucci zu hören). Auch der Dirigent bezahlt sich nicht von selbst. Dennoch ist bei einer Einspielung mit ansprechender Besetzung die Wahrscheinlichkeit höher, die Ausgaben wieder reinzubekommen - einfach, weil der Opernlaie (auf den diese Aufnahmen ja oft abzielen) lieber zu einem Namen greift, den er via Rundfunk und Fernsehen kennt, als zu einem dem er noch nie gehört hat; die Qualität ist ihm zunächst egal.


    Was Frank erwähnte, nämlich die fehlenden Probenzeiten, ist nicht zwangsläufig ein Problem der Zeit, es ist häufig wohl eher ein Problem des Gastspielbetriebes. Während in den Fünfzigern noch Partner miteinander agieren konnten, die sich auch auf der Bühne blind verstanden, kommen heute oft Sänger zusammen, die sich gar nicht kennen (oder, wie gesagt nicht mal sehen - aber auch Dietrich Fischer-Dieskau hat weiland seinen "Rheingold"-Wotan einzeln eingesungen).


    Und weiters: Studioaufnahmen lohnen sich eher weniger als Live-Mitschnitte, zumal DVDs, weil da das "unmittelbare Erlebnisse" einfach größer ist.


    Und mal ehrlich: Aufnahmen mit bekannter Besetzung, so schlecht sie auch sein mögen, werden immer mehr Absatz finden als Einspielungen unbekannter Werke eines nach Uruguay emigrierten Schwippschwagers des Schwiegersohns von Franz Liszt auf historischen Instrumenten und mit dreihundertseitigem Booklet, in dem erklärt wird, welch grandioses Werk uns damit all die Jahre entging :D.



    :hello: