Liebe Melomanen,
nachdem im 'Elisabeth-Schwarzkopf-Thread' in den letzten Tagen auch viel über deren 'ewige' Konkurrentin Lisa Della Casa geschrieben worden ist, möchte ich hier in dem ihr gewidmeten Thread noch etwas hinzufügen.
Da ja wohl Uneinigkeit darüber besteht, ob sie 'Lisa della Casa' oder 'Lisa Della Casa' heißt, muss endlich festgeschrieben werden, dass es kein Künstlername ist und die Schreibweise 'Della' korrekt ist. Ich habe mehrere italienische Musikbücher und in allen dazugehörigen Namensregistern heißt es unter dem Buchstaben 'D': Gabriele D'Annunzio, Marco Da Gagliano, Toti Dal Monte, Victor De Sabata, Mario Del Monaco und Giuseppe Di Stefano. Ich spreche 'passabile' italienisch und ich finde, man sollte die sprachlichen Eigenheiten anderer Länder respektieren.
Lisa Della Casas Vater, Francesco Della Casa (ein wahrer 'Hans Dampf in allen Gassen'), stammte - mit italienischen und spanischen Vorfahren - aus dem italienischsprachigen Tessin und hatte sich in Burgdorf (Kanton Bern) als Augenarzt niedergelassen; dort hieß er offiziell 'Franz', wurde aber von allen 'Deli' genannt. Die Mutter der Sängerin hieß Margarete Müller und kam aus München. Nach der Geburt eines Sohnes 1913 (Franz, 'Frano' gerufen) kam 'Lisa Elsa' am 2. 2. 1919 in Burgdorf zur Welt und wuchs zweisprachig auf: mit Schwyzerdütsch und - dem für die meisten Schweizer typischen, etwas prononcierten - Hochdeutsch. Über die verschiedene Schreibweise ihres Namens mag sie sich gewundert haben, aber letztlich war es ihr wohl egal. Signiert hat sie ihre Autogrammkarten jedenfalls mit einem großen 'D' - ich habe zwei davon.
Zu der von 'nemorino' eingestellten Schallplatte mit Ausschnitten aus dem "Rosenkavalier" hier zusätzlich zu der abgebildeten 'Eterna'-CD noch einige Details: Aufgenommen wurde sie im Januar 1966 in der Dresdner Lukaskirche als Co-Produktion zwischen der westdeutschen 'Electrola' und dem ostdeutschen 'VEB Deutsche Schallplatten' mit dessem Label 'Eterna'. Günther Leib singt den kurzen Einwurf des 'Faninal' im 3. Akt ("Sind halt aso, die jungen Leut'") und die vier Lakaien im Finale des 1. Aktes sind Joachim Schroeter, William Rabending (beide Tenor) sowie Rudolf Hupfer und Kurt Liebeskind (beide Bass). Der Produzent und Aufnahmeleiter war Christfried Bickenbach (BRD) und der Toningenieur Claus Strüben (DDR).
Die erste Plattenseite der 'Electrola'-Pressung (SME 80 935/nur Stereo/veröffentlicht erst Ende 1967) bringt das Finale des 1. Aktes ab dem Monolog der Marschallin ("Da geht er hin..."); die zweite Seite enthält die 'Rosenüberreichung', das zweite Duett Sophie-Octavian ("Zu ihm hätt' ich ein Zutrau'n") und das Finale der Oper ab "Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein...". Die Platte der 'Eterna' (8 20 638 ET/Mono bzw. 8 25 638 ET/Stereo) hingegen hat auf der 1. Plattenseite das Finale des 1. Aktes und das zweite Duett Sophie-Octavian, während die 2. Seite die 'Rosenüberreichung', das Finale der Oper und zusätzlich das Duett Arabella-Zdenka ("Die schönen Rosen... Aber der Richtige") aus der "Arabella" bringt. Schräg ist allerdings, dass die CD von 'Berlin Classics' die - wohl aus Platzgründen - falsche Reihenfolge der 'Eterna'-Platte übernommen hat, also das zweite Duett Sophie-Octavian vor der 'Rosenüberreichung'! Das Duett aus der "Arabella" wurde in der BRD erst 1972 (gekürzt) veröffentlicht, auf einer 'Hör Zu'-Sammelplatte "Weltstars singen Richard Strauss" versteckt...
Zu ihrem 100. Geburtstag am 2. 2. 2019 sendete der SWR eine eigene (undatierte) Aufnahme vom Finale des 1. Aktes aus dem "Rosenkavalier" mit Hertha Töpper und den Solisten Manfred Gerbert, Bernhard Michaelis, Bruno Samland und Karl Röbbert als Lakaien; Hans Müller-Kray leitete das Radio-Symphonie-Orchester Stuttgart. Eine - obwohl in mono - hervorragende Aufnahme, die es verdient, veröffentlicht zu werden. Übrigens wollte Karl Böhm, der 1957 von der 'Decca' zur 'DGG' gewechselt war, die Sängerin für seine Dresdener Aufnahme (Dezember 1958) bei der DGG haben, sie wurde aber von ihrer damaligen Exclusiv-Firma 'Decca' nicht frei gegeben mit der fadenscheinigen Begründung, man plane selbst eine "Rosenkavalier"-Aufnahme mit ihr. (Vermutlich wollte man aber nur dem abtrünnigen Karl Böhm 'eins auswischen'.) Marianne Schech, die dann in der Aufnahme die Marschallin sang, war übrigens nur 'dritte Wahl', denn Karl Böhm fragte nach Lisa Della Casa bei Leonie Rysanek an, aber die war momentan nicht gut auf Böhm zu sprechen und ließ ihn 'abblitzen'!
Zu der Frage von 'nemorino' nach einer weiteren Schallplatte Lisa Della Casas bei der 'Electrola' (außer den Querschnitten aus "Ariadne auf Naxos", "Tosca" und dem eben genannten "Rosenkavalier") ist noch die Aufnahme von Schumanns "Frauenliebe und -leben", gekoppelt mit sieben Liedern von Richard Strauss zu nennen (E 80 728/Mono bzw. STE 80 728/Stereo/veröffentlicht 1962 und schon 1963 wieder aus dem Katalog genommen!). Der begleitende Pianist ist Sebastian Peschko und die Aufnahme entstand am 16. und 17. 4. 1962 im Kulturhaus in Loffenau im Schwarzwald (Produzent: Fritz Ganss / Toningenieur: Horst Lindner). Während die Strauss-Lieder ("Morgen", "Einerlei", "Waldseligkeit", "Hat gesagt, bleibt's nicht dabei", "Seitdem dein Aug' in meines schaute", "Schlechtes Wetter" und "Befreit") von 'Testament' zusammmen mit dem Querschnitt aus "Ariadne auf Naxos" 1994 wiederveröffentlicht wurden (SBT 1036), erschien der Schumann-Zyklus erst zehn Jahre später bei 'Testament' auf CD (SBT 1341), gekoppelt mit dem bekannten Lied-Recital der 'Decca' von 1956 mit Karl Hudez am Klavier.
Ich bin sicher wieder etwas zu ausführlich geworden, aber ich halte es mit 'Arabella': "... und keine Zweifel werden sein und keine Fragen!"
Viele Grüße!
Carlo
P. S.
Ich werde meine beiden Beiträge Nrn. 198 und 205 aus dem Elisabeth-Schwarzkopf-Thread (bezüglich des Salzburger "Rosenkavalier"-Films und der "Ariadne"-Aufnahme unter Erich Leinsdorf) hier noch einmal posten, denn sie betreffen Lisa Della Casa noch mehr als Elisabeth Schwarzkopf.