Hier zunächst einmal ein Link, mit dessen Hilfe man sich einen besseren Eindruck von der Inszenierung verschaffen kann, als mit dem Trailer auf der Seite der Oper Leipzig:http://www.mdr.de/kultur/video…eischuetz-leipzig100.html
Mein Eindruck ist zwiespältig.
Sicherlich ein ganz schöner Opernabend, auf der anderen Seite aber sicherlich auch nicht der „ganz große Wurf“.
Die Besetzung ist gut, aber nicht außergewöhnlich.
Am besten gefallen hat mir, wie ich es auch erwartet hatte, Thomas Moor als Max. Er bewältigt die Partie so souverän, dass er, weil er nicht ständig mit den stimmlichen Anforderungen kämpfen muss, in der Lage ist auch gesanglich ein Porträt des Seelenzustandes des Max zu zeichnen. Und an den Stellen, an denen dramatischen Durchschlagskraft verlangt wird, verfügt er mühelos über die nötigen Reserven, um das rüberzubringen, ohne dass es irgendwie angestrengt klingt.
Gut gefallen hat mir auch Tuomas Pursio als Kaspar, der weniger der schwarze Schurke als der neidische glücklose junge Nebenbuhler ist. Stimmlich sicher im Vergleich zum Beispiel zu dem von mir in dieser Rolle besonders geschätzten Peter Meven ein„leichteres Kaliber“, aber von seinen stimmlichen Möglichkeiten von der Anlage der Figur her in dieser Inszenierung durchaus rollendeckend(während ich ihn noch als Wotan im Rheingold zu leichtgewichtig fand).
Erwähnen will ich bei den Herren noch Runi Brattaberg, der die kleine aber wichtige Rolle des Eremiten gesungen hat. Ich hatte mich ja schon über seinen Hagen kritisch geäußert. Er ist meiner Meinung nach auch für den Eremiten zu hell timbriert und hat Probleme in der Tiefe.
Neu im Ensemble Gal James, die Agathe gesungen hat. Das war sicher ordentlich gesungen, ich kann aber nicht sagen, dass es bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Stimmlich sehr zaghaft und blass.
Den meisten Beifall bekam Magdalena Hinterdobler als Ännchen, das mag insbesondere ihrer Spielfreude geschuldet gewesen sein. Man muss ihr allerdings attestieren, dass ihr die Rolle stimmlich gut liegt und sie keinerlei Probleme mit den Anforderungen hatte.
Dem gesamten Ensemble muss man bescheinigen, dass ausgesprochen textverständlich gesungen wurde. Nun kenne ich zwar das Libretto recht gut, bin aber trotzdem davon überzeugt, dass man auch ohne Kenntnis des Textes nahezu jedes Wort gut verstanden hat.
Auch schauspielerisch konnte das Ensemble überzeugen; auf diversen Tonkonserven werden die Texte ja von Doubles gesprochen, weil man Sängern zumindest früher unterstellt hat, dass sie das „ nicht können“; zumindest die Leipziger Truppe belehrt einen hier eines Besseren.
Der Star der Aufführung war für mich einmal mehr der Chor der Leipziger Oper. Der Chor spielt in dem Stück ja eine sehr wichtige Rolle. Präzision und Fähigkeit zu dynamischen Abstufungen sind schon sehr beeindruckend.
Das Gewandhausorchester war mal wieder in Bestform. Irgendwelche Ausfälle habe ich nicht gehört und auch die teils heiklen Soli der Bläser zeigten keinerlei Schwächen.
Trotzdem kann ich nicht sagen, dass mich der musikalische Teil besonders berührt hat. Mein subjektiver Eindruck war eher so, dass das keine besondere musikalische Atmosphäre heraufbeschwor sondern zwar fehlerlos aber merkwürdig unbeteiligt exerziert wurde.
Zur Inszenierung: Die gesprochenen Texte waren zum Teil behutsam gekürzt, was ich aber nicht für einen Fehler halte und was jemandem, der das Libretto nicht so wie ich kurz vor der Vorstellung noch einmal ganz durchgelesen hat, wohl auch kaum aufgefallen sein dürfte.
Sicherlich ist der Freischütz nicht leicht zu inszenieren, da er anders als zum Beispiel die wagnerschen Musikdramen (Ausnahme Meistersinger) historisch ganz konkret in der Zeit nach dem 30-jährigen Krieg angesiedelt ist, wofür es ja auch zahlreiche Bezüge im Text gibt. Andererseits bezweifle ich natürlich, dass ein Großteil der Opernbesucher überhaupt mitbekommt, dass von Tilly und vom Altringer die Rede ist oder wissen, um wen es geht und welche Rolle diese Leute in der Geschichte gespielt haben. I
ch glaube persönlich auch nicht, das es für das Verständnis des Werkes wichtig ist, dass diese zeitliche Verortung in einer Inszenierung beachtet wird.
Das nächste Problem ist, dass der Freischütz ganz das ein Kind der Zeit seiner Entstehung ist und ein zeitgenössischer Opernbesucher, soweit er sich überhaupt mit diesen Themen befasst hat, nur noch wenig Verständnis für die Mentalität der Menschen hat, die von den Befreiungskriegen und von der nationalen Einigungsbewegung geprägt waren.
Insoweit finde ich den Ansatz der Regie, den Schwerpunkt auf die zeitlosen inneren Konflikte der Personen zu legen, durchaus plausibel.
Das Regieteam hat dies auch keineswegs dadurch getan, dass es mit den üblichen Versatzstücken des so genannten Regietheaters gearbeitet hat.
Zwar wurde die Handlung, was man aus der Ausstattung, Kostümen und so weiter schließen kann, wohl etwa in der Zeit um 18./19. Jahrhundertwende angesiedelt, aber sowohl das Bühnenbild als auch die Kostüme waren durchaus der Handlung angemessen, so dass es nicht die oft albernen Widersprüche zwischen Text, Handlung und Ausstattung gab. D.h., die Jäger waren durchaus angezogen und bewaffnet, wie man es von Jägern in „historischer Zeit“ erwartet und auch das Interieur im Schlafzimmer der Agathe und im Wirtshaus entsprach dem, was man in einer derartigen Oper auch als konservativer Besucher nach meiner Auffassung als adäquat bezeichnen kann.
Gut, es gab auf der Bühne keinen künstlichen Wald (und leider auch keinen tönenden Wald inm Orchester
), aber zum einen halte ich das was die Wirtshausszene angeht, auch nicht für unbedingt nötig, weil man den Aufbau der Bühne auch als Blick aus dem Freien ins Wirtshaus deuten kann und jedenfalls das Bühnenbild nicht in Widerspruch zum Geschehen stand.
Dass am Anfang auf ein Glas auf dem Kopf einer Kellnerin geschossen wurde und nicht auf eine Scheibe, und dass es auch sonst leicht alkoholisiert deftig zu ging – ich fand es sogar originell und plausibel; so geht es bei manchem Schützenfest auch heute zu vorgerückter Stunde zu (mit Ausnahme des Schusses á la Tell).
Die Wolfsschlucht Szene (mit einem realistischen Feuer auf der Bühne) fand im Wesentlichen im Bühnenbild der Schenke statt, wobei allerdings nur der Quergang der ersten Etage und die Treppe als Ersatz für die verschiedenen Ebenen und den Weg nach unten herhalten mussten(das kann man schlecht beschreiben, ist aber in dem Video Ausschnitt oben zu sehen), was ich aber nicht als störend empfunden habe.
Ansonsten gab es die märchenhafte Elemente wie Totenköpfe, Leichenhaufen und so weiter durchaus, wenn sich auch der Schauereffekt in Grenzen hielt.
Auch hier sollte ja das Unheimliche, die „Wilde Jagd“, vor allem im Orchester stattfinden und da fehlte es dann allerdings doch etwas.
Eine ungewöhnliche Idee war es, den Samiel mit einer Tänzerin zu besetzen, die praktisch während des ganzen Stückes präsent war.
Damit wurde die Rolle natürlich im Vergleich zur Vorlage aufgewertet, das Ganze entspricht aber dem Konzept der Regie, die das Stück vor allen Dingen als Konflikt der handelnden Personen zwischen Gut und Böse, Rationalität und Aberglauben und der Macht der Versuchung, hier als Abwägung, welche Mittel der Zweck(hier die Heirat mit Agathe und der materielle Vorteil der Erbförsterei) heiligt, zeigt.
Unterdrückte erotische Wünsche als ein Motiv der Handelnden? Wenn es so gemeint war, wurde die Idee nicht konsequent umgesetzt. Andeutungen finden sich in der Wirtshausszene am Anfang, wo es deftig (aber nicht plakativ vulgär!) zugeht, im Verhältnis Agathe/Kaspar, in Ännchens Fantasien vom „schlanken Burschen" (samt Poster eines nackten Adonis) und in den Kontakten der Samiel Tänzerin mit den Protagonisten.
Ich fand es auch recht gelungen, dass Kaspar nicht nur als finstere Schurke dargestellt wurden, sondern als durchaus attraktiver Mann, der (das entspricht auch dem Libretto) bei Agathe abgeblitzt ist, die immer noch ein gewisses Faible für ihn hat.
Der Schluss ist vordergründig so, wie ist das Libretto vorschreibt: Der Eremit erscheint als deus ex machina, der Fürst lässt nolens volens Gnade walten, aber so ganz sicher ist man als Zuschauer nicht, dass wirklich alles gut ausgeht:Abgesehen davon, dass der Fürst ein ausgesprochener Unsympath ist, der die Braut meistens so anschaut, als ob er sehr gerne vom ius primae noctis Gebrauch machen würde, und (deswegen?) seinen Zorn über die abgenötigte Milde nur schwer verbergen kann, ist das oder der/die Böse nach wie vor präsent. Max nimmt am Schluss Kaspars Dolch an sich und schaut ihn nachdenklich an.
Fazit:Eine ordentliche aber keineswegs Herausragende Aufführung.
Gut musiziert, aber ohne einen besonderen Eindruck zu hinterlassen.
Eine gute Ensemble Leistung, wenn auch sicher keine Sternstunde.
Ein herausragender Chor.
Eine Inszenierung, die keinem wehtut und einige ungewöhnliche Ideen und interessante Ansätze hat.
Müsste ich insgesamt eine Schulnote vergeben, wäre es ein glattes „befriedigend“.
Zuletzt bitte ich um Entschuldigung für Fehler im Text: Ich habe (endlich) von Windows zu Mac gewechselt und die Spracherkennung lernt noch.