Liebe Taminos!
In den folgenden Tagen werde ich hier versuchen, eine gewissenhaft recherchierte Biografie Franco Bonisollis zu erstellen. Es ärgert mich schon lange, dass man über ihn so wenig weiß. Teil 1 ist eine Art Einführung:
„Ich schaue in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit!“ meinte Franco Bonisolli bei seinem Auftritt in August Everdings legendärer Fernsehreihe „Da Capo“. Und wenige Jahre später beteuerte er anlässlich seines 40-jährigen Bühnenjubiläums, zu dem er ein langes Interview geben sollte, dass ihm Rückblicke solcher Art zuwider seien.
Es ist also schwer, gehaltvolle Informationen über Franco Bonisolli zu finden. Er hat kaum über seine Karriere oder sein Privatleben gesprochen. Dafür wurde stets umso mehr über seine Skandale gefragt und geschrieben.
Glücklicherweise gab Bonisolli das oben erwähnte Interview, das übrigens bezeichnenderweise nicht für eine europäische, sondern für eine japanische Zeitschrift geführt wurde, dann doch und der Sensibilität des bekannten Journalisten Renzo Allegri ist es zu verdanken, dass er dieses eine Mal auch tiefe Einblicke in seine Jugend, seinen Werdegang oder auch seine Gedankenwelt gab. Das Interview ist in Japan auf acht Seiten erschienen. Einem Eintrag auf einer italienischen Facebook-Seite aus dem Jahr 2015 haben wir es zu verdanken, dass es zumindest in gekürzter Form auch in Europa aufscheint.[1]
Weitere Quellen dieser kleinen Biographie sind das angesprochene Fernseh-Interview durch Everding und eine ominöse Blogger-Seite, die von einer jungen entfernten Verwandten Bonisollis, die ihn selbst gar nie kennengelernt hatte, betrieben wurde. Die Bloggerin trug daher naturgemäß nicht viel zur Aufklärung über Bonisolli bei, obwohl sie damals, 2007, mit dem Gedanken spielte, sich in die Materie zu vertiefen und eine Biographie über Bonisolli zu verfassen. Einige Reaktionen auf ihren Artikel aber sind sehr interessant, da ehemalige Nachbarn und/oder Schulkollegen Bonisollis sich zu Wort gemeldet haben.
Leider fand ich keine weiteren Spuren der angekündigten italienischen Biografie. Übrigens auch nicht von einer geplanten deutschen Biografie eines Bonisolli-Fans namens Andreas Baum. Dieser hatte nachweislich freundschaftlichen Kontakt mit dem späten Bonisolli und hat nicht nur zwei CD’s mit ihm veröffentlicht, die unter Fans naturgemäß hochgehandelt wurden, sondern hat auch einen sehr interessanten YouTube-Kanal installiert, auf dem seltene Aufnahmen und kleine Interviews mit Bonisolli enthalten sind.
Sowohl die Bloggerin „MariCri“ Bonisolli als auch Andreas Baum haben aber seit etlichen Jahren nichts Neues mehr gepostet.
Meine kleine Biographie wird so gut wie gar nicht auf die oft genug heraufbeschworenen Skandale in Bonisollis Karriere abzielen, sondern einen Sänger und Künstler vorstellen, der jahrzehntelang fulminante Leitungen am Opernsektor abgeliefert hat. Ja, er hat polarisiert. Ja, er hatte Fans, wie die „Amici di Franco Bonisolli“, die ihn frenetisch feierten und ihn offenbar vor allem wegen eingelegter hoher Töne verehrten. Solche Ereignisse veranlassten Jürgen Kesting wohl dazu, Bonisolli mit den lapidaren Worten abzutun, er sei „eine Art Rambo des Singens“. Kesting hat wohl nicht bedacht, dass solche sarkastisch zugespitzten, flapsigen Bemerkungen genau dem Populismus entsprechen, den er bei Bonisolli kritisiert. Und von dem angesehen: Wer den Film „Rambo“ wirklich kennt, weiß, dass es sich um einen künstlerisch wertvollen, kritischen Streifen handelt, der von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden sogar das Prädikat „besonders wertvoll“ erhielt. Der Begriff „Rambo“ und der Typ Mensch, den man damit verbindet entstand erst später durch die geistlosen Fortsetzungen. Dies nur als kleiner Denkanstoß für Kesting und andere Kritiker, die Karriere Bonisollis vielleicht mit neuen Augen zu sehen. Die folgenden Zeilen sollen dabei helfen.
[1] Wie ich danach feststellte, entnimmt dieser Eintrag den Text der Website http://www.circomassimo.it