Vorhin ist mir beim Hören der Hogwood-Einspielung das Fehlen von Pauken und Trompeten aufgefallen. Auf der Website http://www.haydn107.com sind sie bei den Angaben zur Instrumentation auch nicht aufgeführt, bei der dort verlinkten, von Robbins Landon herausgegebenen Partitur sind sie wiederum dabei. Es könnte sich also um einen der nicht seltenen Fälle handeln, bei denen Pauken und Trompeten erst später und von fremder Hand hinzugefügt worden sind. Da mir z.Zt. weder die kritische Gesamtausgabe noch andere Literatur zur Verfügung steht, kann ich das nicht verifizieren. Dass mir die klangprächtigere Version mit den genannten Instrumenten wesentlich besser gefällt, steht auf einem anderen Blatt.
Zu den einzelnen Interpretationen, wobei ich Dorati und Hogwood - weil nur über o.g. Website gehört - vom Klang her nur eingeschränkt beurteilen kann:
DORATI: Die Zeiten sind 3:54 (ohne Wdh. von DF und Repr.), 3:28 (ohne Wdh. des B-Teils), 3:09 und 3:31 (ohne Wdh. von DF und Repr.). Insgesamt eher unauffällig, etwas breit phrasiert, nicht sehr zugespitzt. Im langsamen Satz recht brav, im Menuett kein Allegro-Tempo. Auch im Finale ohne Pep.
HOGWOOD: Die Zeiten: 5:07, 5:46, 3:39, 4:48 (sämtliche Wdh. werden gespielt). Etwas gewöhnungsbedürftig, weil (wahrscheinlich philologisch korrekt, s.o.) ohne Pauken und Trompeten. Der erste Satz klingt dadurch schlanker und wird von Hogwood auch etwas schneller genommen als gewöhnlich. Davon abgesehen aber eine eher biedere Interpretation, gerade auch im langsamen Satz („schmerzliche“ Durchführung durch Staccato-Artikulierung der Geigen-Achtel verschenkt) und im lahmen Menuett. Wenig Sinn für Kontraste.
BRÜGGEN: 3:55 (ohne Wdh. von DF und Repr.), 3:56 (ohne Wdh. des B-Teils), 2:44, 3:16 (ohne Wdh. von DF und Repr.). Wie Hogwood etwas temperamentlos, sogar etwas verwaschen im ersten Satz. Langsamer Satz nur wenig besser als bei Hogwood. Im Menuett kommt Brüggen völlig unerwartet aus den Puschen und nimmt als einziger Dirigent ein wirkliches Allegro-Tempo (bremst im Trio dann aber stark ab). Im Finale Business as usual.
PINNOCK: 5:25, 3:57 (ohne Wdh. des B-Teils), 3:28, 4:47. Die Pinnock-Einspielungen zeichnen sich durch ihre brillante, fast schon überpräsente Klangtechnik aus – man höre sich den Beginn des Kopfsatzes an, großartig! Das liegt natürlich auch an der Klangkultur des Ensembles. Zudem überzeugt mich hier ausnahmsweise auch mal die Mitwirkung des (natürlich von Pinnock selbst traktierten) Cembalos, das hörbar ist, aber nicht dominiert bzw. (wie gerne bei Goodman) aus der Rolle fällt. Sehr guter erster Satz, gutes Finale. Das Andante ist sehr auf säuselnden Schönklang abgestellt (@Frank: vielleicht hat Dein bisheriges „Überhören“ des Satzes auch damit zu tun?). Das Menuett tapst wieder als behäbiges Allegretto daher. Bei aller Klangschönheit ist bei Pinnock m.E. immer eine leichte Tendenz zur Sterilität hörbar.
FISCHER: 5:27, 3:13 (ohne Wdh. des B-Teils), 2:41, 4:34. Klanglich, obwohl nicht schlecht (Aufnahme 2001), eine Klasse unter Pinnock. Auch sonst nicht ganz mit der Spielkultur der HIP-Ensembles. Aber: Mit Verve und Lust an der Zuspitzung im ersten Satz (Betonung der Synkopen zu Beginn der Durchführung!) und im Finale. Das Menuett-Tempo nicht ganz so schnell wie bei Brüggen, aber immerhin annähernd Allegro. Zudem das Trio im gleichen Tempo. Vor allem ist Fischer m.E. der einzige, der den spezifischen Witz des langsamen Satzes erfasst: eher schnelles Tempo, fast unwillig die Echoeefekte, sehr ausgeprägt der Kontrast in der "Durchführung" – und das „Verläppern“ der Achtel am Ende der Abschnitte wird durch col-legno-Spiel der Geigen (nicht in der Partitur vorgeschrieben) extra hervorgehoben.
Summa summarum ergibt sich folgende Rangliste: 1. Fischer, 2. Pinnock, 3. Brüggen, 4. Hogwood, 5. Dorati.
Viele Grüße
Bernd