Beiträge von Zwielicht

    Die Inschriften "Moyses" und "Hellespontica" beziehen sich auf die beiden Statuen, die auf den beiden Löwenkapitellen "agieren": links Moses mit den Gesetzestafeln (auf den ja schon Severina richtig hingewiesen hat), rechts die sog. hellespontische Sibylle. Die Sibyllen waren ursprünglich antik-pagane Prophetinnen, deren Weissagungen seit den Anfängen der christlichen Religion auf Christus und seine Vita bezogen wurden. So haben sie auch Einzug in die christliche Bildtradition gehalten, am bekanntesten in der Sixtinischen Decke Michelangelos. Die hellespontische Sibylle ist im Gegensatz z.B. zur tiburtinischen aber nur selten dargestellt worden - warum Tizian sie hier augewählt hat, weiß ich auf Anhieb nicht.


    Moses und die Sibylle präfigurieren bzw. prophezeien Christus, deshalb sind sie als parallele Figuren dargestellt. Durch Christi Kreuzestod wird ja nach christlicher Auffassung das alte mosaische Gesetz außer Kraft gesetzt und durch die lex nova abgelöst - nach einer Formulierung von Paulus: die steinernen Tafeln (des Moses) weichen den fleischgewordenen Tafeln des Herzens (Christi). Dass die hellespontische Sibylle die Passion Christi weissagt, ist ja hinreichend dadurch deutlich gemacht, dass sie Kreuz und Dornenkrone trägt.


    Die Kombination des alttestamentlichen Moses und der antik-paganen Sibylle steht auch für die jüdischen und die antiken Wurzeln des Christentums (im übertragenen Sinne wohl auch: für die Wurzeln von Tizians Kunst). Beide sind gemäß ihrer präfigurierenden Funktion als Statuen dargestellt, also in einem anderen Realitätsmodus als die "gegenwärtigen" Trauernden rund um Christus - was spätestens seit dem 15. Jahrhundert ein beliebter Kniff ist, bei Tizian aber durch die extreme Lebendigkeit der Statuen konterkariert wird. Die Löwen, auf denen sie stehen, lassen sich vielfältig deuten, verweisen in Venedig aber immer auch auf den Markuslöwen.



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von Harald Kral
    1982 hat Harnoncourt dann noch eine 4. LP nachgeschoben, die "Supplement" genannt wurde und die ca. 40 Min. zusätzliche Musik enthielt, und zwar die für die Münchner Fassung gestrichenen Teile sowie die für Wien nachkomponierten Stücke sowie eine Gavotte aus der Ballettmusik.



    Zitat

    Original von der Lullist
    Eben nicht, die CD Fassung bietet allein die Münchner Urfassung.
    Im Booklett wurde zwar die CD mit den gestrichenen Szenen, bzw. den Szenen die später hinzu kamen versprochen...aber diese CD erschien nie.


    Doch, Harnoncourts "Supplement" ist 1994 auch auf CD erschienen. Z.Zt. allerdings noch nicht einmal auf dem Marktplatz erhältlich - bei Ebay werden aber sowohl LP wie auch CD gelegentlich angeboten.


    Was die Bewertung der Harnoncourt- und der Gardiner-Einspielung betrifft, stimme ich Matthias vollständig zu: Beide sind auf ihre Art großartig, Gardiner auf höchstem Niveau etwas ausgeglichener (auch was die Sänger betrifft), Harnoncourt in manchen Details noch spektakulärer (Chorszenen, teilweise auch Orchesterklang). Beide Interpretationen sind vielleicht die besten Opernaufnahmen, die beide Dirigenten jemals vorgelegt haben (allerdings kenne ich natürlich nicht alle, Gott behüte... :D).



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von Spradow
    Die Energie finde ich eben nicht so recht. Ich sage ja nicht, dass es unbedingt wie Beethoven klingen muss, aber ein weniger graziles Thema würde m.E. sehr helfen. Allerdings: Wer 1795 etwas Unwirsch-Energisches schreibt, muss sich den Vergleich mit Beethoven m.E. schon gefallen lassen.


    Das Hauptthema finde ich nicht nervig, und "grazil" wäre mir dazu auch nicht eingefallen (noch nicht einmal bei der Piano-Variante). Es ist sicher nicht übermäßig originell - aber das sind ja viele Kopfsatzthemen bei Haydn und eben auch bei Beethoven nicht: man höre sich nur das gänzlich uncharakteristische Hauptthema des Kopfsatzes von dessen vierter Sinfonie an (der ja, wie oben schon kurz diskutiert, einige interessante Parallelen zu Nr. 102 aufweist). Wichtig ist, was die beiden Komponisten aus ihren Themen machen - und die Techniken des energetischen Aufladens der Achtelbewegung, des Abspaltens von Themenbestandteilen, der Betonungen gegen die Taktschwerpunkte und auch der ständigen dynamischen Akzentsetzungen machen m.E. einen sehr "unwirsch-energischen" Eindruck. "Lärmend" würde ja bedeuten, dass die musikalische Komplexität nicht mit der hochgefahrenen Dynamik mithalten kann. Das lässt sich aber m.E. objektiv widerlegen - die Dichte der thematischen Arbeit ist im Kopfsatz von 102 nunmal extrem hoch, ebenso die Vielfältigkeit und Länge der Durchführung.


    Mit dem Beethoven von 1795, der gerade op. 1 und 2 komponierte, kann das m.E. gut mithalten. Auch wenn solche Vergleiche problematisch sind: der Kopfsatz von Beethovens erster Sinfonie (1800) erreicht diese Konzentration noch nicht, in der zweiten Sinfonie (1802) ist LvB dann auf Augenhöhe und erst der Kopfsatz der Eroica (1803/04) setzt schließlich ganz andere Standards.




    Zitat

    Stimmt, das ist ja eben ihr Problem. :D


    Soso... :evil:




    Zitat

    Da fällt mir gerade ein, dass ich auch 103 nicht besonders mag...


    :boese2:


    Du verspürst wohl das Bedürfnis, sämtliche noch unbetreuten Haydn-Sinfonienthreads zu eröffnen? :D



    Viele Grüße


    Bernd

    Zu- und Abneigungen gegenüber bestimmten Komponisten und Kompositionen sind jedem freigestellt, solange sie nicht allzu unflätig artikuliert werden - das haben wir ja schon oft genug diskutiert. (Auch bringt es meist nichts, die Ungeläufigkeit der einen Komponisten bzw. Werke gegen die Popularität der anderen auszuspielen...).


    Walter hat seine Skepsis bezüglich Dvorak moderat kundgetan - wenn er den "Volkston" und einiges andere nicht mag, kann ich seine Ansicht nachvollziehen, wenn auch nicht teilen. Mit meinem Vater habe ich, als er noch lebte, manchmal über Dvorak diskutiert - er konnte ihn absolut nicht leiden (Brahms allerdings auch nicht), was mich schon sehr früh dazu gebracht hat, mich mit Dvorak (und Brahms) zu beschäftigen.


    Ich habe Dvoraks Musik immer gemocht, einschließlich ihrer folkloristischen Elemente - die bei mir keineswegs zur Abwertung bestimmter Kompositionen führen (die achte Sinfonie folgt mit ihrem Kehraus-Finale halt einem gänzlich anderen Typus als die Siebte, die Neunte ist in mancher Hinsicht dann eine Synthese). Als "Vielschreiber" sehe ich Dvorak nicht, obwohl er zweifellos eine längere Anlaufzeit als Brahms gebraucht hat, der mit seinem op. 1 ja bereits ganz auf der Höhe war.


    Insgesamt halte ich Dvorak für einen bemerkenswert vielseitigen Komponisten, der in Sinfonik, Instrumentalkonzert, Sakralmusik, Lied Hervorragendes geleistet hat - zudem mit der Rusalka auch die m.E. bedeutendste tschechische Oper vor Janacek komponierte.


    Musikgeschichtlich ist die Nähe zu Brahms natürlich vorhanden und führt zu den üblichen Vergleichen. Vergessen wird dabei immer die Entwicklung im Spätwerk, insb. in den Tondichtungen, bei denen Dvorak sehr eigenständig in den Spuren Liszts und Smetanas geht und - wie von Wulf schon hervorgehoben - direkt zu Janacek hinführt.


    Auch das von Walter erwähnte G-dur-Quartett op. 106 weist schon in diese Richtung - die von ihm abgebildete (in der Tat hervorragende und gänzlich unfolkloristische) Aufnahme mit dem Artemis-Quartett kombiniert das Werk ja nicht zufällig mit Janaceks zweitem Streichquartett: gerade der langsame Satz beinhaltet fast unkontrollierte Ausbrüche, wie sie dann auch in den Intimen Briefen vorkommen und die gleichzeitig zurück auf Schubert verweisen - in dessen Tradition des "Aussingens" gegen formale Konzentration Dvorak eh häufig zu verorten ist.



    Viele Grüße


    Bernd

    Die Londoner Sinfonien habe ich alle seit Beginn meiner Klassikhörerkarriere so häufig und kontinuierlich gehört, dass sich bei mir keine großen Überraschungen oder Verschiebungen mehr ergeben haben - was nicht heißt, dass ich nichts dazugelernt hätte. Nr. 94 mochte ich schon immer sehr, ich hatte nie den Hang zum Popularitätsmalus :D.


    Obwohl nun wirklich kein Geheimtip, möchte ich doch noch einmal auf die Nr. 102 mit ihrem unübertroffenen Kopfsatz hinweisen.


    Versuche, die Londoner Sinfonien gegenüber ihren Vorgängern abzuwerten, weise ich entschieden zurück. :D


    Nr. 90 kann nicht oft genug empfohlen werden, die ist phänomenal, wenn natürlich auch keine "Entdeckung". Mit Nr. 91 habe ich nach wie vor Schwierigkeiten.


    Unter den Parisern habe ich Nr. 84 immer als die graue Maus empfunden, das hat sich geändert. U.a. eine der schönsten langsamen Einleitungen!


    Nr. 79 und 80 verdienen mehr Aufmerksamkeit, sind aber aus verschiedenen Gründen nicht "einfach" zu hören.


    Sehr bereichernd fand ich die Beschäftigung mit der Trias 76-77-78. Nicht spektakulär, aber ein ungeheuer souveräner Umgang mit der Materie, die 77 hat es mir besonders angetan.


    In den letzten Wochen habe ich bei den Anfangssiebzigern und den Endsechzigern ein wenig geschlampt :rolleyes:, das muss ich noch nachholen.


    Ich muss zugeben, dass mir von den ersten zwanzig nicht soviel im Gedächtnis geblieben ist, am ehesten die Nr. 12 und 13.


    Aber Nr. 21 ist ein echter Qualitätssprung, Nr. 28 mit dem witzigen Menuett gehört zu meinen Lieblingen, Nr. 29 liegt gleichauf. Nr. 35 ist in allen vier Sätzen auf einer bewundernswerten Höhe der Erfindung.


    Und weil sie bald drankommt, nenne ich als dringende Empfehlung für alle Nicht-Haydnianer die Ecksätze der Nr. 39.



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von Joschi Krakhofer
    Weiters kenne ich die Toscanini-Meistersinger aus 1935, aufgenommen in Wien.
    Tonqualität ist nicht schlecht für 1935 sogar sehr ordentlich. Die Sänger sind auch ganz in Ordnung, gar keine schlechte Aufnahme.


    Öhh, die Toscanini-Meistersinger sind von 1937 und ein Mitschnitt von den Salzburger Festspielen. Bei der Klangqualität kommt's halt immer darauf an, wie tolerant man gegenüber historischen Livemitschnitten ist - ich bin's bis zu einem gewissen Grad, aber diese Meistersinger kann ich mir allenfalls zur (hochinteressanten) Information anhören, nicht mit Genuss. Da verschwindet doch reichlich viel von der Partitur im Orkus.


    Beim Leinsdorf-Tristan empfinde ich das als etwas besser. Davon abgesehen ist das - wie schon Matthias sagt - eine großartige Interpretation des Werkes (ebenso wie der noch ältere, ganz anders geartete Fritz-Reiner-Mitschnitt aus der Met).


    Klar, wenn man Knappertsbusch 1951 noch nicht haben sollte - lohnt sich auf jeden Fall (ich ziehe nach wie vor Kna 1962 vor). Klangtechnisch bestens.


    Den Lohengrin mit Leinsdorf/Melchior aus der Met kenne ich nicht. Hört sich aber interessant an.



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von petemonova


    Klar, letztens erst in Berlin z.B. mit einem Bach-Mozart-Beethoven-Brahms-Programm.
    Chancen dürften also für dich bestehen, ihn mal hören zu können. :)


    Ganz bestimmt. Im letzten Jahr hat Perahia zwar eine Tournee u.a. durch Deutschland wegen einer Nagelbettentzündung abgesagt, aber ansonsten war er schon dutzendemale in deutschen Konzertsälen. In Berlin und München hat er irgendwann Mitte der 90er sogar jeweils einen kompletten Zyklus der Beethoven-Sonaten aufgeführt.


    Ich selbst habe Perahia nur einmal gehört, und zwar Anfang der 80er Jahre in Duisburg - in Erinnerung ist mir eine sehr holprige Darbietung der Apassionata geblieben (das war im selben Jahr, in dem während eines Brendel-Klavierabends von irgendwoher aus den Eingeweiden der alten Duisburger Mercatorhalle immer ein Telefon klingelte, woraufhin Brendel nie mehr in Duisburg gesehen wurde - sorry für die kleine Abschweifung... :D).



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von observator
    ss geremia e lucia, oben am cannaregio?


    Eher nicht, weil diese Kirche erst seit 1860 die heilige Lucia im Patrozinium führt - seinerzeit wurden die Reliquien der Heiligen dorthin transluziert, weil ihre bisherige Grabeskirche Santa Lucia abgerissen worden war: um dort den Bahnhof zu errichten (der nun wiederum seinerseits nach der Heiligen benannt ist).


    Abgesehen davon legt der Kontext der Aufführung von 1620 - der Namenstag Johannes des Täufers - ja eine dem Täufer geweihte Kirche als Ort des Geschehens nahe. San Giovanni in Bragora kommt da ganz gut hin. Ist ja eh eine musikalische Kirche...



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von Walter Krause
    Lieber Bernd,


    Wenn ich das recht mitbekommen habe (die Tonqualität war nicht berühmt und meine Aufmerksamkeit auch endenwollend), war das ein Potpourri aus mehreren Haydn-Symphonien.


    Danke, Waldi! :) Hätte ich mir eigentlich denken können...


    Was ich nur in Bezug auf Gregors Posting andeuten wollte: Es gibt in Wien und auch sonstwo auf der Welt unendlich viele bessere Möglichkeiten, Haydn kennenzulernen...



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von Gregor
    Ich persönlich interessiere mich für den musikalischen Teil während der Eröffnung. Mit Haydn bin ich bisher nur wenig in Berührung gekommen und das Gehörte weckt Interesse sich mehr mit diesem Komponisten zu befassen.


    Wozu der Opernball alles gut ist... :D


    Ich habe mal versucht herauszufinden, was denn eigentlich von Haydn gespielt wurde. Die im Netz gefundenen Presseberichte sind da leider nicht sehr konkret, aber die Wiener Zeitung schafft Abhilfe:


    Zitat

    Als der Kinderchor – in schwarzen Samt gekleidet – zum zweiten Stück, "Amore S’Ingegna" aus "Lo Speziale" anhob, sprangen Elevinnen in Kleidern, die an rote Rosen erinnerten, herein.


    Putzig... :rolleyes:


    Dass in Lo Speziale ein Kinderchor mitwirkt, war mir neu - aber was soll's...ist ja eh nur der kurze Schluss der Oper.



    Jetzt kommt's:


    Zitat

    Mit der anschließenden Symphonie "Der Opernball" von Joseph Haydn sollte demonstriert werden, dass der Ball heuer im Zeichen des vor 200 Jahren verstorbenen Komponisten stand: Das Staatsopern- und Volksopern-Ballett sowie Studierende der Opern-Ballettschule tanzten passend dazu mit weißen Locken-Perücken.


    8o


    Die Sinfonie mit dem Beinamen "Der Opernball" ist der Haydn-Forschung bisher unbekannt - großartig, dass man hier Pionierarbeit leistet. :rolleyes:


    Bitte verratet mir: Was um Gottes willen ist da gespielt worden? ?(



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von ThomasNorderstedt
    weißem Hintergrund [...] Weiß dieses Hintergrundes [...] dieses Weiß als Symbol [...] Weiß als Symbol für die Leere [...] Weiß nicht als Symbol für die Leere, sondern für die Unschuld [...] die Weiße weder als Symbol für die Leere noch für die Unschuld [...] dieses Weiß in der Eigenschaft als Weiß-heit und somit als versteckten Hinweis auf die persönliche Eigenschaft Weisheit [...] wie sieht er das Weiß?


    Nää, nää, mein Lieber, das sind völlig unhaltbare Hypothesen, um nicht zu sagen: Ofen-Plaudereien, die in den entsprechenden Thread zu verschieben ich einen willigen Moderator zu bitten mich nicht scheuen werde (zudem wage ich es, diesen Satz mit einem völlig unnötigen :D zu kaschieren).


    Um den modischen Ausführungen über die Offenheit des Kunstwerks und die Macht des Rezipienten einmal knallharte positivistische Recherche entgegenzusetzen: man schaue sich bei unseren freundlichen Werbepartnern andere CDs des Labels Neos an und stelle fest, dass sie alle in gleicher Weise von der Farbe Weiß dominiert werden - egal ob es sich um Beethoven, Schumann oder Xenakis handelt.


    Da muss man wohl tiefer schürfen.



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von Frank Pronath
    Was wollen uns die Künstler wohl hiermit sagen?


    Nun, Strawinsky hat mit seinem Sacre viele von der Musikpolizei gezogenen Grenzen überquert. Zu Recht: findet sich in der verbotenen Zone doch so manch vierblättriges Kleeblatt... :wacky:



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von Gurnemanz
    beim "Fang den Hut" oder "Hütchenspiel" gibt es verschiedenfarbige Hütchenfiguren und man kann mit dem eigenen, beispielsweise roten Hütchen, wenn man das richtige Feld besetzt, sich aufs feindliche weiße Hütchen draufsetzen und es damit sozusagen fressen und auf diese Weise viele Hütchen fressen und heimbringen. Insofern habe ich einen Zusammenhang vermutet.


    Ich vermute eher, dass Richard Jones eigentlich eine Oper des Humperdinck-Schülers Siegfried Wagner inszenieren wollte: An allem ist Hütchen schuld. :D



    Zitat

    Die grotesken Bilder, die Clemens jetzt eingestellt hat (vor allem das mit den dicken Köchen), zeigen ja, daß die Inszenierung ihren Reiz und Sinn haben könnte, und machen mich neugierig


    Früher hat Richard Jones ja eine fast schon symbiotische künstlerische Partnerschaft mit dem Bühnenbildner Nigel Lowery geführt, der sich dann als Regisseur verselbständigt hat und dem Hörensagen nach inzwischen deutsche Spielopern des 19. Jahrhunderts inszeniert... :pfeif:



    Zitat

    - zumal ich am letzten Neujahrstag Hänsel und Gretel in einer Inszenierung erleben, die aufs Jahr 1970 zurückgeht: Sowas gibt's nicht nur in Wien, sondern auch in Mannheim!


    Mannheim ist ja eines der ganz wenigen deutschen Opernhäuser, die vollständig am Repertoiresystem alter Prägung festhalten - u.a. gibt's da doch einen legendären Parsifal im Wieland-Wagner-Stil aus den Endfünfzigern zu bestaunen, außerdem die erste Inszenierung, die Ruth Berghaus in der Bundesrepublik auf die Bühne gebracht hat - Elektra von Strauss, Premiere war 1980...



    Viele Grüße


    Bernd

    Hm, der Mann im Vordergrund ist doch Signore Antonini höchstpersönlich? Insofern vermutlich nichts anderes als eine narrativ ausgestaltete Variante des Abbildens der ausführenden Musiker auf dem Cover: Il Giardino Armonico ist auf Tournee, unterwegs hat der Bus einen Motorschaden, man legt eine Zwangspause ein...


    Metapher eines langsamen Händel-Satzes, Problematisierung des motorisch vibrierenden Antonini-Musizierstils, vielleicht einfach auch nur eine nette Tournee-Erinnerung... :D



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von Blackadder
    In Frongroisch (und bei Napster) schon erhältlich


    Händel, Arien und Duette
    Sara Mingardo, Sandrine Piau, Alessandrini & Concerto Italiano (naive)




    Irgendwas läuft schief, wenn jede dritte hier angekündigte Neuerscheinung ein Händel-Arien-Recital ist, aber nur jede 300. die vollständige Einspielung einer Händel-Oper... :D


    Zumal sich bei ausgerechnet bei Haydn ein ähnlicher Trend anzudeuten scheint, sehr merkwürdig... :wacky:



    Viele Grüße


    Bernd

    Ich kann mich auch nicht zu einer richtigen Verteidigung der Arabella aufraffen - trotz einiger Versuche (live und aus der Konserve mit Solti/della Casa) habe ich nie einen Zugang finden können. Ich langweile mich beim Hören nicht immer, aber trotz diverser reizvoller Momente (z.B. die Kartenlegeszene am Anfang - Strauss als "der Komponist der ersten 250 Takte") zu oft. Hofmannsthals Textbuch überzeugt mich wenig...


    Ganz so hart wie bei Alviano fällt mein Urteil dann aber doch nicht aus. Die Orientierung am ungeheuer erfolgreichen Rosenkavalier ist unüberhörbar, aber nicht bloß opportunistisch, sondern reflektiert: Pointiert könnte man Arabella als einen Rosenkavalier bezeichnen, der durch die Erfahrungen von Inflation und Weltwirtschaftskrise gegangen ist - so wie das frühere Stück nominell im Rokoko spielt, aber in vielem das Wien um 1900 spiegelt, so verweist Arabella trotz zeitlicher Ansiedlung im Wien von 1860 auf ein Österreich, in dem der Adel bereits Vergangenheit ist. Insofern kann ich den Vorwurf, das Stück habe mit der Gegenwart gar nichts zu tun, nicht vollständig nachvollziehen. Dass Arabella oft wie eine etwas schäbigere Ausgabe des Rosenkavaliers wirkt, textlich wie musikalisch, ist möglicherweise Konzept - "Verhunzung" als Leitmotiv. Dass die Oper 1933 unter dem NS-Regime uraufgeführt wurde, scheint da eher Zufall. Vielleicht kann man dem Stück auch näherkommen, wenn man es als Alternativentwurf zur von Strauss feindlich beäugten Gattung Operette begreift - aber da kenne ich mich zu wenig aus.


    Naja - denken kann man sich viel, hören und sehen mag ich Arabella, wie gesagt, eher nicht allzu häufig. Ob es sich lohnt, das Stück aufzuführen? Ich denke schon, allerdings mit erheblichen Einschränkungen. Es gibt zweifellos eine ganze Reihe deutschsprachiger Opern aus der Zeit der Arabella, die es eher verdienten, mal wieder auf die Bühne zu kommen. Aber selbst wenn man bei Strauss bleibt: warum nicht mal öfter die von Rideamus immer wieder beworbene Schweigsame Frau, die in vielerlei Hinsicht origineller ist? Oder - als interessantes Zeugnis für die problematische Zeitgenossenschaft von Strauss - den Friedenstag?



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von DonBasilio
    Nicht übel, aber die alte EMI-Aufnahme (Jurinac) gefällt mir besser.


    Was, die alte Karajan-Aufnahme der Poppea mit Jurinac und Ustinov...äh...Stolze? :faint:


    Ich bin ja weder HIP-Fanatiker noch notorischer Karajan-Gegner, aber diese Aufnahme ist nun wirklich ein Verrat am Werk. Oder, um's milder auszudrücken: Die Karajan-Poppea hat mit der Monteverdi-Poppea allenfalls den Titel gemeinsam... :wacky:



    Viele Grüße


    Bernd

    Das ist traurig. Ich habe Becht vor allem in den frühen 80ern, meinen ersten Opernjahren, in Duisburg oft erlebt - auch in seiner Paraderolle, dem Alberich, zusammen mit dem ebenfalls jüngst verstorbenen Helmut Pampuch als Mime.



    Viele Grüße


    Bernd


    Der Satz ist im Kontext dieser Sinfonie wirklich rätselhaft - inmitten all der radikal negativen Musik drumherum. Auch das Gedicht ist im Vergleich zu denjenigen Lorcas, Apollinaires und Rilkes ja sehr formelhaft-konventionell, wie schon Thomas sagt.


    Ich bin da zwiegespalten - der "warme" Einsatz der Celli zu Anfang wirkt auf mich wie eine Oase nach den zurückliegenden Schrecknissen, aber im Fortgang empfinde ich die musikalische Substanz weitgehend als schwach. Eine machtvolle Katharsis o.ä. kann ich hier nicht entdecken, eher eine Art umgekehrten, fast nostalgischen Verfremdungseffekt: Tragen der veraltete Idealismus des Gedichts und die entsprechende Tonsprache hier noch oder nicht? Das muss jeder für sich entscheiden, ich meine eher: nein.



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von Fairy Queen
    Ein Bett für dich haben wir auch.


    ...aus dem ein Platz unter den Brücken von Lille werden könnte, wenn mir ein falsches Wort zu Bellini oder Dessay entfleucht. :D


    Liebe Fairy, lange werde ich Deiner wunderbaren Gastfreundlichkeit nicht mehr widerstehen können, aber angesichts meines derzeitigen Pensums an Arbeit, Pendeln, Umzug ist ein solches Vergnügen in den nächsten beiden Monaten eher eine Utopie.


    Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben und zur nächsten Wagner-Übertragung aus der Met ;) oder noch besser einem Opern- oder Konzertbesuch in Lille werde ich irgendwann später bestimmt kommen.


    Ob sich die Met-Butterfly mit Frau Gallardo-Domas in der Titelrolle wirklich lohnt, bezweifele ich ein wenig... Ist aber eh nicht meine Lieblingsoper.



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Auch wenn dieser thread durch die Einzelpostings zu den Liedern automatisch länger geworden ist, ist er mit 65 Antworten und fast 3000 hits in weniger als 6 Wochen seit Eröffnung nicht wirklich zu kurz gekommen, oder? Zumal für ein langes, nicht gerade eingängiges Stück aus dem 20 Jhd.
    Gewiß kann man sich mehr vorstellen, angesichts der vielen Stimmen. Aber "mangelndes Interesse" finde ich etwas überzogen, auch angesichts des Dümpelns einiger anderer Sachen aus dieser Reihe.


    Naja, die 65 Beiträge stammen in erster Linie von Thomas und in zweiter Linie von zwei bis drei weiteren Mitgliedern. Angesichts von 12 Leuten, die für das Werk gestimmt haben (ich gehörte noch nicht einmal dazu), ist das nicht sooo doll und war auch schonmal besser.


    Man kommt wohl wirklich zu einem "ehrlicheren" Ergebnis, wenn die Teilnehmer ihre Stimmen auf die Werke beschränken, bei denen sie sich sicher (!) beteiligen werden - bis hin zur "Einstimmenabgabe".


    Und so sehr ich Thomas' ausführliche und konsequent durchgezogene Werkvorstellungen schätze - wahrscheinlich ist es wirklich besser, in einen Thread einmal einzuführen und diesem dann freien Lauf in alle Richtungen zu geben. Sonst geht's wie bei Schostakowitsch - die Leute, die ihre Aufnahmen präsentieren und bewerten wollten, haben sich längst wieder anderen Themen zugewandt, bevor der letzte Satz vorgestellt ist. Was nicht als Kritik zu verstehen ist, an niemandem: In einem Forum macht ja gerade auch das Pendeln zwischen diversen Themen, das spontane Posten Spaß - zuviel Systematik kann da schnell einengend wirken (wobei mir persönlich in der Regel etwas MEHR Systematik lieber ist... :D).



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von Harald Kral
    Hallo Bernd,
    versuche es doch mal in Richtung Westen - beim "Erzfeind".
    Die Franzosen sind begeisterte Kinogänger und übertragen m.W. mehr Opern aus der MET als die deutschen Kinos! Fairy kann Dir da sicher Tipps geben.


    Danke für den Tip, Harald, ich habe schon nachgeschaut: in der Tat übertragen in Frankreich relativ viele Kinos aus der Met - nämlich 35, in Deutschland sind es nur knapp 20. Von Saarbrücken aus gesehen sind die nächsten in Metz und Thionville (70 bzw. 80 km entfernt) - allerdings gibt es da spätabends keine Rückfahrmöglichkeit mit der Bahn (auf die ich angewiesen bin).


    Nein, das ist mir für eine Kinobesuch alles viel zu aufwendig. Wenn ich in Metz Musik hören will, dann gehe ich in eins der interessanten Konzerte im dortigen Arsenal, wenn ich nach Frankfurt fahre, gehe ich dort in die Oper oder ins Konzert usw. Nur wenn das Kino bei mir vor der Haustür läge, hätte die Met eine Chance. ;)



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von ThomasNorderstedt
    (ich wurde bereits auf nette Art gerügt)


    Was, DU wurdest gerügt? :D Da kann ich mir aber andere Kandidaten für eine Rüge vorstellen: Wo waren denn all diejenigen, die das letztemal für Schostakowitschs 14. gestimmt haben und dann im eigentlichen Thread unsichtbar blieben? :D Ich bin ja zuletzt auch verstummt, kann aber wenigstens gewichtige Gründe vorweisen... :rolleyes:


    Im Ernst: wir haben die mangelnde Teilnahme an den Threads ja oft genug diskutiert - aber zumindest für diejenigen, die einem bestimmten Werk ihre Stimme geben, sollte doch damit eine gewisse Selbstverpflichtung verbunden sein...!?



    Viele Grüße


    Bernd

    In der Tat, wer weiß, ob die Met in Zukunft nicht den Gürtel enger schnallen muss.


    Ich teile Eure Bekenntnisse zum "richtigen" Opernbesuch voll und ganz - aber meine Bedenken werden dadurch nicht ganz ausgeräumt. Ich kann mir vorstellen, dass der ein oder andere Nürnberger Kinobesucher ohne Met-Übertragung an diesem Abend vielleicht doch die Aida im eigenen Opernhaus angehört hätte. Und ich schließe auch nicht aus, dass diese Übertragungen auf lange Sicht einen bestimmten Geschmack fördern, der jedenfalls nicht der meine ist. Schon allein die Tatsache, dass die modernsten aus New York übertragenen Opern Salome, Rosenkavalier und Turandot heißen, spricht in dieser Hinsicht Bände.


    Aber ich will das hier nicht miesmachen und könnte mir durchaus auch einen entsprechenden Kinobesuch vorstellen. In meiner neuen Heimatstadt :rolleyes: Saarbrücken :rolleyes: existiert dieses Angebot allerdings erwartungsgemäß nicht, wie ich soeben festgestellt habe. Man müsste gut 150 km bis Frankfurt oder Karlsruhe fahren... :D



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von keith63
    Hallo,
    hallo Zwielicht,


    Deine eigenen Zitate helfen gegen diese Redundanz besonders... ;)


    Naklar, dem teuflischen Zirkel entkommen wir alle nicht - ich nehme mich da als letzten aus. ;)


    Auch diejenigen, die sich geschworen haben, in diesem Thread nie mehr zu posten, werden irgendwann wieder schwach... :D



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Erstens gehört das Ritual in diesem Thread zum Tamino-Dasein dazu.


    Nicht nur in diesem Thread, aber man kann das Thema ja trotzdem mal anschneiden. Gehört schließlich selbst zum Ritual. :D



    Zitat

    Zweitens reden wir im realen Leben auch immer variiert dasselbe, warum soll man in Tamino alles nur einmal sagen?


    Nur einmal ist natürlich höchst unrealistisch, aber ab etwa dem 20. Mal sollte ein Gefühl für die Merkwürdigkeit der Situation entstehen.



    Zitat

    Drittens habe ich mal wieder nur auf abfällige Formulierungen reagiert (wäre lächerlich) - die lasse ich einfach nicht so stehen.


    Die niedrige Reizschwelle sollte man in der Tat noch zu den Gründen hinzurechnen.



    Zitat

    Viertens wollte ich mal sehen, ob es diesmal gelingt, ohne Rauferei mit Peter über das Thema zu repetieren.
    :pfeif:


    Meine Prognose: verhalten pessimistisch. :D



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Original von keith63
    Meiner Meinung nach haben beide Ansätze ihre Berechtigung und finden bei der Vielzahl der Häuser und Aufführungen auch ihren Platz.


    [...]


    Da (fast) alle, welche „zwischen den Stühlen sitzen“ oder neutraler formuliert, einen Weg des „sowohl als auch“ beschreiten, entweder irgendwann doch ein (Extrem-)Lager beziehen oder von beiden Lagern „beschossen“ werden, nehme ich für mich letzteres in Kauf.


    Die Position "zwischen den Stühlen" ist hier schon so oft bezogen worden, dass es mehr Leute neben als auf den Stühlen gibt.


    Gelegenheit, mein Posting vom 5.6.2007 zu zitieren:


    Zitat

    Original von Zwielicht
    Und nichts war häufiger zu lesen als die wohlfeile Einsicht, dass es keine "altmodischen" und keine "modernen" Inszenierungen gebe, sondern nur "gute" oder "schlechte". Da damit das diskutierte Problem nicht gelöst, sondern eher verschärft wurde, und die zweifellos bestehenden Gegensätze auch nicht übertüncht werden konnten, drehte sich die Diskussion eben eine Spirale höher.


    Es ist sicherlich normal und auch durch neu dazukommende Mitglieder bedingt, dass sich bestimmte Debatten gern wiederholen. Aber mit der Bezeichnung Déjà-Vu wird man der jetzt neu aufflammenden Diskussion schon nicht mehr gerecht: Es gibt bestimmte Rollen mit einem nur minimal variierten Text, die öfter mal mit Debutanten besetzt werden, wobei einige altgediente, allseits geschätzte Mitglieder immer wieder gerne ihre angestammten Rollen spielen. Das erinnert etwas an eine in die Jahre gekommene Repertoirevorstellung.


    Ich habe wirklich alle 768 (inzwischen: 1560) Beiträge in diesem und alle 972 Beiträge im (inzwischen geschlossenen) Parallelthread gelesen (und einige wenige davon selbst verfasst) und kann nur sagen: Wer das mal getan hat, wird die meisten Argumente nicht mehr mit dem Gefühl vorbringen, als handele es sich um die Erfindung des Rads.


    Wir könnten hier alle nur noch mit solchen Zitaten aus früheren eigenen Beiträgen arbeiten, das würde nichts ändern. Ist es Freude am Ritual? Freude an der Polemik bzw. am Rechthaben? Amnesie?


    Jetzt kommt KSM wieder mit seinen HIP-Inszenierungen :D, dieses Thema hatten wir doch mit allem Pro und Contra und Missverständnis auch schon ohne Übertreibung 15-20mal. :faint:


    Verzweifelt Ihr nicht manchmal an der schieren Redundanz?


    Offenbar nicht...



    Viele Grüße


    Bernd