Beiträge von Leiermann

    Jetzt wird es mir, bei so vielen "alternativen Fakten", zu bunt und ich bin raus aus dem Thread. Und konsequent sollte man zumindest sein - nicht eine Diskussion mit führen und dann hinterher den "Anderen" vorwerfen, sie seien undemokratisch, weil sie da mitwirken. Es gibt übrigens kein Verbot für Flüchtlinge, ein Land zu betreten. Über die Rechtmäßigkeit eines Flüchtlingsanspruchs entscheidet nicht die Grenzpolizei, sondern ordentliche Gerichte.


    Und auch über "Polizeisperren durchbrechende Demokraten" entscheiden im Zweifelsfall Gerichte. Gut, dass wir den Rechtsstaat haben.

    Bezeichnend ist ja, dass dieselben Populisten, die von "Lügenpresse" u. dgl. reden, die Demokaratie untergraben durch demokratiefeindliche Aussagen wie die von der "schweigenden Mehrheit" und Verschwörungstheorien anhängen.

    Richtig, Holger. So sieht es leider aus. Und die "Lügenpresse"-Skandierer informieren sich dann ganz "objektiv" bei "Sputnik" & weiteren Propaganda-Medien. :D

    Die Mehrheitsverhältnisse sind an Wahlen ablesbar. Und es wird den Verschwörungstheoretikern nichts helfen, von anderen Mehrheitsverhältnissen zu schwadronieren.


    Zur Oper: Natürlich gibt es Vernetzungen unterschiedlicher Richtungen, das ist ganz normal. Ich z.B. bin hier Mitglied in einem "Anti-RT-Netzwerk", was schon ein wenig komisch, aber auszuhalten ist. An ein gleichgeschaltetes "Pro-RT-Netzwerk" mit umfassenden Machtmitteln glaube ich aber nicht mal im Traum und bin diesbezüglich ganz entspannt.

    Und falls es mal wieder irgendwann einen Zeitgeist gibt, der noch retrospektiver orientiert ist, als es ohnehin schon in der klassischen Musikszene der Fall ist, dann bliebe ich ebenfalls entspannt.

    Kante zeigen müsste ich allerdings dann, wenn Menschen sich allen Ernstes daran machten, die Kunstfreiheit mit obskuren Begründungen aushebeln zu wollen. Und ich bin mir sicher, dass es gewaltige Kräfte bei uns gibt, die sich so etwas nicht bieten lassen würden. Darauf mache ich mir jetzt ein Bier auf und denke erwartungsfroh an alle kommenden "traditionellen Opernaufführungen", die ich noch erleben werde.

    Leider kenne ich die Mozart-Einspielungen von Gould nicht. Werde mich mal umsehen um sie zu ergattern.

    Sollte eigentlich kein Problem sein, denke ich.


    Ich hingegen habe mal geguckt, ob es noch mehr eingespielten C.P.E. Bach von Gould gibt als nur die "Württembergische" a-Moll(!)-Sonate (Wq49, Nr.1). Habe nichts gefunden, mir aber diese eine dann doch noch mal angehört. Sie ist mir nie so richtig ins Ohr gefallen; vielleicht lag es auch daran, dass sie auf dem Album so ein wenig "angehängt" ist. Gould spielt sie (o Wunder...) metrisch deutlich strenger als z.B. Belder (dessen CPE Bach-Einspielungen m.E. grandios sind) oder auch Markovina - das hat Hand und Fuß, ist wie aus einem feinen Guss - wirklich toll! Auch die Komposition gefällt mir sehr. Insofern: Schade, dass es davon nicht noch mehr bei Gould gibt.


    Edit: Ich vergaß zu erwähnen, dass ich mich beim dritten Satz der Bach-Sonate fragte, ob sich Mozart davon wohl für den ersten Satz seiner a-Moll-Sonate hatte anregen lassen. War nur so ein Gedanke bei den akkordischen Repetitionen und diesem "zornigen" Ausdrucksgehalt.

    Lieber Michael,

    vielen Dank für diesen tollen Bericht über eine Oper, die mir allerdings noch unbekannt ist. Toll, dass du gerade wieder so aktiv bist mit deinen Texten, denn dieser z.B. hätte natürlich richtig Laune auf einen Besuch gemacht (ohne dass du nun alles undifferenziert über den Klee gelobt hast), wenn er in dieser Spielzeit noch möglich gewesen wäre. Na ja, wer zu spät kommt...

    Lieber Leiermann,

    schreibt man in Foren, so läuft man Gefahr sich kurz und knapp zu verhalten, da man keine Romane verfassen will, die keiner liest. (...)

    Lieber Bachianer, das mit den Romanen verstehe ich schon. Du hast es allerdings bereits gemerkt: Ich gehöre zu der unangenehm pingeligen Sorte und mag es eher nicht so, wenn Dinge polemisierend verfälscht werden, die mir eine differenziertere Betrachtung wert sind. So habe ich mich erbsenzählerischerweise z.B. gefragt, wie du das zählst mit Mozarts Moll-Werken: Ich selbst komme auf mehr als deine höchstens zehn.

    Wie auch immer: Rampes Superlativ, die Experimentalität der a-Moll-Sonate Mozarts betreffend, führte ich als Beleg dessen an, dass es sich hier um keine künstlerisch leichtgewichtige Sonate handelt. Ich selbst könnte diesen Superlativ mangels Überblick und Wissen aber nicht stützen. Insofern glaube ich dir aufs Wort, dass es bei CPE Bach ebenfalls "Sonatenexperimente" gibt, die dem Hörer lohnenden Gewinn versprechen.

    Was ich allerdings nicht glaube: Dass Rampe hinsichtlich der "Nordisten"-Sonaten ahnungslos sei. Ich kenne seine Literatur dazu nicht, aber immerhin hat er ja eine Monographie zu Leben und Werk CPE Bachs verfasst.


    Wir sind in der Sache gar nicht mehr so weit auseinander, wenn ich deine letzten Relativierungen richtig verstanden habe. Vielleicht kann hier dann auch mal wieder zu Gould geschrieben werden?

    Jazz und Freiheit - das sind fast Synonyme. Gestern schickte mir mein Sohn ein Foto der Aula seiner Schule, in welcher ich gerade vor ein paar Tagen einem Hausmusikabend beiwohnte, aus dem Jahr 1940: Absolut gespenstisch zu sehen, wie da Hakenkreuzfahnen und -banner den Raum erdrückten, wo neulich Musik aus allen Richtungen (stilistisch und geographisch) zu hören sein durfte.

    Vor einer halben Stunde habe ich mir "Carla Bley - The lost chords find Paolo Fresu" angemacht. Dieses wunderbare Album hätte niemals das Gesicht der Welt erblickt, wenn die Feinde der Kunstfreiheit das letzte Wort behalten hätten.


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    Eine meiner liebsten Gesamtaufnahmen ist diese:

    Friedrich Gulda mit seiner legendären Beethoven-Sonaten-Schau auf AMADEO aus den späten 1960er Jahren (...)


    Da stimme ich dir von Herzen zu, lieber nemorino! Ich liebe diese CD-Box, obwohl das mit der Tracknummerierung echt blöd ist, wenn man einzelne Sätze abspielen möchte. Aber Guldas Gesamtschau auf die Sonaten ist einfach toll.

    Nun geht es etwas ins "Eingemachte". Moll(sonaten)werke und sog. seelische Konflikte. Wann fällt Liebhabern der "südlichen" Klaviermusik auf, dass Werke in Molltonarten Seltenheitswert haben. Genau das war mit ein Grund in der 2. Hälfte des 18. Jhdts für einen fast erbittert geführten "Glaubenskrieg", Nord gegen Süd. Die "Nordisten" bezeichneten solche Werke als "süßliches Geklimper", alles in einfachen Durtonarten, Dudelbässe, Läufe mit der rechten Hand rauf und runter, uvam. Beispiel: Mozarts Zeitgenosse CPE Bach: ca 50% seiner Klavierwerke sind in einer Molltonart geschrieben. War der etwa Selbstmord gefährdet wg. andauernder seelischer Konflikte? Oder könnte es sein, dass Mozart (und Haydn) sich intensiver mit der "Nordmusik" beschäftigten und feststellten, dass es so wie gehabt nicht weiter gehen kann?

    Das kann ich dir nicht sagen. Allerdings hatte ich mit dem Hinweis auf die a-Moll-Sonate Mozarts auf deine Pauschalaussage reagiert, Mozart hätte seine Solo-Klavierwerke "aus dem Ärmel schütteln" können, sie seien Produkte des "Tagesgeschäfts" für Schüler und Liebhaber. Und das halte ich mit Blick auf eine Sonate wie diese für nicht haltbar. Rampe schreibt diesbezüglich von einem der "tiefgründigsten und persönlichsten" Werke Mozarts "und ganz gewiß das gewagteste Sonaten-Experiment überhaupt, das bis zur damaligen Zeit unternommen wurde", und begründet diese Einschätzung dann anhand einer nachvollziehbaren Analyse. Des Weiteren weist er darauf hin, dass es hier eine musikalische Ausdrucksform zu verzeichnen gibt, "die Zeitgenossen einen kaum anderen als schockierenden Eindruck vermitteln und bei ihnen wohl schwerlich auf verständnisvolle Rezeption stoßen konnte". Da hat die Ablage "Tagesgeschäft" (nicht nur bei dieser Moll-Sonate) absolut ausgedient.

    Und was CPE Bach angeht: Darüber weißt du besser Bescheid als ich. Aber deine Überlegung einer suizidalen Disposition erscheint mir ziemlich weit hergeholt - woher, müsstest du sagen. Auch inwieweit Mozart nun überhaupt auf den Dur-Moll-Streit reagiert hat - keine Ahnung. Da weiß ich nicht ganz, was diese Spekulation soll.


    Mal wieder ein Schlenker zu Gould: Gerade der zweite und dritte Satz der a-Moll-Sonate gewinnen durch seinen unvergleichlichen interpretatorischen Zugriff eine Prägnanz und Eindringlichkeit der Sonderklasse. Dafür sind nicht zuletzt natürlich auch der Klang des Flügels sowie die Anschlagskultur maßgeblich. Mich überzeugt das praktisch uneingeschränkt (ist beim ersten Satz nicht ganz so).

    Zu den Sonaten KV 279-284: da hat mich Deine Bemerkung dazu gebracht das KV aufzuschlagen. Vorsicht, Vorsicht! "..in Augsburg und in München ..recht oft auswendig gespielt".. Nur, wieviele Zuhörer waren denn dabei? Bezahlte Konzerte? Bei KV 284 steht: "Canabich..hat eine TOCHTER die ganz artig Clavir spiellt, und damit ich ihn mir recht zum freunde mache, so arbeite ich jetzt an einer sonata für seine Madelle tochter...", Klartext: Arbeit für Schüler und zweckgerichtetes Komponieren (Freundschaft)!

    Lieber Bachianer, ich lese mich jetzt von terminlichen Zwängen etwas befreiter nochmal ein wenig in deine Postings ein. Als Ergänzung zu den o.g. Sonaten: Dass einige auch gezielt mit Blick auf bestimmte Personen (s. auch den Freiherrn von Dürnitz) komponiert wurden, schließt ja nicht aus, dass sie nicht zugleich Mozarts Ansprüche hinsichtlich möglicher öffentlicher Aufführungen erfüllen sollten.

    Natürlich weiß ich nichts Genaueres über Zuhörerzahlen, aber z.B. in Augsburg waren es immerhin u.a. "vornehme" Akademie-Konzerte. Und das geht über deine Zuschreibung ("Als 'Zuhörer' fungierte da die Familie, ab und zu vielleicht ein paar Freunde. Das war´s dann schon.") hinaus.

    Siegbert Rampe legt sich fest, dass "Mozart die Werke für seine eigene Konzerttätigkeit geschaffen haben [dürfte]". Und auch speziell zur "Dürnitz-Sonate" schreibt er, es sei "unübersehbar, daß der Komponist die von ihm persönlich so häufig aufgeführte Sonate vornehmlich für die eigene Konzerttätigkeit schuf".

    Lieber Leiermann,


    da steht Dir ja mit Sicherheit ein tolles Konzert bevor, und ich freue mich gerne mit Dir und wünsche Dir ein tolles Erlebnis - ich hoffe, Du berichtest hier darüber!


    Liebe Grüße

    Dir dann einen SEHR ernst gemeinten lieben Dank, lieber Don_Gaiferos. Ich habe mir gerade gestern eine 4er-Karte für Levits Beethoven-Zyklus bis ins Jahr 2021 gegönnt, weil mich das erste Recital davon in der Elphi schon ziemlich überzeugt hat. Zudem höre ich natürlich auch mit Interesse seinen im Studio eingespielten neuen Sonaten-Zyklus. Inwieweit ich über den heutigen Abend zum Schreiben komme... - mal sehen, es reicht zur Zeit eher nicht für mehr als für Kurzpostings. Andererseits tauge ich auch nicht so sehr dazu, Recitals zu besprechen, das können andere viel besser.


    Und jetzt erwarte ich von diesem Forum, dass es sich heute Abend weiter anzickt. Aber ohne mich, Leute! :P

    Liebe Kollegen,


    regt Euch nicht so auf ,sondern hört an diesem trüben Novembertag lieber Eure Lieblingsmusik.smilie_musik_058.gif

    Klasse Tipp! Ich rege mich also ab und fahre gleich zu Igor Levit, der einen weiteren Beethoven-Abend gibt. Und ich erwarte von einem klassischen Forum, dass es sich kurz mit mir darüber freut. Danke, sehr nett.

    Ind jetzt weiß ich auch wie ich den Mozart Stil vvon Krips bezeichnen würde: EINDRINGLICH !!

    Das, lieber Alfred, passt auch zu Goulds Blick auf Krips, der dessen Mozart-Dirigat beim Concertgebouw-Orchester in den Jahren 1972-1974 als "magisch" bezeichnete und äußerte, Krips sei der "meistunterschätzte Dirigent seiner Generation". Wenn Krips in einer kenntnisreichen und zugleich sehr einfachen (aber laut Gould nicht naiven!) Art über Mozart oder andere Komponisten sprach, dann hatte der kanadische Pianist den Eindruck, "einem großen Theologen" zu lauschen.

    Michael Stegemann schreibt dazu: "Über kaum einen anderen Musikerkollegen hat sich Gould so ausführlich und so rückhaltlos enthusiastisch geäußert wie über Krips, und es ist unendlich zu bedauern, daß es nie zu einer gemeinsamen Schallplatten- oder Rundfunkproduktion der beiden gekommen ist [...] Womöglich wäre (obwohl Gould dies bestritten hat) gerade die Zusammenarbeit mit Krips in Sachen Mozart eine Offenbarung geworden..." [alle Zitate in: Michael Stegemann: Glenn Gould - Leben und Werk.]

    Lieber Bachianer, es tut mir leid, aber ich komme dir momentan mit Antworten nicht mehr hinterher. Ich benötigte dafür einfach mehr Zeit, die momentan fehlt.

    Zumindest eben eine Mini-Antwort zu Goulds Bevorzugung des frühen Mozarts. Ich meine mich zwar zu erinnern, dass es dazu noch mehr gibt (vielleicht bei Stegemann?), aber im erwähnten Dialog zwischen Gould und Mozart, das in meiner Sonatenbox abgedruckt ist, da bezieht der fiktive Dialogpartner Gould klar Stellung. Er spricht einerseits von den "barocken Tugenden" der erwähnten sechs frühen Sonaten und brüskiert dann sein fiktives Mozart-Gegenüber mit der Ansicht, dieser habe seit seiner Wiener Zeit resp. unter den letzten dreihundert Werken quasi nichts Annehmbares mehr dabei.


    Klar, das ist ein fiktionales Gespräch. Aber es liegt nahe, dass Gould darin ernsthafte Ansichten verbreitet hat.

    Lieber rolo betman, vielleicht eine Bemerkung deinerseits zu Isabelle Faust auf dieser Aufnahme?

    Was ich bislang von Faust gehört habe, finde ich sehr interessant und ansprechend, aber ich kenne noch nicht so wahnsinnig viel von ihr...

    Gestern spielte das Artemis Quartett im Kleinen Saal der Hamburger Elbphilharmonie. Mein Eindruck in aller Kürze: An Homogenität mangelt es trotz des Umbruchs nicht, das war ein sehr geschlossener Vortrag. Auch der Ansatz des Ensembles, die musikalische Führung auf alle Schultern zu verteilen, war für mich deutlich spürbar (und zwar bevor ich später darüber etwas las).

    Obwohl das Publikum begeistert war und mir viele Dinge sehr stimmig und überzeugend erschienen, blieb allerdings auch eine gewisse Distanz bestehen bei mir. In aller Vorsicht und mit Respekt vor dem sehr seriösen Ensemblespiel meine ich, dass da in puncto Klangentfaltung noch mehr drin ist. Reizvoll waren u.a. dynamisch zurückgenommene Passagen in Verbindung mit einer ganz klaren Linie bei der ziemlich perfekt abgestimmten und generell sehr flexiblen Vibratogestaltung - gänzlich frei aufgeblüht ist das Ensemble allerdings in meinen Ohren kaum einmal. Dennoch: ein guter Abend.

    Bin gespannt, wie sich das Quartett jetzt entwickelt. Personell ist es ja nun gänzlich verändert (kein Gründungsmitglied mehr), aber die Musiker legen Wert darauf, dass die identitätsbildenden Errungenschaften vergangener Besetzungen in dieser Entwicklung bewahrt werden.


    Gestriges Programm:


    Franz Schubert

    Quartettsatz c-Moll D 703


    Béla Bartók

    Streichquartett Nr. 6 Sz 114


    - Pause -

    Piotr I. Tschaikowsky
    Streichquartett Nr. 2 F-Dur op. 2


    Zugabe:


    Scherzo aus dem Quartett G-Dur D 887 von Schubert

    Wo habe ich unterstellt, dass Gould "immer den kommerziell leichtesten Weg gegangen ist"? Ich habe doch nur versucht, seine Mozartkritik teilweise zu begründen.

    Ich dachte, du wolltest suggerieren, dass Mozarts Klaviermusik lediglich Repertoire für kommerzbewusste Publikumsanbiederer unter den Pianisten darstellt. Wenn das nicht stimmt, entschuldige bitte. Gould und Gulda jedenfalls würden äußerst prominente Gegenbeispiele sein.

    Bei Gould ist ja ganz witzig, dass sein Lob der früheren Sonaten auf den ersten Blick ein wenig widersprüchlich erscheint, denn die Einflüsse Bachs resp. polyphonere Tendenzen finden sich eher in den späteren Werken Mozarts. Auch das Gewicht der thematischen Arbeit z.B. in den Durchführungen wiegt in den früheren Sonaten noch nicht so schwer wie später.

    Aber Gould fand offenbar in den ersten sechs Klaviersonaten (K. 279-284) für ihn reizvolle " 'Baroque virtues' - a purity of voice-leading and a calculation of register" - nachzulesen im fiktionalen Dialog zwischen Gould und Mozart, welches sich im Booklet meiner Gould/Mozart-Box befindet.

    Natürlich, lieber Bachianer. Sicherlich hat so etwas Einfluss, das würde ich nie anzweifeln. Es spricht allerdings einiges dafür, dass dieser Einfluss die Frage nach der Qualität der Klaviersonaten nur bedingt erhellt. So machst du es dir mit folgenden Ausführungen aus meiner Sicht erneut zu einfach:

    (...) die Soloklavierwerke Mozarts. Sie waren nie und nimmer für Konzertveranstaltungen mit Hunderten an Zuhörern gedacht, sondern für Schüler (zum lernen/üben) oder Liebhaber (zum spielen). Als "Zuhörer" fungierte da die Familie, ab und zu vielleicht ein paar Freunde. Das war´s dann schon.

    Für derartige Werke, die ein genialer Komponist "aus dem Ärmel schütteln konnte" brauchte er keinen "göttlichen Funken" oder "Titanengeist". Das war Tagesgeschäft.

    Warum hier denn nun gleich "die Soloklavierwerke Mozarts" - als gäbe es da keine Differenzierungen, als läge da alles sofort klar auf der Hand. Und das mit "Familie, ab und zu vielleicht ein paar Freunde" ist schlicht falsch. Das war es nämlich dann eben nicht:

    Fakt ist, dass z.B. die erwähnten sechs Sonaten von Mozart zeitweise in öffentlichen Konzerten gespielt wurden.

    " 'Ich habe hier und in München schon alle meine sechs Sonaten recht oft auswendig gespielt' “, schrieb Wolfgang Amadeus Mozart im Oktober 1777 aus Augsburg seinem Vater Leopold über die Sonaten KV 279 bis 284, die er auf seinen Konzertreisen oft zu Gehör brachte." https://www.deutschlandfunk.de…ml?dram:article_id=363663

    "Diese Gruppe von sechs Sonaten, die Mozart selbst die 'sechs schweren Sonaten' nannte, spielte er öfters auf seiner Reise nach Augsburg, Mannheim und Paris 1777/78."

    https://www.henle.de/de/feuilleton/mozart-klaviersonaten/Nur die sechste dieser Sonaten erschien übrigens zu Mozarts Lebzeiten im Druck...

    In den kurzen Henle-Besprechungen der Sonaten findet sich ein ähnlicher Hinweis zur c-Moll-Sonate, deren monumentale Beschaffenheit so gar nicht auf Verleger und/oder Salons abziele, sondern auf den "großen Rahmen".

    Und was macht man mit der a-Moll-Sonate, deren Ausdrucksgehalt primär mit seelischen Konflikten, aber kaum mit kommerzieller Verwertbarkeit in Verbindung gebracht werden kann?
    Und zur D-Dur-Sonate K.576 findet sich dann zwar bei henle.de der Hinweis, Mozart habe geplant, sie mit fünf weiteren Sonaten an Prinzessin Friederike von Preußen zu verkaufen - aber dann sei eben nur die eine entstanden, und die sei dann auch alles andere als leicht geworden...


    Und wie erklärt man sich die bereits erwähnte Hinwendung zu barocken Techniken in den späteren Sonaten? Das kann doch wohl nicht ernsthaft als Konzession an den Publikumsgeschmack oder als verkaufsfördernd angesehen werden, als "Tagesgeschäft". Vielmehr entspricht es Mozarts auch in den Sonaten zu findenden Bestrebungen, sich als Komponist künstlerisch weiterzuentwickeln. Etwas, das Gould in oben erwähntem Dialog mit Mozart übergeht. Die Wahrheit ist komplexer.

    Lieber Bachianer, bei allem Respekt: Das ist alles nicht so einfach, wie du es hier darstellst. Es gibt nicht DEN Orchestermusiker, der jedesmal gähnt, wenn er zum x-ten Mal Beethoven 5 oder 7 spielt. Die sind alle verschieden, und ich selbst glaube, dass viele der wirklich guten Orchestermusiker eine ganze Reihe von Werken wirklich schätzen. Und dass ein und derselbe Musiker manchmal bei ein und demselben Stück begeistert ist (weil es ein guter Dirigent ist, weil es ein tolles Publikum ist, weil es ein toller Saal ist, weil es ein schöner Tag ist, weil die Kollegen gerade nett zu ihm waren) und manchmal aus den verschiedensten Gründen gelangweilt oder genervt.


    Und so gibt es auch bei den Solisten alle möglichen Persönlichkeiten, die eben nicht alle nach Schema F und/oder nur nach den Gesetzen des Marktes "funktionieren". Natürlich macht sich so gut wie jeder sein Standing klar, natürlich überprüft so gut wie jeder zusammen mit dem Management seine Programmgestaltung auch hinsichtlich seiner Aufführungsmöglichkeiten.

    Aber das ist längst nicht alles. Gulda zu unterstellen, er wäre immer den kommerziell leichtesten Weg gegangen, weil er viel (und überragend) Mozartsonaten gespielt hat, wäre schlicht naiv. Und auch dass er vom "Weltmeister" Mozart gesprochen hat, deutet klar darauf hin, dass er als pianistische Koryphäe auch in Mozarts Sonaten etwas gefunden hat, das sich dir einfach nicht erschließt.

    Tja, lieber Leiermann, und deswegen habe ich mir erlaubt, Goulds Mozartkritik hier einzubringen. Die ist bei Mozartfans nicht auf Gegenliebe gestoßen, obwohl sie (teilweise) gut und nachvollziehbar begründet ist. Das Erstaunliche dieser Kritik ist, dass Gould nicht die Interpretation eines XYZ heranzieht, sondern das zu Papier gebrachte Mozarts. Dazu gehören eben der "rechte Handkomponist", das einfallslose, faule Bassgedudel für die linke Hand, die teilweise schwachen, schnell dahin geworfenen Durchführungen der Sonaten/Konzertsätze (Goulds zynische Anmerkung, Mozart hätte besser Haydn die Durchführung des Klavierkonzerts c-moll, KV491, 1. Satz schreiben lassen sollen, trifft aus meiner Sicht den Nagel auf den Kopf.)

    Ich kenne etliche Klavierspieler, gleich ob "Dilettanten" (wie ich) oder "Könner", die nach anfänglicher Mozartbegeisterung die Noten beiseite legen... Danke! Es reicht.

    Vermutlich hören und verstehen Spieler doch anders als reine Konsumenten.

    Ich denke, dass die Perspektive des Interpreten notwendigerweise eine andere ist als die des "Konsumenten" und dass davon auch das "Verstehen" beeinflusst wird.

    Wir können dann aber in Ruhe festhalten, dass gerade die Klavierkonzerte Mozarts wohl weiterhin für ihre Gattung einen unangefochtenen Spitzenrang einnehmen - sowohl bei Interpreten als auch bei "Konsumenten".

    Die Klaviersonaten haben diesen Rang nicht, werden aber wohl auch weiterhin ein beträchtliches Faszinosum für eine ganze Reihe von Spitzen-Interpreten sein und bleiben. Dass es da Qualitätsunterschiede der Kompositionen gibt, sehe ich aber auch so.

    Hallo Leiermann,


    ich habe mir vor vielen Jahren die 4 CDs mit Glenn Goulds Mozart-Sonaten angeschafft und war gleich beim ersten Hören enttäuscht und - entsetzt! Das mag ja alles Mögliche sein, aber Mozart ist das nicht (zumindest nicht nach meinem bescheidenen Verständnis).

    Ja, lieber nemorino: Ich kenne ebenfalls einiges, was gegen Goulds Mozart vorgebracht wurde - und das z.T. gut und nachvollziehbar begründet. Ich kann das nicht ansatzweise entkräften. Ich weiß nur, wie gerade die frühen Sonaten mir eine Art und Weise eröffneten, Mozart zu spielen, die schlicht elektrisierend war. Ich meine, dass Gould mit dem Verzicht auf empfindsame Rhetorik in seinen Interpretationen auch eine ganze Menge gewinnt. Und zwar eine faszinierende Möglichkeit, die Galanterie Mozarts (die für mich ein Wesensmerkmal seines ästhetischen Verständnisses ist) in einer höchst energetischen und mich überaus erfrischenden Lebendigkeit gegen ihre sentimentalistisch-verzärtelnden Totengräber zu "retten". Das hören viele ganz anders und würden Goulds Mozart wohl schlicht jegliche Galanterie absprechen.

    DAS hat mir meine Frau neulich gezeigt: Ist das nicht absolut hinreißend musiziert??? <3<3<3

    Hier ein schon etwas älterer Link aus der FAZ, Glenn Gold und Mozart betreffend.
    https://www.faz.net/aktuell/fe…dArticle=true#pageIndex_2

    Mozart-Chopin-Debussy-Verehrer werden nicht begeistert sein.

    Dann bin ich eine Ausnahme. Das ist ein bemerkenswerter Artikel, vielen Dank.


    Was mich immer wieder erstaunt, der ich die Box mit Goulds Mozart-Sonaten wirklich heiß und innig liebe: Ich höre da an den wenigsten Stellen Dekonstruktion - eigentlich nur im ersten Satz bei der A-Dur-Sonate: Die Gestaltung des Themas und die nachfolgenden Temporückungen kann ich nicht mitvollziehen. Ansonsten habe ich gerade bei den Gould-Einspielungen (ja, vielleicht bei den späten Sonaten nicht mehr ganz so hingerissen) an vielen Stellen den Eindruck, dass mir so etwas wie das "Wesen" Mozarts dort besonders unverstellt begegnet.

    Gestern hörte ich zunächst Adam Fischer / Austro-Hungarian Haydn Orchestra. Da kam beim ersten Satz sofort die Assoziation 'höfisch-zeremonieller Barock" ins Spiel. Im Vergleich zu Dorati ist das etwas gestelzter, Letzterer überzeugt mich mit etwas mehr Frische und Lebendigkeit. Der zeremonielle Charakter jedenfalls hat für meine Begriffe nur bedingt etwas mit den Pauken/Trompeten zu tun - die mag ich beim Dorati durchaus gern und ziehe ihn z.B. auch Hogwood (auf Youtube ja zu hören) vor.

    Sehr schön in der Tat die Durchführung des ersten Satzes (siehe Eingangsposting): Da hatte sich das mit der oberflächlichen Barock-Assoziation dann auch schnell erledigt.

    Lieber Ralf, das sind ja wirklich sehr ambivalente Eindrücke, die du in der Vorstellung gewonnen hast: Danke für den Bericht! Er weckt natürlich die Lust, den Hamburger Giovanni zu sehen, nur sehr begrenzt. Und da mir deine Opernbesprechungen bislang immer sehr verständig verfasst erschienen und du mir offen für neue Zusammenhänge vorkamst, kann ich mir gut vorstellen, dass auch ich mit einigen großen Fragezeichen aus der Vorstellung käme.

    Da das Ganze aber sängerisch anprechend war, sind solche Erlebnisse aus meiner Sicht eher leicht zu verschmerzen. Der nächste Opernabend ist wieder ganz anders...