Wo habe ich unterstellt, dass Gould "immer den kommerziell leichtesten Weg gegangen ist"? Ich habe doch nur versucht, seine Mozartkritik teilweise zu begründen.
Ich dachte, du wolltest suggerieren, dass Mozarts Klaviermusik lediglich Repertoire für kommerzbewusste Publikumsanbiederer unter den Pianisten darstellt. Wenn das nicht stimmt, entschuldige bitte. Gould und Gulda jedenfalls würden äußerst prominente Gegenbeispiele sein.
Bei Gould ist ja ganz witzig, dass sein Lob der früheren Sonaten auf den ersten Blick ein wenig widersprüchlich erscheint, denn die Einflüsse Bachs resp. polyphonere Tendenzen finden sich eher in den späteren Werken Mozarts. Auch das Gewicht der thematischen Arbeit z.B. in den Durchführungen wiegt in den früheren Sonaten noch nicht so schwer wie später.
Aber Gould fand offenbar in den ersten sechs Klaviersonaten (K. 279-284) für ihn reizvolle " 'Baroque virtues' - a purity of voice-leading and a calculation of register" - nachzulesen im fiktionalen Dialog zwischen Gould und Mozart, welches sich im Booklet meiner Gould/Mozart-Box befindet.
Lieber Leiermann,
hier, als Ergänzung, einige Links bezüglich Komponisten und Geld/Lebensunterhalt:
http://www.mozart.com/de/timeline/leben/mozart-und-das-geld/
https://meinkoelnbonn.de/mein-…n-und-seine-finanzen.html
Für JS Bach gilt Ähnliches: gab es nicht genug Leichen (zusätzliches Einkommen), wurde gejammert. Die Korrespondenz seines Sohnes CPE mit diversen Verlegern (sie ist gut erhalten) zeigt ein dauerndes Gefeilsche. All das gehörte zur Lebenswirklichkeit von Komponisten. Und all das hatte keinerlei Einfluß auf das Verhalten der Komponisten??
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Natürlich, lieber Bachianer. Sicherlich hat so etwas Einfluss, das würde ich nie anzweifeln. Es spricht allerdings einiges dafür, dass dieser Einfluss die Frage nach der Qualität der Klaviersonaten nur bedingt erhellt. So machst du es dir mit folgenden Ausführungen aus meiner Sicht erneut zu einfach:
(...) die Soloklavierwerke Mozarts. Sie waren nie und nimmer für Konzertveranstaltungen mit Hunderten an Zuhörern gedacht, sondern für Schüler (zum lernen/üben) oder Liebhaber (zum spielen). Als "Zuhörer" fungierte da die Familie, ab und zu vielleicht ein paar Freunde. Das war´s dann schon.
Für derartige Werke, die ein genialer Komponist "aus dem Ärmel schütteln konnte" brauchte er keinen "göttlichen Funken" oder "Titanengeist". Das war Tagesgeschäft.
Warum hier denn nun gleich "die Soloklavierwerke Mozarts" - als gäbe es da keine Differenzierungen, als läge da alles sofort klar auf der Hand. Und das mit "Familie, ab und zu vielleicht ein paar Freunde" ist schlicht falsch. Das war es nämlich dann eben nicht:
Fakt ist, dass z.B. die erwähnten sechs Sonaten von Mozart zeitweise in öffentlichen Konzerten gespielt wurden.
" 'Ich habe hier und in München schon alle meine sechs Sonaten
recht oft auswendig gespielt' “, schrieb Wolfgang Amadeus Mozart im Oktober 1777
aus Augsburg seinem Vater Leopold über die Sonaten KV 279 bis 284, die er auf
seinen Konzertreisen oft zu Gehör brachte." https://www.deutschlandfunk.de…ml?dram:article_id=363663
"Diese Gruppe von sechs Sonaten, die Mozart selbst die 'sechs schweren Sonaten' nannte, spielte er öfters auf seiner Reise nach Augsburg, Mannheim und Paris 1777/78."
https://www.henle.de/de/feuilleton/mozart-klaviersonaten/Nur die sechste dieser Sonaten erschien übrigens zu Mozarts Lebzeiten im Druck...
In den kurzen Henle-Besprechungen der Sonaten findet sich ein ähnlicher Hinweis zur c-Moll-Sonate, deren monumentale Beschaffenheit so gar nicht auf Verleger und/oder Salons abziele, sondern auf den "großen Rahmen".
Und was macht man mit der a-Moll-Sonate, deren Ausdrucksgehalt primär mit seelischen Konflikten, aber kaum mit kommerzieller Verwertbarkeit in Verbindung gebracht werden kann?
Und zur D-Dur-Sonate K.576 findet sich dann zwar bei henle.de der Hinweis, Mozart habe geplant, sie mit fünf weiteren Sonaten an Prinzessin Friederike von Preußen zu verkaufen - aber dann sei eben nur die eine entstanden, und die sei dann auch alles andere als leicht geworden...
Und wie erklärt man sich die bereits erwähnte Hinwendung zu barocken Techniken in den späteren Sonaten? Das kann doch wohl nicht ernsthaft als Konzession an den Publikumsgeschmack oder als verkaufsfördernd angesehen werden, als "Tagesgeschäft". Vielmehr entspricht es Mozarts auch in den Sonaten zu findenden Bestrebungen, sich als Komponist künstlerisch weiterzuentwickeln. Etwas, das Gould in oben erwähntem Dialog mit Mozart übergeht. Die Wahrheit ist komplexer.