Andrei Gavrilov - ein Held meiner Jugend. Ich hatte damals eine Aufnahme von ihm, die mich mehr als begeistert hat: die Stücke aus Romeo und Julia von Prokofieff. Ein echter Heißsporn, hochvirtuos, maskulin - genau das, was mich damals als Jugendlicher "angetriggert" hat.
Nun kam dieser Pianist zu einem Konzert des Kulturrings Heilbronn an einen Ort, der für mich leicht per 1.5-stündiger Fahrt zu erreichen war. Die Eintrittspreise sehr moderat. Die Hoffnungen auf einen unvergesslichen Klavierabend waren also groß. Leider wurde ich herbe enttäuscht.
Das Programm bestand aus 4 Chopin Nocturnes, aus der h-moll Sonate von Liszt und auch - nach der Pause - den Bildern einer Ausstellung von Mussorgski - also einem romantischen Programm virtuosen Zuschnitts, wo ich mir erhofft, den Genius und die Fähigkeiten dieses Künstlers aufblitzen zu sehen. Die Nocturnes waren schön gespielt, zugegeben, wobei auch schon an dieser Stelle eine sehr eigene Art der Tempowahl, eine gewisse Manieriertheit, festzustellen war. Gerade bei den Nocturnes können klangsensible Künstler "musikalisch atmen", sie können die melodischen und harmonischen Schönheit dieser Werte zum Klingen bringen, da konnte mich Herr Gavrilov - vor allem angesichts des Levels, welches ich von ihm erwartet hätte - nicht vollends überzeugen.
Die Lisztsche Sonate ist natürlich ein Paradestück, bei dem ein Künstler sowohl in seiner Virtuosität, aber auch in der Klangschönheit der kantablen Partien glänzen kann. Auch hier konnte Andrei Gavrilov nicht überzeugen. Natürlich ist die Konkurrenz, sowohl auf dem Plattenmarkt wie auch bei Live-Aufführungen groß. Junge Künstler, nicht zuletzt aus Fernost, treten mit unglaublichen manuellen Fähigkeiten auf, aber auch in Würde gealterte Pianisten unserer Kulturkreise sind immer noch in der Lage, klanglich zu zaubern und auch konzeptionell aus einem Guss zu spielen. Bei Herrn Gavrilov waren teilweise irrsinnige Rubati zu hören, Temposprünge, die ich mir nicht erklären konnte, wo man stets dachte: hoffentlich geht das gut. Und es ging häufig nicht gut. Nicht getroffene Töne, kaum durchhörbare Klanggewitter, eine sehr eingeschränkte Dynamik waren eher die Regel als die Ausnahme. Über den Abend hinweg hörte ich auf, die "Hänger" (wo er einfach nicht weiterwusste, und sich irgendwie zu behelfen versuchte) zu zählen, als er den zweistelligen Bereich erreicht hatte. Er tat mir insgesamt recht leid.
Die Bilder einer Ausstellung nach der Pause setzten in Bezug auf die Hänger und die nicht getroffenen Töne die Situation des ersten Konzertteils fort. Wirklich sehr schade. Ich kann mir das Ganze nicht wirklich erklären. Aufnahmen von YouTube und bei Qobuz auch aus jüngerer Zeit lassen mich diese Dramatik nicht nachempfinden, entweder wurde dort ordentlich geschnitten, oder aber der Künstler war am gestrigen Abend einfach massiv außer Form.
Als Zugabe ließ sich Herr Gavrilov die Suggestion Diabolique von Prokofieff entlocken - die einzige Zugabe an diesem Abend. Dieses Werk hatte er sehr gut drauf, sicher seine überzeugendste Darbietung an diesem Abend.