Von der namenlosen Tochter zur "Femme Fatale"
SALOME
Erstmals erwähnt wurde die Tochter der Herodias ohne ihren Namen zu nennen in zwei Evangelien in den Abschnitten über "Das Ende Johannes des Täufers" , in Matthäus 14,6-11 und Markus 6,22 -28
Aus der Verbindung der Herodias mit Herodes Boethos, nicht zu verwechseln mit ihrem zweiten Eheman Herodes Antipas, ging eine Tochter (* um 8 n. Chr.) hervor, die durch Eheschließung später (ab 54 n. Chr.) Königin in Kleinarmenien wurde.
Der Mönch Isidor von Pelusium benennt die Tochter der Herodias gegen Anfang des 5. Jahrhunderts dann in einem Brief erstmals konkret mit dem Namen Salome.
Ihre Spur verliert sich für die nächsten Jahrunderte im Dunkel von allgemeinem Desinteresse an ihrer Persönlichkeit und in Legenden. Dazu "The Legend of Salome: And the Principle of Art for Art's Sake" von Helen Grace Zagona, 1960.
Erst ab Mitte des 15. Jahrhunderts wurde Salome zu einem für Künstler interessanten Thema, zuerst durch den Maler Benozzo Gozzoli (Tanz der Salome, um 1461), später u.a. auch Tizian, von Stuck und vor allem Aubrey Beardsley, desen Illustrationen zu Oscar Wildes "Salome" unsere Vorstellung der Person Salomes bis heute entscheidend prägten.

In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wurde Salome zur Ikone eines neuen Frauenbildes, einer femme fatale der Décadenceliteratur und zur schillernden Verkörperung neuer Optionen der weiblichen Identität.
Literarisch wurde der Salome-Stoff seitdem mehrmals verarbeitet, z.B. durch Gustave Flauberts "Hérodias", 1877; Jules Laforgues "Salomé" in "Moralités légendaires", 1877; Stéphane Mallarmés "Hérodiade" und seine "Scène de Hérodiade"; Oscar Wildes "Salomé", 1891; Eugenio de Castros "Salomé", 1896
In die Musik fand Salome Eingang durch:
Alessandro Stradella – San Giovanni Battista, Rom 1675
Johann Joseph Fux – La fede sacrilega nella morte del Precursor S. Giovanni Battista, Wien 1714
Jules Massenet – Oper Hérodiade, Brüssel 1881
Richard Strauss – Oper Salome, Dresden 1905
Antoine Mariotte – Oper Salomé, Lyon 1908.
Bekannt sind heute vor allem die Opern von Massenet und Richard Strauss.
Massenets Oper basiert auf der Geschichte von Gustave Flaubert und das Libretto wurde von Paul Milliet und Henri Grémont verfasst. Hérodiade (Herodias) fordert ihren Mann Hérode (Herodes) auf, Jean (Johannes der Täufer) hinrichten zulassen, da er schlecht über sie geredet habe. Herodias hatte in früheren Jahren ihr Kind Salomé verlassen um Herodes Antipas zu folgen. Sie sieht in der ihr inzwischen erwachsenen Salome, welche in Herodiade nicht die Mutter wiedererkennt, eine Rivalin um die Zuneigung ihres Gatten, der die junge Frau begehrt Salome liebt aber den Propheten Jean. Im Gegensatz zur Strauss-Oper wird diese Liebe auch von Jean schlußendlich erwidert. Salomé bittet bei Hérodiade um Gnade für den Propheten, was diese jedoch ablehnt. In ihrer Wut will Salome Hérodiade umbringen. Als sie dann in ihr die Mutter erkennt, von der sie als Kind verlassen wurde, tötet sie sich selbst.
Die Novelle von Flaubert war auch die Vorlage für das Drama von Oscar Wilde.
Wilde verfasste seinen Text 1891 ursprünglich in französischer Sprache (Zitat aus einem Brief an Goncourt: „Français de sympathie, je suis Irlandais de race, et les Anglais m’ont condamné á parler le langage de Shakespeare“) Erst drei Jahre später erfolgte ein Übersetzung ins Englische. 1896 fand in Paris die Uraufführung mit Sarah Bernhardt in der Titelrolle statt. Das Stück sorgte in England für einen Skandal und wurde zeitweise verboten, erst 1931 gab es die englische Erstaufführung.
Der Wiener Dichter Anton Lindner Anton Lindner machte Richard Strauss 1901 den Vorschlag, aus Wildes Drama ein Libretto zu erstellen. Strauss entschloss sich, das Libretto selbst zu gestalten. Dabei griff er auf die Übersetzung der Salomé aus dem Französischen von Hedwig Lachmann von 1903 zurück. Er ließ den Wortlaut weitgehend unverändert, nahm jedoch zahlreiche musikalisch-dramaturgisch bedingte Kürzungen und Umstellungen vor.
Das Libretto der Oper ist hauptsächlich eine Textvorlage, es gibt nur eine kurze Anweisung zum Bühnenbild, zu den Personen und zum Handlungsablauf gibt es nur ganz selten Angaben. Daher ist es möglich, die Figuren der Oper ziemlich frei zu gestalten: Salome ist übrigens nicht als junges Mädchen charakterisiert (oft wird verlangt, sie müsse eine 14-16jährige darstellen, obwohl das von Strauss an keiner Stelle verlangt wird und die historische Salome zum Zeitpunkt der Enthauptung Johannes des Täufers zwischen 22 und 28 Jahren alt gewesen sein muss, nur 16 Jahre jünger als ihre Mutter. Im Gesangstext hingegen gibt es Hinweise zur Gestaltung, wie die mehrfache Erwähnung des Mondes, die Beschreibung der Haare und des Körpers des Jochanaan.
Am 5. Juli 1905, kurz nach Vollendung der Salome Partitur und noch vor der Uraufführung teilte Strauss seinem Verleger Adolf Fürstner brieflich mit, dass er persönlich eine französische Fassung seiner neuen Komposition erstellen wolle. Seine Bearbeitung werde die vorhandene Orchestrierung beibehalten, iedoch die Gesangslinie so verändern, dass sie zum französischem Originaltext Wildes passe. Am selben Tag schickte Strauss einen Brief an seinen Freund Romain Rolland, in dem er ihn um Hilfe bei dem Projekt bat und seine Vorstellungen erläuterte. „Ich kann diese Arbeit keinem Übersetzer anvertrauen, sondern möchte gern Wildes Origineltext erhalten und die Phrasierung der Musik dem französischen Text anpassen...“
In den folgenden Monaten kam es zu einem lebhalten Briefwechsel zwischen Strauss und Rolland, in dessen Verlauf Strauss eine Vielzahl von Gründen dafür angibt, warum er dieses schwierige und zeitraubende Projekt auf sich nehme. Er hatte das eher unrealistische Beürfnis, zu beweisen, dass eine Oper zur Aufführung in einer anderen Sprache immer nur vom Komponisten selbst bearbeitet werden sollte. „Es muß eine richtige französische Oper werden, keine Übersetzung“. Strauss vollendete im September 1905 seine französische Version, die 1907 in Paris und Brüssel aufgeführt wurde. Danach wurde es stiil um die französische Salomé. 1909 stimmte er einer „nouvelle édition“ zu. Diese bearbeitete eine freie Rückübersetzung des Textes von Hedwig Lachmann ins Französische, damit sie wieder zur Gesangspartitur der deutschen Urfassung passte.
Zwischen 1902 und 1906 arbeitete Antoine Mariotte in Frankreich an einer Salome-Komposition, ebenfalls basierend auf Oscar Wildes Drama. Erst nachdem die Komposition beinahe abgeschlossen war, erfuhr Mariotte von Strauss’ zeitgleich entstandener Oper. Im Januar 1906 bat Mariotte Wildes Nachlassverwalter Charles Russell um die Aufführungsrechte, die allerdings unerschwinglich teuer waren. Im Frühling 1906 erfuhr Mariotte, dass Strauss’ Verleger Adolph Fürstner inzwischen die Exklusivrechte an dem Libretto erworben hatte. Nach der Uraufführung von Strauss’ Salome beschloss Mariotte, sich direkt an Strauss zu wenden. Er erklärte ihm die Lage und bat ihn um eine Genehmigung für seine eigene Oper. Strauss gestattete Ende Mai eine beliebige Anzahl von Aufführungen, woraufhin Mariotte sein Werk an der Opéra de Lyon unterbringen konnte. Im September untersagte Fürstner jedoch die Lyoner Aufführungen. Erst am 26. November lenkte Fürstner ein und gestattete die nun für den Herbst 1908 angesetzte Produktion in Lyon – allerdings unter der Bedingung, dass Strauss 40 Prozent der Einkünfte und Fürstner selbst weitere 10 Prozent erhalten sollte. Außerdem sollte Mariotte nach Abschluss der Aufführungsreihe das gesamte Aufführungsmaterial zur Vernichtung abliefern. Mariotte willigte ein. Unter den Namen „Le Cas Strauss-Mariotte“ oder „L’Affaire Salomé“ ging der Konflikt, der dem Ansehen Strauss‘ in Frankreich sehr geschadet hatte, in die Musikgeschichte ein. 1910 und als Wiederaufnahme 1911 wurde Mariottes Salomé auch in Paris gespielt. 1919 gab es eine Neuinszenierung mit Wiederaufnahme 1920. 2005 war die deutsche Erstaufführung in Neustrelitz.
Heinrich Heine: „Salome liebte Johannes den Täufer. Es ist nicht anders zu erklären. Welche Frau will den Kopf eines Mannes, den sie nicht liebt.“