Beiträge von Renée

    "Drastische Bilder, die nicht unbedingt nötig sind", das erinnert mich stark an eine Nürnberger Troubadour-Inszenierung der 70er-Jahre, die mich als Studentin erstmals mit dem Aufkommen einer neuen Mode, genannt "Regietheater" konfrontierte.
    Hans Neuenfels, dem Schauspielregisseur und enfant terrible aus Überzeugung war es gelungen, das Werk in einer metaphernreichen, surrealistischen Weise so in Szene zu setzen, dass von der Vorlage nur die schlichte Aufteilung in die Guten und die Bösen übrigblieb. Ansonsten arbeitete der Umgestalter des verworrenen Melodramas mit Sado-Maso-Zitaten, einer glatzköpfigen Leonore, Horror-Exzessen wie vergewaltigenden Soldaten und Sexualphantasien, die man nicht geschenkt haben möchte. Und der Bösewicht saß im Rollstuhl, eine in der Folge oft kopierte Metapher mit der unsäglichen Verknüpfung von Schurkerei und Behinderung.
    Und einige Metaphern von durchaus beeindruckender Ästhetik konnten sich in der blutrünstigen, mit Symbolen überfrachteten Szenerie kaum behaupten.
    Er blieb nicht aus, der erwünschte Premierenskandal.
    Die "Aufreger" von damals sind heute Opernalltag und eine Inszenierung ohne szenische Provokationen gilt als langweilig und uninspiriert.
    Was mich betrifft: Für eine Horror-Show gehe ich ungern ins Theater, die Geisterbahn kostet weniger Zeit und weniger Geld.

    Lieber Alfred,
    ich frage mich schon des Längeren, ob der Jahrmarkt der Eitelkeit noch zeitgemäß ist. Manche Teilnehmer sind in ihrem naiven Repräsentationsbedürfnis einfach nur peinlich, oberflächlich und hohl.
    Niveauvoller sind sicher die künstlerischen Darbietungen, aber dafür braucht es nicht diesen Zirkus.
    Andrerseits ist der Opernball ist eine Wiener Tradition wie Sachertorte und Fiakergulasch. Und die Wiener sind häufig Traditionalisten.
    Wie würde es Nestroy formulieren? "Na, lass mer an jed´n sei Freud."

    Vielen Dank für die Clips einiger interessanter Barbier-Inszenierungen.
    Für mich ist die Hampe-Inszenierung (Schwetzingen 1988) das Nonplusultra, in musikalischer, aber auch ganz besonders in szenischer Hinsicht. Die junge Cecilia Bartoli, eine überaus charmante, schelmische Rosina, Carlos Feller als Bartolo umwerfend komödiantisch, auch die übrigen Protagonisten spielfreudig, amüsant und überzeugend. (Auf DVD gespeichert, dankenswerterweise)
    Kunst kam und kommt immer noch von können und -auch handwerklich- gute Opernregie ist eine Kunst. Sternstunden wie diese kommen ohne Verbiegen, Verhunzen und Umgestalten aus.
    Etwas unkonventioneller, aber immer noch sehr akzeptabel:Die Dresdener Inszenierung (Asagaroff) von 2016 als Koproduktion mit der Züricher Oper. Figaro düste auf einem ganz heißen Ofen auf die Bühne, der Graf klampfte auf einer Gitarre.
    Sorry, aber bei der TV-Übertragung der Wiener Inszenierung war zum Glück die Fernbedienung in Reichweite.

    Ein Hoch auf youtube, das die Produktion der "Bernauerin" des Wiener Volkstheaters von 1998 bietet.
    Eine damals von mir heiß ersehnte und dann doch verpasste Inszenierung - hatte ich doch eine besondere Beziehung zu dem Stück. Als Studienanfängerin (Theaterwissenschaft) war ich als Regieassistentin der Nürnberger Produktion mit von der Partie. Ein Open-air-Projekt auf dem Nürnberger Hauptmarkt. Regie:Hans Peter Lehmann.
    Nun also die Wiener Version (Thomas Langhoff), in der jedes der 13 Bilder durch eine Texteinblendung eröffnet wird. Jeweils eine Art Überschrift und ein Zitat.
    Die Texte kamen mir sehr bekannt vor, nach genauem Abgleichen der Beweis: Sie wurden so gut wie 1:1 von meiner Inhaltsangabe im Nürnberger Programmheft übernommen. Die ersehnte Vorstellung verpasst, aber unwissentlich und ungefragt einen bescheidenen Beitrag dazu geliefert- was will man mehr?
    Die Angelegenheit ist verjährt, no damage done, wenn auch aufs copyright gepfiffen.
    Verjährt oder allzu verblasst ist hoffentlich nicht die Erinnerung derjenigen, welche diese Inszenierungen damals erlebt hatten. Es würde mich auch besonders interessieren, welche Resonanz die Wiener Fassung von 1998 bei der Kritik hatte.
    Die Protagonisten der Nürnberger Produktion waren Peter Fricke, ein aristokratischer, schon äußerlich idealer Albrecht mit brillanter Diktion und beeindruckendem Pathos als Liebender und Verzweifelter.
    Ilse Neubauers Agnes, bildhübsch und anmutig, mit wohlklingender, nicht piepsiger Stimme, nicht maniriert-exaltiert, eine anrührende, sympathische Darstellung der Baderstochter.
    (Dass Tobias Moretti, auch er ein großartiger Sprecher, in der Darstellung doch mehr an einen Bauernburschen erinnert, mag zu Lasten der Regie gehen.)
    Wie gesagt, vielleicht hat ja jemand die eine oder andere Inszenierung noch auf dem Schirm, ich würde mich über Rückmeldungen freuen.

    Ein Hoch auf youtube, das die Produktion der "Bernauerin" des Wiener Volkstheaters von 1998 bietet. Eine damals von mir heiß ersehnte und dann doch verpasste Inszenierung - hatte ich doch eine besondere Beziehung zu dem Stück. Als Studienanfängerin(Theaterwissenschaft) war ich als Regieassistentin bei der Nürnberger Bernauerin mit von der Partie. Ein Open-air-Projekt anlässlich des achtzigsten Geburtstags von Carl Orff auf dem Nürnberger Hauptmarkt. Regie:Hans Peter Lehmann.
    Nun also die Wiener Version (Thomas Langhoff), in der jedes der 13 Bilder durch eine Texteinblendung eröffnet wird. Jeweils eine Art Überschrift und ein Zitat.
    Die Texte kamen mir sehr bekannt vor, nach genauem Abgleichen der Beweis: Sie wurden so gut wie 1:1 von meiner Inhaltsangabe im Nürnberger Programmheft übernommen.
    Die ersehnte Vorstellung verpasst, aber unwissentlich und ungefragt einen bescheidenen Beitrag dazu geliefert - was will man mehr.
    Die Angelegenheit ist verjährt, no damage done, wenn auch aufs copyright gepfiffen.
    Verjährt oder allzu verblasst ist aber hoffentlich nicht die Erinnerung derer, welche die beiden erwähnten Bernauerin-Inszenierungen erlebt hatten. Es würde mich auch besonders interessieren, welche Resonanz die Wiener Fassung von 1998 bei der Kritik hatte.
    Die Protagonisten der Nürnberger Produktion waren Peter Fricke, ein aristokratischer, schon äußerlich idealer Albrecht mit brillanter Diktion und beeindruckendem Pathos als Liebender und Verzweifelter.
    Ilse Neubauers Agnes : bildhübsch und anmutig, mit wohlklingender, nicht piepsiger Stimme, nicht maniriert-exaltiert, eine sympathische, anrührende Darstellung der Baderstochter.
    (Dass Tobias Moretti, auch er ein großartiger Sprecher, in der Darstellung doch mehr an einen Bauernburschen erinnert, mag wohl zu Lasten der Regie gehen)
    Wie gesagte, vielleicht hat ja jemand die eine oder andere Inszenierung noch auf dem Schirm, ich würde mich über Rückmeldungen freuen.
    Mit heißen Grüßen aus Nürnberg, derzeit 30 Grad

    Ich möchte Abbitte leisten wegen einer "gehudelten" Formulierung:" konventionelle Adaptionen sind Geschichte". Zu pauschal.
    Ich kenne die Wiener Boheme von Zeffirelli, sie ist es durchaus wert, über die Jahrzehnte konserviert zu werden, so wie manche andere Sternstunde des Theaters.

    Was Schenk betrifft: Ich bin sein größter Fan in Sachen Nestroy(in Regie und Darstellung unübertrefflich) und finde es erfreulich, dass seine in die Jahre gekommenen Operninszenierungen in Spielplänen bzw auf DVD weiterhin existieren. Das Traurige am Theater ist ja die Vergänglichkeit.

    Dennoch:

    NEUinszenierungen im Stil von Zeffirelli und Schenk wären heute einfach nicht mehr möglich.

    Ich wiederhole mich: Kunst hat nichts mit Stillstand zu tun, liebe Traditionalisten!

    Trotzdem sind viele alte Inszenierungen nach wie vor sehenswert - "kulinarisches Theater"- warum denn nicht, schmecken soll es schon auch.
    Jedenfalls war mir die opulente Boheme in der Staatsoper doch um einiges lieber als die Elektra im Heizungskeller.

    Lieber Orfeo,

    nun habe ich unermüdlich recherchiert, kann aber keinen Nachweis erbringen, dass besagtes, meist aus dem Zusammenhang genommenes Zitat von Wieland und Wolfgang Wagner gebraucht wurde. Wie auch immer, die beiden haben nach der Maxime gehandelt. Sie waren Künstler, keine Museumsdirektoren.
    Würde man keine Veränderungen zulassen, müssten Wagners Helden noch immer mit gehörnten Helmen und Rauschebärten auf der Bühne stehen.
    Kunst und Stillstand schließen einander aus.
    "Der Zeit ihre Kunst" (An dem Zitat ist jetzt aber nicht zu rütteln, oder?)

    "Der Kunst ihre Freiheit" sollte in Bezug auf die Bühne aber nicht heißen: Keinerlei Urheberschutz, beliebiges Umgestalten und Unkenntlichmachen des Werkes.
    Was Wagners Urenkelin derzeit in Bayreuth fördert, hat nur einen positiven Effekt: Karten sind zu haben. Augen zu und die Musik, die Stimmen genießen!


    Mit Gruß und Dank für die Richtigstellung!

    "Oper muss moderner werden", das klingt doch ziemlich phrasenhaft. Das "Konzert in Kostüm und Maske" oder die konventionellen Adaptionen (Schenk, Zefirelli...) sind definitiv Geschichte.
    Zwischen "Mottenkiste" und totaler Umgestaltung ist aber viel Platz für das, was man als Mittelweg bezeichnen kann.
    Unkenntlichmachen der klassichen Werke, um junges Publikum anzuziehen?
    Eine interessante, packende Ästhetik ist der richtige Ansatz, und das gibt es schon seit längst. Um nur zwei Bayreuther Beispiele zu nennen: Der Lohengrin in der Inszenierung von Werner Herzog(1991) und der Tristan von 1993 (Werner Müller)
    Beide Inszenierungen folgten dem Grundsatz des Meisters "Kinder, schafft Neues!"
    Von "Kinder, macht meine Werke und ihre Charaktere zum Affen" war nie die Rede.
    Müssten nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung nicht auch die klassischen sinfonischen Werke dem Geschmack Jugendlicher angepasst werden?
    Wie wäre es mit E-Gitarren und Schlagzeug im Orchestergraben im Sinne einer zeitgemäßen Adaption?
    Mozart und Beethoven sind tot und können sich nicht wehren.

    Das macht Mut: Endlich mal wieder eine überzeugende, begeisternde Meistersinger-Inszenierung ohne Frust und Groll auf Regie-Despoten.
    Ein stimmlich wie darstellerisch brillantes Ensemble und eine berührende, auch witzige Personenregie.
    Und endlich einmal das musikalische Vorspiel bei geschlossenem Vorhang als Einstimmung auf das Werk, ohne hektische Aktionen, die oft in keiner Weise werkimmanent sind.
    Der Erfolg dieser Produktion beweist: Aufgabe der Regie ist es, ein Werk auf interessante Weise umzusetzen.
    Regie hat nicht die Lizenz zum kompletten Umgestalten, Denunzieren und Politisieren mit dem Holzhammer.
    Allenfalls mit dem Hinweis "nach einer Idee und der Musik von Wagner, Verdi..."
    Es geht m.E. auch darum, die darstellenden Künstler zu respektieren, was nicht der Fall ist, wenn z.B. Tannhäuser im Clownskostüm zum Hanswurst gemacht wir. (Bayreuth)
    Warum machen Sänger/innen das mit? Wehrt euch! Eine Grenze hat Tyrannenmacht.

    In der modernen, aber nicht modischen Wiener Neuinszenierung stehen Menschen auf der Bühne, keine Marionetten von Regie-Egomanen.

    Ticketpreise auf Schulplatzmieten-Niveau, vorübergehend jedenfalls - ich finde das ist eine gute Sache.", Was nichts kostet, kann nichts taugen" - für echte Fans stellt sich dieses Problem nicht. Und andere werden auch durch Schnäppchenpreise nicht animiert, ein Opernhaus von innen anzuschauen.
    Es wäre schon sehr überheblich, zu glauben, alle Opernliebhaber könnten sich die teuren Karten leisten. Schon mal in Wien die Warteschlange vor der Stehplatzkasse gesehen? Das sind nicht nur Jugendliche, die keine 50 Euro für eine Karte mit schlechter Sicht auf die Bühne ausgeben können, es sind genug andere, die den verächtlichen Blick der Wohlhabenden nicht verdienen. Oper nur für die "Gstopften", wie man in Wien sagt? "Wir Steuerzahler bezahlen" - auch die Ärmeren bezahlen Steuern.
    Sicher ist es auf Dauer nicht finanzierbar, aber für kurze Zeit günstige Karten, warum denn nicht?
    Übrigens möchte ich für eine regietheatermäßig extrem verhunzte Aufführung nicht mal 10 Euro ausgeben, da wäre eher ein Schmerzensgeld fällig.

    Was Jean de Reszke betrifft:

    Den "besten Tenor aller Zeiten" gibt es nicht, gab es nie und wird es nie geben. Ebenso wenig wie den "perfekten" Sänger.
    Trotzdem möchte ich seinen Zeitgenossen Leo Slezak zitieren:

    "Jean de Reszke, der berühmte Tenor, der größte, faszinierendste jedenfalls, den es seit Jahrzehnten gab, ein Grandseigneur in seiner Kunst wie im Leben. Ein beispielloser Zauber ging von seiner Persönlichkeit aus.

    Er wurde wie ein König behandelt und heute noch ...löst sein Name überall begeisterte Erinnerungen aus." ( Slezak, "Meine sämtlichen Werke")

    Von wegen: "Kollege ist ein Fremdwort und heißt auf deutsch Neidhammel!"

    :)Vielen Dank für das Tannhäuser-Video mit Rainer Goldberg! Im allgemeinen bevorzuge ich zwar Tannhäuser-Interpreten mit baritonalem Timbre, aber eine so kraftvolle, brillante, hellere Stimme im schweren Heldenfach- das hat was.
    In welchem Haus wurde die Aufnahme gemacht? Berlin? Nebenbei frage ich mich, ob Goldberg bereit gewesen wäre, als Bayreuther Tannhäuser im Clownskostüm aufzutreten. Zu seiner Zeit gab es zwar auch schon gewagte, unkonventionell-interessante Inszenierungen, aber meist standen dabei das Werk, die Musik und die Stimmen im Mittelpunkt, und nicht die Egomanie gewisser Leute, die glauben, klassische Stück völlig neu kreieren zu müssen.

    Lieber Fafner,
    vielleicht hattest du Gelegenheit, die "Aida"-Inszenierung von 1976 zu erleben. Die Handlung wurde vom Regisseur Ulrich Brecht in das Nationalmuseum Kairo verlegt. Regietheater, aber nicht von der "blödesten" Sorte. Zumindest wurden weder die Handlung noch die Psychologie der Protagonisten verhunzt. Die Szenerie war für damalige Verhältnisse aber gewöhnungsbedürftig und einer der Solisten sagte nach dem Konzeptionsgespräch zum Probenbeginn :"Wir sind nur Angestellte, was kann man machen". (darüber ließe sich heute heftig diskutieren) Aber Brecht war kein Regie-Despot , das Stück wurde nicht beschädigt und die Würde der Sänger gewahrt.
    Die Besetzung :Arizs/Kassel, Fecht/Payer, Dunja Vejzovic als Amneris und Peter van Ginkel als Amonasro. Jeder Abend ein Stimmfest!
    Mit freundlichen Grüßen
    Renée

    Hallo,lieber Laurenz und alle, die sich an G.W.Kassel erinnern!
    Ich kam rein zufällig auf die Seite(zum 96.Geb.tag) und war begeistert über den Clip "Gurrelieder Rom". Ich besitze nur einen Mitschnitt auf MC in sehr schlechter Tonqualität. Ja, der Waldemar war eine der Glanzpartien Kassels, ebenso der Tannhäuser, Tristan und der Bacchus. Einen Bacchus mit vergleichbarer tenoraler Strahlkraft habe ich erst wieder vor ein paar Jahren mit St.Gould in Wien gehört.
    Kassel war in den 70er-Jahren bei einem Japan-Gastspiel der Bayer. Staatsoper mit von der Partie, alternierend mit James King, der ein ähnlich baritonales Timbre hatte.
    Neben einem umfangreichen Wagner- und Strauß- Repertoire gab es in diesen Jahren an der Nürnberger Oper zwei Heldentenöre(Kassel und Thiemann) und einen mit dem Potenzial zum jugendlichen Heldentenor(Arizs). Von einer solchen Vielfalt kann man heute nur noch träumen.
    Kassel fühlte sich nur im schweren Fach so richtig wohl, Lockerungsübungen wie den Alfred in der Fledermaus schätzte er nicht besonders.("Der Kasper liegt mir nicht").
    Ich freue mich, dass er nicht vergessen ist.
    Übrigens: Der Schauspieler Veit Stübner sieht Kassel verblüffend ähnlich. Etwas fülliger, aber wie aus dem Gesicht geschnitten!
    Mit besten Grüßen
    Renée