Beiträge von Cunctator

    Hallo zusammen,

    Kaufmann ist für mich so ein Sonderfall. Ich denke ich mag ihn nicht besonders und er kommt um die Ecke und haut mich vom Hocker wie kaum jemand sonst. Und dann meine ich, ich sei endlich in seinem Bann angekommen und beginne eine neue Aufnahme mit ihm zu hören und stelle fest dass das überhaupt nichts für mich ist. Bei Wagner finde ich ihn ausnahmslos genial im Italienischen Fach von Fall zu Fall verschieden. Das sein Nessun Dorma bspw. ist mir zu tief. punkt. wenn ich Pavarotti diese Arie singen höre geht die Sonne auf. bei Kaufmann ist es bestenfalls der Mond. Den Cavaradossi oder Manrico finde ich hingegen herrlich.

    Für einen Besserwisser halte ich mich eigentlich nicht, das würde ja implizieren, dass ich was weiß...

    um es positiv zu sagen er ist ein Sänger der mich immer wieder überraschen kann.

    Beste Grüße

    Niklas

    Ein verspäteter Nachtrag bzw. eine Korrektur zu meinem vorangegangenen Beitrag. Die Ukrainischen Teilnehmer Musiker dementieren Gerüchte über die Bedeutung der Ukrainischen Regierung für ihren Rückzug von den Wiesbadener Festspielen.


    Dadurch wird der zweite Absatz des Beitrages hinfällig. Mir war diese Information als ich den Beitrag verfasste nicht bekannt. Ich entschuldige mich für meinen Mangel an Recherche.


    Um zur Kunst zurückzukehren: Wie sind die Meinungen zur jüngsten Aida in Wien? Hatte jemand die Möglichkeit es Live zu erleben?


    Ich selbst habe die (ich glaube) dritte Vorstellung der Serie auf Youtube hören und sehen können. Von der Inszenierung war ich alles andere als Beeindruckt (Ich hätte mir vor allem mehr Licht gewünscht) aber Stimmlich fand ich vor allem die Damen superb.

    Netrebko schafft es, dass ich mich tatsächlich auf die Auftritte der Aida freue, ihnen manchmal sogar regelrecht entgegenfiebere, obwohl ich mit der Figur musikalisch sonst recht wenig anfangen kann. (Ritorna Vincitor! zählt zu den von mir am wenigsten geliebten Arien für Sopran überhaupt.) Meine Highlights waren die wundervoll zarten Piani und Pianissimi wundervoll zu hören im Schlussduett mit Kaufmann.

    Grandios auch Frau Garanca als Amneris. Ich bevorzuge oftmals kühlere innerliche Leidende Antagonisten statt den rasenden wilden Furien die man sonst so hört. (Der Online Merker nennt Fiorenza Cosotto als Beispiel. und ich möchte das Übernehmen.)

    Mit Herrn Kaufmann werde ich einfach nicht so recht warm. Mir ist seine Stimme eigentlich zu dunkel. Bei Wagner schätze ich ihn sehr, aber der Radamès.... vielleicht habe ich zu sehr Pavarotti im Ihr aber bei dessen Celeste Aida hab ich das Gefühl die Sonne geht auf bei Kaufmann habe ich das Gefühl sie geht unter. das mag nur persönliche Präferenz sein, aber ändern kann ich für den Moment auch nichts dran.

    Keine Prbleme hatte ich hingegen mich mit Luca Salsis Amonasro anzufreunden. Hier genieße ich die warme Dunkelheit der Stimme die wundervolle Darstellung die tatsächlich den Kriegsherrn und den Vater gut zusammenbrachte.


    Ich würde mich über Eure Eindrücke freuen und

    verbleibe

    mit Besten Grüßen


    Niklas

    Auf intellektueller Ebene verstehe ich die Argumentation.


    Aus dem Bauch heraus habe ich jedoch ein Problem damit. Ich möchte versuchen meine Gedanken zu verbalisieren.


    Ich fürchte ich, habe ich mich hier etwas unklar ausgedrückt. Unabhängig ob man von der Distanzierung zufriedengestellt wurde oder dieselbe für unglaubwürdig hält, ist sie nun einmal erfolgt. Damit hat Frau Netrebko unseren "Rechtsansprüchen" Genüge getan und es gibt für meine Begriffe keine Grundlage mehr um irgendeines ihrer Engagements in Frage zu stellen.


    Die Ukrainische Regierung, der ich in ihrem Kampf gegen den russischen Angriffskrieg nur das beste wünsche, hat in für meine Begriffe ungehöriger Weise durch ihren Botschafter in ungehöriger Weise in den künstlerischen Betrieb eingegriffen. Ich halte es für bedauerlich dass das Land Hessen nun nachgezogen ist und finde allerdings dass dieses im Gegensatz zur Ukraine, die mit ihrer Sanktionsliste, was immer man davon halten mag, eine Rechtsgrundlage geschaffen hat, dieser entbehrt sich besser herausgehalten hätte.


    Die Ukrainische Botschaft hätte sich an den Festspielintendanten wenden können. Für meine Begriffe gab es keine Notwendigkeit für eine Einmischung deutscher Politiker.


    Und offen gestanden kann ich mich des Verdachtes nicht erwehren, der einzige Grund für die Einmischung liegt in dem Wunsch in dieser Sache Flagge zu zeigen.


    und dies halte ich nun nicht zwingend für die Aufgabe des Herrn Rhein.


    Ich hoffe meine Übelregungen ergeben einigermaßen Sinn und ich bin niemandem zu nahe getreten.


    Mit besten Grüßen

    Niklas

    Lieber thdeck


    Ich muss gestehen, ich kann jetzt nicht mehr ganz folgen. Du argumentierst, es sei das Recht des Herrn Rhein sich mit politischen Argumenten in die Debatte einzumischen. Verstehe ich das richtig?


    Persönlich hätte ich andersherum argumentiert. Es ist natürlich das gute Recht des Herrn Rhein ein Kunstwerk als solches gut oder schlecht zu finden und dies auch nach außen zu kommunizieren. Ich halte es jedoch für problematisch wenn sich Herr Rhein mit politischen Argumenten in eine Künstlerische Debatte einmischt.


    Mit besten Grüßen


    Niklas

    Ein Gedanke zum Argument, etwas sei heute nicht mehr Zeitgemäß. Ich lehne diese Argumentation aufs schärfst ab. Für gewöhnlich wird dies als "Es ist nicht mehr nützlich/rentabel" ausgelegt oftmals tatsächlich mit der Phrase "Wer braucht das heute noch." Meine Antwort ist immer " Niemand. Es hat noch nie jemand "gebraucht" aber es ist einfach schön." und damit hat es auch eine Daseinsberechtigung.


    Ich persönlich finde RT kreativ einfach stimulierender weil sie von mir eine intensivere Beschäftigung mit dem Werk verlangen.


    Beste Grüße

    Niklas

    Da ein ukrainisches Orchester engagiert wurde ist die Sanktionsliste der Ukraine auch in Deutschland relevant. Wenn ich es richtig sehe hat sich nun auch das Ukrainische Generalkonsulat eingeschaltet und erklärt ukrainische Orchestermusiker dürften - nicht wollten - dürften wenn Netrebko auftritt bei den Festspielen nicht auftreten.


    Finde das ganze äußerst verdrießlich. Fern sei es von mir die Ukrainer in ihrem Überlebenskampf nicht unterstützen zu wollen, einige Maßnahmen finde ich jedoch befremdlich. um es zurückhaltend auszudrücken.

    Lieber Thomas,

    Das klingt unfassbar spannend. Leider ist die verlinkte Aufnahme derzeit nicht erhältlich. Meinst Du dass diese Box hier dieselbe Aufnahme enthält?

    Wolfgang Amadeus Mozart: Operas - The Singspiele (5 CDs) – jpc ?

    Vielen Dank auch für die Literaturempfehlung. Rentiert sich die Lektüre solche Interessenten, die mit dem musikalischen Fachvokabular ihre liebe Not haben?

    Entschuldige bitte die Aufregung, ich bin in letzter Zeit ein wenig arg begeisterungsfähig.

    mit besten Grüßen,

    Niklas

    Ohne mir zu sehr auf die Schulter klopfen zu wollen, aber diese Dissonanz innerhalb der Inszenierung habe ich bereits im letzten RT-Thread an welchem ich mich beteiligt habe versucht zu erklären.

    Damals schrieb ich:


    "Dabei möchte ich jedoch anmerken, dass mir die innere Kohärenz bei Opern weit wichtiger ist, als historische Authentizität. Es ist für mich ein bisschen wie mit Trickfilmen: es gibt solche die Handgezeichnet sind (die alten Disneyfilme zum Beispiel) und solche die am Computer 3d animiert wurden (Alles was Disney derzeit an Animationsfilmen produziert). Beide sind schön und gut und können ihre ganz eigenen Probleme und Stärken unabhängig von der Animation haben. Wenn man aber ein 3d Objekt in einen Handgezeichneten Film schlecht integriert, reißt es einen heraus, weil es nicht in dieses Medium, diese Kunstform gehört und man es deswegen bemerkt. Ob die Soldaten in „Carmen“ nun Uniformen aus dem 19. Jh. oder dem spanischen Bürgerkrieg tragen ist mir ehrlich gesagt herzlich wurscht, das würde ich noch nicht mal unter Regietheater fassen. Es würde mich höchstens stören, wenn Don José in einer ansonsten sagen wir 1850ger Kulisse mit einem Cabrio auf die Bühne führe oder sonst wie völlig aus der Zeit fiele."


    Die Ebene des Libretto hineinzunehmen halte ich für nur begrenzt Zielführend. gerade bei Wagner sind einige Alptraumhafte Anweisungen. Ich würde es auch nicht als großen Patzer ansehen, wenn bspw. im Figaro Susannah Cherubino auf einer Harfe statt auf einer Gitarre begleiten würde.

    Okay Wagner Ranking here we go! Die folgende Rangordnung basiert auf meinen bisweilen noch etwas oberflächlichen Eindrücken und wird sich (hoffentlich) im Laufe meines Lebens noch verändern, wenn ich neue Facetten der Werke für mich entdecke:

    • Lohengrin.

    Liebste Einspielung: DG, Claudio Abbado, Wiener Philharmoniker, Lohengrin: Siegfried Jerusalem, Elsa von Brabant: Cheryl Studer, Ortrud: Waltraud Meier, Friedrich von Telramund: Hartmut Welker, König Heinrich: Kurt Moll. (Ich finde jedoch auch die Einspielung von Thielemann mit Beczala, Netrebko und Zeppenfeld sehr gelungen)


    Lohengrin ist die Oper, die mir Wagner zum Ersten Mal verständlich gemacht hat. Ich hatte von meinen Verwandten immer und immer wieder gehört Wagner sei vor allem Laut, unmelodisch und grell. Und dann habe ich dieses herrliche einfühlsame Vorspiel hören dürfen. Vielleicht werde ich diese erste Liebe einmal vergessen, aber für’s erste bleibt sie Platz 1.


    • Die Walküre.

    Liebste Einspielung: MYTO, Joseph Keilberth, Orchester der Bayreuther Festspiele, Siegmund: Günther Treptow, Sieglinde: Inge Borkh, Wotan: Hans Hotter, Brünnhilde: Astrid Varnay, Hunding: Josef Greindl, Fricka: Ira Malaniuk.


    Ja, der zweite Akt zieht sich, aber der dritte ist ein unbeschreibliches Erlebnis.


    • Tannhäuser (Dresdner Version):

    Liebste Einspielung: Opera d'Oro, Wolfgang Sawallisch, Orchestra Sinfonica di Roma della RAI Prague Philharmonic Chorus, Landgraf Hermann: Manfred Schenk, Tannhäuser: René Kollo, Wolfram: Wolfgang Brendel, Elisabeth: Gundula Janowitz,Venus: Mignon Dunn.


    Ich liebe einfach die Ouvertüre und finde diese Oper tatsächlich eine der zugänglichsten. Der Pilgerchor ist gigantisch, die Venusbergmusik fühlt sich an wie mit eigenen Flügeln fliegen und Tannhäusers Preis der Venus ist ein tödlicher Ohrwurm. Und noch dazu haben wir mit dem Abendstern eine der schönsten Bariton Arien die je komponiert wurde.


    • Tannhäuser (Pariser Version)

    Liebste Einspielung: Decca, Georg Solti, Wiener Philharmoniker, René Kollo: Tannhäuser, Helga Dernesch: Elisabeth, Christa Ludwig: Venus, Victor Braun: Wolfram


    Alles obige minus Ouvertüre plus mehr Venus, was ich herzlich befürworte DIR GÖTTIN DER LIEBE…. (wird von Familie geknebelt.)


    • Das Rheingold.

    Liebste Einspielung: Decca, Georg Solti, Wiener Philharmoniker, Wotan: George London, Donner: Eberhard Wächter, Froh: Waldemar Kmentt, Loge: Set Svanholm, Alberich: Gustav Neidlinger, Mime: Paul Kuel, Fasolt: Walter Kreppel, Fafner: Kurt Böhme, Fricka: Kirsten Flagstad, Freia: Claire Watson, Erda: Jean Madeira, Woglinde: Oda Balsborg, Wellgunde: Hetty Plümacher, Flosshilde: Ira Malaniuk.


    Das Rheingold ist angenehm kurz und hat daher keine Längen. Ich mag vor allem die Passagen der Rheintöchter, den Abstieg nach Nibelheim und den Einzug in Walhalla.


    • Götterdämmerung

    Liebste Einspielung: Gebhardt, Wilhelm Furtwängler, Coro e Orchestra del Teatro alla Scala, Siegfried: Max Lorenz, Gunther: Josef Hermann, Hagen: Ludwig Weber, Alberich: Alois Pernerstorfer, Brünnhilde: Kirsten Flagstad, Gutrune: Hilde Konetzni, Waltraute: Elisabeth Höngen.


    Highlights waren für mich die Rheinfahrt und Brünnhildes Schlussgesang. Siegfrieds Trauermarsch fand ich persönlich etwas enttäuschend. An vieles dazwischen kann ich mich trotz mehrmaligem hören nur schwer erinnern. Trotzdem macht die Schlussszene diese Oper zu einem herausragenden Werk.


    • Siegfried

    Liebste Einspielung: Andromeda, Joseph Keilberth, Orchester der Bayreuther Festspiele, Siegfried: Wolfgang Windgassen, Mime: Paul Kuen, Brünnhilde: Martha Mödl, Wanderer: Hans Hotter, Alberich: Gustav Neidlinger, Fafner: Josef Greindl, Erda: Maria von Ilosvay, Waldvogel: Rita Streich.


    Ich hab eine (leichte) Aversion gegen Bässe. Die werden mir recht schnell langweilig. Mag da Soprane viel, viel lieber. Die ersten beiden Akte von Siegfried sind vollgestopft mit Bässen und Baritonen und nicht alle nehmen Rücksicht auf meine Vorlieben. Hätte Wotan Erda schon im ersten Akt geweckt wäre die Wertung höher.


    • Die Meistersinger von Nürnberg

    Liebste Einspielung: DG, Eugen Jochum, Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin, Hans Sachs: Dietrich Fischer-Dieskau, Veit Pogner: Peter Lagger, Kunz Vogelgesang: Peter Maus, Konrad Nachtigall: Roberto Bañuelas, Sixtus Beckmesser: Roland Hermann, Fritz Kothner: Gerd Feldhoff, Balthasar Zorn: Loren Driscoll, Ulrich Eißlinger: Karl-Ernst Mercker, Augustin Moser: Martin Vantin, Hermann Ortel: Klaus Lang, Hans Schwarz: Ivan Sardi, Hans Foltz: Miomir Nikolic, Walther von Stolzing: Plácido Domingo, Eva: Catarina Ligendza, Magdalene: Christa Ludwig.


    Es macht einfach gute Laune. Das ist Musik und Gesang wie ein lauer Frühsommertag an dem die Welt einfach so ist wie sie sein soll.


    • Tristan und Isolde

    Diese Platzierung ärgert mich. Ich möchte diese Oper so gerne lieben, aber ich finde keinen rechten Zugang zu ihr. werde ich jedoch weiterhin redlich bemühen.

    • Parsifal
    • Der fliegende Holänder


    Die letzten Beiden ohne Begründung und Aufnahmen, weil meinem Laptop der Saft ausgeht. Wird evtl. demnächst nachgeliefert.


    Beste Grüße,


    Niklas


    Hallo zusammen,


    gerne möchte auch ich meine Gedanken und Eindrücke zu dieser von mir durchaus geschätzten Sängerin. Sie hat einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen, immerhin war sie ein Integraler Bestandteil meines „Wiener Abenteuers“. Im Wesentlichen bestand dieses aus einer etwa achtstündigen Autofahrt für knapp 3 Stunden Rigoletto an der WSO. Das war am 26. März dieses Jahres und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ihr Gesang jede Sekunde der Fahrt, und auch des langen, sehr unangenehmen Arbeitstages, der sich an den Abend anschloss, wert war.


    Dennoch habe ich nicht nur positive Eindrücke mit der Dame. Im Online Merker wird zurecht kritisiert, (Quellennachweis: https://onlinemerker.com/wien-…goletto-wieder-umbesetzt/) dass die verschlankten Spitzentöne ihrer Gilda im Rollenporträt etwas inhomogen wirkten. Ich persönlich fand sie schlicht eine Spur zu scharf und Metallisch. Ich erinnere mich meiner besten Freundin, mit der ich damals in Wien war, gegenüber bemerkt zu haben, würde die Dame uns ständig mit ihrer seidigen, warmen Mittellage verwöhnen, könnte ich auch gerne auf die Spitzentöne verzichten. Störend fiel mir dies jedoch nur im ersten Akt auf und bei Akt drei war sie zum klaren Highlight des Abends avanciert. Auch der International etablierte Ludovic Tézier hatte für meine Begriffe klar das Nachsehen. Ihr Rollenporträt hat mich gleichfalls fasziniert und lange beschäftigt. Ich fand ihre Gilda erhielt sich bis zum Schluss ein gewisses Mysterium. Ich hatte das Gefühl ein erheblicher Teil der Tragödie war hier, dass niemand diese junge Frau auf menschlicher Ebene wirklich verstanden hat. Und das tat weh. Im guten Sinne.


    Ein paar Worte über die Traviata Aufnahme. Ich bin mir sicher, es gibt Hörer die hier genau finden, was sie gesucht haben, die von dieser Einspielung berührt werden. Ich erinnere mich an eine glühende Rezension (Quellennachweis: https://www.classical-music.co…la-traviata-dresden-oren/) um der Wahrheit die Ehre zu geben, konnte ich mit dem Album jedoch nichts anfangen. Technisch und was die Wortdeutlichkeit angeht, gibt es von meiner Seite nichts auszusetzen aber mir fehlte der Ausdruck. Man mache sich den Spaß und vergleiche das „Signora! Che t’accade?... Parigi, oh cara“ auf dieser Einspielung mit Ileana Cotrubas und Placido Domingo oder Anna Netrebko und Rolando Villazon. Das Dirigat finde ich stellenweise auch etwas befremdlich, wobei das auch an Spotify gelegen haben könnte. Hatte noch jemand stellenweise zwischen den Nummern im Melodrama plötzlich bis zu 30 Sekunden Pause?


    Um auf einer positiven Note zu enden, möchte ich zum Schluss die Manon Interpretation von Lisette Oropesa ansprechen, die ich durchaus für eine Referenz halte.

    (9) Ultra Glamorous Lisette Oropesa nails Manon's D6s - YouTube


    (Falls mir jemand erklären kann, wie ich so schicke Bildlinks posten kann, wäre ich sehr dankbar.)


    Ich hoffe nichts allzu Anstößiges von mir gegeben zu haben und verbleibe mit besten Grüßen,


    Niklas

    Lieber Rheingold1876,


    nun muss ich meinerseits bitten, die späte Antwort zu entschuldigen, das Semester hat bei mir wieder begonnen.


    Basierend auf Deiner Kritik, wage ich zu glauben, dass unser Problem bei der Traviata gar nicht notwendigerweise im ästhetischen der Inszenierung, oder der Moral, die wir daraus ziehen, sondern in unserer Philosophie beim Verständnis des Stoffes liegt.


    Wenn ich das richtig sehe, verstehst Du die Traviata mehr als eine Gesellschaftlich-mechanische (das möchte ich keinesfalls als „Leblos“ oder Blutleer auszuschließen. Aber Du wirst mir zugestehen, dass Du Dich in Deiner Zusammenfassung mehr auf das Gesellschaftliche drumherum fokussiert hast als meine Wenigkeit.) während ich mich mehr auf das Individuum fokussiere. Man könnte hier das Fass Individualismus vs. Strukturalismus aufmachen, dazu bin ich im Moment allerdings zu müde.


    Ebenso glaube ich zwar meine Interpretation sinnvoll verteidigen zu können, bitte aber noch um etwas Geduld.


    Beste Grüße,


    Niklas

    Hallo Rheingold1876,


    natürlich kann und will ich das zumindest versuchen.


    La Traviata:


    Eine junge, doch lebenserfahrene Frau, erlaubt sich zum ersten Mal in ihrem Leben der Welt und einem anderen Menschen gegenüber verwundbar zu sein und wird für diese Selbstöffnung von der Welt sowohl physisch als auch emotional zerstört.


    Lohengrin:


    Eine Frau wird aus großer Not gerettet und findet höchstes Glück, weil sie dies allerdings nicht akzeptiert sondern Angstvoll hinterfragt und zu halten versucht verliert Sie es wieder.


    Hier ein Beispiel wie man das ganze aus mehreren Perspektiven sehen kann. Wenn man Lohengrin als die wichtigste Person des Stückes betiteln möchte müsste das Ganze meiner Meinung nach etwa so aussehen:


    Ein Mensch versucht um seiner Taten und Anwesenheit willen geliebt zu werden, scheitert aber, weil dies niemandem genügt.



    Natürlich sind all dies Interpretationen. Aber das sind für mich jeweils die zentralen Konflikte der Handlung. Die gilt es darzustellen. Und natürlich gibt es Stücke die sich schwer auf diese Weise zusammenfassen lassen. (Mit Tosca hätte ich beispielsweise Schwierigkeiten.)


    Beste Grüße,


    Niklas

    In einem Versuch wieder eine Brücke zum Thema des Threads zurückzuschlagen möchte ich die Hypothese aufstellen: eine gute Regietheater Inszenierung beginnt mit Worten. Nicht mit Wagnerschen Gedichten, sondern idealerweise, damit, dass die Handlung auf die kürzeste noch verständliche Form heruntergebrochen wird. Die Handlung und die Handelnden sollten auf einen oder zwei Sätze heruntergebrochen werden, aus dieser Essenz kann dann ein Konzept entwickelt werden. Die große Falle ist allerdings, dass zwei Menschen die Handlung nicht unbedingt gleich verstehen. Umgekehrt ist es dem Regietheater damit möglich, sehr iel präziser zu operieren. Aber zumindest können diese Inszenierungen zum Nachdenken anregen.

    Beste Grüße,

    Niklas

    Hallo Rheingold,

    vielen Dank für den Zuspruch. Vielleicht ist kitsch tatsächlich nicht der richtige Begriff. Versuchen wir es mit Pathos. Wagner hat sehr viel davon. Was es für mich aber bisweilen kitschig wirken lässt sind vor allem die Stellen, an denen nur die eine Hälfte in der poetisch-mittelalterlichen Sprache gehalten sind. Ein Beispiel wäre die Gerichtsszene aus Lohengrin: "Bewahre uns des Himmels Huld, / dass klar wir sehen, wer hier schuld." Wenn man einmal voll drin ist in dieser Art von Sprache wirkt es, wie Du ganz richtig sagst, unfassbar episch und berührend. Bei "Leb wohl, Du kühnes, herrliches Kind!" Kommen mir jedes Mal Gänsehaut und ein paar Tränchen. Aber ich finde gerade, wenn man nur den Text hat, gelingt es Wagner nicht immer dieses Gefühl aufrecht zu erhalten. Der abwertende Begriff Kitsch mag vielleicht verständlicher werden wenn man bedenkt, dass mein komplettes Umfeld mehr oder weniger radikal "Anti-Wagner" eingestellt ist. Kitsch finde ich noch einen weit erträglicheren und berechtigteren Kritikpunkt als "unmelodisch kreischender Sprechgesang", was in der Regel das erste ist, was ich zu hören bekomme, wenn ich Bewunderung für Wagner auszudrücken versuche.

    Ich weiß jetzt nicht, ob Du Dir auch historische Tonaufnamen anhörst von Sängern mit Bayreuth-Erfahrung, die zeitlich näher an Wagner und seinen Vorstellungen sind. Sie vermitteln nach meinem Eindruck am besten, was Wagner vorschwebte.

    Das Älteste, was ich bisher gehört habe, war der Furtwänglerring aus der Scala mit Flagstad aus 1950. Nachdem ich mich auch hier im Forum zu Herrn Furtwängler, Frau Flagstad und Ringgesamtaufnahmen im Allgemeinen informiert hatte, war ich der Hoffnung, hier recht nah an die Vorstellung eines klassisch eingestellten Wagnerianers heranzukommen. Auf meiner Anhörliste ist auch noch eine Ringaufnahme von Knapperstbusch und eine von Thielemann, wobei letzterer wohl nicht als ältere Aufnahme durchgeht (Aber als Bayreuth-Veteran, denke ich). Ich bin bei allen Komponisten noch am Lernen und neu entdecken von daher will ich mich so breit informieren und einhören wie möglich. Wenn ich mir in zwanzig oder dreißig Jahren einen guten Geschmack erarbeitet habe, bin ich vielleicht wählerischer, aber vorerst bin ich für (fast) jede Schandtat zu haben. Solange ich mir den Wagner nicht auf Italienisch anhören soll und ich eine Stimme bzw. ein Orchester im Gerausche ausmachen kann, höre ich es mir gerne an.


    Beste Grüße,

    Niklas

    Das kann man aber so, schon lange nicht mehr sagen, HEUTE gibt doch Original getreue Übersetungen.

    Viel schlimmer finde ich die deutsch gesungenen Librettos, die sind doch mehr als grausam!

    Erstens Oh mein Gott ja. Wenn ich um eines froh bin, dann darum dass die meisten Opern heutzutage in Originalsprache gesungen werden. Um das auszuschöpfen müsste man die Übersetzungen eben auch lesen und da ist in meinem Freundes und Bekanntenkreis eben der Haken. Da werde ich für mein Bemühen mich etwas intensiver mit dem Werk zu beschäftigen eher belächelt. Man geht eben in die Oper und hört sich die schöne Musik an und sieht was sie einem in dem Moment sagt, man will es eben nicht "zerdenken". Und da ist der Umstand, dass man Wagner in der Regel versteht eben sehr lästig, wiel man dann die Eigenleistung erbringen müsste sich ernsthaft in das Werk zu versenken.

    Hallo zusammen,


    zu Wagner möchte ich anmerken, dass ich noch niemanden getroffen habe, der widersprochen hätte, wenn jemand die Texte als kitsch pur, wenn nicht gar albern bezeichnet hätte. Ich erwidere dann zumeist, auch die italienischen Texte seien nicht viel besser, nur wie man sie als der italienische nicht mächtige Hörer nicht versteht. Auch als erklärter Wagner-sehr-gerne-Hörer müsste ich jedoch lügen, wollte ich sagen ich hätte beim erstmaligen Lesen der Texte, das bei mir immer dem erstmaligen Hören vorausgeht, nicht mehrfach mit den Augen gerollt und/oder aufgelacht. Aber in Kombination mit der Musik ist es einfach richtig ich habe leider kein besseres Wort dafür. Es passt ineinander überwältigt den Verstand und man (sprich: meine Wenigkeit) verliert sich in dieser wunderschönen, Mitreißenden und umfassenden Musik.


    Warum kann man also keinen „klassisch mythologischen“ Ring inszenieren, wenn High Fantasy sich so unfassbar gut verkauft? Die Antwort ist recht ernüchternd: Weil man mit der Leinwand nicht mithalten könnte. Es ist zwar nicht unbedingt einfach oder billig Den Herrn der Nazgul vor einem Greenscreen über ein Schlachtfeld fliegen zu lassen und aber so einen Effekt auf einer Bühne glaubwürdig hinzubekommen ist sehr Schwierig. Auch ist es eine Sache einen packenden Schwertkampf, zumal mit Stuntdoubles mit einer beweglichen Kamera aus mehreren Perspektiven so zusammenzuschneiden dass sich die hektische Energie auf den Zuschauenden überträgt, aber eine völlig andere dies mit einer nahezu unkontrollierten Zuschauerperspektive und Darstellern zu tun, die dabei auch noch gut singen sollten. Zumindest im Ring tun die Helden dem Regisseur ja nicht den Gefallen während der Action, bzw. lang genug, um vernünftig welche zu inszenieren, einfach die Klappe zu halten (Siehe Siegmunds Tod, den Drachenkampf, Der Walkürenritt) und schließlich, weil wegen dieses Problems vieles einfach erzählt wird. (Siegmunds Monolog, Gralserzählung des Lohengrin, Gurnemanz Monolog.) Es gibt eine wichtige Regel beim Filmedrehen „Show, don’t tell“. Wenn wir also sagen wollen „Geld spielt keine Rolle, wie inszenieren das jetzt wie einen High Fantasy Film mit Helmen, Rüstung, Drachen und allem was dazu gehört.“ Hätten wir eine mittelprächtige Erfahrung, die Doch hinter den „Herr der Ringe“ Filmen zurückbleiben müsste.


    Davon einmal abgesehen, sollte es trotzdem noch einmal zu einer Ring-Inszenierung kommen, die wirklich dieses Heldenepos entsprechend Wagners (unerfüllbaren) Regieanweisungen auf die Bühne bringt. (Wie um Himmelswillen hat er sich das herumschwimmen der Rheintöchter in der Luft der Bühne vorgestellt?!?) würde ich es mir gerne ansehen, aber dringend hoffen, dass verdammt noch mal niemandem ein Geier auf den Helm genagelt wird. Ich muss dabei jedes Mal an Asterix denken. Es gibt so viele Möglichkeiten einen Helm spannend und mystisch zu gestalten, lasst doch bitte die Armen Vögel aus dem Spiel. Macht wenigstens Metallschwingen draus. Bitte.


    Beste Grüße,


    Niklas

    Nun, da scheint mir, haben wir gänzlich verschiedene Auffassungen der Kunst. Museal impliziert für meine Begriffe auch eine stark akademisch dominierte Perspektive. Museen sind nicht der Ort wo ich für Gefühlsausbrüche hingehe. Für so was gehe ich in die Oper. Damit möchte ich keineswegs die historischen Inszenierungen abwerten. Manchmal tut es einfach gut die Gegenwart zurückzulassen und sich in dieser Gegenwelt auf der Bühne oder dem Bildschirm zu verlieren. Dabei möchte ich jedoch anmerken, dass mir die innere Kohärenz bei Opern weit wichtiger ist, als historische Authentizität. Es ist für mich ein bisschen wie mit Trickfilmen: es gibt solche die Handgezeichnet sind (die alten Disneyfilme zum Beispiel) und solche die am Computer 3d animiert wurden (Alles was Disney derzeit an Animationsfilmen produziert). Beide sind schön und gut und können ihre ganz eigenen Probleme und Stärken unabhängig von der Animation haben. Wenn man aber ein 3d Objekt in einen Handgezeichneten Film schlecht integriert, reißt es einen heraus, weil es nicht in dieses Medium, diese Kunstform gehört und man es deswegen bemerkt. Ob die Soldaten in „Carmen“ nun Uniformen aus dem 19. Jh. oder dem spanischen Bürgerkrieg tragen ist mir ehrlich gesagt herzlich wurscht, das würde ich noch nicht mal unter Regietheater fassen. Es würde mich höchstens stören, wenn Don José in einer ansonsten sagen wir 1850ger Kulisse mit einem Cabrio auf die Bühne führe oder sonst wie völlig aus der Zeit fiele.


    Weil es für meine Begriffe in der Oper und in der Musik vor allem um das (Mit)fühlen geht, kann es aber auch möglich sein eine Oper aus dem Blickwinkel einer der Figuren oder aus dem Blickwinkel einer einzelnen Figur zu erleben und uns gänzlich in sie zu versenken. Das kann die Empathie manchmal stärker herausfordern als ein Kostümdrama es vielleicht manchmal könnte.


    Beste Grüße,


    Niklas

    Hallo,

    Dennoch bleibt für meine Begriffe festzuhalten, gutes Regietheater (Ja, sowas gibt es (Meiner Meinung nach)) geht aus der Musik und den handelnden Figuren hervor. Entsprechend braucht es herausragende Sängerdarsteller, die im Stande sind eine Aufführung entsprechend auf den Schultern zu tragen.


    Um auf die im Titel aufgeworfene Frage zu antworten, idealerweise haben wir irgendwann eine Spaltung von Charaktergetriebenen Regieinszenierungen und Handlungsgetriebenen Klassischen. Wenn alles gut geht halten sich beide in einem Maß die Waage, dass beiden Seiten erlaubt ihre Bevorzugte Variante ohne zu große Umstände zu sehen.

    Beste Grüße,

    Niklas

    Vielen lieben Dank für den warmen Empfang Euch allen.


    Lieber Siegfried,


    auf diese Erfahrungen bin ich mehr als ein wenig neidisch 😊. Was Herrn Eyvazov angeht, so stimme ich Dir zu dass, das sicher kein Vorteil für Netrebko ist. Ich halte ihn zwar nicht für so schlimm wie manch einer aber er ist definitiv kein Ausnahmesänger und ich fürchte, er wird es auch nicht mehr werden. Er ist aber nicht so schlecht, dass er mir mit seiner Darbietung die ganze Aufnahme verhagelt. (Allerdings ist das überhaupt erst einmal vorgekommen. Vielleicht bin ich zu unkritisch.) Ich nehme ihn gerne billigend in Kauf, nicht mehr aber auch nicht weniger.


    Diese Adriana Lecouvreur habe ich in den Tiefen des Internets gesucht, aber ich fürchte es gibt keinen legalen Weg für mich diesen Auftritt zu sehen. Oder weißt Du einen?



    Lieber Greghauser2002,


    letztlich ist es glaube ich bis zu einem gewissen Grad Geschmacksache. Auch mir fällt es schwer nicht nostalgisch zu werden, wenn ich mir beispielsweise ihren Wiener Liebestrank wieder ansehe (oder so ziemlich alles andere gemeinsam mit Villazon, um ehrlich zu sein). Für mich ist das beste Gegenmittel dagegen ihre neuen Aufnahmen anzuhören. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle ihre „Giovana D’Arco“, die hier meines Wissens nicht ausführlicher Thematisiert wurde und die ich für eine ihrer schönsten Interpretationen halte. Ich meine die Aufnahme (Ich glaube von 2017, aber nagelt mich bitte nicht darauf fest) aus der Scala mit Francesco Meli und in der Baritonpartie Carlos Alvarez. (Ich möchte sie gerne ausführlicher vorstellen möchte sie davor aber noch einmal anhören.) Auch ihre Aida hat mir sehr gut gefallen. Und schließlich muss ich gestehen, dass durch Netrebkos Rollen der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart auch ich meinen Horizont erweitert habe. Ohne die „Amata Dalle Tenebre“ wäre ich im Traum nicht auf die Idee gekommen mir freiwillig Wagner anzuhören. Inzwischen kann ich über diese Arroganz und Engstirnigkeit meinerseits nur den Kopf schütteln. Nun ja. Wie gesagt, es bleibt Geschmackssache.


    Lieber La Roche,


    vielen Dank für die Klarstellung. « La Roche Du bist Groß,Du bist Monumental ! ». 😉



    Beste Grüße,


    Niklas Netzer

    Hallo zusammen,


    da dies mein erster Beitrag in diesem Forum ist möchte ich gerne etwas positives schreiben. Ich bitte daher um Verständnis wenn ich auf die politischen Aspekte, die sich - sehr zu meinem Leidwesen - um die Person Anna Netrebkos ranken nur sehr knapp eingehe.


    Ich habe meinen Frieden damit gemacht, nicht zu wissen, ob wir uns über politische Themen einig würden. Ich weiß nicht ob es eine moralische Verpflichtung zum Boykott ihrer Kunst gäbe. Sollte es sie geben und meine Weigerung eine solche Maßnahme mitzutragen als dickes Minus in der finalen Abrechnung meines Lebens stehen, so hoffe ich bis dahin genug Gutes getan zu haben um es wieder ausgleichen zu können.


    Nachdem das also hinreichend geklärt wurde muss ich gestehen, dass Frau Netrebko wohl die Hauptverantwortung dafür trägt, dass ich mich für eine Mitgliedschaft bei Tamino zu interessieren begonnen habe. Ich habe zu Beginn der Pandemie begonnen mich intensiver für klassische Musik zu interessieren. Man erinnert sich vielleicht an die grässliche Covid-Situation in Italien. Damals haben ja viele Italiener von ihren Balkonen aus den Gefangenenchor aus Nabucco gesungen. Ich kannte das Stück bereits (es war das Lieblingsstück meines verschiedenen Opas) aber damals war ich gerade in einer Übergangsphase zwischen Schule und Studium und hatte endlich einmal genügend Zeit mir die ganze Oper anzuhören (und anzusehen. Gott sei Dank für YouTube). Ich war ziemlich begeistert und je öfter ich es anhörte (Sinopoli Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin. Capuccilli, Dimitrova, Domingo) desto besser gefiel es mir. Die Oper hatte damit bei mir einen Fuß in der Tür. Als ich ein paar Monate später Netrebko in La Traviata hörte und sah, war dieser Fuß nicht mehr nötig. Sie hat diese metaphorische Tür einfach eingetreten.


    Ich weiß, Oper ist kein Einzelsport und ein ganzes Heer von Orchestermusikern, Kostümbildnern etc. pp. Stand hinter den Sängerdarstellern, aber trotzdem hat mich ihre Darstellung der Violetta zutiefst bewegt, mehr als irgendein anderes Kunstwerk das ich mich erinnern kann erlebt zu haben. Nach dieser Erfahrung war ich zunächst auf der Suche nach dem richtigen Vokabular und Wissen um meine Gefühle, die ich selber längst nicht alle verstand, ausdrücken zu können. Bei dieser Suche stieß ich auf das Tamino-Forum. Ich habe seither einiges gelernt über Operngesang und Musik im Allgemeinen. Ich habe mir eine ganze Reihe von Referenz-Traviaten angehört und noch immer bewegt mich keine sosehr wie Anna Netrebko. Wegen dieser Inszenierung habe ich das Buch La Dame aux Camélia gekauft und es gelesen.


    Weitaus klügere Menschen haben hier in diesem Thread manche Interpretation kritisiert. Ich behaupte nicht, dass Netrebkos Interpretationen immer die tiefschürfendsten oder notwendigerweise die besten sind, aber ich hatte immer das Gefühl, dass sie die Figuren, die sie darstellt ernstnimmt und es ihr nicht in erster Linie darum geht „schön zu singen“ und ja jeden Triller und jede Ornamentierung unterzubringen. Ich nehme Anteil an diesen Personen in einem Ausmaß wie ich es bei Gheorghiu oder auch Sutherland nie getan habe obwohl beide technisch sauberer sangen bzw. singen. Und ja ich habe mich redlich bemüht, jede ihrer Aufnahmen anzuhören.


    Musikalisch liebe ich ihre Vielseitigkeit und umfangreichen „Werkzeugkasten“ in Ausdrücken. Es sind nicht nur Veristisches Husten und Aufschluchzen, sie moduliert Lautstärke, sie phrasiert geschickt. Es klingt vielleicht absurd aber, wenn jemand sich berufen fühlt noch einmal ihr „Teneste la promessa… Addio del Passato“ aus Salzburg anzuhören, so möchte er oder sie auf das zittrige Luftholen vor dem „E tardi!“ achten, das für mich mehr ausdrückt als es ein tränenreiches Geschniefe während der Arie könnte.


    Inzwischen habe ich Netrebko in Regensburg Live gesehen und wenn Sie ein bisschen Schwulst von einem verkappten Romantiker ertragen wollen so ist hier im folgenden Absatz das (leicht zusammengekürzte) Fazit meiner Überlegungen nach dem Konzert:


    Als ich über meine erste Aufnahme von Anna Netrebko stolperte war ich auf der Suche nach einem Fluchtweg aus einer zunehmend unerträglichen Realität. Ich bekam ihn nicht. Weder damals noch an diesem Abend. Frau Netrebkos Darstellung war damals wie heute von einer erschütternden und Mitreißenden emotionalen Wahrhaftigkeit und so voll von Menschlichkeit, dass es wehtat. Sie lehrte mich einsehen, dass es keinen Ausweg gab. Doch zugleich versöhnte sie mich damals wie heute mit dieser Erkenntnis indem sie mir etwas anderes zeigte und Mitgab: Hoffnung. Hoffnung darauf, dass es in der Menschlichen Natur ein Potential für Güte und Schönheit gibt. Dass es noch ein Später geben kann, in dem nicht mehr gehasst wird. Klügere Menschen mögen so viel sie möchten über die Musikalischen Spitzfindigkeiten und die Realpolitischen Implikationen debattieren. Aber egal wie kritisch dieses Urteil ausfallen mag: Ich habe ihr geglaubt und für einen wundervollen Moment war ich glücklich.


    Ist sie Einzigartig? Für mich, ja. Verständigere Forumsmitglieder haben weit differenziertere und wohl objektiv richtigere Antworten auf diese Frage gegeben. Da Kunst aber subjektiv ist, denke ich, die Position, Sie bewegt mich wie keine Andere und ist darin einzigartig, ist durchaus vertretbar.


    Was die Bohème in Wien angeht so habe ich bisher nur den ersten Akt gesehen und fühlte mich den Charakteren noch nie so nahe. Das könnte aber auch daran gelegen haben, dass ich beim Anhören in einer 9 Grad warmen Studentenbude mit abgedrehter Heizung saß und dringend einen Essay für die Uni fertig schreiben musste. Nur Essen hatte ich genug Bei mir stand aber halt auch keine Mimi vor der Türe. Nun ja, man kann nicht alles haben. Im Ernst gesprochen, was ich hörte hat mich sehr überzeugt. Anfangs hatte ich einige Bedenken weil ich der Meinung bin, dass sie ihren Fachwechsel aus guten Gründen vorgenommen hat und ich begrüße ihn im Großen und Ganzen. Ich war jedoch angenehm überrascht. Das „Mi chiamano Mimi“, fand ich persönlich fantastisch. Und den leisen Spott in „Curioso?“ bei „O Soave fanciulla“ fand ich unbezahlbar.


    Da ich neu in diesem Forum und - wie mir gesagt wurde – einer der Jüngsten bin, wollte ich mich erkundigen, ob es für Alle in Ordnung ist, wenn ich mich innerhalb des Forums des „Du“ als Anrede bediene. Ich selbst bitte darum, von allen geduzt zu werden. Was ich bisher im Forum gelesen habe, scheint dies die Norm zu sein, doch halte ich es für ein Gebot der Höflichkeit und des Respekts Ihnen das letzte Wort in dieser Frage zu überlassen.


    Mit besten Grüßen,


    Niklas Netzer.


    Post Scriptum: Eine Bemerkung zu den (offenbar kaum mehr existenten) Standards in der deutschen Presse: Wenn ich eine Konzertkritik lese, rangiert auf der Liste der Dinge, die mich interessieren die Farbe des Kleides der Solistin so weit unten, dass es auf einer Relevanzskala von 1-10 gar nicht mehr sinnvoll abgebildet werden kann. Auf einer Skala von 1-10 sind wir hier bei -10. Aber damit bin ich wohl in der Minderheit. Gefühlt die einzige Info außerhalb der zahmen Proteste, die die Zeitungen mitzuteilen hatten war, dass Frau Netrebko vor der Pause ein glitzernd dunkelgrünes und nach der Pause ein mintgrünes Kleid trug. Das stand dafür dann in allen Zeitungen. Halleluja.