Beiträge von Cunctator

    Hallo Allerseits,

    wollte mich nachlanger Zeit erkundigen, ob jemand Eindrücke oder Aufnahmen vom jüngsten Berliner Nabucco hat. was ich in der Presse gelesen hatte scheint der ja zu einem regelrechten Triumph geraten zu sein. Zumindest für Fr. Netrebko. Was ich bisher zu hören bekommen habe, finde ich durchaus überzeugend.

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    Ist jetzt nicht ein tausend Prozent ideales Beispiel, aber das ist was ich mir vorstelle. Schlank bartlos, ausgesucht höflich gegenüber Damen. Nicht den Fellbehängten Barbaren mit einem Surfbrettgroßen Schwert auf dem Rücken und ölig glänzenden Muskelbergen.


    Zitat

    wo zieht das mit dem Stimmsitz nicht? Dass Vogts Stimme nicht in der Brust sitzt, hätten auch Beethoven und Smetana gehört.

    um es mit Wagner selbst zu sagen:

    SACHS
    Ein guter Meister!

    BECKMESSER
    Doch lang schon tot;
    Wir können natürlich Theorien aufstellen was Wagner Beethoven Mozart und wie sie alle heißen von verschiedenen Sängern gehalten hätten und manche besser begründet als andere, aber letztlich bleiben es doch unbeweisbare Theorien zumal sie sich nicht mit der Kommunis Opinio des aktuellen Musikbetriebs zu decken scheinen.

    Links:
    Abbildung 49885044852_6ced06fdfd_o.jpg (1260×1811) (staticflickr.com)
    Librettto: Die Meistersinger von Nürnberg libretto (English/German) - opera by Richard Wagner (murashev.com)

    Ich fühle mich verpflichtet darauf hinzuweisen, dass meine Kritik während des ersten Aktes in Ruhe bedacht auch ein ganzes Stück weit am Dirigenten gelegen hat. (ich habe den Zettel grade nicht zur Hand, werde es morgen nachreichen.) Das Orchester klang für meine Begriffe auch eine Spur schleppend und glanzlos. Als würde man mit angezogener Handbremse gespielt und nicht nur im Sinne von "nicht mit voller Power" sondern auch im Sinne von knirschen und "Hey, diese Situation sollte dringend behoben werden, wenn das hier was werden soll." Ich weiß nicht wie ich das besser erklären kann.

    Wenn ich hier mal meinen Hut in den Ring werfen darf: Als Lohengrin finde ich den Herrn Vogt ausgesprochen überzeugend. Vor allem finde ich seine Behutsamkeit und fast schon zärtliche Diktion perfekt. Ich sehe den Lohengrin eher als eine fast schon feminin wirkenden Heldenjüngling in Rüstung, wie man ihn in romantischen Gemälden sieht und auch wenn Herr Vogt wie ich finde nicht unbedingt dieser Vorstellung entspricht, er klingt genau so.


    Ich habe ihn allerdings auch als Tannhäuser gehört und da hat er mir nicht ganz so gut gefallen. Im ersten Akt fand ich, war die Phrasierung extrem schleppend. Im zweiten Akt hat es für mich besser funktioniert, aber wirklich geklickt hats erst im dritten Akt. Die Romerzählung wurde aber für meine Begriffe bedeutend besser bewältigt als ich es nach dem ersten Akt erwartet hatte.

    Hallo Liebe Taminos,

    Unlängst durfte ich in München den Fidelio sehen und hören und da ich mich ein bisschen an der Inszenierung abarbeiten musste und meine Überlegungen zu "Lucia" so freundlich aufgenommen wurden habe ich auch hierzu ein paar Zeilen geschrieben. (Ein paar viele. ich hatte einige Gedanken:untertauch:)

    Eigentlich hatte ich, bevor ich am 20.02.24 auch nur einen Fuß ins Nationaltheater setzte, mir bereits den Satz zurechtgelegt, mit dem ich die Inszenierung von Beethovens Fidelio abhandeln wollte. Ich hatte die Photos auf der Website der Staatsoper gesehen, ich war schon häufiger im Nationaltheater gewesen. Ich war bereits so weit resigniert, zu schreiben: „Es war eben eine Münchner Inszenierung: Namenlose Freude war es nun nicht gerade, aber es war auch nicht störend.“ Als ich drei Stunden später wieder in freier Luft den Atem leicht heben durfte, konnte ich mich jedoch nicht mehr überwinden, diesen Satz einfach so hinzuschreiben. Eindrücke von einem zutiefst bewegenden, eindrücklichen Abend.


    Es handelt sich hierbei um eine alte Produktion aus dem Jahre des Herrn 2010, es ist also vielleicht nicht notwendig sie ausführlich zu besprechen, aber sie hat mich sehr aufgewühlt, beschäftigt mich seit Stunden und wenn ich meine Familie weiter damit belästige, muss ich für meine Gesundheit fürchten.


    Schien es bei der Lucia Sinnvoll, der Reihe nach über die Mitwirkenden zu sprechen, so möchte ich diesmal verstärkt der Chronologie des Bühnengeschehens folgen. Es war ein in sich geschlossenes Erlebnis, ohne Stars. Und das im besten Sinne.


    Die Inszenierung ist insgesamt ein Schwer zugängliches Kunstwerk. Ich sage das nicht nur, weil die wir (die Inszenierung und ich) uns zunächst auf dem falschen Fuß kennenlernten. Die Oper beginnt nicht mit einer Ouvertüre, sondern mit Leonore/Fidelio, verkörpert von Elisabeth Teige, die erbittert feststellt, es sei unmöglich Florestan zum Ausbruch zu verhelfen, da die ganze Welt ein Kerker sei. Die Begriffe Kerker und Labyrinth werden hier und während der gesamten Oper annähernd synonym verwendet. Als das Orchester dann doch zu spielen beginnt ist es jedoch noch immer nicht die Fidelio-Ouvertüre, sondern die Leonore III. Nun liegt es mir fern, die Leonore III oder Beethoven kritisieren zu wollen. Ich halte die Leonore III sogar für ein objektiv interessanteres Stück als die Fidelio-Ouvertüre, aber die Melodie in Fidelio gefällt mir einfach besser. Ich halte es auch für eine bessere Einleitung in das Werk. Es schmeckt mir einfach nicht, dass die Leonore III den befreienden Trompetenstoß vorwegnimmt. Ich halte diesen Moment, auch wegen des Sonetts von Haushofer, für einen der intensivsten Momente der Katharsis in der gesamten Opernliteratur.


    „In allem Zauber von Musik und Bühne


    wird keinem Ruf so reiner Widerhall,


    wie diesem herrischen Trompetenschall.“


    Zumindest wenn dieser Trompetenton zum ersten Mal erklingt, sollte er für sich stehen.


    Das Bühnenbild für den ersten Akt besteht aus einem veritablen und vertikalen, baugerüstartigen Labyrinth aus Glass, Chrom und Leuchtröhren, es verbreitet von Anfang an einen klaustrophobischen Eindruck. Jacquino, verkörpert von Jonas Hacker und Marzelline, verkörpert von Jessica Niles, jagen einander singend durch das Gerüst. Also er jagt sie. Es ist beeindruckend wie die beiden Sängerdarsteller auf den Plattformen, Leitern und Kletterstangen herumturnen und gleichzeitig singen können. Die Sicherungsgurte, die beide trugen waren jedenfalls kein rein ästhetisches Element. Der Klang war gerade in dieser ersten Hälfte der Oper sehr romantisch. Einzelne Noten vernebelten sich zu einer atmosphärischen Klangwolke, Einsätze erfolgten eine Spur versetzt, sodass jedes Instrument Individuell zur Geltung kam, es gab keine aufgepeitschten, knallenden Fortissimi, sondern wenn es einmal laut wurde, dann mehr wie eine sich langsam aufbauende, rollende Welle. Die Sängerstimmen fügten sich eher in den Fluss und den Klang des Staatsorchesters - geleitet von Constantin Trinks - ein, als von ihm begleitet zu werden. Im ersten Duett irritierte mich dies noch: das hatte ich bei Beethoven noch nicht erwartet. Als wir uns aber dem Ende des Duetts näherten, war ich allerdings bereit mich auf diese Interpretation einzulassen. Die Leistung der Sänger trägt erheblich dazu bei, etwaige Bedenken zu zerstreuen. Jessica Niles war ein oder zwei Mal etwas schwer zu hören, wenn sie den Kopf vom Publikum abwandte, aber – und das ist sozusagen das inoffizielle Motto des Abends – selbst wenn man manchmal ein wenig genauer hinhören musste, es war in jedem Fall die Mühe mehr als Wert. Sie hat eine warme und angenehme Stimme, die ich am ehesten mit Bernstein vergleichen würde, mit einem warmen Glanz, doch solidem Kern und nicht unbedingt Süß. Bereits in diesem ersten Duett wird deutlich: wer sich präzise Koloraturen und Belcantistische Kunstfiguren wünschte, war an diesem Abend in München zur falschen Zeit am falschen Ort. Die Ornamentierung großer Ausbrüche hatte einen sehr spontanen Charme und vermittelte den Eindruck, als würde den Sängerdarstellern erst im Moment des Singens klar, ob sie nach oben oder unten singen wollten. Die Darstellung wirkte dadurch weniger elegant, dafür aber authentischer und emotionaler.


    War ich mit der Musik nach wenigen Minuten nun völlig einverstanden, hätte ich das selbe über das Bühnengeschehen noch nicht sagen können. Es schloss sich die Arie „Oh wär ich schon mit Dir vereint“ an. Direkt. Ohne gesprochenen Dialog dazwischen, der das Publikum in die Handlung einführen könnte. Und Marzelline singt die erste Hälfte der Arie ausdrücklich zu Jacquino was das Publikum hinsichtlich ihrer Gefühle für Jacquino (oder Fidelio?) ebenso ratlos zurücklässt, wie den armen Burschen auf der Bühne. Auch nach der Arie warten wir vergeblich auf Klarstellung. Nachdem Rocco auf die Bühne eilt und Lautstark verkündet, er finde den Weg nicht, geht es direkt ins Quartett, warum Marzelline denkt, sie werde glücklich sein, wen sie mit „Er“ meint, warum Fidelio Schmerz empfindet und sich in Gefahr fühlt, all das weiß, wer das Stück schon vorher kennt. Alle, für die das Stück Neuland ist, können zu diesem Zeitpunkt mit dem Ofenrohr ins Gebirge schauen. (von München aus sehr gut möglich) Da werden sie eher Antworten finden als auf der Bühne.


    Nach dem Quartett fand immerhin endlich eine dringend notwendige Kontextualisierung statt. Sie ist nur rudimentär mit der eigentlichen Handlung verbunden, aber inzwischen war ich nicht mehr allzu wählerisch. Rocco klagt, er sei schon so lange im Labyrinth, dass er jede Hoffnung und Kraft verloren hat. Das „Hat man nicht auch Gold beineben“ wirkt sehr viel zynischer und bitterer, als ich es sonst zu hören gewohnt bin. Brindle Sherrat hat eine phantastische, klassische Bassstimme, die alles mitbringt, was man sich für diese Stimmlage vorstellt und wünscht. Einziges „Problem“: Hinfällig, wie er sich sowohl jetzt im Dialog, als auch im Terzett „Gut, Söhnchen gut!“ beschreibt, klingt er nun wirklich nicht. Nach Roccos kurzem Solostück erhielten wir weiterhin einen Grund für Fidelios Hiersein: im Zentrum des Labyrinths sitzt ein besonderer Gefangener, den Leonore/Fidelio als ihre andere Hälfte sucht. Roccos Angst, sie so tief ins Labyrinth zu führen, hält sie entgegen, sie habe durchaus Mut, was ins sehr schön musizierte und gesungene Terzett mündet, an das sich wiederum der Marsch direkt anschließt. Wolfgang Koch erklärt sodann als Pizarro, an Fidelio gewendet, wer eine schreckliche Tat begehen wolle, müsse sie sich so lebhaft vorstellen, als habe er sie bereits begangen. Er beginnt sodann seine Arie als Absichtserklärung an Fidelio und weiht Rocco erst im folgenden Duett in seinen Plan ein. Ich fand Koch fehlte es ein wenig an stimmlichem Schwung, eine glänzendere, dynamischere Textur hätte den Schurken mehr als aktiven und gefährlichen Akteur wirken lassen können. Das mattere, träge Rollenporträt verlieh dem Meister des Labyrinths jedoch eine grässliche Gleichgültigkeit in seiner Grausamkeit, die unter die Haut ging.


    Und endlich kamen wir an Leonorens große Arie mit Rezitativ „Abscheulicher… Komm Hoffnung.“ Ich habe anlässlich der zurückliegenden Bayreuther Festspiele sowohl höchstes Lob, aber auch einige Kritik an Elisabeth Teige gehört. Nach diesem Abend muss ich mich -glücklich - in das Lager ihrer Bewunderer rechnen lassen. Das starke Tremolo, für das sie beispielsweise von BR-Klassik kritisiert wurde, habe ich zwar stellenweise durchaus bemerkt, ich empfand es aber weder als zu ausgeprägt, noch als störend. Es verlieh der Stimme eine interessante, vielschichtige Textur, die ein tiefes Innenleben der Figur offenlegte. Teige meisterte die Figur der Leonore nicht dank unerschöpflicher Stimmreserven, sondern mit großem Einfühlungsvermögen (Ja, das ist ein wiederkehrendes Leitmotiv bei meinen Lieblingsinterpretationen), mit spontan wirkenden Ausbrüchen und einem Gespür für die stilleren, intimen Momente der Rolle. Während sie singt, versucht Leonore das Labyrinth selbst einzureißen. Vergeblich zwar, doch die Gefangenen sind trotzdem dankbar, durch ihre Mühen einen Moment freier atmen zu können. Den Gefangenenchor hätte ich mir eine Spur (wirklich nur minimal) leiser gewünscht, aber sei’s drum, es ist nun mal eine meiner Lieblingsszenen. Leonore heftete während des Chorstückes den Mitgliedern des Chores Steckbriefartige Photos an die Brust. Ich nehme an es waren Abbildungen von Florestan, aber so gut sehe ich nicht.


    Im Kerker des zweiten Aktes ging alles sehr viel strikter zu: der Romantische Klang des Orchesters nahm einen präziseren, italienisch anmutenden Einschlag an, die Dialoge, die im Ersten Akt auf Texten von Cormac McCarthy und Jorge Luis Borger basierten, folgen nun, mit einer Ausnahme, wenn schon nicht im Wortlaut so doch im Inhalt, den Vorgaben des Originalen Librettos von Sonnleithner und Treitschke. Ich erachte es daher nicht für notwendig Nummer um Nummer wie im ersten Akt durchzusprechen. Sicher, es gibt noch offene Fragen. Warum der rettende Minister aussieht wie Heath Ledgers Joker aus „Batman: The Dark Knight“, beispielsweise. Und warum eben dieser Minister Florestan mit einer Platzpatrone erschießt und anschließend alle mit Weißen Zetteln herumwedeln, das weiß der Teufel. (Oder der Regisseur Calixto Bieito, was für manchen Forianer wohl auf eins hinauslaufen dürfte 😉)


    Musikalisch muss ich David Butt Philip mein höchstes Lob für seinen Florestan aussprechen. Der Florestan gehört zu den sehr, sehr wenigen Rollen, die für mich wirklich von einer Note abhängen. Es ist direkt die erste Note die Florestan zu singen hat: René Kollo singt diese unter Bernstein als ein langes, gequältes großartiges Crescendo, am Anfang dieses Tons registriere ich kaum, dass dieser Klagelaut überhaupt von einer menschlichen Stimme produziert wird. In den meisten anderen Aufnahmen die ich von dieser Oper gehört habe, wird es aber einfach als ein langer Anfangston, ohne Crescendo gesungen und damit ist die Arie für mich eigentlich gelaufen. Produktiv? Vermutlich nein. Kann ich es aber ändern? Ebenfalls nein. Umso glücklicher war ich aber, dass Philip es aus meiner Sicht „richtig“ machte und mit schönstem Heldentenor eine intensive und emotionale Arie gestaltete. Der Dialog zwischen Rocco und Florestan nach dem Melodrama und vor „Euch werde Lohn“ hat mir ausnehmend gut gefallen und ich wünschte fast, er würde in zukünftigen Versionen übernommen: Florestan sagt „Früher haben wir manchmal vom Tod gesprochen. Jetzt nicht mehr. Warum wohl? Ich weiß es: weil er jetzt da ist. Es gibt nichts mehr zu besprechen.“


    Bühnenhandlung und Musik blieben brutal und beinahe nihilistisch bis zur Rettung. „Oh Namenlose Freude“ war musikalisch eine der ekstatischsten Versionen, die ich bislang hören durfte. Die Bühnenhandlung aber zeigte zwei zutiefst traumatisierte Menschen. Beide Liebhaber wechselten in ihre wohl eher alltäglichen Kostüme, Florestan in einen grauen Dreiteiler, Leonore in ein blaues Kleid. Beide zeigten jedoch größte Scheu, einander nahezukommen, oder sich zu berühren. Es schien mir auch kein Rückfall ins Rampensingen zu sein, es lag vielmehr - bei aller Begeisterung - eine gewisse Traurigkeit über dem Wiedersehen. Hin und wieder gab es ein zärtliches Streicheln, einen leichten Händedruck zu sehen, doch immer, als habe man es mit einem rohen Ei zu tun, oder sei selber eines. Unabhängig davon, ob es jetzt wieder nach einer besseren Zukunft aussieht, das Leid und das Trauma, das Leonore und Florestan erlitten haben, werden sie ein Leben lang mit sich herumtragen. Florestan trägt seine Gefängniskleider als Bündel mit sich herum, bis der Minister ihn „erschießt“ und wandert eine ganze Weile ziellos und allein durch das Gefängnis, nachdem er und Leonore wieder vereint sind.


    An der Stelle, an der in Wien seit Gustav Mahlers Zeiten die Leonore III gespielt wird, wurde in München eine gekürzte Version des Streichquartetts op. 132 a-Moll, Molto Adagio gegeben. Leonore und ihr Florestan sitzen in angenehmem Schweigen nebeneinander und ich dachte mir „Glücklich, wer nicht weiß wie viel Gewalt notwendig war, damit es jetzt so friedlich sein kann.“


    Zum Finale kann ich lediglich meine Komplimente an alle Beteiligten wiederholen und sie auf den Minister Don Fernando von Milan Siljanov ausdehnen, der eine absolute Luxusbesetzung in dieser Rolle ist. Was die Handlung angeht, so kann ich nur diese Hypothese abgeben: es geht um den Zusammenbruch eines grausamen Regimes, einer grausamen Realität, der wiederum zunächst gewaltsam wirkt, aber den Menschen schließlich in eine freiere, letztlich bessere Welt entlässt. Das Gefängnis ist nicht eine spezifische Festung irgendwo in Spanien, es kann nicht einfach von einem „besten König“ aufgelöst werden. Es ist um uns, in uns und es tut weh daraus auszubrechen, wir brauchen manchmal eine Leonore, die uns beisteht, und uns bei der Hand nimmt. Das letzte Bild, ehe der Vorhang fällt, sind Leonore und Florestan, Hand in Hand dem Publikum zugewendet. Freiheit und frei werden ist schwer für alle und wir werden Wunden davontragen. Aber und diese Bilanz würde ich auch für diese Aufführung ziehen: Es ist die Mühe wert.


    Ich wünsche Allen ein schönes Restwochenende.

    Beste Grüße

    Niklas

    Das zu lesen überrascht mich jetzt doch. Nun, ich habe Oropesas Wien-Gilda nicht gesehen, sah sie aber als Lucia an der Wiener Staatsoper, wo sie mit glasklaren Höhen beeindruckte. Da war nichts scharf oder gar metallisch.

    Lieber Gregor,

    das glaub ich Dir gern, ich kenne ja auch einige Aufnahmen von ihr, wo sie schwindelnde Höhen wundervoll und mühelos absolviert, ich würdees mal auf die Tagesform schieben. und wie gesagt, bis zum dritten Akt war sie für meine Begriffe klar zum Highlight des Abends avanciert. Eine tolle Sängerin!

    Was Rigoletto betrifft, ist ihre Gilda ja inzwischen auf DVD erschienen. In einer Aufführung aus dem Londoner Royal Opera House.

    Diese Leidenschaft treibt mich noch in den Bankrott!;(

    Ach, was solls. Man kann nie genug Verdi im Haus haben, grade wenn Besuch kommt...


    Einen schönen Abend noch und beste Grüße

    Niklas

    Liebe Taminos,

    gestern war ich mit einer guten Freundin wieder einmal in der BSO. Wir wollten Lucia di Lammermoor hören, das war vor bald 3 Jahren für uns beide das erste Opern Erlebnis live gewesen und da die selbe Produktion wieder auf dem Spielplan stand dachten wir es wäre doch nett sozusagen einen Jahrestag zu feiern. Die Vorstellung hat mich allerdings so restlos begeistert wie es nur wenige Musikerlebnisse bislang vermocht haben und ich nach Hause gekommen muss ich diese sofort schriftlich festhalten. Diese Eindrücke möchte ich gerne mit Euch teilen. Die Idee, meine Gedanken hier zu posten kam mir erst, nachdem ich sie aufgeschrieben hatte, sie sind daher nicht immer besonders diplomatisch formuliert, ich hoffe Ihr könnt einem jungen Opernfreund ein bisschen Überschwang verzeihen, was wäre die Oper ohne große Gefühle?


    Da der wichtigste Grund für unseren Besuch der Vorstellung von Lucia di Lammermoor am 27.01.24 der Umstand ist, dass diese Produktion vor bald drei Jahren für eine gute Freundin und meine Wenigkeit unser erstes Live-Opernerlebnis an der BSO darstellte, bietet sich ein Vergleich der Abende freilich an. Das erste Erlebnis war ein in sich völlig stimmiges, mit sehr wenigen Ausnahmen perfekt kombiniertes, rundum ausgewogenes Fest des schönen Gesanges. Was ich diesen Abend erleben durfte, war nahezu das Gegenteil.

    In jeder Besprechung der Lucia ist natürlich ausführlich über die Lucia zu sprechen und in diesem Fall ganz besonders. Ich will versuchen, meine Erwartungshaltung zu beschreiben: Beim letzten Mal hatte ich Nadine Sierra in der Titelrolle gehört und ich finde, man kann diese Sängerin fast nicht genug loben. Ich habe seinerzeit, in Ermangelung adäquaten Vokabulars, ihre Stimme mit einem Schokoladenkuchen verglichen. Ihr zuzuhören ist, wie das erste Stück von einem noch ofenwarmen Kuchen zu verzehren: ein warmes, samtiges Timbre, perfekte Kontrolle über die Stimme mit feinen Verzierungen wie Zuckerguss, was braucht man mehr zum glücklich sein? Gerade nach einem eher schwachen Start in die Oper, der mir das Gefühl vermittelte jeder singe dieses Mal gewissermaßen mit angezogener Handbremse war ich überzeugt, eine zwar vergnügliche Auftrittsarie der Lucia zu hören zu bekommen, die aber in ihrer Qualität hinter der letzten würde zurückbleiben müssen. Dann betrat Serena Sáenz die Bühne.

    Ihr Timbre erinnerte eher an Rotwein, voll, herb mit einem angenehmen Nachklang. Soweit so gut, unerwartet war jedoch die Schärfe, mit der die Stimme geführt wurde. Erinnerte der Gesang der Sierra an Schokokuchen mit der Familie so erinnerte dieser Gesang an einen filigranen Märchenpalast aus feinstem Glas in gedeckten Farben. Und war bei der letzten Lucia das Motto Balance und Schöngesang, so schien Frau Sáenz wild entschlossen, sich selbst und sämtliche Kollegen zu Tode zu singen. Ich habe selten erlebt, dass jemand sich auf einer Bühne derart verausgabt. Bereits in der Auftrittsarie bekam ich mehr Spitzentöne und Vokalornamente, als ich es sonst in der ganzen Oper zu hören gewohnt bin. Von glänzendem Fortissimo bis zu innigsten Piano-Phrasen vom Triller bis beinahe hin zum Deklamieren überschüttete die Interpretin ihr Publikum mit erschütterndem Gesang. Ich habe an diesem Abend zum ersten mal in meinem Leben verstanden wie man einen Triller effektiv zur Darstellung des Innenlebens einer Figur nutzen kann. Ich nahm in einer Weise Anteil an dieser Lucia wie ich es noch nie vorher empfunden habe, aus Gründen, die normalerweise das Gegenteil bei mir bewirken. In dieser Kategorie sei auf das Vibrato hingewiesen, das an die junge Angela Gheorghiu erinnert. Während es mir bei dieser jedoch schon bald nur noch auf die Nerven ging, bewegte es mich diesmal. Das ständige Flirren in jedem Ton verlieh der Stimme etwas zittriges und für Lucia (die ja nun nicht eben für ihren stabilen Geisteszustand berühmt ist) wirkte das einfach unheimlich authentisch. Gott weiß, ich bin kein Freund von Szenenapplaus und jeder, der schon einmal mit mir in der Oper war, hat wohl schon meine Tiraden gehört, was für bessere Menschen Wagnerianer sind, weil. Sie. nicht. Nach. Jeder. Gottverdammten. Arie. Zu. Klatschen. Anfangen. Aber nach dieser Darbietung war mir meine Selbstbeherrschung völlig abhanden gekommen und ich stimmte in diesen Szenenapplaus ebenso begeistert ein wie in die folgenden. Meine einzige Kritik an den „Brava“-Rufern war diesmal, dass sie „Brava“ und nicht „Bravissima“ riefen. Ich hatte hier nicht das Gefühl, mir singe jemand Belcanto vor. Serena Sáenz überzeugte so vollkommen, war so fesselnd in Spiel und Gesang, dass ich zwischenzeitlich überzeugt war eine genuin Verrückte auf der Bühne zu sehen. Nun endlich ein paar Worte zum Rollenporträt. Diese Lucia ist von Anfang an psychisch extrem Labil, als Enrico ihr im zweiten Akt zu nahe kommt zuckt sie zurück wie vor einer Schlange. Sie ist nicht Unterwürfig doch ihre einzige Waffe ist Nicht-Achtung. Zumindest gegen ihren Bruder, Normanno kann ihrem Blick, als sich die beiden im zweiten Akt begegnen, nicht standhalten. Während Enrico (Andrej Filonczyk (der mit Sáenz auf der Bühne ebenfalls deutlich intensiver singt und spielt als beim letzten Mal) bereits auf sie einredet, versteckt sie sich hinter ihrer Sonnenbrille und würdigt ihren Bruder keines Blickes. Der Vorwurf „Il Palor funesta, orrenda…“ wird dementsprechend nicht wütend-vorwurfsvoll hin geschleudert, sondern ist eher das Schluchzen einer völlig Gebrochenen. Das Duett klingt auch weniger nach der Harmonie zweier gleichberechtigter Stimmen, sondern wirkt ein wenig wie Musikalische Intarsien-Arbeit wobei die scharfe Stimme Lucias sich golden glänzend in Filonczyks breiteren Bariton einschneidet. Um die Wahsinnsszene begreiflich zu machen bitte ich, noch einmal das Bild des gläsernen Elfenschlosses zu vergegenwärtigen. Man stelle sich nun vor es zerspringt durch eine Explosion in Abermillionen Scherben die in die Sonne hinauf geschleudert werden und für einen winzigen Moment noch einmal heller und schöner glänzen, als sie es an ihrem angestammten Platz jemals hätten tun können. Es war wunderschön, zugleich Herzzerreißend und bewegte mich in einem Ausmaß wie ich es zuletzt bei Tristan und Isolde erlebt habe.

    Um den übrigen Beteiligten des Abends noch ein bisschen Raum zu geben, möchte ich auch Xabier Anduaga als Edgardo in den höchsten Tönen für seine höchsten Töne (höhö) loben. Es gelingt ihm schockierender Weise, mit seiner Lucia mitzuhalten. Er hat eine, nicht nur im Vergleich zu Juan Diego Florèz (der die Rolle beim letzten Mal sang), baritonal dunkelbronze timbrierte Stimme voll maskulinem Charm und Durchschlagskraft. Das Liebesduett im ersten Akt war ein besonderes Highlight des Abends für mich. Beide Sänger für sich genommen waren bereits exzeptionell, aber sie so miteinander im Wettstreit zu hören, war unirdisch. Mir ist bewusst das Wettstreit hier vielleicht eine unglückliche Vokabel ist, aber es war deutlich hörbar, wie sich die beiden Darsteller gegenseitig mitrissen, zu immer neuen Ausbrüchen aufstachelten und einander ob nun beabsichtigt oder dem Moment geschuldet immer wieder überboten. Am Beispiel Anduagas lässt sich auch ein Kunstgriff verdeutlichen, der an diesem Abend von Lucia und Edgardo sowie dem Orchester der BSO gleichermaßen eingesetzt wurde; namentlich der Abrupte Wechsel von Forte Fortissimo ins zartest-mögliche Pianissimo ohne jeglichen Übergang. Ich erwähne das hier, weil ich die Stelle noch sehr konkret im Kopf habe. Das „Bell’alma innamorata” Anduagas, im ersten Durchlauf mit Schmelz heraus geschmettert, unmittelbar darauf kaum geflüstert, zählt hiermit zu den intimsten, berührendsten Totenklagen, die ich je hören durfte. Wann immer ich mit einem gewählten Tempo oder der Lautstärke auch nur für einen Moment unzufrieden war, zeigte sich Herr Anduaga mir einen Schritt voraus und lieferte sogleich Pointiert was ich wollte, nur durch den Kontrast noch zusätzlich veredelt und spannender gemacht.

    Andrej Filonczyk hatte den Enrico bereits bei unserem letzten Besuch dieser Produktion den Enrico gesungen. Alles was ich damals Gutes über ihn zu sagen hatte, gilt uneingeschränkt weiterhin. Sein Spiel und Rollenporträt wirkte sogar noch intensiver. Wie auch alle anderen schien er angesteckt von Lucias Zittrigkeit und mit mehr Schwung und Adrenalin zu singen.

    Besondere Erwähnung verdient - meiner Meinung nach - auch die Alisa von Emily Sierra, die sich vor allem durch ihr Spiel intensiv in den Abend einbrachte. Für gewöhnlich habe ich die Existenz dieser Figur bereits fünf Minuten nach dem Ende der Auftrittsarie Lucias völlig vergessen und das auch nur, wenn sie da eine ausnehmend gute Figur macht. Als an diesem Abend beim Auftritt Edgardos im 2. Akt die Pistolen gezogen wurden war es jedoch Sierras Alisa die Lucia aus der Schussbahn schubste und sie mit ihrem eigenen Körper deckte, Alisa, die Lucia während ihrer Kurzen Ohnmacht auffing und Alisa war auch die erste die sich nach der Wahnsinnsszene vorwagte und zu ihrer Freundin lief. Emily Sierra schaffte hier sehr viel mit sehr wenig und bereicherte den Abend dadurch immens.

    Das Orchester klang auf den ersten Ton für mich in erster Linie wuchtig und ein wenig undifferenziert bzw. intransparent, nicht eben ideal für Belcanto. Jedoch bereits im zweiten Stück, nachdem ich mich ein wenig hatte eingewöhnen können, hörte ich völlig neue Aspekte der Partitur, die mir noch nie zuvor aufgefallen waren. War das Orchester zunächst laut und ungestüm so ließ es sich doch in Sekundenbruchteilen an den Rand der Unhörbarkeit reduzieren um den Stimmen der Protagonisten den benötigten Raum zu geben oder um das Publikum vermittels einer Generalpause zum Innehalten und Nachdenken zu zwingen. Auch gewaltige Variationen im Tempo wurden vorgenommen (wenn auch nicht ganz ohne Pannen) so dauerte Lucias Antwort „Tu che vedi il pianto mio…“ beinahe doppelt so lange wie Enricos furios vorgetragenes „Se tradirmi tu potrai” im gemeinsamen Höhepunkt brauchten beide Sänger einen Moment um sich wieder neu zu sortieren, doch zum Spitzenton hatte man die Orientierung wiedergefunden

    An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass ich mir ziemlich sicher bin, gehört zu haben, wie das Orchester im dritten Akt einen halben Takt nach Raimondo (Christian van Horn) einsetzte und sich sehr beeilen musste, den entlaufenen Priester wieder einzufangen. Als ich die Oper verließ, hatte ich allerdings bereits völlig vergessen, wann konkret das war und man darf daraus getrost schließen, dass der Eindruck durch diese Schönheitsfehler nicht getrübt wurde.

    Das Münchner Opernpublikum honorierte die emotionale Leistung des Abends mit dem längsten und intensivsten Beifall, den ich bislang im Nationaltheater erlebt habe. Vor allem Serena Sàenz, für die dieses Engagement, bei dem sie recht kurzfristig für eine erkrankte Kollegin eingesprungen war, ihr Debut an der Isar darstellte, wurde frenetisch bejubelt. Das Nationaltheater erfreut sich einer Besucherschaft, die in Fragen des Alters untypisch weit gestreut ist, was sich auch in der Art dieser Ovationen zeigte. Auch beim 4. Oder 5. Vorgang, als das Licht bereits an und die Türen geöffnet waren erntete die sichtlich gerührte Heldin des Abends noch reichlich Klatschen, Trampeln und Brava-Rufe, ich meine sogar einige Pfiffe gehört zu haben. Selbstverständlich, dass schon bei ihrem ersten Vorgang das Auditorium von den Sitzen aufsprang.

    Genauso hat Oper zu sein.


    Ich habe all dies direkt nach meinem Heimkommen notiert, die Eindrücke sind also noch frisch. Ich habe es auch seither nicht übers Herz gebracht Neue Musik zu hören um das erlebte möglichst lang in meinem Gehör zu konservieren.


    Ich hoffe ich habe keine Regeln verletzt und konnte ein bisschen von meiner Euphorischen Stimmung an Euch weitergeben.

    Beste Grüße

    Niklas


    Eine Szene die mir persönlich sehr am Herzen liegt und, wenn ich mich recht entsinne hier noch nicht genannt wurde ist, was ich gerne als Elsas Verhör bezeichnen möchte. Es beginnt mit "Seht! Sie naht, die hart Beklagte" und endet mit "Nun tretet vor! zu drein für jeden Kämpfer." Elsa liegt mir einfach von allen Wagner Heldinnen besonders am Herzen wegen ihres tragischen Schicksals und die Chorpassagen sind für meine begriffe unter den schönsten und spannendsten die jemals komponiert wurden.

    Meine Persönliche Lieblingsversion stammt von Abbado mit den Wiener Philharmonikern aus dem Jahre 1994 mit Cheryl Studer als Elsa, Siegfried Jerusalem als Lohengrin, Kurt Moll als König Heinrich, Waltraud Meier als Ortrud (Auch wenn die hier nichts zu singen hat) und Hartmut Welker als Telramund.


    Ebenfalls Erwähnung finden sollte meiner Meinung nach die Balkonszene zwischen Elsa und Ortrud.

    Hallo Nemorino,


    Vielen Dank für die Blumen, ja das habe ich leider auch feststellen müssen. Aber es wird schon werden. und 1100km ist wirklich sehr weit, das ist ja schom ein veritabler Urlaub.


    Die Aufführung war im Nationaltheater und hat mir sehr gut gefallen. Das Dirigat war sehr spritzig und schneller als jedes, das ich bis dato gehört habe. In den Ensembles (z. B. "Susanna, or vi sortite!") fand ich hat das hervorragend funktioniert und ich habe selten in einer Oper so viel lachen müssen. Im Briefduett und dem Duett Susanna und Conte hätte ich mir ein bisschen mehr Ruhe gewünscht, aber das ist Jammern auf höchstem Niveau.


    Die eine Sache die mir stellenweise wirklich auf die Nerven ging waren die von allen Sängern angebrachten, die melodische Linie durchbrechenden zusätzlichen Ornamentierungen. Das mag ich bei Mozart einfach nicht, es ist kein Donizetti oder Bellini.


    Die Regie war sehr modern aber ich fand es sehr witzig. Mein persönlicher Lieblingsmoment war, als Susanna im 2. Akt aus dem Kabinett wiederauftauchte und der verzweifelnden Gräfin mit den Worten "Das können Sie drehen wie sie wollen" (con uomin, Signora, Girate, Volgete) einen Joint hinhielt.


    Elsa Dreisig, um den Bogen zurück zu schlagen, war für meine Begriffe ein absolutes Highlight des Abends. Sie hat die Gräfin sehr viel selbstsicherer angelegt als ich es gewohnt bin zu sehen und zu hören. (An einer Stelle hat sie dem Grafen die mitgebrachte Axt zum Aufbrechen des Kabinetts entrissen!) Dabei ein Wunderschönes Timbre. In den Arien war sie aber wieder sehr zart und verwundbar, was den Schluss nahelegt, dass die Gräfin einfach eine harte äußere Fassade präsentiert um ihren inneren Schmerz zu übertünchen. Szenisch und Stimmlich hatte sie eine tolle Chemie mit Louise Alders Susanna, ihre Stimme kam im Vergleich sehr viel Damenhafter daher, was die Beziehung der Figuren Musikalisch sehr schön illustriert. Den Grafen von Huw Rendall Montague hat sie Stimmlich etwas erschlagen aber der war generell etwas auf der leiseren Seite.


    Ich hoffe, Du hast Freude an meinem Bericht und dass der Thread wider erwarten noch großen Zulauf findet.

    Beste Grüße,

    Niklas

    Hallo Nemorino,

    vergangenes Wochenende hatte ich das Glück, Elsa Dreisig in München als Gräfin Almaviva in der Hochzeit des Figaro erleben zu dürfen. Ich bin überzeugt, dass wir von dieser Sängerin noch großes erwarten dürfen. An diesem Abend war sie die einzige Sängerin an die ich mich nicht erst gewöhnen musste. das soll keineswegs heißen, die anderen seien schlecht gewesen, ich bin einfach ein bisserl wählerisch beim Timbre, aber dass ich so von der ersten Note an im siebten Himmel schwebe passiert mir denn doch nicht so häufig.


    Danke für das Erstellen dieses Threads. Ich bleibe gespannt und Hoffnungsvoll auf seine weitere Entwicklunug

    Beste Grüße

    Niklas

    Ich bin zwar wahrscheinlich etwas spät dran, aber ich möchte dennoch ein paar Eindrücke von dem Berliner Macbeth hier zur Diskussion stellen. Es mag freilich an meiner mangelnden Kritikfähigkeit liegen, aber ich habe live keinerlei Abnutzungserscheinungen an der Stimme bemerken können (im Gegensatz zu den jüngeren Aufnahmen.) diese Frau öffnet den Mund und dunkles Gold strömt heraus.


    Ein paar Sachen, wie zum Beispiel den gekappten Spitzenton im ersten Rezitativ, den sie wenn ich es richtig gehört habe höher machen wollte, als sie es geschafft hat sind mir zwar aufgefallen, aber war kaum störend. Dafür verschwenderische Piani, Pianissimi und Diminuendi vor allem in der Schlafwandelszene. Aber auch schon in "Or tutti sorgete" und "La luce langue"


    Selbst ich muss zugeben, dass es eine Reihe Sängerdarstellerinnen, auch in der Gegenwart gibt, die manche Arien interessanter interpretieren, im Duett ist Anna Netrebko für meine Begriffe aber kaum zu überbieten und auch an diesem Abend unerreicht.


    Im Spiel Flucht in die große Diven-Geste. Sie wirkte, wenn man mir den dramatischen Ausbruch nachsehen will so als wolle sie zu einem erheblichen Teil sich selbst oder vielmehr die Persona, die ihr die Presse und zuletzt vermehrt die Öffentlichkeit auf den Leib geschrieben hat, spielen, die Blutgierige Kriegsdiva hinter der sich eine ganze Industrie verstecken kann. Es gibt keinen Grund zu fragen was in den vergangenen Jahren in unserer Russlandpolitik und Gesellschaftsentwicklung schief gelaufen ist. es ist viel einfacher auf Frau Netrebko einzuschlagen und sich dabei tugendhaft zu fühlen.


    Eine letzte Anmerkung zu Dingen die ich in Kritiken zu dem Abend gelesen habe: Ich glaube nicht dass die verschränkten Arme während des Szenenapplauses in der ersten Arie an ihre Kritiker gerichtet waren. (bzw. den einen, der es rein geschafft hat.) Wenn man sich das Video dieser Produktion von 2018 ansieht, bemerkt man dass sie es damals schon ganz genauso gemacht hat und diese Trotz-Geste Teil des Rollenporträts war.


    In jedem Falle eine Erfahrung die ich auf keinen Falle missen möchte.

    Beste Grüße,

    Niklas

    Ich halte Flashmobs insoweit für ein sehr gutes Mittel, als sie im Gegensatz zu Herrn Rieu dazu beitragen die ernstlich schädlichen (und vielleicht nicht ganz unbegründeten) Vorurteile gegen Klassische Musik abzubauen. Klassik hat gerade bei meiner Generation (ca. 20jährige) den Beigeschmack von "Du bist hier nicht Willkommen" Ganz konkret hat sie eine Reputation als das teure Hobby vornehmlich alter (oder älterer), vornehmlich weißer, Erzkonservativer Reicher die am liebsten in ihrem Elfenbeinturm sitzen bleiben und die man eben noch tolerieren muss, bis ihre gesellschaftliche Relevanz völlig verschwunden ist, mit denen man sich aber sicher nicht gemein machen möchte. Dazu trägt die Pop-Kultur ihren Teil bei, die sich in Film und Fernsehen der Klassik regelmäßig bedient um unsympathische Figuren, die eben in die oben genannte Sparte fallen zu charakterisieren um Diese Vorurteile zu zerstreuen nützt André Rieu für meine Begriffe nicht, völlig unabhängig von der künstlerischen Qualität seiner Interpretationen. Die Tickets sind teuer, er bedient sich ganz bewusst einer 19. Jh. Ästhetik und er wohnt in einem Schloss um Himmels Willen!

    Flashmobs dagegen zeigen Alltagsmenschen in einer Alltagsumgebung und verknüpfen manchmal klassische Musik damit. das hat eine gewisse Natürlichkeit die man der Klassik sonst gerne abspricht. Außerdem wird dadurch eine Gruppendynamik in das Erlebnis gebracht die bei klassischen Konzerten einfach fehlt. bei. Bei Klassikkonzerten oder Opernbesuchen spüre ich eine Gemeinschaft mit den Menschen auf der Bühne, bei Rockkonzerten mit meinen Mit-Fans, ersteres ist introspektiv und kann auf Individueller Ebene von großer Intensität sein aber letzteres ist dynamischer und - wichtig - ansteckend.

    Als Jemand der erst kürzlich (vor ca. 3 Jahren) zur Klassik gefunden hat und seither ständig auf Missionszug ist würde ich sagen erster Schritt ist festzustellen wonach unser Novize in Musik sucht und welche Fähigkeiten mitgebracht werden. Kann sie oder er aktiv hören? Kann sie oder er sich lange genug auf die Musik konzentrieren dass man direkt eine Symphonie anhören kann? Ich würde auch drauf Hinweisen dass in einer Welt in der die meisten Lieder 3-5 Minuten lang sind kann auch ein einzelner Satz von 10-20 min. Länge als sehr lange wahrgenommen werden. Es gibt eine Reihe von Reaction-Videos auf Youtube von Leuten die „Beethovens 5. Symphonie zum ersten Mal hören“ (Den 1. Satz. Sie hören den 1. Satz der 5. Symphonie.) und viele von ihnen stellen ganz verblüfft fest wie lang das ist. Eine junge Dame bleibt mir besonders in Erinnerung mit dem – von mir etwas frei zitierten – Satz „I mean this is amazing, but this better be it, Beethoven!“ Wenn Gar nichts vorhanden ist wäre meine Empfehlung: Ouvertüren. Möglichst kein Wagner weil zu lang, dahin kann man sich vorarbeitenAber Fledermaus, I Capuleti e i Montecchi, La Gazza Ladra, die Entführung aus dem Serail, le Nozze di Figarro scheinen mir eine sehr niedrige Eingangshürde zu haben. Später Andere Teile von bekannten Stücken: Verschiedene Exzerpte aus Schwanensee mit der Challenge auf die bekannten Motive zu lauschen. Ich fürchte jedoch, dass das nicht allgemeinverbindlich ist und ich wohl kaum ein Regelfall sein dürfte.


    Beste Grüße,


    Niklas

    Zitat

    Ob der Kritiker kundig war oder nicht, mir hat es außerordentlich GUT gefallen.......und dem Publikum ebenfalls!

    Und der Saal war rappelvoll!!!

    Und das ist großartig! Wie schön ist es doch, dass wir eine Kulturlandschaft haben die uns diesen Genuss gestattet und ermöglicht.

    Hallo zusammen,

    Kaufmann ist für mich so ein Sonderfall. Ich denke ich mag ihn nicht besonders und er kommt um die Ecke und haut mich vom Hocker wie kaum jemand sonst. Und dann meine ich, ich sei endlich in seinem Bann angekommen und beginne eine neue Aufnahme mit ihm zu hören und stelle fest dass das überhaupt nichts für mich ist. Bei Wagner finde ich ihn ausnahmslos genial im Italienischen Fach von Fall zu Fall verschieden. Das sein Nessun Dorma bspw. ist mir zu tief. punkt. wenn ich Pavarotti diese Arie singen höre geht die Sonne auf. bei Kaufmann ist es bestenfalls der Mond. Den Cavaradossi oder Manrico finde ich hingegen herrlich.

    Für einen Besserwisser halte ich mich eigentlich nicht, das würde ja implizieren, dass ich was weiß...

    um es positiv zu sagen er ist ein Sänger der mich immer wieder überraschen kann.

    Beste Grüße

    Niklas

    Ein verspäteter Nachtrag bzw. eine Korrektur zu meinem vorangegangenen Beitrag. Die Ukrainischen Teilnehmer Musiker dementieren Gerüchte über die Bedeutung der Ukrainischen Regierung für ihren Rückzug von den Wiesbadener Festspielen.


    Dadurch wird der zweite Absatz des Beitrages hinfällig. Mir war diese Information als ich den Beitrag verfasste nicht bekannt. Ich entschuldige mich für meinen Mangel an Recherche.


    Um zur Kunst zurückzukehren: Wie sind die Meinungen zur jüngsten Aida in Wien? Hatte jemand die Möglichkeit es Live zu erleben?


    Ich selbst habe die (ich glaube) dritte Vorstellung der Serie auf Youtube hören und sehen können. Von der Inszenierung war ich alles andere als Beeindruckt (Ich hätte mir vor allem mehr Licht gewünscht) aber Stimmlich fand ich vor allem die Damen superb.

    Netrebko schafft es, dass ich mich tatsächlich auf die Auftritte der Aida freue, ihnen manchmal sogar regelrecht entgegenfiebere, obwohl ich mit der Figur musikalisch sonst recht wenig anfangen kann. (Ritorna Vincitor! zählt zu den von mir am wenigsten geliebten Arien für Sopran überhaupt.) Meine Highlights waren die wundervoll zarten Piani und Pianissimi wundervoll zu hören im Schlussduett mit Kaufmann.

    Grandios auch Frau Garanca als Amneris. Ich bevorzuge oftmals kühlere innerliche Leidende Antagonisten statt den rasenden wilden Furien die man sonst so hört. (Der Online Merker nennt Fiorenza Cosotto als Beispiel. und ich möchte das Übernehmen.)

    Mit Herrn Kaufmann werde ich einfach nicht so recht warm. Mir ist seine Stimme eigentlich zu dunkel. Bei Wagner schätze ich ihn sehr, aber der Radamès.... vielleicht habe ich zu sehr Pavarotti im Ihr aber bei dessen Celeste Aida hab ich das Gefühl die Sonne geht auf bei Kaufmann habe ich das Gefühl sie geht unter. das mag nur persönliche Präferenz sein, aber ändern kann ich für den Moment auch nichts dran.

    Keine Prbleme hatte ich hingegen mich mit Luca Salsis Amonasro anzufreunden. Hier genieße ich die warme Dunkelheit der Stimme die wundervolle Darstellung die tatsächlich den Kriegsherrn und den Vater gut zusammenbrachte.


    Ich würde mich über Eure Eindrücke freuen und

    verbleibe

    mit Besten Grüßen


    Niklas

    Auf intellektueller Ebene verstehe ich die Argumentation.


    Aus dem Bauch heraus habe ich jedoch ein Problem damit. Ich möchte versuchen meine Gedanken zu verbalisieren.


    Ich fürchte ich, habe ich mich hier etwas unklar ausgedrückt. Unabhängig ob man von der Distanzierung zufriedengestellt wurde oder dieselbe für unglaubwürdig hält, ist sie nun einmal erfolgt. Damit hat Frau Netrebko unseren "Rechtsansprüchen" Genüge getan und es gibt für meine Begriffe keine Grundlage mehr um irgendeines ihrer Engagements in Frage zu stellen.


    Die Ukrainische Regierung, der ich in ihrem Kampf gegen den russischen Angriffskrieg nur das beste wünsche, hat in für meine Begriffe ungehöriger Weise durch ihren Botschafter in ungehöriger Weise in den künstlerischen Betrieb eingegriffen. Ich halte es für bedauerlich dass das Land Hessen nun nachgezogen ist und finde allerdings dass dieses im Gegensatz zur Ukraine, die mit ihrer Sanktionsliste, was immer man davon halten mag, eine Rechtsgrundlage geschaffen hat, dieser entbehrt sich besser herausgehalten hätte.


    Die Ukrainische Botschaft hätte sich an den Festspielintendanten wenden können. Für meine Begriffe gab es keine Notwendigkeit für eine Einmischung deutscher Politiker.


    Und offen gestanden kann ich mich des Verdachtes nicht erwehren, der einzige Grund für die Einmischung liegt in dem Wunsch in dieser Sache Flagge zu zeigen.


    und dies halte ich nun nicht zwingend für die Aufgabe des Herrn Rhein.


    Ich hoffe meine Übelregungen ergeben einigermaßen Sinn und ich bin niemandem zu nahe getreten.


    Mit besten Grüßen

    Niklas

    Lieber thdeck


    Ich muss gestehen, ich kann jetzt nicht mehr ganz folgen. Du argumentierst, es sei das Recht des Herrn Rhein sich mit politischen Argumenten in die Debatte einzumischen. Verstehe ich das richtig?


    Persönlich hätte ich andersherum argumentiert. Es ist natürlich das gute Recht des Herrn Rhein ein Kunstwerk als solches gut oder schlecht zu finden und dies auch nach außen zu kommunizieren. Ich halte es jedoch für problematisch wenn sich Herr Rhein mit politischen Argumenten in eine Künstlerische Debatte einmischt.


    Mit besten Grüßen


    Niklas