Beiträge von Werner Hintze

    ich habe mir eine DVD der Marthaler-Inszenierung besorgt und bin sehr enttäuscht.

    Es ist aber auch etwas merkwürdig, sich die DVD einer Marthaler-Produktion zu beschaffen und dann enttäuscht zu sein, weil man sich eine Marthaler-Produktion beschafft hat. Wenn man eine Bratwurst bestellt, bekommt man keine Sahnetorte. Das müsste doch eigentlich klar sein. Man bekommt, was man bestellt. Wo Marthaler draufsteht, ist auch Marthaler drin. Das ist eigentlich eine ganz saubere Sache.

    Der Dramaturg hat darauf absolut keinen Einfluss (und auch übrigens gar keine Beziehung zu der Sache mehr) und würde sich nicht äußern, wenn er ihn hätte. Es handelt sich auch um keinen Abgesang, wenn man darauf hinweist, dass eins der grundlegenden Charakteristika des Theaterkunstwerks dazu führt, dass die Vorführung solcher Titurel-Aufführungen höchst fragwürdig ist. Er handelt sich lediglich um eine Feststellung, die sich zwingend aus der Natur der Sache ergibt.


    Übrigens kann es auch schön sein, in Ruinen zu wandeln. Ich habe letzte Woche die des Karnak-Tempels besucht, und es war wieder ein großes Erlebnis. Allerdings macht mir da auch niemand vor, ich würde das Bauwerk so sehen, wie es einst war. Das ist der Unterschied. Theater ist nun mal eine grundsätzlich zeitgenössische Kunst. Altes Theater kann es nicht geben. Was man so präsentiert, ist bestenfalls eine gut konservierte Mumie, oder eben so etwas wie ein rosig geschminkter Titurel.

    Ja, naja. Stimmt. Daran habe ich jetzt aber gar nicht gedacht, sondern eher an die in aller Regeln von keiner Kenntnis angekränkelten Elaborate der Opernkritiker. Allerdings wird das ja auch nicht für die gemacht. ;)

    Generell ist das natürlich ein Schwachpunkt des Repertoire-Theaters.

    Nicht generell. Sondern vornehmlich in der Oper. Im Schauspiel kommt es äußerst selten vor, dass eine Produktion so lange künstlich am Leben gehalten wird, bis sie nur noch aus Prothesen besteht. Das liegt wohl daran, dass dort eine Aufführung nicht viel zu bieten hat, wenn die theatralische Qualität durch Abnutzung dem Nullpiunkt zustrebt, während diese in der Rezeption von Opernproduktionen grundsätzlich von untergeordneter Bedeutung ist.

    Vielleicht bekomme ich es ca. 28 Jahre nach der Premiere ja endlich hin mal hinzugehen... :)

    Es gibt eine DVD. Dokumentiert ist der zweite (oder schon dritte?) Aufguss. Ganz frisch ist das auch nicht, aber doch immerhin näher an dem, was das mal war.

    In diesem Falle kann man da vollkommen sicher sein. Eine Produktion, bei der es vor allem auf äußerste Präzision des Spiels und des Zusammenspiels ankommt, ist über einen solchen Zeitraum selbst bei ernsthaftesten Bemühungen aller Beteiligten nicht zu halten. Und schon gar nicht, wenn der Anteil humoristischer Elemente hoch ist, weil die besonders viel Genauigkeit und Strenge erfordern und nahezu unwiderstehlich dazu verführen, dem »Affen Zucker zu geben«. Aber es kann natürlich auch einen gewissen Reiz haben, durch Ruinen zu wandeln.

    […] dass Lohengrin zurückkehrt […]

    Grundgütiger! Wer ist denn auf die Idee gekommen, dass es gut ist, dem Publikum die traurigen Ruinen einer vor fast 30 Jahren erfolgreich (und wohl auch gut) gewesenen Produktion zu präsentieren?


    (Nebenbei: Zemlinskys Einakter ist nicht besonders komisch und soll es auch nicht sein, weshalb er auch einen Titel hat, der das nicht verspricht.)

    Wenn Lutgra über die erste schreibt, sie wäre eine der uninteressantesten Sinfonie, denen er je begegnet ist, so muß man ber seinen musiklaischen Geschmack Bescheid wissen.

    Ich glaube nicht so daran, dass Lutgra von einer Sinfonie von 1881 erwartet, dass sie stilistisch so gearbeitet ist, als wäre sie 80 Jahre jünger. Allerdings kann man schon erwarten, dass sie stilistisch einigermaßen auf der Höhe ihrer Zeit ist. Das ist also der späte Wagner oder der späte Brahms. Davon ist dieses seichte Geplätscher weit entfernt, was diese Sinfonie uninteressant macht. Da gebe ich Lutgra vollkommen recht.

    Übrigens fällt mir bei solchen Dingen immer eine Äußerung von Karajan ein. Der wurde gefragt, warum er so wenig Elgar macht. Seine Antwort war (sinngemäß aus dem Gedächtnis zitiert): »Warum soll ich einen zweitklassigen Brahms spielen, wenn es den erstklassigen gibt?« Auf diesen Fall angewandt, wenn man diese Musik als verdünnten Beethoven nehmen will: »Warum sollte man seine Zeit mit einem dritt- oder viertklassigen Beethoven verlieren, wenn man mit dem erstklassigen nie zum Ende kommt?«

    Für mich ist Strawinskys Werk klar das wertvollere. Orffs Werk ist eine geglättete und verdaulich gemachte Version, wo auch der einfachere, weniger gebildete Geschmack schneller auf seine Kosten kommen mag.

    Man kann das so nennen, und es ist auch etwas dran. Ohne diese Glättung hätte Orff in den 1000 Jahren nicht die Position einnehmen können, die er hatte. Strawinsky wäre an der Stelle undenkbar gewesen. Man hätte seine allzu rauhe Musik nicht gewollt, und er hätte ein solches Angebot angewidert ausgeschlagen. Das ist ja klar. Und führt zu meinem Haupteinwand: Mich stört an diesem Stück – wie an all diesen antikisierenden Werken des Meisters - dass es sich anhört und liest, wie die Reichskanzlei aussah und Germania hätte aussehen sollen. Und das ist gewiss kein Zufall. Da ist mir dann ein Strawinsky nicht nur aus Qualitätsgründen lieber, sondern auch, weil seine Musik sich ganz und gar nicht zur Verherrlichung so eines oder irgend eines anderes politischen Systems eignet, eben weil sie durchgehend subversiv ist (schon die widerborstigen Akzente in »Pulcinella« sind da ja deutlich genug, und die sind immerhin so unauffällig, dass es vielen Dirigenten gelingt, sie unhörbar zu machen).

    Ich gestehe, dass mir das dann doch zu weit geht. Knapp dreissig Jahre vor meiner Geburt geschrieben, was will man denn da kopieren? Den Spielstil der Frankfurter bei der Uraufführung? Das klingt mir doch sehr danach, Entwicklungen und Veränderungen zurückdrehen zu wollen.

    Keine Sorge, das ist nicht gemeint. Das ist einfach nur Marketing. Mit Entwicklungen und Veränderungen hat das nichts zu tun. Man muss aber etwas tun, um potenzielle Käufer zu überzeugen. Und da ist nun mal HIP seit einiger Zeit eine sehr beliebte Vorspiegelung eines USP.

    Den habe ich vor ein paar Tagen gesehen, um auf Botschafter des Friedens 2 vorbereitet zu sein, der sewit ein paar Tagen im Kino läuft, und den gestern im Kintop bei uns um die Ecke 10 Zuschauer sahen, die sich wie Bolle amüsierten. Der erste ist übrigens auch in der 3sat-Mediathek vorhanden, da kann man ihn ohne finanziellen und logistischen Aufwand betrachten.
    Beide Filme sind sehr unterhaltsam und witzig. Beide erzählen ziemlich abgedrehte, aber gut gebaute, Geschichten mit witzigen Dialogen und überraschenden Wendungen. Die Schauspieler (vor allem Hübchen, Glatzeder, Gwisdek im ersten und einfach umwerfend Harfouch und Thalbach im zweiten) sind allesamt grandios, und dieser Tatsache ist es wohl zu verdanken, dass beide Filme an einigen Stellen zu einem ganz unverhofften Ernst und geradezu Tiefe finden. Vor allem der zweite Teil hat sehr berührende Passagen und wird schließlich bei allem Klamauk zu einer sehr zarten Reflexion über das Altern. Nichtsdestoweniger kann man sich scheckig lachen. Ich werde mir beide sehr bald noch einmal ansehen.

    Mir ist ganz neu, dass Mut dazugehört, in einer Rezension Buhs für die Regie zu erwähnen. Seit wann ist das so?


    Ganz unter uns: Es gibt Opernführer.. Und in denen kann man nachschlagen, wie die Figuren des Stücks heißen, wenn man es nicht weiß. Das ist besonders ratsam, wenn man sich als wahrer Kenner und tapferer Verteidiger der Heiligen Werke ausgeben will.

    Ein Besonderheit des Werkes ist, daß Orffs Komposition zwar aus dee ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammt, daber keine der für diese Zeit als typisch angesehene Tonsprachen verwendet,

    Das kann man so nur sagen, wenn man z. B. Strawinsky und so einige andere Komponisten, die einen ähnlichen Weg gegangen sind, ignoriert. Damit entspricht man vielleicht dem Dogma der Philosophie der Neuen Musik, aber war das beabsichtigt? Ich meine, ein paar Takte der Psalmensinfonie oder des Oedipus Rex reichen aus, um zu sehen, dass Orff da keineswegs allein steht. Und sie reichen auch, um den galaktischen Qualitätsabstand beider Komponisten zu erfahren.

    Die Schwierigkeiten beim »Ewigen Evangelium« werden durch andere Stücke von Janacek nicht verringert. Sie liegen darin, dass man, wenn man über Joachim von Fiore und seine Position in der Geschichte und vor allem seine bis heute reichende Tradition in den Ostkirchen nicht Bescheid weiß, einfach nicht herausbekommen kann, wovon da überhaupt die Rede ist. Im Unterschied zur sehr einfachen Geschichte, die »Amarus« erzählt, ist das nämlich wirklich schwierig. Aber man muss man das natürlich nicht wichtig nehmen.

    Ich würde dringend empfehlen, die Aufnahme des »Ewigen Evangeliums« in diese Liste zu prüfen. Das kann zwar keinesfalls als Mini-Oper gelten, schon weil das Format keineswegs klein ist, aber es ist eins der verrücktesten Stücke dieses Komponisten und jedenfalls eins der schrägsten, die ich kenne. Und außerordentlich beeindruckend. Allerdings eine harte Nuss, auf der man einige Zeit herumbeißen muss. Wer kennt in unseren Breiten schon Joachim von Fiore? Und wer weiß, welche Rolle er für die Ostkirchen spielt?


    (Ich kannte ihn nicht, bevor ich auf dieses Janacek-Stück stieß. Und seltsamerweise stach mir zum selben Zeitpunkt der entsprechende Abschnitt in Mauthners Geschichte des Atheismus ins Auge.)


    Übrigens ist das auch musikalisch einer der ganz großen Würfe Janaceks.

    Es ist lange her, dass ich das gelesen habe (damals dreimal hintereinander) und davon sehr beeindruckt war. Vermutlich ist es auch heute noch lesenswert. Leider ist es unübersetzbar. Die deutsche Übersetzung ist nicht besonders gut, aber auch wenn sie perfekt wäre, würden nahezu alle der inhaltlich höchst bedeutenden Wortspiele, Anspielungen, Speie mit dem Vokalklang usw. verloren gehen, weil sie in einer anderen Frage einfach nicht zu reproduzieren sind. Wer es kann, sollte das Buch unbedingt im Original lesen.

    Ich empfehle vor allem wärmstens die beiden CDs mit Kompositionen von Schostakowitsch und Chatschaturjan. Das sind Werke, die jeden begeistern werden, der Musik liebt, die sowohl kompositorisch als auch (vor allem) inhaltlich abscheulich ist. Ich kenne die CDs nicht, aber die Filme musste ich sehen. Eine sowohl filmisch als auch musikalisch unvergesslich schlimme Erfahrung. Zu dem niederschmetternden Eindruck, den diese von spätstalinistischem Pathos durch und durch getränkten Propagandamachwerke hinterlassen, tragen diese bombastischen Musiksoßen, mit denen nahezu jede Szene übergossen ist, ganz entscheidend bei. Das ist wirklich sehr hörenswert.

    Diese Rechnung ist einigermaßen stark dadurch beeinträchtigt, dass der Wunsch der Vater des Gedankens ist und schon vorher feststeht, was am Ende herauskommen soll. Dass Frauen im Berufsleben fühlbar benachteiligt sind, lässt sich nicht bestreiten, wenn man sich an den Fakten orientiert. Ebenso wenig lässt sich allerdings bestreiten, dass die auf Unkenntnis beruhende Radebrechung der Sprache, in deren Folge sie angeblich gedchlechtergerecht werfen soll, absolut nichts dazu beiträgt, dieses Problem zu lösen. (Jeder kann das nachprüfen, denn es gibt genug Sprachen, für die das Problem nicht existiert, weil es in ihnen kein grammatikalisches Geschlecht gibt, so dass es auch nicht mit dem biologischen verwechselt werden kann. Hätte die Sprache einen Einfluss auf die Stellung der Frau, müsste dieser zum Beispiel in der Türkei vorbildlich sein und immer gewesen sein...)

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    aber bei der achten Sinfonie empfinde ich ähnlich wie Du: schrill und laut.

    Das ist Mahler bestimmt gar nicht aufgefallen. Der wollte eigentlich, dass alles schön rund, voll und angenehm klingt (wie bekanntlich on all seinen anderen Sinfonien). Schade dass Du ihm nicht sagen konntest, dass ihm das nicht gelungen ist. Die Sinfonie wäre dann ganz sicher viel besser geworden. Und niemand müsste sich die Mühe machen, darüber nachzudenken, warum sie wohl so klingt, wie sie klingt.

    Die Begründung leuchtet mir ganz und gar nicht ein. Es gibt auch keine Streichquartettmusik und kein Adjektiv Klaviersonatenmusikalisch. Es genügt, von musikalischen Eigenheiten einer Klaviersonate zu sprechen. Die Rede von den klaviersonatenmusikalischen Eigenheiten einer Klaviersonate ist unnötig geschwollen.

    Nun, gut. Ich dachte es mir schon, hielt es aber immerhin doch für möglich, dass etwas Sinnvolles dahintersteckt. Nun bin ich aufgeklärt. Vielen Dank!

    Ich habe da eine Frage, die etwas seitlich zum Thema liegt, die ich aber, da sie mir schon lange immer wieder mal in den Sinn kommt, jetzt mal loswerden will: Ich verstehe nicht, was das Wort »Liedmusik« bedeutet (das betrifft natürlich auch die Ableitung »liedmusikalisch«). Oder genauer: Ich verstehe nicht, welchen Sinn die Verwendung dieser Zusammensetzung haben kann. Die Frage lässt sich auch so formulieren: Was unterscheidet Musik von Liedmusik, so dass die Einführung eines zusätzlichen Begriffs gerechtfertigt ist, und welche Funktion hat also dieser zusätzliche Begriff? Ist Liedmusik keine Musik? Und wenn nicht, warum nicht? Welchen Sinn hat eine Aussage woe »Die und die Stelle des Gedichts ist liedmusikalisch so und so gestaltet«, und inwiefern ist sie der Aussage »Die und die Stelle des Gedichts ist musikalisch so und so gestaltet« überlegen? Ich frage das, weil ich das Wort »Liedmusik« bisher nur in diesem Forum gesehen habe und daher hoffe, meine Frage in diesem Forum beantwortet zu bekommen. Ist das möglich?

    Eines kann ich dir aber garantieren: In 5 Jahren ist der Butterpreis anders als heute.

    Gewiss. Aber nicht, weil ich oder die anderen Käufer es so festgelegt haben. Wenn doch, wüsste ich doch gern, welche Käufer es waren, die die enorme Preissteigerung der letzten Zeit festgelegt haben. Ich gehöre mit Sicherheit nicht zu ihnen.

    Was doch so für politisch korrekte Wortungetüme erfunden werden! Erstaunlich... Aber zu welchem Zweck? Nehmen wir an, diese kommentierte Aussage könne tatsächlich als »gerontophob« bezeichnet werden (es spricht einiges dafür). Was ergibt sich daraus? Enthält diese rhetorische Frage ein Argument? Nein. Nicht einmal eine Spur davon. Also was ist ihr Sinn und Ziel? Tja…