Liebe Taminos,
als Verfechter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) sehe
ich sowohl die Vorteile wie auch die Nachteile bzw. das
Verbesserungs-/Veränderungspotential. Für mich ist der ÖRR eine
Kultureinrichtung, vergleichbar mit einer Staatsoper oder einer
Staatsbibliothek nicht aber mit einem auf Gewinnerzielung bzw.
-maximierung ausgerichteten Wirtschaftsbetrieb - was nicht heißt,
dass ordentlich gewirtschaftet werden soll(te).
Leider sind auch in den ÖRR-Führungsetagen (genauso wie z.B. in der Politik) eine Reihe von „Altlasten“
vorhanden die sich bei Abschluss ihres Arbeitsvertrages
Vergünstigungen (z.B. Genehmigung für einträgliche Nebentätigkeiten,
Dienstwagen mit Chaffeur auch für private Nutzung, usw.)
rausverhandelt haben die heute so nicht mehr zeitgemäß sind.
Nachträglich und einseitig wird das nicht zu ändern sein.
Hier mal ein paar Gedanken zu den immer wieder in allen möglichen
Foren aufploppenden populistischen Thesen:
1. Die "üppige Alterversorgung" der Mitarbeiter
Hier ist zwischen zwei Gruppen zu unterscheiden. Alle
AT-Mitarbeiter (Hauptabteilungsleiter und höher) können bei
Abschluss ihres Arbeitsvertrages individuelle Regelungen vereinbaren.
So lange es Entscheidungsträger gibt, die diese Forderungen
akzeptieren wird vom Bewerber alles was erreichbar scheint natürlich
auch gefordert.
Alle tarifgebundenen Mitarbeiter haben bei Abschluss ihres
Arbeitsvertrages bestenfalls einen ganz geringen
Verhandlungsspielraum. Im Herbst 1991 gab es zumindest in einem ÖRR-Haus eine gravierende Anpassung bei den tarifgebundenen Arbeitsverträgen, es wurde die
betriebliche Altersversorgung signifikant verändert. Das bedeutet,
die Höhe der vom Arbeitgeber zu leistenden Altersversorgung
(„Betriebsrente“) ist seit dem im (mehr als) überschaubaren
Bereich.
Alle Verträge die vor Herbst 1991 abgeschlossen wurden beinhalten
eine Regelung, dass der Arbeitgeber die staatliche Rente auf
einen gewissen Prozentsatz des letzten Einkommens aufstockt. Wenn
natürlich die Höhe der staatlichen Rente zwischendurch um mehr als
10 Prozentpunkte gefallen ist besteht eine Finanzlücke, die gemäß
dem ehemals geschlossenen Arbeitsvertrag der Arbeitsgeber ÖRR zu
füllen hat. Somit sind aktuell nicht unerhebliche Zahlungen dafür
zu leisten - das ist richtig. Aber ist das die (alleinige) Schuld der
ÖRR? Oder war die Rentenentwicklung der letzten Jahrzehnte vor mehr als 30 Jahren
schon vorhersehbar?
Die einzige Möglichkeit hier steuernd einzugreifen – nachdem
man die Verträge nicht einseitig ändern kann – wäre im Rahmen von
Tarifverhandlungen die Rentner schlechter zu stellen und deren
Betriebsrenten-Erhöhungen geringer ausfallen zu lassen oder auch
temporär ganz zu streichen.
Es wird beim derzeitigen Stellenabbau im ÖRR, welchen die
Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) verlangt, vielfach
mit den Personalkosten aufgrund der "hohen Betriebsrenten"
argumentiert. Kurzfristig wird sich daran aber nichts ändern lassen
(siehe oben) und man reagiert mit massivem Personalabbau
(Altersteilzeit, freiwillige Beendigung, …). Das bedeutet keine
Neueinstellungen, damit fehlt der Nachwuchs. Es werden aber leider
andere Probleme geschaffen die man momentan noch nicht sehen will.
2. Die "überbezahlten Mitarbeiter" in den ÖRR
Hier beziehe ich mich auf die tarifgebunden Beschäftigten. Mit Blick auf die mir bekannten Tariferhöhungen der letzten 25
Jahre ist anzumerken, dass man sich bis auf wenige Ausnahmen an den
Tariferhöhungen des Öffentlichen Dienstes (ÖD) orientiert hat und
dabei immer bei etwas längerer Laufzeit einige Zehntel-Prozentpunkte
darunter geblieben ist. Es waren in dem genannten Zeitbereich wenige
Tarifrunden bei denen die statistische Inflationsrate überhaupt
erreicht wurde. Zu den genannten wenigen Ausnahmen zählt zum
Beispiel die vor einigen Jahren stattgefundene Tarifrunde in der dem
ÖD doch etwas mehr zugestanden wurde (über 3 Prozent). Bei den
ÖRR gab es in diesem Zeitbereich dagegen mit dem Verweis auf "fehlende
Finanzmittel" keine vergleichbare Erhöhung.
Derzeit laufen Tarifverhandlungen: Von einem ÖRR-Haus wird für
2024 2,3% und 2025 nochmal eine Erhöhung in dieser Größenordnung
bei einer Gesamtlaufzeit von 30 Monaten angeboten. Allerdings die
zweite Stufe in 2025 nur unter der Bedingung, daß die von der KEF
empfohlene Beitragserhöhung kommt. Die zweite Bedingung ist, dass
bei Neuverträgen (und Vertragsänderungen) die letzte Dienstaltersstufe
entfällt. Achja, wie hat der ÖD für den genannten Zeitraum 2024/25
abgeschlossen? Richtig: Über 10% in drei Stufen bei 24 Monaten
Laufzeit.
Ich würde doch mal gerne Beschäftigte der Metall- und
Elektrobranche jammern und wehklagen bzw. protestieren sehen, wenn
sie zum Beispiel mit einer Erhöhung in drei Stufen von insgesamt
4,5% bei einer Laufzeit von 46 Monaten beglückt werden wie es sie in
einem ÖRR-Haus auch schon mal gab.
Seitens der Politik wird diskutiert, dass sich die Gehälter der
ÖRR-Mitarbeiter an denen des ÖD orientieren sollten. Dazu möchte ich
anmerken, dass der ÖD in vielen Bereichen schlecht zahlt und
dieses meiner Meinung nach nicht als positives und nachzueiferndes Beispiel dienen sollte. Ich bin kein Fan
von den in Deutschland so beliebten Neiddebatten aber vielleicht
sollte man mal die Altersbezüge und die Nebeneinkünfte unserer
Politiker genauer unter die Lupe nehmen und entsprechend anpassen. Stichpunkt ein gewisser deutscher Ex-Bundeskanzler und Freund des
russischen Diktators.
3. Die aktuell diskutierte Rundfunkbeitragserhöhung
Natürlich ist es ärgerlich wenn der Rundfunkbeitrag steigt.
Für die Notwendigkeit einer Anpassung gäbe es doch (in Deutschland) die KEF welche den Finanzbedarf
genau prüft und genehmigt und nicht besserwissende Politiker die
sich - so behaupte ich - aus Furcht vor einer gewissen populistischen
Partei (mit zumindest teilweise gesichert rechtsextremen Hintergrund)
gegen eine Erhöhung sperren und damit gegen geltendes Recht
verstoßen. Stichpunkt politische Einflussnahme.
4. Kommerzielle Medienanbieter
Wer glaubt denn allen Ernstes, dass das Angebot der kommerziellen
Medien für den Konsumenten ein Allheilmittel darstellt welches noch
dazu kostenlos ist? Woher kommen denn die Unsummen die diese
Medienkonzerne für Sportrechte, für Gagen der sogenannten „Stars“, den großteils inhaltlichen Mist den sie verbreiten
und so weiter ausgeben? Stichpunkt Werbeeinnahmen.
Noch einige Gedankenanregungen zum Schluß:
Vor wieviel Jahren war die letzte Erhöhung und um wieviel ist das
Leben seitdem inflationsbedingt allgemein teurer geworden? Wurde
zwischendurch der Rundfunkbeitrag (in D) nicht auch gesenkt?
Es soll weniger von den lästigen Sendungs-Wiederholungen in den
Fernsehprogrammen geben. Das bedeutet es müsste mehr produziert
werden. Von welchem Geld sollen (mehr) sinnvolle Programmbestandteile
produziert werden wenn es keine (zumindest teilweise)
Inflationsanpassung des Rundfunkbeitrags geben darf?
Von der Politik gewollt soll die private, kommerzielle
Medienproduktionswirtschaft „gefördert“ bzw. mit Aufträgen
versorgt werden. Sie soll möglichst viel vom zu verteilenden
Produktionskuchen des ÖRR abbekommen. Die ÖRR-interne Produktion
darf/muss dagegen „gesundschrumpfen“. Hat man diese nicht schon
soweit „gesundschrumpfen“ lassen, dass von „gesund“ keine
Rede mehr sein kann? Ist das wirklich kostensparender? Oder kommt
dabei mehr und besseres Programm raus?
Könnte es vielleicht sein, dass der Staat mittels Auftragsvergabe an die Wirtschaft möglichst viel vom Rundfunkbeitrag mittels
Umsatzsteuer und sonstigen Steuern und Abgaben abgreifen möchte?
Wie geschrieben ich bin ein bekennender Fan vom öffentlich-rechtlichen
Rundfunk. Dieser ist für unsere Demokratie und unseren
föderalistischen Staat (in D) sehr wichtig. Es gibt jedoch eine ganze Reihe
von Verbesserungsmöglichkeiten die teilweise eben nur langfristig zu
lösen sind.
Viele Grüße
Wolfram