Beiträge von ciociosan

    Netrebos Absage hat den Blätterwald mal wieder rauschen lassen. Was verlangt der Neuenfels von seinem Star, was der nicht zu liefern bereit oder fähig ist? (Vielleicht hat er sie auch nur unter den Tisch getrunken..., worauf sie erbost abgereist ist...?). Den wahren Grund weiß nur sie selbst. Die Inszenierung kann es nicht gewesen sein. Denn diese war letztendlich dann doch nur ein Lüftchen im Wasserglas.


    Zur Inszenierung:
    Als belanglos würde ich sie bezeichnen. Ein billiger grauer Deko-Rahmen für eine emotionale Handlung.
    Zwischentexte, die keiner wirklich braucht, um den Inhalt der Oper zu verstehen. Die dienen nur dem etwas oberlehrerhaften Ego des Regisseurs.
    In der Regel eine leere Bühne mit den nur unbedingt nötigen Accesoirs. Im 4. Akt dann nur noch ein paar kleine Steinchen am Boden für die Wüste.
    Fürs Auge hat der Opernbesucher also diesmal nichts bekommen (doch: Einen dickärschigen grauen Chor!). Laut Aussage von Neuenfels eine beabsichtigte Pointe. Sollten doch allein die Protagonisten auf der Bühne das Drama zeigen. Allerdings sind nicht wirklich viele Opernsänger auch gute Schauspieler. In diesem Falle hat das ja noch ganz ordentlich funktioniert. Bei späteren Besetzungen im Repertoirebetrieb hab ich da allerdings Zweifel.
    Fazit: Eine weder störende, durchaus brauchbare Inszenierung, die mich aber (trotz Stehplatz) nicht vom Hocker reißt. Von Ästhetik kann zu schweigen.


    Zum Gesang:
    Wie schon oben erwähnt, sollen die Sänger die emotionale Entwicklung verdeutlichen. Mit den "Stars" (Das Wort kann ich bald nicht mehr hören, ist irgendwer heutzutage kein Star?) Jonas Kaufmann und Kristine Opolais ist das Inszenierungskonzept aufgegangen. Beide überzeugten mich in der Umsetzung ihrer Rollen. Gesanglich habe ich Fr. Netrebko nicht vermisst (die ich bereits stimmlich zu "reif" für die Manon halte). Allerdings klingt auch K. Opolais in den Tiefen wie eine ältere Frau, in der Höhe oft etwas schrill, manchmal zu wenig voluminös. Angesichts der Optik hört "Mann" da doch gern mal drüber weg, oder? ;)
    Herr Kaufmann sang seinen Tenor-Part wie gewohnt (baritonal, z.T. ein bisserl gaumig, durchaus energisch, manchmal mich auch ein wenig an M. del Monaco erinnernd). Häufig durfte er im Liegen singen. Die Rolle liegt ihm besser als der Manrico im Trovatore. Ob man über seinen Gesangsstil hinweghören kann, entscheiden in diesem Fall die Damen.... :rolleyes:
    Auf jeden Fall brachten beide Sänger eine insgesamt gesanglich emotional durchdachte und überzeugende Leistung.
    Als echter "Star" des Abends allerdings erwies sich Lescaut Markus Eiche :thumbsup: . Seine ansprechende, mit Leichtigkeit geführte, präsente Stimme überzeugte in allen Registern und Situationen. Hier deckten sich Rolle und Stimme optimal. (Und, meine Damen, optisch machte er auch keinen schlechteren Eindruck als der Des Grieux...)
    Roland Bracht als Geronte lieferte eine ordentliche, gut verständlich singende Leistung ab.
    Die Nebenrollen waren exzellent besetzt: V.a. Dean Power als Edmondo oder Alexander Kaimbacher als Lampionaio.


    Zum Dirigat:
    In den Feuilletons konnte ich vorrangig von einer vielgelobten, pathosvermeidenden, Klangfarben und Feinheiten herausarbeitenden Dirigierleistung lesen. So, als ob man unbedingt froh darüber sei, dass man den Puccini aus der Puccini-Musik verbannt habe. Ein bisserl mehr Emotion hätte diesem Abend schon gut getan. Anscheinend vetraute Altinoglu Puccinis Musik nicht wirklich. "Bloss jetzt nicht auffallen!", so kam mir das Ganze vor.
    So langweilig und langgezogen habe ich den 2. Akt noch nie gehört. Langsame Tempi in allen Ehren, aber nur dort, wo sie auch hingehören und mit Spannung durchzogen werden. Im 4. Akt schließlich (und der ist pure Emotion!) blieben auch die zwei entscheidenen musikalischen Themen unterbelichtet. Wer das Original im Kopf hat (Puccinis Streichquartett "I Crisantemi"), weiß um die Bedeutung dieser Trauermusik.
    Zu Beginn der Aufführung hatte ich noch die Hoffnung der musikalischen Entwicklung, die ja gerade in der Manon Lescaut von Akt zu Akt fast explodiert. Leider blieb alles im unverbindlichen Duktus des 1. Aktes festgefahren. Ein verschenkter Puccini - schade.


    Fazit: Gesanglich überzeugend, mittelmäßig inszeniert, furchtbar dirigiert.

    Der Rheingold-Castorf-positive(!) Beitrag aus der SZ:


    http://www.sueddeutsche.de/kul…tans-gaunerclub-1.1732188


    Ein paar Zitate aus Hr. Brembecks Besprechung, ansonsten ohne Worte:


    "Es geht also doch ganz ohne deutsche Seele" - "Gespielt wird irgendwo im Wilden Westen" - "in Petrenko hat der Regisseur nun einen Partner gefunden, der ebenfalls nach Wagners Substanz jenseits jeder Deutschtümelei sucht" - "Urmutter Erda ist eine Puffmutter" - "Castorf lässt das Personal von einem Kamerateam filmen und die Bilder auf eine Großleinwand übertragen, die Teil des Bühnenbilds ist" - "einschlägigen US-Serien vertrauten Ambiente" - "leichter verständlich sind als Wagners kopfgesteuerte Romantikkonglomerate" :cursing:

    Ich hatte einmal einen (figürlich kleinen, etwas gedrungenen) Holländer im Superman-Kostüm gesehen. Dieser szenische Tiefpunkt in Verbund mit der genialen Musik war geradezu grotesk!
    Wie viel müssen wir uns noch davon ansehen? (Ich weiß, wir müssen das nicht, aber ich würde halt mal wieder gerne...)


    Lb. Gruß

    Ich lehne es konsequent ab, in dem ich nicht mehr ins Theater gehe und mir die Musik und die Optik aus der "Konserve" hole. Schade, denn wie gern würde ich endlich einmal mit meinen Enkelkindern wieder in die Oper gehen!

    Das ist wirklich schade! Aber gerade in der sog. Provinz gibt es doch hin und wieder kleine Opern-Perlen-Inszenierungen, die den Stücken keine Gewalt antun (sonst könnte sie auch nicht finanziell überleben). Da ließe ich doch evtl. was finden.
    Lieben Gruß

    Zitat ciociosan:

    Das ist doch genau der springende Punkt! Mit Werktreue haben diese Opern-Aufführungen nichts mehr zu tun, wenn man vor lauter Klamauk nicht mehr die eigentliche Oper erkennen kann! Dann genügt nur noch eine konzertante Aufführung, damit man wenigstens die Musik genießen kann. :yes:

    Das ist dann zumindest die Mininallösung - aber Oper hat halt auch ein Bühnenbild dazu, dass man gern sehen möchte.
    Oder ists dann so wie bei der Verfilmung von Literatur? Der Film ist in der Regel immer reduzierter als das Buch, in dem meine eigene Phantasie walten darf.
    Schade um das Operngesamterlebnis, wenn Bühnenmist schlechte Luft verbreitet und sogar der Musik den Atem nimmt.

    die große Tochter einer befreundeten Familie (6.Klasse) hatte die "Entführung" mit ihrer Musiklehrerin durchgenommen, was ja schon beachtenswert ist.

    In der Tat ist dies ein weiterer Sargnagel. Musiklehrer vermitteln ja kaum "Oper" (Dies ist nur eine Behauptung von mir!), dabei könnte man hier so wunderbar übergreifend arbeiten (Deutsch, Geschichte, Theater, Kunst). Schon zu meiner Zeit in der Schule habe ich für die Musiklehrer die Karten für sinnvolle Opernaufführungen besorgt, damit auch die Mitschüler davon profitieren konnten. Sie selbst (die Lehrer) waren dazu wohl nicht befähigt - ich befürchte, dass das insgesamt nicht besser geworden ist.

    Was mir einfällt, in diesem Ringen um Werktreue und Authentizität einer Operninszenierung, ist doch auch das Nicht-Ernst-Nehmen der nachfolgenden Generation. Wie soll unser Nachwuchs noch Oper sehen (nicht nur hören!) können, wenn Werkinhalt und Inszenierung keinen Zusammenhang mehr haben?
    Als ich mit meinem Sohn eine "Zauberflöte" besucht hatte, die in einer Psychiatrischen Klinik spielte, habe ich mich fast dafür geschämt, dass außer der Musik nichts mehr erkennbar war. Der Zauber der Oper wird so völlig zerstört - und der Nachwuchs überlegt sich den nächsten Opernbesuch zweimal, wenn er überhaupt noch dafür zu begeistern ist. So inszeniert man Oper zu Tode!
    Zweifellos mag es "intelligente" Inszenierungen geben, oder die im Feuilleton als solche benannt werden, und dennoch könnte im Sinne der Zukunft des Opernwesens der Schuß nach hinten losgehen. Als Beispiel Rossinis "Barbier" in einer Münchner Inszenierung von Ruth Berghaus, die ich als junger Mann erlebt hatte, und die mich etwas ratlos zurückließ - eine rein in weiß gekleidete Ausstattung mit einrem Frauentorso auf der Bühne, deren Brust sich zum Balkon öffnete... Den "Barbier" hätte ich mir damals auch anders vorgestellt.

    Davor ziehe ich den Hut. Sich innerhalb weniger Tage in zwei solch' anspruchsvollen Rollen zu behaupten, ist aller Ehren Wert.

    Das ist wohl wahr. Und noch "packt" er es.
    Aber wie lange wird seine Karriere dann anhalten? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er in zehn Jahren noch etwas Gesangliches auf die Bühne bringt. Das ist doch bloßer Raubbau an der Stimme. Nur um jetzt seine Schäfchen ins Trockenene zu bringen. Ein Domingo singt heute noch (als Bariton, ja,ja). Schnelllebige Zeit.

    Lieber ciociosan,


    im Gegensatz zu William habe ich deine Frage eher als sarkastisch angesehen (mein Gott, wer ist der schon?), weil du ja selbst in der Premiere warst, in der Kaufmann den Manrico gesungen hat. Also konntest du dir über den Namen ja nicht im Unklaren sein.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Danke für die Vermittlung. Natürlich war das eine rhetorisch-ironische Frage. Als Münchner kennt man doch seinen Kaufmann, auch wenn er mich nach wie vor nicht begeistern kann. Außerdem sind wir ja nicht zum Streiten hier, außer übers Musikalische natürlich.


    Apropos Kaufmann: Beim letzten Vortrag der Winterreise in der Bay. Stoper war ich ziemlich bedröppelt . Am Ende Jubel für ihn ohnegleichen - ich hatte mich über seine Gestaltung geärgert, und v.a. über die vielen Jubelscharen. Ich kam mir vor wie ein ungerechter Beckmesser. Oder waren die Jubler alles Frauen?

    Wer natürlich in sechseinhalb Jahren erst 16 mal in Tamino gepostet hat, kann das ja auch gar nicht wissen.


    Liebe Grüße


    Willi :D

    Das könnte ich jetzt als geschmacklos, neunmalklug, besserwisserisch oder arrogant empfinden, aber ich nehme es mal einfach (leicht beleidigt) so hin: Als Berufstätiger mit Familie hab ich weder die Zeit noch die Lust, ständig am PC zu sitzen und schlaue Sätze zu konstruieren. Bei Nichterwünschtsein kann man sich ja schnell wieder aus dem Tamino entfernen. Ich mache lieber selbst Musik, als dass ich darüber rede. Das dürfen dann wieder die anderen tun.
    Nix für ungut, so hat jeder seine Prioritäten.
    Ebenfalls liebe Grüße

    Lieber ciociosan,


    ich habe auf DVD eine Übertragung des Troubadour aus der Arena von Verona mit Franco Bonisolli, Giorgio Zancanaro, Rosalind Plowright und Fiorenza Cossotto. Ich habe allerdings nicht herausfinden können, ob es die als auch im Angebot der Kaufhäuser wie Amazon oder jpc gibt. Aber da gibt es auch noch - außer den hier schon genannten - andere, die durchaus als klassische Inszenierungen interessant sind.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Vielen Dank für die zahlreichen Tips!

    Beim Trovatore in München vorgestern waren doch auch tatsächlich diese Schluchzerle zu hören. Allerdings meiner Meinung nach nicht als eingesetzter emotionaler Effekt (dafür war' s doch zu häufig), sondern um technische Registerprobleme zu kaschieren.
    Ich hab halt mit Herrn Kaufmann durchaus meine Hörprobleme, wo andere ihn hochjubeln. Sorry.

    Danke für den Hinweis: Ja, Ciociosan ist natürlich Madama Butterfly, eine meiner Lieblinge - ich bin trotzdem männlich und nicht japanisch... Allerdings, das Getränk wiederum ist mir unbekannt.


    Zur Show oder Inszenierung: Natürlich bin ich froh, dass ich wenigstens "sowas" sehen kann. Da gibt es wahrlich andere Auswüchse an Schwachsinn. Dies war immerhin unterhaltend. Und wenn es schon nicht geistig sehr intellektuell war, dann hat es jedoch "Spaß" (manchmal auch unfreiwilligen, ich denke da an die zwei Kinder mit den Wasserköpfen) gemacht. Wir leben jetzt nun mal im Zeitalter des Aktionismus und der Showeinlagen.
    Wer kann mir eine gute durchdachte Trovatore-Regie (DVD o. ähnl.) aus den letzten hundert Jahren empfehlen?

    Ich hatte (in diesem Fall) das Glück, der Premiere beiwohnen zu können. Für mich ziehe ich folgendes Fazit:
    Zu Regie und Bühnenbild: Der Trovatore ist ja eine etwas seltsame "verschwurbelte" Geschichte, die gut und spannend zu inszenieren fast ein Ding der Unmöglichkeit ist. Eine ausgeklügelte Personenregie konnte ich in München nicht ausmachen. So hat wenigstens das sich ständig drehende und verändernde Bühnenbild Spaß gemacht und die Geschichte zusätzlich zum gesungenen Text und deutschem Übertext stark bebildert und erklärt. Ein bisschen Tarantino-Trash war da durchaus vorhanden. Es war halt eine, für mich durchaus plausible, kurzweilige und passende Inszenierung.
    Zur Musik: Das Dirigat von Carignani hat viele Farben der Partitur zum Blühen gebracht, manchmal mit recht eigenwilligen Tempi, die aber im Gesamtzusammenhang Sinn machten und von diesen Sängern auch getragen werden konnten.
    Frau Harteros allein war das Eintrittsgeld schon wert!!! Wenn sie sang, wurde Regie und Bühnenbild zur Nebensache. Einfach nur grandiose Gesangskultur, Piani zum Dahinschmelzen.
    Herr Kaufmann hatte da schon andere Probleme. Natürlich wirkt sein Aussehen, ideal für einen Trovatore (Botha kann man sich da nicht vorstellen). Auch die lauten Stellen kommen emotional, energisch, volltönend, stark baritonal gefärbt. Auch die Stretta (übrigens mit hohem h, nicht c!) sang er absolut untadelig, stark inszeniert vor einem brennenden Kreuz . Jedoch sobald sich der Tenor (oder ist er nicht doch ein verkappter Bariton?) in der Höhe mit leisen Passagen herumschlagen musste, da wurde es sehr knödelig, gepresst, falsettiert. Die Anstrengung, diese Passagen zu meistern, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Jonas Kaufmann - mit Sicherheit kein idealer Manrico! Erstaunlicherweise bekam er sogar, trotz Heimvorteil, einige Buhs zu hören!
    Die Azucena wurde von der mir bislang unbekannten Manisitina recht konventionell, anfangs mit sehr flackerndem Mezzo und mittelgroßem Stimmvolumen gesungen. Da ist noch Luft nach oben.
    Sehr positiv der Ferrando des Kwangchoul Youn. Gleich zu Beginn steckt er stimmlich hochkarätig das Terrain ab.
    Ebenso begeistert hat mich der Luna von Alexei Markov. Deutlicher, balsamischer Klang, feiner Belcanto, fast eine Spur zu edel für den Grafen.
    Aufhorchen ließ mich auch eine kleine Nebenrolle, die selten erwähnt wird. Die Rolle der Ines, intoniert von Paula Schultz mit wunderschönem Stimmklang.
    Insgesamt also eine sehr erfreuliche Aufführung in München, die einen Besuch absolut lohnt. Nach dem langweiligen Rigoletto, dem farblosen Simon Boccanegra nun wieder mal etwas für Ohr UND Auge.

    Die alte Münchner Polanski-Inszenierung noch freudig im Kopf (u.a. Wixell als Rigoletto) habe ich mir diese neue "Inszenierung" (dies ist allerdings hier wohl nicht mehr der richtige Begriff) angetan. Den Affen-Zirkus der Dörrie habe ich damals gemieden, doch soviel Anti-Theater hatte ich nicht erwartet. Es ist langweilig, nicht einmal herausfordernd, schlichtweg langweilig. Dabei gehört der Rigoletto zu Verdis emotionalsten Opern. Dass man ( hier: Schilling) dies so plätten kann, ist erschreckend.
    Ein Kritiker (Aushang im Foyer der Oper) bringt diese Inszenierung auf eine Ebene mit Brecht'schen Theatermitteln. Ein schöner Rettungsversuch. Erfolglos. Denn dann müsste trotz aller szenischer Reduktion noch Schauspiel stattfinden und kein Stehgesang an der Rampe. Verdi und Brecht: Passt für mich nicht zusammen.
    Musikalisch immerhin erfreulicher, wenn auch nicht wirklich grandios. Enttäuschend für mich die Hauptrolle: Keine Zwischentöne, wenig Volumen, nur ein drückendes Forte - das ist zuwenig für einen Rigoletto. Zwiespältig die Gilda der Petibon. Ungenaue, manchmal neben den Tönen liegende Koloraturen, technisch also begrenzt, versuchte sie dennoch, die Emotionen der Musik und der Person herauszuarbeiten. Die Maddalena sang so, wie sie gekleidet war: Kräftig, derb, direkt. Ihr Bruder hatte zwar die tiefen Töne des Sparafucile deutlich herausgearbeitet, blieb für die Rolle aber das Gefährliche, Verschlagene schuldig. Das Dirigat war nicht aus einem Guss, manche Passagen zu schnell, manche zu langsam (beides für die Sänger eine Herausforderung). Ein Grund für diese seltsamen Tempi ergibt sich musikalisch nicht. Bleibt als Sternchen der Aufführung noch Callejas Herzog mit technisch sicherer, weicher Stimme und schönen Diminuendi. Wenn solche Inszenierungen in München (s.a. Turandot) der Standard werden sollten, werde ich bald von dort fernbleiben.
    Immerhin steht 2013 ein Simon Boccanegra und ein Trovatore auf dem Spielplan - ich ahne Schlimmes!

    Leider war ich am Samstag, eine Woche nach der Premiere in der Folge-Aufführung.


    Um es kurz zu machen: Ich war am Ende insgesamt von allem enttäuscht. Die Inszenierung ist regelrechter Unsinn - hier findet kein Drama statt. Natürlich ist es nicht leicht, diese insgesamt statische Handlung dieser Oper umzusetzen. Aber ein zusammenhangloses Geturne, schlechte 3D-Effekte (die sowieso nicht von allen Plätzen aus wirken), Eiskunstläufer, etc., etc. bieten einen visuellen Overkill, der sich neben der Musik abspielt.


    Musikalisch schade, dass das Alfano-Ende nicht stattfand. Obwohl immer wieder kritisiert, gehört es für mich einfach dazu (Hörgewohnheit). Mehta schließt mit einer Art Requiem ab, der Verklärung der Liu, auf einem Bambusspießchen.


    Dass Mehta nach Calafs Arie den Konzertschluss wählt, ist nur noch anbiedernd. Leider braucht der Tenor, der insgesamt nur eintönig forte drückend die Partie bewältigt, diese Hilfsmaßnahme, damit der Applaus auch wirklich einsetzt. Peinlich!


    Turandot ist passabel gesungen, jedoch ohne Erotik, ohne wirkliche Kälte. Die lichten Momente in der Aufführung kommen dann zustande, wenn Liu singt. Dann kehrt auch auf der Bühne etwas Ruhe ein und man kann endlich mal die Musik genießen. Beim Minister-Trio kommt leider, auch musikalisch, keine Spannung auf.


    Der Chor verrichtet seine Aufgabe prächtig. Aber alles in allem: Das ist wahrlich zuwenig für München.


    Weil die Ponnelle-Inszenierung angesprochen wurde: Diese wurde seinerzeit in den Münchner Medien auch teilweise verrissen. Ich fand sie großartig. Und Giuseppe Patané (dort bei Turandot eine Aufführung später am Pult verstorben!), machte in meinen Ohren einen besseren Job als Mehta.


    Im übrigen gab es vor ein paar Wochen im "Provinz-Theater" Regensburg ebenfalls eine neue Turandot. Und die war in allen Belangen besser als die Münchner!

    "Bösewichte", wie immer man die auch charakterisieren mag (die Schwierigkeiten dabei zeigen die oberen Aussagen), haben vor allem einen Vorteil: Sie sind musikalisch meist eindringlicher, interessanter, aufregender oder auch psychologisch-musikalisch ausgefeilter gestaltet als deren Gegenspieler.
    Bösewichte sorgen für Spannung in der Partitur. Sie sind das Salz in der Suppe.
    In diesem Zusammenhang fiel mir das Buch von Attila Csampai wieder ein, "Sarastros stille Liebe", in dem der "gute" Sarastro als äußerst zwiespältiger Charakter dargestellt wird (ist ein moderner Machtpolitiker oder ein Sklavenhalter ein Bösewicht?).
    Anm.: Bush = Bösewicht?
    Im übrigen war mir persönlich der Sarastro weder musikalisch noch vom Rollenportrait her jemals sympathisch.


    Einer meiner Lieblinge, der gute Pizarro aus Fidelio, normalerweise der Bösewicht schlechthin - wie böse ist er wirklich?
    "Nun ist es mir geworden, den Mörder selbst zu morden", singt er mit recht verhaltenem Triumph. Ist Florestan, der Gute und arme Gefangene etwa gar nicht so unschuldig?
    Hängt Pizarro nicht im Staatsgefüge selbst fest, vermodern die andern Gefangenen nicht mit höchststaatlicher Billigung (Don Fernando, der aalglatte betulich wirkende Show-Man)? Ändert sich politisch etwas nach den wohlwollenden, ach so schönen brüderlichen Worten?


    Bei diesen schwierigen Einteilungen in gut und böse sind doch die aus persönlichen Gründen handelnden Bösewichte die wahren Bösen: z.B. Scarpia, Jago - ich liebe sie.

    Die Scotto konnte ich erstmals in der Butterfly-Aufnahme mit Maazel/Domingo hören.
    Mögen andere ein schmeichlerischeres Timbre haben, weniger spitz singen - egal, allein wie sie den Schmerz der Figur gestaltet, ist für mich außerordentlich.
    Wenn sie als Butterfly am Ende ihr Kind zum Spielen schickt - ich muss da immer wieder weinen.

    Lieblingsopern


    Mozart: Entführung aus dem Serail
    Verdi: Rigoletto
    Wagner: Fliegender Holländer
    Mascagni: Cavalleria rusticana
    Strauss: Arabella
    Puccini: Bohème, Turandot, Butterfly, Gianni Schicchi, Tosca


    Lauter großartige Klassiker halt.

    Nach der anfänglichen Euphorie über die Einführung des neuen Mediums CD, die immerhin etliche Jahre anhielt und für bequeme Leute durchaus einige Vorteile aufzuweisen hat (kein Umdrehen der Platte, schnelles Einlegen, Fernbedienung, genaues Ansteuern einzelner Passagen mit Hilfe unzähliger Tracks) tat mit irgendwann die umfangreiche Plattensammlung leid, die da lange so unbeachtet im Schrank stand und mir ihren Rücken zuwandte. Vor allem als da Aufnahmen dabei waren, die es weder auf CD bis heute gibt, bzw. Aufnahmen, die auf LP subjektiverweise anders wärmer, voller, atmosphärischer) klingen als auf der CD.
    So haben beide Medien nun ihre Daseinsberechtigung - die LP-Sammlung werde ich niemals auflösen, auch wenn der Zahn der Zeit an an den Rillen nagen mag, es hängen zuviele Erinnerungen daran.


    Lb. Grüße

    Fritz Reiner ist der erste Dirigent,von dem ich sämtliche verfügbaren Aufnahmen gesammelt habe.


    Was immer man auch über den sicher nicht einfachen Charakter erzählt hat - übrig bleiben ja gerne die weniger schönen Details -, etliche Musiker vom CSO haben ihn und seine Art sehr geschätzt! Sein Leistungsanspruch war außerordentlich, wer hier mithalten konnte und sich auch bemühte, zählte halt zu Reiners Lieblingen.


    Die Ergebnisse seiner exzellenten Arbeit sind auf Tonträger ausreichend dokumentiert. Ich finde, dass sämtliche Aufnahmen niemals ein gutes oberes Niveau unterschreiten. In einigen Fällen haben sie absoluten Referenzstatus (zumindest für mich).
    Einen wichtigen Teil haben hierzu auch die Techniker von RCA beigetragen. Richard Mohr und Lewis Layton haben mit nur 2 Mikrofone einen zum Teil bis heute nicht erreichten Klang-Standard gesetzt.


    Einige Aufnahmen wurden ja bereits erwähnt, möchte sie
    allerdings um andere wichtige Tondokumente ergänzen.


    Als da wären:


    1. Rimsky-K.s Scheherazade (gilt als die technisch perfekteste Aufnahme des letzten Jahrhunderts), klingt auf LP noch besser als auf CD


    2. Debussy - La Mer: klangliche Sinnlichkeit in vollem Sound


    3. de Falla - El amor brujo: Leontyne Prices Stimme ist eine südlich-erotische Offenbarung mit Gänsehautgarantie! - mein Reiner-Favourite.


    3.Reiner dirigiert Wagner - orchestrale Auszüge aus Meistersinger und Götterdämmerung: bei Siegfrieds Rheinfahrt und Begräbnismusik stockt mir der Atem.


    4.Tschaikowsky - Violinkonzert mit Heifetz: endlich ohne zuviel Süße, aber dennoch mit viel Sahne


    5. J. Strauss - diverse Walzer: auch Kleiber kann sie nicht besser dirigieren


    Vielleicht läßt sich ja ein Forumsteilnehmer vom Reiner-Sound begeistern...

    Vor 24 Jahren, als es noch keine CDs gab, hatte ich mir bei einem Bekannten einen Rigoletto auf MC überspielt.
    Diese Aufnahme habe ich jetzt gesucht, aber nirgends gefunden, weder als LP noch als CD. :no:
    Bei der Aufnahme handelt es sich um den Dirigenten Molinari-Pradelli, Rigoletto wird gesungen von Renato Capecchi, der Herzog von R. Tucker und die Gilda von Gianna d'Angelo (da möcht man am liebsten den Lautsprecher umarmen...), das ganze aus Neapel.


    Hat irgendwer diese Pretiose in seinem Schrank oder kann mir sonstwie weiterhelfen?


    Der Sinopoli-Rigoletto, seinerzeit bei Erscheinen recht gelobt, läßt mich da ziemlich kühl. Da wirkt alles kalkuliert, da fehlt das emotionale Feuer beim Dirigieren. Und Bruson in der Titelpartie ist nicht wirklich überzeugend, wenn man andere kennt. Auch die Gruberova singt natürlich gut und technisch einwandfrei, ist für die Rolle aber auch zu kühl (cool) disponiert. Und das tiefe Orgeln der Frau Fassbaender muss man auch mögen (klingt ja fast tiefer als ihr Mörderbruder).

    Endlich einmal eine komische Oper, die den Namen auch verdient - und die einzige, die mir wirklich grandios gut gefällt. Die üblichen Verwechslungs- und Verkleidungsspielchen andererorts mögen ja ganz nett sein, meist sind sie für meinen Geschmack etwas zu langweilig und vorhersehbar - auch wenn das Libretto durch gute Musik geadelt wird.
    Aber hier: Eine gar nicht liebe, sondern richtig schön durchtriebene Geschichte :baeh01: in genialer musikalischer Umsetzung. Und fürs Herz eine kleine, aber feine Arie (O mio babbino caro).
    Meine Lieblinsaufnahme (vielleicht weils meine erste damals war?) ist die mit Corena und Tebaldi unter Gardelli.