Zitat
Original von Mela
Daher bin ich ja auch an anderen Meinungen interessiert, um zu überprüfen, ob ich einfach Glückspillen genommen hatte vor der Aufführung 
Viele Grüße,
Melanie
Liebe Melanie,
das Gefühl, Glückspillen genommen zu haben, kommt bestimmt in erster Linie von dieser grandiosen musikalischen Umsetzung, die in weiten Teilen sicherlich auch des Komponisten Zustimmung gefunden hätte, obwohl er für die Rolle des Andronico "Senesino", einen Mezzosopran-Kastraten ausgesucht hatte und alle Stars der damaligen Zeit liebend gerne für ihn sangen. Da Frau Nesi auf der Bühne auch eine sehr männliche optische Ausstrahlung hatte und sie diesen schwierigen Part stimmlich sehr gut meisterte, war die Wahl bestimmt in Ordnung. Einzelne waren ja der Meinung, es wäre die bessere Rolle für David Daniels gewesen, aber wen hätte man denn statt dessen für den Tamerlano nehmen sollen? In dieser minimalistischen Bewegungsrolle konnte er sicherlich noch die größtmögliche Bedeutung herausarbeiten und seine wenigen Arien (bes. die im 2. Akt) waren einfach atemberaubend gesungen.
Man findet auch wieder sehr viele interessante Beiträge zur Entstehung dieser Oper und auch der Inszenierung von Pierre Audi im Programmheft. Was mir bisher entgangen war ist, dass Herr Audi diesen Tamerlano nicht nur 2000 für Drottningholm inszenierte, 2002 mit viel Beifall wieder aufnahm, sondern auch an seine Amsterdamer Oper (er ist dort künstlerischer Direktor) 2005 in adaptierter Form übernahm, da, wie in München, die Bühne sehr viel größer war. Auch in Schweden wurde es ein großer Erfolg und deshalb freute er sich sehr über die Arbeit mit neuen Sängern hier. Wie groß muss da der Schock bei ihm und seinem Team gewesen sein, als ihnen bei der Premiere dieser Buh-Orkan um die Ohren prasselte.
Ein Argument für diese Regiearbeit war u.a., dass sich alle Konzentration auf die Sänger richten sollte, auf ihre Körpersprache und die Intensität ihres Singens und Spielens und deshalb wäre Tamerlano auch so eine minimalistische Produktion und außer einem Stuhl gibt es ansonsten eben kein einziges Mobiliar.
Ich persönlich kam mit dieser Regie relativ gut zurecht, da ich ja auch Ballett sehr liebe und man sich dort ja total auf Körpersprache und Musik einlassen muss und die Requisiten ebenfalls oft spärlich sind. Man darf halt nicht groß überlegen, was z.B. Herr Konwitschny oder Herr Loy (von seinem Saul konnte ich kaum genug bekommen) aus Tamerlano gemacht hätten (bei Herrn Alden kann man es sich ungefähr vorstellen). Ich hörte auf den Gängen eigentlich nur negative Bemerkungen über diese Inszenierung und nach der Pause war das Parkett ziemlich geleert. Die Ränge blieben aber voll, denn musikalisch war es ja wirklich ein Hochgenuss, auch für mich Händel-Laien.
Ingrid