Hallo,
ich habe sowohl die Frankfurter wie auch die Wiener Premiere des Tieflands gesehen und möchte einen kurzen Vergleich anstellen:
Gleich vorweg: den gröbsten Regieunfug hat man nicht mitübersiedelt, das Tanzlied wird nun nur noch von Marta getanzt, die sich nicht aus der Einflußsphäre Sebastianos lösen kann - die illustrierenden Moulin Rouge-Tänzerinnen wurden weggelassen, die haben die Szene ohnedies nur gestört. Vielleicht kann man bei einer Wiederaufnahme im nächsten Jahr auch noch die leuchtende Windmühle abmontieren, dann sind wohl die blödesten Regiegags eliminiert (man begreift auch so - Regisseure sollten ihr Publikum nicht für blöd halten).
Ansonsten sind die Personen sauber geführt, die Darsteller interagieren weitestgehend glaubhaft (einzig dem Tommaso hat man vergessen zu sagen, dass er der Dorfälteste ist und nicht der jugendliche Held). Das Bühnenbild unterstreicht das Plakative im Libretto und zeigt die Bergwelt wie in einem Heidi-Film und das Bedrückende des Tieflands als heruntergekommene Fabrik. Kein Regie-Highflyer, aber auch kein Aufreger (die mittlerweile schon traditionellen Buhs für die Regie klangen dünn und energielos am Rande der Belanglosigkeit).
Apropos Heidi: Heidi Brunner setzt ihren Fachwechsel fort und gibt an diesem Abend eine überzeugende Marta, die die Arbeit an der nächsten Rolle - Kundry - schon erahnen lässt. In den letzten beiden Jahren hatte ich manchmal bei ihr die Sorge, dass sie im Sopran ihr charakteristisches Timbre verliert, gestern Abend war die Sorge verflogen, es war eine reifere, aber doch die markant timbrierte Brunner-Stimme. Der Unterschied zu Frankfurt: Michaela Schuster hat den Fachwechsel und die Kundry schon hinter sich und war - darstellerisch ebenso intensiv - stimmlich noch runder.
Sehr überzeugend agierte und sang Torsten Kerl. Auch seine Stimme hörbar gereift und bereit für weitere Wagner-Aufgaben (er spricht mittlerweile vom Siegfried), hatte er eine doppelte Herausforderung, musste er doch nicht nur gegen John Treleaven in Frankfurt ansingen (den hat er locker überboten), da hab ich auch noch Johan Botha konzertant im Wiener Konzerthaus (2002?) im Ohr: und auch da muss ich sagen, dass Kerl durch sein Spiel die Tücken der Partie bestens überbrückte.
Lucio Gallo als Frankfurter Sebastiano war wohl die elegantere Bühnenpersönlichkeit, Wolfgang Koch wohl eindeutig die präsentere.
Auch die Nebenrollen waren dort wie hier solide bis gut besetzt, was in der Volksoper in den letzten Jahren nicht selbstverständlich war. Aufgefallen sind besonders Andrea Bogner, mit zwar kleiner aber sehr sauber geführter Stimme, und Mathias Hausmann als Moruccio.
Sebastian Weigle leitete die Aufführung am Main wie an der Donau. Seine in Interviews wiederholt betonte Liebe zur Tiefland-Partitur verstand er beide Male hörbar zu machen und die Zuhörer mit seiner Begeisterung anzustecken (wenn auch nicht alle Kritiker - hören die nicht zu?
) - in der Volksoper umso überraschender, als das Orchester derzeit in eher schwacher Verfassung ist (hatte im September eine jämmerliche Fledermaus - keine Rede mehr von der Qualität zum Höhepunkt der Ära Bachler/Fisch).
Liebe Grüße aus dem "Tiefland im Süden von Wien" =)