Beiträge von Mengelberg

    Zu den besten italienischen Operndirigenten gehören für mich Francesco Molinari Pradelli, Gabriele Santini und wie schon genannt Antonino Votto. Vor allem Votto war wohl zusammen mit Serafin der führende Operndirigent im Italien der 1950er und 1960er Jahre. Alle drei Dirigenten haben, ganz ähnlich wie de Sabata, einen sehr charakteristischen Stil gehabt - was man vielleicht von anderen Dirigenten wie Erede oder Cellini nicht unbedingt behaupten kann.


    Molinari Pradelli stammt aus Bologna und wirkte von 1929 bis 1934 als Korrepetitor. 1934 schloß er sein Kompositionsstudium und 1937 ein Dirigentenstudium am Bologneser Konservatorium ab. Er begann als Dirigent symphonischer Werke, aber sein großer Erfolg auf der Opernbühne machte ihne bald zu einem der gefragtesten Operndirigenten in Italien. Molinari Pradelli dirigierte an allen großen Häusern in Italien und im Ausland, aber erst 1966 kam sein Debut an der Met in New York.
    Molinari Pradelli steht unter anderem hinter diesen empfehlenswerten Aufnahmen (ich habe von meinen LPs einige kurze Clips gezogen, die Ihr unter den angegebenen Links runterladen könnt - Die CDs, von denen da Bilder gezeigt werden, klingen aber wahrscheinlich nicht so schön wie die LPs... trotzdem viel Spaß!):


    LA FORZA DEL DESTINO mit Bastianini, Corelli, Tebaldi (SC di Napoli 1958 ), auch als DVD erhältlich:


    LA RONDINE mit Moffo, Barioni, Sereni (Studio 1967):

    Clip: http://download.yousendit.com/1D6CCA4379B5CE9C


    Letztere Aufnahme ist uneingeschränkt zu empfehlen. Die Sänger, besonders Barioni, sind ausgezeichnet. Der Klang der Aufnahme, vor allem von der "Living Stereo"-LP, ist wohlbalanciert und klar, das Dirigat sehr liebevoll, präzise und arbeitet die Strukturen der Partitur sehr schön heraus.


    Und wer das Duo Corelli/Nilsson als Calaf/Turandot mag, kennt natürlich diese Aufnahme:


    Antonino Votto hat noch früher als Molinari Pradelli, aber auch als Pianist begonnen. Schon 1923 begann er and der Mailänder Scala, als "rechte Hand Toscaninis", wie der italienische Wikipedia-Artikel behauptet. Um es ein wenig genauer als Wikipedia zu machen: Votto studierte Dirigieren in Neapel und debütierte dann 1923 mit Manon Lescaut an der Scala, wo er als erster Assistent Toscaninis engagiert war. Sein Debut an Covent Garden kam ein Jahr später und wieder mit Puccini: Madama Butterfly und dann Leoncavallos Pagliacci. Bis 1967 verblieb er an der Scala und trat dann ins Mailänder Konservatorium ein. Wie im Falle Molinari Pradellis kam das Amerika-Debut Vottos recht spät: 1960 in Chicago.


    Die vielen Studio-Aufnahmen mit Maria Callas brauchen hier wohl nicht extra empfohlen zu werden. Besonders begeistert hat mich Votto in den folgenden Live-Mitschnitten:


    AIDA mit Stella, Guelfi, Simionato, Di Stefano (Scala 1956. Freilich: Mit dem Radames hat Di Stefano seine Stimme endgültig ruiniert, aber hier hatte er sie gerade noch!) Hört mal in dem Clip, wie Votto da Guelfi begleitet!:



    Clip: http://download.yousendit.com/61305E982C556B4D


    Eine Referenzaufnahme von Puccinis FANCIULLA DEL WEST ist für mich diese mit Frazzoni, Corelli und Gobbi (Scala 1955):



    Clip: http://download.yousendit.com/10C4C95E60E3CFFB


    Sehr empfehlenswert ist außerdem die CAVALLERIA RUSTICANA mit Simionato und Di Stefano aus demselben Jahr (ebenfalls bei MYTO erschienen).


    Gabriele Santini (mein Lieblingsmaestro von diesen dreien) studierte ebenso wie Molinari Pradelli in Bologna und begann seine Karriere Anfang der 20er Jahre am Teatro Costanzi in Rom. Bald darauf ging er nach Südamerika (Buenos Aires, Rio). Von 1925 bis 1929 war auch er Assistent Toscaninis an der Scala in Mailand. Nach seiner Zeit in Mailand ging er nach Rom, wo er von 1944 bis 1947 künstlerischer Leiter war. Danach ging Santini an das Teatro San Carlo in Neapel.


    Auch hier drei empfehlenswerte Aufnahmen:


    Die BOHÈME mit Lauri Volpi, Gobbi und Tebaldi (Napoli 1951) hat mich, als ich sie zum ersten Mal gehört habe, für Santini begeistert. Im beigefügten Clip sein origineller Abschluß des zweiten Aktes:



    Clip: http://download.yousendit.com/07A1231D1099201A



    Zu recht berühmt ist sein BOCCANEGRA (Gobbi, Campora, Angeles)


    und sein GIANNI SCHICCHI (Gobbi, Del Monte, Angeles):



    Clip: http://download.yousendit.com/EE8645213CB3B2EB


    :hello:
    M.

    Sehr richtig.
    Den auslautenden, unbetonten Vokal zu streichen, ist in italienischer Dichtung normal und wird "troncamento" genannt". Das Troncamento hat musikalische und metrische Ursachen. Prominentes Beispiel ist Dante:


    Nel mezzo del cammin di nostra vita


    usw.


    Im Fall Simon Boccanegra handelt es sich aber um eine Eindeutschung, nichts weiter. Genauso wie Gabriel Adorno, André Chenier - denn all diese Namen klingen im italienischen Original für Deutschsprachige wie Frauennamen: Simone, Gabriele, Andrea.


    :hello:
    M.

    Zitat

    Original von Fairy Queen
    Lieber Mengelberg, meine Lehrerin hatte mal das "Vergnügen" einen Meisterkurs des besagten Tenors zu besuchen. Was sie über seine Gesangstechnik dort gelernt hat, will sie keinem ihrer Schüler weitergeben.... wir werden wohl alle dumm sterben....... ;)


    Jetzt hast Du mich auf das Berliner Ensemble aber wirklich sehr neugierig gemacht! Bist Du sicher, daß sie Dir auch wirklich nichts gesagt hat...? ;)


    Beste Grüße -


    M.


    PS: Tosca/Bocelli: Kann ich sehr gut nachvollziehen!

    Hallo Teleton,


    vielen Dank für die Empfehlung. Da so viele hier meine Abneigung gegen das besagte Stück von Enescu nicht nachvollziehen konnten, bekomme ich jetzt so langsam den Verdacht, daß es vielleicht doch an Sir Simon lag...? Ich werde mir das Stück also nochmal anhören.


    Und da kann man, nebenbei gesagt, mal sehen, was ein solcher Thread auch kann. Es geht nämlich nicht darum, anderen etwas abspenstig zu machen, sondern nur darum zu sagen, was einem nicht gefällt. Und vielleicht entdeckt der eine oder andere, daß sein erster Eindruck Revision verdient!
    Daß man anderen nicht sagen kann: "Achtung, dies ist ein fürchterliches Werk, boykottiert es!" - das ist ja wohl klar. Das mit der Warnung war auch eher auf als schlecht empfundene CDs gemünzt. So würde ich zum Beispiel sagen:



    Einmal und nie wieder, weil die Tonqualität unzumutbar ist. Würde ich niemandem zur Anschaffung empfehlen. Spart Euro Euros für was anderes.


    :hello:
    M.

    Liebes Forum,


    heute abend habe ich mir das BPO-Konzert unter Simon Rattle in der Waldbühne angehört. Bei der Rumänischen Rhapsodie Nr. 1 von Enescu ist mir da der Gedanke gekommen: Das will ich nie wieder hören. Bei diesem Stück hatte ich das Gefühl, mit Klischees und schlecht gemachten Musik-Zitaten/Diebstählen regelrecht bombardiert zu werden, wobei ich in erster Linie an Liszts Ungarische Rhapsodien und ganz generell an typische Zirkus-Musik denken mußte. An eine solche Abneigung gegen ein Musikstück kann ich mich trotz viel Hörerfahrung beim besten Willen nicht erinnern!


    Wie ist es bei Euch? Habt Ihr mal Klassikerlebnisse gehabt, wo Ihr dachtet: Das will ich nie wieder hören? Oder war es eine besonders schlechte CD? Das hier soll kein "Bashing-Thread" werden, sondern nur ein Austausch von Negativ-Erfahrungen. Ebenso, wie es Threads über Musik- und CD-Empfehlungen und gute Aufnahmen/Erfahrungen gibt, wünsche ich mir einen über schlechte, der mich gegebenenfalls vor Fehleinkäufen warnen kann.
    Ich fände es toll, wenn man sich in diesem Thread allzu hitzige Debatten über Geschmack verkneifen könnte.


    Also, was habt Ihr grade/früher einmal gehört, was Ihr nie wieder hören wollt und was Ihr keinem anderen empfehlen würdet?


    Beste Grüße
    :hello:
    M.

    Liebe Freunde,


    da ich momentan viel beim Schreiben bin, kommt das Opernhören zu kurz, weil mich Gesang zu sehr vom Arbeiten ablenkt. Dafür konsumiere ich um so mehr symphonische Musik, und voller Begeisterung höre ich zur Zeit Aufnahmen von Guido Cantelli. Ich kannte Cantelli früher nur von seiner tragischen Lebensgeschichte her, und die Tatsache, daß er ja als der "legitime Nachfolger" Toscaninis gehandelt wurde, hat mich eigentlich vom Kauf seiner Aufnahmen eher abgeschreckt.


    Nun bekam ich vor einiger Zeit zufällig einige LPs in die Hände - und seitdem bin ich ein Fan dieses Dirigenten. Besonders seine Interpretationen der Schumann IV und Brahms III haben es mir angetan. Was das mit Toscanini zu tun haben soll, ist mir schleierhaft. Da ist ein Schwung, eine Dichte, ein wuchtiger, saftiger Klang, den ich von Toscanini nicht kenne. Gut, Cantelli ist präzise - aber dabei "alle Himmel stürmend" wie der mittlere Furtwängler!


    Ich möchte gerne mehr von diesem großartigen Maestro kennenlernen. Wer kann mir schöne Aufnahmen von Guido Cantelli empfehlen?


    Einen eigenen Thread hat er auf jeden Fall verdient!



    :hello:
    M.

    Wenn Kullervo dazuzuzählen ist, dann würde ich dieses Werk ganz nach oben stellen. Für mich ist Kullervo eines der besten Werke, das Sibelius geschrieben hat. Dazu kommt, wenn wir Lemminkäinen akzeptieren, eigentlich ja auch noch die Karelien-Suite. Die gefällt mir eigentlich auch besser als so manche Symphonie.
    Welche Aufnahmen empfiehlt Ihr eigentlich? Ich habe die Box mit Paavo Berglund, die ich eigentlich als ziemlich spannungslos und schlaff empfinde. Die 4 habe ich noch mit Beecham, die 2 mit Abendroth - beides Aufnahmen, die viel besser sind als die von Berglund. Gibt es eine empfehlenswerte Gesamteinspielung?


    :hello:
    M.


    PS: Meine Empfehlungen für Kullervo und Karelia:



    Sagt mal,


    eine Freundin von mir schwärmt von Massimo Manfredi. Als ich die Buchcover gesehen habe, da dachte ich mir schon meinen Teil. Aber als ich dann mal 'reingelesen habe...
    Eine gnadenlose :angry: Anhäufung von Pseudogeschichte und Kitsch. Wie kann so etwas nur so populär sein? Wie soll ich mich einer Person gegenüber verhalten, die behauptet, daß das der beste italienische Autor aller Zeiten sei? Auslachen, ignorieren, aus meinem Telefonbuch streichen?
    Oder bin ich derjenige, der einfach keine Ahnung von Literatur hat? Kennt irgendjemand von Euch Manfredi?
    Für mich jedenfalls klingt er wie der italienische Dan Brown. Empfehlung: Nicht lesen!


    :hello:
    M.

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Wenn man das alles zusammenrechnet, hat das Ergebnis für mich eben nichts mehr mit Personalstil zu tun, sondern nur mit Schablone: Ein bestimmter Typus einer einmal als tauglich befundenen sentimalen Melodik wird geringfügig variiert und mit einem bestimmten, kaum variierten Typus von Orchesterbegleitung unterlegt. Damit erstarrt dieser Typus zum süßlichen Klischee.


    Vielen Dank für die interessante Antwort! Ich kann Dich ganz gut verstehen...


    :hello:
    M.

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Nun zu der Schablone: Puccini hat einen Arientypus mit stets gleichem Melodietypus, der so aussieht, daß eine gleichmäßige Bewegung in einen oder zwei Schwerpunkttöne mündet (diese rot markiert). Etwa: "O dolci baci, o languide carezze"; "O dolci mani"; "Un bel di, verdrema"; "Ch'ella mi creda libero e lontano; "O mio babbino caro"; "...tramontan le stelle"; "Tu che di cel sei cinta" etc.


    Lieber Edwin,


    mich würde mal interessieren, wie man als Komponist aus diesem Schema heraustreten kann, wenn es quasi vom Text diktiert wird. Denn das ist bei den konservativ gemachten Libretti, die Puccini bekommen hat, doch wohl der Fall? Ich meine: feste Versstruktur, Metrum, Reime usw. Auch beim Lesen dieser Verse würde man den Akzent genau auf den von Dir markierten Stellen setzen. Wie soll man so etwas anders komponieren ohne, daß es gegen den Strich gebürstet klingt? Mir fällt da der Fall von Mascagnis Ratcliff ein, der auf der italienischen Übersetzung Maffeis basiert. Da ist das Metrum derartig streng, monoton und immer gleichbleibend, daß es Mascagni geradezu gezwungen hat, sich dem anzupassen. Die Musik hört sich dann dementsprechend an. Oder meinst Du, daß man Texte, die den Akzent derart deutlich angeben, anders komponieren kann, auch wenn man eine einigermaßen natürlich klingende Sing- bzw. Sprachlinie erzeugen will?


    :hello:
    M.

    Lieber Edwin,


    ich denke, daß trifft es ziemlich genau. Für mich gehört zum Kitsch unbedingt das immer wieder Wiederhol- und Reproduzierbare - in diesem Fall bestimmte Zutaten, von denen bestimmte Komponisten glauben, daß sie einen bestimmten Effekt erzielen. Wenn diese so plump und plakativ in bestimmten Werken eingebaut sind, daß sie, sei es durch bestimmte Strukturen, Orchestrierung, Text usw., leicht zu erkennen sind, dann kann man wohl von Kitsch reden.
    Ich finde allerdings, daß Puccini diese Elemente sehr raffiniert in seine Werke eingebaut hat und finde sie deshalb nicht unbedingt kitschig.


    :hello:
    M.

    Um nochmals konkret auf den Fall Puccini zurückzukommen: Niemand, der sich ernsthaft mit Leben und Schaffen Puccinis beschäftigt hat, kann verneinen, daß Puccini gezielt auf Effekt und Massenwirkung geschrieben hat.


    23. 10. 1919:
    Lieber Adami!
    (...) Und pressen Sie sich Hirn und Herz aus, um für mich etwas zu schaffen, das die Welt weinen machen soll. Man sagt, Sentimentalität sei ein Zeichen von Schwäche. Aber ich finde es so schön, schwach zu sein!


    (aus: Adami, Giuseppe: Puccini, ein Musikerleben. Berlin o.A., S. 207)


    Ob es sich bei einer solchen Zielsetzung auch um Kitsch handelt, ist eine andere Frage.


    :hello:
    M.

    Zitat

    Original von severina
    da ich nicht auf Schönbergs Schoß gesessen bin beim Komponieren, kann ich natürlich auch nicht wissen, was genau in ihm vorgegangen ist, aber eines kann ich mir nicht vorstellen: Dass es ihm nämlich NUR darum gegangen ist, seine persönliche Erschütterung über die Gräuel der NS-Zeit quasi als Art Psychotherapie beim Komponieren aufzuarbeiten, ohne die Absicht, diese Erschütterung auch in seinem Gegenüber(nämlich dem Publikum) zu evozieren (oder auch nur zu teilen). Wenn dem nämlich so wäre, würde man ein derart intimes Zeugnis eines Selbstreinigungsprozesses wohl wirklich in der Schublade lassen, denn dann käme eine Aufführung doch einer seelischen Bloßstellung gleich (So als ob man sein Tagebuch veröffentlichen würde).


    Wieder einal möchte ich hier Edwin beistehen. Denn Schönberg gehört tatsächlich zu denjenigen, denen am allerwenigsten an der Kommunikation mit der breiten Masse gelegen war - das ist einer der gewichtigsten Punkte im Clash zwischen alter und neuer Schule. Schönberg dachte in den Kategorien des l'art pour l'art: "Denn wenn es Kunst ist, ist sie nicht für alle, und wenn sie für alle ist, ist sie keine Kunst".


    Und über den Kitsch:


    "Gegen den Vorwurf der Sentimentalität gibt es keine Verteidigung. Das trifft so sicher wie das Wort Kitsch. Jeder, dem eigentlich nur der Kitsch gefällt, ist dadurch in der Lage, hinterrücks dem Ernstesten und Bedeutendsten, dem der sich am heftigsten abwendet vom Gefälligen, das ja das wahre Wesen des Kitschigen ausmacht, einen Stoß zu geben, der ihn herabsetzt und auch der inneren Sicherheit beraubt."


    (aus: A. Schönberg, Stil und Gedanke. Frankfurt 1976, S. 65, 98 )


    Puccini hingegen hat anders als Schönberg konkret auf den Effekt hin gearbeitet (siehe Briefwechsel), hat sozusagen strategisch komponiert und auch eine Libretti dementsprechend modifiziert. Man denke an die Erfindung der Liù in Turandot, die auf Puccini zurückgeht. Im Gozzi-Original gibt es sie nicht, und auch Adami und Simoni hatten ursprünglich keine Liù im Programm.

    Zitat

    Original von LaCastafiore
    Brahms Sinfonie Nr. 1 und 4


    Volltreffer. Bei mir steht Brahms 4 auch ganz oben auf der Liste.


    Außerdem:


    Don Giovanni von Mozart (Mein erstes Opernerlebnis)
    Der wunderbare Mandarin von Bartók (Mein erstes Live-Klassikerlebnis überhaupt)
    "Ack Värmeland du sköna" gesungen von Jussi Björling
    Requiem von Ildebrando Pizzetti


    :hello:
    M.


    Edwin hat schon recht. Puccini hat mehrmals ganz genau gesagt, daß das einzige, worauf es ihm ankommt, der Effekt ist. Er wollte, daß "kein Auge trocken bleibt". Das hat er in vielen Briefen zu Adami, Simoni und Illica immer wieder unterstrichen. Puccinis Angriff auf die Tränendrüse war also durchaus berechnet.
    Ich finde das allerdings nicht kitschig, sondern meistens höchst raffiniert gemacht (ich rede jetzt von der Musik) und daher eben einzigartig und ganz und gar nicht einfach reproduzierbar. Letzteres ist, wenn es zutrifft, für mich eínes der essentiellen Kitsch-Merkmale. Puccini wurde da ein bißchen kitschig, wo er sich selbst kopiert hat und eigene Motive in Liedern wieder aufgewärmt hat.


    :hello:
    M.

    Lieber Ulli,


    mir ist kein Text aus dem 18. Jh. bekannt, der unabgeändert in ein Libretto eingegangen ist. Die Literaturoper ist ja eigentlich auch eher ein Phänomen des 20. Jh. - und da gibt es dann etliche Beispiele. Ich glaube, daß Debussy Maeterlincks Pélleas 1:1 übernommen hat. Das war 1902 und damit sicherlich eine der ersten Literaturopern. Dann sind natürlich auch ältere Texte ins Repertoire aufgenommen worden: King Lear (Reimann/Shakespeare) oder William Ratcliff (Mascagni/Heine).


    Liebe Severina,


    ich habe früher Romanistik studiert und kenne das Problem. Libretti werden von der Literaturwissenschaft stiefmütterlich behandelt, wenn überhaupt. Ich erinnere mich an eine zugegebenermaßen ohnehin etwas merkwürdige Dozentin, die bei der Nennung des Wortes Libretto und des Namens Metastasio gleich wild mit dem Kopf schüttelte, gestikulierte und Grimassen schnitt: Nein, mit so etwas befassen wir uns hier nicht!
    Jetzt bin ich allerdings an einer anderen Uni und arbeite an einer musikwissenschaftlichen Dissertation über einen italienischen Librettisten des 20. Jahrhunderts. Es geht also - bloß nicht in der erzkonservativen Literaturwissenschaft.


    Lieber Paul,


    Lortzing kenne ich leider nicht gut genug, um Deine Frage zu beantworten. Mich würde deshalb interessieren, warum Dir die Libretti Lortzings so gut gefallen!


    Lieber Herbert,


    wenn Du sagst, daß gute Libretti gute Literatur seien und schlechte Libretti schlechte Literatur - meinst Du dann, daß man die Libretti von der Oper losgelöst lesen sollte? Wenn ja, was denkst Du denn dann über die Verdi-Libretti?


    Beste Grüße!
    :hello:
    M.

    Zitat

    Original von Ulli
    Salü,
    grundsätzlich ordne ich Libretti durchaus in der Literatur ein - die Musik selbst gilt ja auch als Literatur. Aber ein Libretto, dass auf die Fertigung von spezieller Musik Rücksicht nimmt bzw. Rücksicht nehmen muss/sollte, mit einem Drama von Shakespeare, Goethe oder sonstwem direkt zu vergleichen, ist nicht zulässig: Folgend wären alle Dramen, Schauspiele und sonstigen Theaterstücke auch keine Literatur, weil sie sich eben nicht vertonen liessen: Schillers "Räuber" wären demzugolge ein schlechtes Libretto...


    Lieber Ulli,


    es ist eben nicht immer so eindeutig, ob ein Libretto tatsächlich auf die Musik Rücksicht nimmt. Das ist von der Arbeitsweise des Komponisten abhängig. Es gab Libretti, die dem Komponisten einfach vorgelegt und die dann komponiert wurden. Daneben gibt es außerdem das Phänomen der sogenannten Literaturoper, d.h. ein Libretto, das gegenüber einer literarischen Vorlage nicht oder eben nur geringfügig verändert wurde.
    Deine Schlußfolgerung würde ich nicht unterschreiben. Daß man an ein Libretto die Forderung erhebt, auch unabhängig von er Musik gut zu sein, hat nichts damit zu tun, daß man dann etwa Schiller o.ä. vertonen können muß (das folgt auch rein logisch gar nicht aus der ersteren Forderung!).


    Ich denke, daß es gewiß auch Librettisten gab, die ihre Arbeit ganz gewiß auch als eigenständige literarische Kunstwerke betrachtet haben: Hofmannsthal, D'Annunzio, Zweig usw.


    Ich finde nicht, daß ein Libretto, nur weil es vertont wird, auch allein, also von der Musik isoliert, nicht gut sein muß. Ich finde, daß es auch allein bestehen muß. Ein gutes Libretto ist dann außerdem ein ungemeiner Gewinn für die Oper, ebenso wie ein schlechtes nahezu tödlich wirken kann. Man nehme den großartigen Guercoeur von Magnard. Herrliche Musik - aber verglichen mit dieser Geschichte ist etwa Parsifal ein haarsträubender Action-Thriller...
    Ein Libretto, das ich übrigens wunderbar finde, ist der Blaubart von Béla Balázs.


    Salve,


    :hello:
    M.

    Liebes Forum,


    folgende Frage: Soll man Libretti als eigenständige, also von der Musik unabhängige Literatur lesen können und sie nach dementsprechenden Maßstäben beurteilen? Oder sind sie ein fester Bestandteil der plurimedialen Oper, den man nicht einfach so herauslösen sollte/kann?


    Wenn sie getrennt von der Musik bestehen müßten, dann gäbe es wohl da nicht allzuviel, was hohen Ansprüchen gerecht würde. Warum ist dem so? Oder sind die Libretti besser als ihr Ruf? Oder sollte man sie gar nicht lesen, wenn man nicht dabei auch gleichzeitig hört?


    Mit den besten Wünschen,


    :hello:
    M.

    Ich kann wirklich nicht verstehen, wie man Puccini als Kitsch abtun kann. Gott sei Dank herrscht darüber in diesem Forum ein gewisser Konsens. Puccini ist einer der genialsten Komponisten des letzten Jahrhunderts gewesen. Selbst wenn man seine Sujets nicht immer mag, dann muß man, wenn man etwas von Musik versteht, es wenigstens so machen wie Gustav Mahler, der, als er die Tosca-Partitur zu Gesicht bekam, folgendermaßen geurteilt hat: ein Meistermachwerk!


    Das neue Turandot-Finale von Berio finde ich ebenfalls schwach. Der Bruch ist mir nicht deutlich genug, bei Alfano natürlich erst recht nicht. Es wäre mir lieber gewesen, Arnold Schönberg hätte das Finale komponiert. Aber das kommt wohl darauf an, wie man den Stoff interpretiert...


    Mit den Aufnahmen, die hier teilweise als Referenzaufnahmen vorgestellt wurden, bin ich größtenteils nicht einverstanden. Pavarotti als Calaf zu empfehlen, ist nahezu unglaublich. Selbst wenn man das Volumen seiner Stimme verdoppelt hätte, hätte es noch lange nicht zum Calaf gereicht. Ich habe ihn als Cavaradossi auf der Bühne erlebt - ein teurer Spaß. Ohne Mikrophone war für Pavarotti nicht viel zu holen. Für Domingo war Calaf auch schon eine Grenzpartie - und für Carreras erst recht. Pavarotti eignete sich höchstens für La Bohème, auch wenn da der dritte Akt immer schon recht dünn klang. Mein Rat: Finger weg von den drei Tenören...


    Meine Referenzaufnahmen:


    - TURANDOT: Merli, Cigna, Olivero, Ghione, EIAR (RAI) 1938
    - TOSCA: Björling, Curtis-Verna, MacNeil, Mitropoulos, MET 1959
    - MANON LESCAUT: Björling, Albanese, Guarrera, Mitropoulos, MET 1956
    - LA BOHÈME: Raimondi, Freni, Panerai, Karajan, Wien 1960
    - LA RONDINE: Barioni, Moffo, Sereni, Molinari Pradelli, RCA 1967
    - LA FANCIULLA DEL WEST: Del Monaco, Kirsten, Guelfi, Mitropoulos 1954


    :hello:
    M.

    Zitat

    Original von GiselherHH
    "Das ist kein Mann!" Stimmt. Aber was ist es dann? Selbst wenn man konventionellen Inszenierungen gegenüber aufgeschlossen ist, würde man bei diesem Kostüm wohl kaum vermuten, dass Frau Eaglen hier die "Siegfried"-Brünnhilde (San Francisco) darstellt... GiselherHH


    Ich finde, daß Siegfrieds Ausruf in Verbindung mit dieser Brünnhilde einen ganz neuen, witzigen Sinn bekommt - köstlich! :hahahaha:
    So gesehen gar nicht schlecht, so habe ich diese Szene bisher noch nicht gedacht!


    Aber zum Thema: Etwas so dummes und schlechtes wie Katharina Wagners Puccini an der Deutschen Oper Berlin habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Hier ist ein kleines Bild aus Suor Angelica - weiterer Kommentar ist wohl überflüssig:



    :angry: :angry: :angry:

    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Glücklicherweise gibt es die "perfekte " Gesamtaufnahme nicht.
    Und glücklicherweise selbst wenn ich mit einer Aufnahme 100%ig zufrieden bin...


    Also gibt es sie doch. Denn es ist doch wohl klar, daß jede als perfekt empfundene Einspielung eben subjektiv als perfekt empfunden wird (wie Herbert sagt). Objektiv empfinden ist nämlich - ganz im Gegensatz zur perfekten Aufnahme - ein Ding der Unmöglichkeit.

    Interessant, daß mein eigentlich eher verständnisvoll-aufmunternd gemeinter Beitrag gleich auf so viel Ernst stößt.


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    So würde ich das nicht sehen - es wäre auch möglich, daß lediglich der Geschmack von Dirigent und Rezipient nicht übereinstimmt.


    Richtig. Deshalb steht da in meinem Beitrag auch "wahrscheinlich".


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Aber eher bin ich der Ansicht, daß musikalische Ersteindrücke "verkärt" werden, die Realität beim Wiedersehen jedoch nicht mit der idealisierten Erinnerung mithalten kann. Die Erinnerung hat ein idealisiertes Zerrbild geschaffen, das es sooo gar nicht gibt.


    Der Meinung bin ich nicht. Der von Dir beschriebene Fall ist einer von vielen. Es ist bei weitem nicht immer so. Es ist außerdem immer so, daß der Interpret von seiner "besseren" Idee des Stückes ausgeht, sonst bräuchte er gar nicht erst spielen.


    Zitat

    Original von Alfred_SchmidtUnd selbstverständlich würde man es selbst auch nicht besser dirigieren.
    Es ist ähnlich unmöglich wie den geschriebenen Satz: "
    ...stand, nein schwebte ein überirdisch schönes Wesen, engelsrein und erotisch zugleich......" zu verfilmen. Sowas muß scheitern, weil jeder eine andere Vorstellung hat - zumeist eine recht diffuse. Je mehr man sich bemüht siesen Satz als Regieanweisung in einem Film wortgetreu darzustellen, desto abstruser, lächerlicher, peinlicher und irdischer wird das Ergebnis sein.......


    Daß jeder von irgendetwas eine andere Vorstellung hat, gilt für alles in der Kunst und für vieles, was außerhalb dieses Bereiches liegt. In der Kunst gibt es keine Objektivität. Wenn man nach Objektivität streben würde, gäbe es keine Kunst mehr.


    :hello:
    M.

    Ich riskiere mal einen etwas kühne These: Wenn Ihr Euch das Werk im Kopf besser vorstellen könnt, dann sind die Aufnahmen, die Ihr habt, wahrscheinlich ziemlich schlecht! Schade, daß Ihr keine Dirigenten seid! Darauf wäre ich gespannt! Denn genau das ist es ja, was eine neue, interessante Interpretation eines auch noch so "abgelutschten" Werkes hervorbringen könnte!


    :hello:
    M.