Beiträge von Mengelberg

    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Eher derselbe polemische Quatsch wie die "Publikumsanalyse" von Alfred.


    Da atme ich aber mal auf, daß wenigstens der Moderator genug Diskussionskultur besitzt.


    Ich ziehe mich mal für ein Weilchen zurück und hoffe daß währenddessen Antworten auf kritische Fragen die Aussagen der Rede betreffend kommen. Mich würde immer noch interessieren, woher die Staubis ihren Wahrheitsanspruch nehmen ("Es steht ja im Libretto" ist keine Antwort, ich hoffe, es ist klar, warum). Und ach ja, was Regietheater mit Linksradikalismus zu tun hat.


    Ebenfalls nichts für ungut und auf Wiedersehen einstweilen.
    M.

    Ich frage mich immer noch, woher diese Leute immer so genau wissen, was der Autor wollte. Sie beantworten es nie. Es bleibt immer als Axiom im Raum stehen. Sie erheben für sich selbst das Monopol der Objektivität und verkaufen das Ganze als das einzig Wahre. Und ganz oben drauf erheben sie normative Forderungen und verquicken diese mit Politik: so wie wir, und alles andere ist linksradikal.


    Welch Anmaßung, welch Arroganz, welch Ignoranz.


    Die Unterstellung, Regietheater sei linksradikal, ist wirklich der letzte hilflose Versuch eines Mannes, der über Kunst nichts sagen kann. Sonst würde er es tun.


    :hello:
    M.

    Lieber Joseph,


    ich würde sagen, daß ein Sänger die Kritik minimiert und sich quasi sakrosankt macht, wenn er die folgenden Kriterien erfüllt/einhält:


    • Schönes Timbre
    • Gute Höhe und Tiefe, einheitlicher Klang über zwei Oktaven
    • Einwandfreie Stimmführung (Vibrato, Intonation etc.)
    • Wahl des richtigen Faches
    • Musikalische Korrektheit
    • Keine Skandale


    Natürlich gehören zu einem guten Sänger noch viele andere Merkmale - aber ich denke, daß man gut bedient ist, wenn man diese genannten erstmal erfüllt. Was ich damit sagen will: Viele der Sänger, die Du oben genannt hast, fliegen schon anhand dieser Liste von Basics raus, womit man erklären könnte, warum man sie so harsch kritisiert:


    • Franco Corelli - Klar, schöne, große Stimme, herrliche Höhe und Tiefe, einwandfreie Technik - aber... musikalisch total unkorrekt, macht ständig Portamenti, interpoliert hohe Töne nach Gusto und hält diese nach Belieben, enormes Ego und enorme Eitelkeit. Geschmacklose Übertreibungen. Muß man nicht mögen.
    • Max Lorenz - da fängt bei vielen die Kritik schon bei der Stimmfarbe an, ähnlich wie im Fall Pertile wird sie oft als häßlich wahrgenommen. Dann diese musikalische Ignoranz: Lorenz singt streckenweise, was er will. Er ist noch unkorrekter als Corelli. Kann man kritisieren.
    • Mario del Monaco - herrliche Stimme, Höhe und Tiefe einwandfrei, musikalisch korrekt, wenn er strenge Dirigenten hatte. Aber... dieses ständige Forte! Magda Olivero erzählte mal eine aufschlußreiche Geschichte. Sie und Del Monaco proben Adriana Lecouvreur - Del Monaco versucht, piano zu singen, kiekst und verläßt wutschnaufend die Bühne. Nächstes Mal singt er dieselbe Stelle fortissimo - weil, so Olivero, "durch seine Muskeltechnik die Stimme so steif war, daß er einfach nicht piano singen konnte". Das muß man nicht mögen.


    Gehen wir mal zu einigen anderen von der Liste der "Sakrosankten":


    • Carlo Bergonzi - Schöne Stimme, musikalisch, korrekt, aber schlechte Höhe, häufiges Zu-Tief-Singen. Und vor allem: falsches Fach. Für Verdi war Bergonzis Stimme zu klein, vor allem in Häusern jenseits der 2500 Plätze. Ich kenne viele, die ihn als Verdi-Tenor auf der Bühne erlebt haben und enttäuscht waren. Zu recht.
    • Maria Callas - Zweifelsohne eine herausragende Darstellerin, musikalisch mehr oder weniger korrekt, sehr charismatisch. Aber was ist mit der Stimme? Die kann zuweilen als äußerst harsch wahrgenommen werden. Dann entwickelte sie, nachdem sie in 5 Jahren alles sang, was man singen konnte, einen riesigen Wobble und hatte große Schwierigkeiten mit der Höhe. Das hört man auf vielen Aufnahmen, und das nervt. Das darf man kritisieren. Und dann diese ganzen Skandale...
    • Lauritz Melchior - Stimmtechnisch über jeden Zweifel erhaben, auch wenn die frühen Aufnahmen ein wenig knödelig klingen (Walküre 1935). Für einen Heldentenor eine unglaublich mühelose Höhe und eine fabelhafte Stamina. Musikalisch allerdings (vor allem live) nicht immer korrekt. Bei Wagner vor allem mangelnder Tiefgang und Ausdruck. Hier mit Lorenz gar nicht zu vergleichen. Sein Italienisch (Otello) war grauenhaft. Das darf man kritisieren.


    Schwieriger wird es in der Tat bei Wunderlich (ich mag ihn nicht besonders, aber er hatte eine herrliche Stimme, eine gute Technik, sang überaus korrekt, mied Skandale, war kein Egomane und sang nur selten im falschen Fach), bei Nilsson (von Anfang bis Ende sängerisch makellos, intelligent, immer im richtigen Fach) oder bei Caruso (dem man höchstens einen manchmal etwas druckvollen Klang und eine schwierige Höhe ankreiden kann). Zu Frick und Greindl kann ich nicht viel sagen, dazu kenne ich sie nicht gut genug.


    Die Liste der Sänger zu verlängern, die die oben genannten Kriterien erfüllen und damit für meine Begriffe in die Nähe des "Sakrosankten" rücken, ist gar nicht so einfach. Ich denke über Sänger nach, die hineingehören, verwerfe sie aber sogleich wieder: Jussi Björling (hatte schlimme Krisen, die man hören konnte), Giacomo Lauri Volpi (erst ein Caprino, dann ein Wobble - mich stört es nicht, aber konsensfähig ist er sicher nicht), Magda Olivero (auch ein Ziegenstimmchen, wenn man es überspitzt), Robert Merrill (monoton), Gigli (brüll, schluchz) usw...
    Die einzigen, die mir einfallen, sind Alfredo Kraus, Gianni Raimondi und Apollo Granforte. Aber gegen diese Sänger kann man sicher auch Einwände vorbringen. Ich geb's auf.


    Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: Ich glaube nicht, daß man sich beim Kritisieren lächerlich macht, wenn man seine Kritik gut begründet (ich hoffe, dies oben getan zu haben). Wirklich sakrosankt sind Sänger sicherlich nur für Fans. Denn diesseits des Fanatismus' soll wohlbegründete Kritik doch willkommen sein, oder?


    Jetzt muß ich zurück an die Arbeit. :angry: Schade, über dieses Thema könnte ich stundenlang reden.


    :hello:
    M.

    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Die Verkaufszahlen stimmen offenbar - aus welchen Gründen immer.


    Ich glaube einfach, daß Thielemann mit seinem Auftreten eine gewisse Klientel bedient, die es in Deutschland leider immer noch gibt. Ich glaube nicht, daß es nur PR ist - seine Musik hört sich nämlich genau so an, wie er spricht. Deshalb halte ich es für nicht richtig, Musiker und Politiker zu trennen. Thielemann scheint mir, in allem, was er da so tut, schon recht aufrichtig und konsequent zu sein. Wenn das alles ein Marketing-Trick sein soll (wie Du meinst), dann wäre mir der Appetit auf Thielemann so oder so vergangen. Wer den braunen Mann spielt, um seine Platten zu verkaufen, der ist bei mir unten durch.


    Zitat

    die ihn menschlich nicht mögen – wieso auch immer –, dies auf seine Aufnahmen und Vorstellungen subjektiv übertragen


    8o Es ist schwierig zu diskutieren, wenn auf die Argumente nicht eingegangen wird. Thielemann spielt den Nazi-Marsch Nr. 1 und redet von "Juderei" und Du sagst: Hm, weiß nicht, was daran unsympathisch sein soll. Ist das Dein Ernst? Und dann immer dieses Gerede vom "Subjektiven" - alles, was wir wahrnehmen, ist subjektiv, und in der Musik ganz besonders. "Subjektiv" eine Abneigung in die Wahrnehmung von Musik zu projizieren... mit Verlaub, was für ein Unsinn. Wie hörst Du denn? Objektiv?


    Zu den anderen Dirigenten: Metzmacher kenne ich viel besser, weil seine Konzerte, wenn auch nicht großartig, immer noch besser als die von Thielemann sind. Sein Repertoire ist ungleich interessanter, und im Gegensatz zu Thielemann scheint Metzmacher ein sympathischer Mensch zu sein. Marek Janowski, den ich immer wieder gerne erwähne, ist als Dirigent eine ganz andere Klasse als Thielemann. Er macht seit Jahren hervorragende Musik und macht nicht durch dümmliches Geschwätz von sich reden, das hat er gar nicht nötig. Ich bin mir sicher, ob er in irgendeinem Ranking von so einem Käseblatt wie der Welt auftaucht oder nicht, ist ihm auch herzlich egal. Gott sei dank.


    :hello:
    M.

    Ich habe mich nach der Lektüre dieses Threads mal ein bißchen über Thielemann informiert. Ich kannte bisher nur einige seiner musikalischen Arbeiten, die mir nicht besonders gefallen haben. Meine Eindrücke stimmen genau mit denen von Christian überein, der damals schrieb:


    Zitat

    Original von Il Grande Inquisitore
    (...) reichlich heruntergekurbeltes Repertoire an der DOB und auch eine gruselige Bruckner-Fünfte mit den Berliner Philharmonikern.
    Letztere hat mich denn schon an der künstlerischen Ernsthaftigkeit Thielemanns zweifeln lassen.


    Die Fünfte habe ich in einem anderen Thread ganz genauso beschrieben - interessant, wie gleich so etwas wahrgenommen werden kann.


    Die andere Seite ist allerdings der politische Mensch Thielemann. Und ich finde nicht, daß man ihn vom Musiker trennen kann. Ich halte auch den weiter oben von Oscar Wilde zitierten Spruch für ziemlich sinnentleert. Musik und Politik sind nicht irgendwelche Sachen, die man tut und die man vom Rest abtrennen kann. Schon gar nicht Thielemann. Thielemann ist von der Repertoirewahl, von seinem musikalischen Gestus und Stil, vom Erscheinungsbild und seinen politischen Äußerungen ein lupenreiner Rechtsaußen. Wer den Badenweiler in Nürnberg spielt, im Bezug auf seinen Kollegen Barenboim von "Juderei" spricht, hauptsächlich Strauss und Wagner im spätromantisch aufgeladenen, schwülstigen Stil der Anfangs-40er-Jahre spielt, auf den Coverphotographien schaut wie ihr wißt schon wer, ein unverschämt größenwahnsinniges Gehabe an den Tag legt... mir läuft es eiskalt den Rücken runter.


    Den Badenweiler Marsch, ich fasse es nicht. Tut mir leid, ich mochte seine Musik eh schon nicht besonders, aber jetzt ist sie für mich ungenießbar geworden.


    M.

    So sehr mich seine Genesung freut - wenn ich lese, daß er als Comebackrolle Don José singen will, kommt mir gleich wieder der kalte Kaffe hoch.


    Vorher ist Villazon bei bedeutend leichteren Rollen regelmäßig eingegangen, hat forciert ohne Ende, und am Ende mußte er wieder mal operiert werden. Und was macht er? Kommt sofort nach der OP zurück und singt gleich mal mindestens ein Fach schwerer. Warum denn nicht gleich Otello? Und dann singt er ausgerechnet mit Netrebko - da wird ihm die Kontrolle angesichts des Medien-Hypes wieder mal vollends entgleiten.


    Fazit: Der Mann hat überhaupt nichts dazugelernt, er wird weiter forcieren, kieksen und sich innerhalb der nächsten 5 Jahre endgültig kaputtsingen. Schade um diese schöne Stimme.


    :no:
    M.

    Zitat

    Original von Luis.Keuco
    Was ist hier eigentlich los? ?(
    Warum interessiert sich keiner für das Thema?
    Hallo? Keiner da?
    Soll ich einen Witz schreiben?


    Wäre vielleicht nicht verkehrt. Ich halte das Thema für ziemlich witzlos. Für diese und ähnliche Fragen haben Leute wie Toynbee und Spengler tausende von Seiten gebraucht. Ein schier unglaubliches Wissen und eine enorme Menge an Zeit wird benötigt, um sich über sowas kompetent zu äußern.


    Daß diese Diskussion schleppend läuft, mag damit zu tun haben.


    :hello:
    M.

    Zitat

    Original von Theophilus
    Aber auch ein Zeichen dafür, wie Tonaufnahmen die Maßstäbe verschieben. Paulchen Panther würde wahrscheinlich schon auf einer mittelgroßen Bühne nicht mehr über die Rampe kommen, aber im Studio kann man das überspielen. Und viele merken es nicht einmal...


    Volle Zustimmung. Und es ist eben keine Sache des Geschmacks. Paul Potts ist kein Opernsänger sondern ein mittelmäßiger Popsänger. Seine Darbietungen von Puccinis Arie haben nichts mehr mit Oper zu tun. Da könnte man die Gesangslinie gleich von André Rieu spielen lassen. Jaja. wem's gefällt, könnte man sagen - aber das ist eben kein Puccini mehr... und zwar genausowenig, wenn Nessun dorma von jemandem wie Potts gesungen wird. Die Habanera, gesungen von Helmut Lotti, würde hier wohl auch keiner mehr als konkurrenzfähigen Operngesang bezeichnen, oder? Ich sehe keinen Unterschied zwischen Potts und Lotti. Deshalb "ereifere" ich mich.


    Nessun dorma ist das Revier eines schwereren Spinto-Tenors. Man höre sich Francesco Merli an, Martinelli, Lauri Volpi (aber nicht eines der youtube Videos, die GLV jenseits der 70 zeigen), Del Monaco etc. Dagegen war Pavarotti mit all dem von Theophilus angesprochenen Studio-Hokuspokus eigentlich schon ein Witz. Und dann Paul Potts... ein Floh... also wirklich, liebe Leute...!!!


    Der Einfluß von Potts' Gesinge bei den klassisch Ungebildeten ist indes verheerend: die glauben nämlich, daß Oper so klingen muß wie Potts und Lotti. Ich kenne das, ich bin nämlich selber Sänger. Meine Großmutter sagt zu mir: sing' doch lieber mal was liebliches, oder mit lieblicher Stimme, so wie Potts. Immer dieses schwere Zeugs...


    Den Potts, Il Divos, Lottis usw. könnte ich dafür den Hals umdrehen.


    :hello:
    M.

    Lieber Orpheus,


    auf der Gesamtaufnahme wirst Du das Ave Maria als Nummer für Stimme mit Begleitung vergeblich suchen. Dieses Ave Maria ist ein Kunstprodukt, das sich einiger Melodien aus Cavalleria Rusticana bedient...


    Wenn Du einige andere Versionen hören willst, empfehle ich eine simple youtube-Suche.


    :hello:
    M.

    Lieber Paul,


    das finde ich nicht. Er verpasst seinem Gesinge das Label "Oper". Die Oper ist ein Genre mit Regeln. "Nessun dorma" ist Opernliteratur. Er hält sich in keiner Weise an diese Regeln, und deshalb darf er das, was er da macht, m.E. auch nicht "Oper" nennen.


    Volksverdummung ist das insofern als viele Leute glauben, daß sich so Opern anhören. Auf youtube habe ich gar gesehen, daß einige Leute Andrea Bocelli für - halte Dich fest - den Komponisten von dem "Lied" Nessun dorma halten...


    Ich finde nicht, daß man mit Geschmack alles erlauben darf. Es mag gefallen, aber er soll es nicht Oper nennen, und niemand soll mir sagen, daß Potts die Oper populär macht - denn er singt überhaupt keine Oper.


    Pavarotti hätte auch Heavy Metal singen können, und vielleicht hätte es einigen Leuten gefallen - aber Metal Music wäre das bestimmt nicht gewesen, und gegen ein solches Label hätte man sich mit recht gewehrt...


    :hello:
    M.

    Zitat

    Original von Joseph II.
    Als ich es richtigstellen wollte, kam der Hinweis, man solle auf dem armen Mann nicht so rumnörgeln, täte er doch mehr für die klassische Musik als die meisten anderen. :wacky:


    Nur damit das klar ist: Dieser Kerl hat mit Opern und klassischer Musik überhaupt nichts zu tun. Selbst wenn er ein Stück aus dem klassischen Repertoire zum besten gibt, es ist derartig enstellt, daß ein totales Zerrbild dargeboten wird. Wenn er der klassichen Musik etwas erweist, dann einen Bärendienst. Ein großartiger Beitrag zur Volksverdummung.


    :hello:
    M.

    Neben Svanholm und Lorenz gehört auf jeden Fall Lauritz Melchior in die Liste. Ob man ihn mag oder nicht (ich bin kein Fan von ihm): Die von ihm erhaltenen Aufnahmen von "Nothung, Nothung" und "Schmiede, mein Hammer" halte ich für unerreicht. Nicht zu vergessen ist Rudolf Laubenthal, den man damals in London als einzigen ernstzunehmenden Konkurrenten von Melchior wahrnahm.
    Es gibt von ihm ein paar Ausschnitte als Siegfried I und II - besonders die Szene "Mime hieß ein mürrischer Zwerg" ist großartig und für mich ebenso unerreicht wie die Aufnahmen Melchiors.


    Ich finde allerdings, daß doch ein Unterschied zwischen Siegfried I und Siegfried II ist. Mir gefällt z.B. Max Lorenz als Siegfried I sehr gut, wohingegen ich Svanholm für unerreicht als Siegfried II halte...


    :hello:
    M.

    Zitat

    Original von hasenbeinBeispiele: Vanessa Mae -> schreckliche Fiedeltante, sieht aber gut aus -> wird als neuer Star mit Hilfe von Hochglanzfotos mit Wet-T-Shirt etc. in pop-artiger Weise vermarktet.


    Opernwelt-Äquivalent: Anna Netrebko -> singt schrecklich, sieht aber gut aus -> wird als Hochglanzobjekt mit viel nackter Haut vermarktet.


    In dem tollen neuen Film mit dem ebenfalls großartig vermarkteten, aber inzwischen abgesungenen Villazón ist sie als Mimi im Abendkleid mit tiefem Ausschnitt und viel weißem Fleisch zu sehen.


    :wacky:


    Keine Ahnung von angemessener Winterkleidung. Kein Wunder, daß Mimi am Ende stirbt.

    Zitat

    Original von Joseph II.
    Auf ne gewisse Art und Weise ist ja sogar Tannhäuser ein Schurke, zumindest aber ein Lüstling.


    Da sieht man mal wieder wie extrem es hier darauf ankommt, aus welcher Perspektive man dieses Thema betrachtet...


    :wacky:
    M.

    Ich gestatte mir mal, zu widersprechen. Zunächst finde ich nicht, daß Vinay ein großartiger Otello war. Dafür war seine Interpretation zu oberflächlich und laut, seine Stimme zu schwer und zu unklar. Klar, bei seinen frühen Aufnahmen ist man irgendwie von der Gewalt des Organs beeindruckt - aber mehr auch nicht. Was den späten Vinay angeht, halte ich es mit Jens Malte Fischer: Er war weder ein Tenor noch ein Bariton sondern einfach ein Sänger ohne Stimme. Ein Baß war Vinay schon gar nicht. Ich habe ihn als Großinquisitor im Don Carlo: Vinay ist so ziemlich der einzige "Baß", den ich kenne, der absolut keine Tiefe hat.


    Die Urgewalt, die Vinay in den ersten Otello-Einspielungen an den Tag legt, ist für mich das einzige, was Domingo in dieser Rolle fehlt. Ansonsten halte ich ihn gegenüber Vinay in allen Belangen für überlegen: Stimmschönheit, Interpretation, Intelligenz, Ausdruckstiefe -Technik. Domingo sang den Otello bis ans Ende seiner langen Karriere. Für Vinay war nach ein paar Jahren Schluß - er hatte am Anfang viel Kraft und kaum Technik und am Ende weder das eine noch das andere.


    Etwas noch zu den von Herbert nominierten Interpreten:
    Mario del Monaco ist ein ähnlicher Fall wie Vinay, obwohl er ein viel besserer Sänger war. Verschleiß gab es bei Del Monaco nicht. Aber auch er hat sich durch die Rolle gebrüllt. Seine ersten Aufnahmen von 1950/51 sind auf Grund der permanenten Brüllerei eigentlich ungenießbar, wären sie nicht, ähnlich wie bei Vinay, wegen ebendieser eigentlich unmenschlichen Kraftmeierei so faszinierend. Del Monaco lag als Tenor außerdem viel zu tief - Verdi wollte für diese Rolle überhaupt keinen brüllenden "Baritenor", schon Tamagno war für ihn bekanntlich zu laut. Die Feinheiten der Rolle gehen bei Del Monaco allesamt verloren. Del Monaco ist der Stentor-Otello par excellence - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich ziehe Domingo vor. Obwohl ihm die Kraft fehlt, wird er der Rolle ungleich viel mehr gerecht.
    Bei Vickers und McCracken habe ich ein Problem mit dem unidiomatischen Ausdruck und vor allem mit den für mein Ohr sehr unattraktiven Timbres. Beide haben für meinen Geschmack häßliche Stimmen. Das Votum geht auch hier an Domingo.
    Cossuttas Stimme war für Otello ein paar Nummern zu klein. Er brilliert in einigen leichteren Puccini-Partien, aber Otello ist schon ein anderes Kaliber (wie Verdi generell). Seine Stimme ist zu dünn für die Rolle. Auch hier bevorzuge ich Domingo.
    Beim Rest der Auswahl komme ich zu demselben Resultat: Guichandut (Kraft statt Schönheit, Technik und Ausdruck), Ralf (interessant aber arg unidiomatisch), Atlantow und Usunov (vor allem laut) und die Deutschen fallen allesamt hinter Domingo ab.


    Was die anderen angeht, die nie den Otello auf der Bühne gesungen haben:
    Corelli - Gott bewahre! Es gibt einen Live-Mitschnitt seines "Niun mi tema". Das ist laut und oberflächlich, von einem furchtbaren Lispeln durchzogen... ich glaube, daß es eine gute Entscheidung von Corelli war, diese Partie nicht vollständig zu singen.
    Björling - ich bezweifle, daß sein lyrischer Tenor das mitgemacht hätte.
    Caruso - wäre sicher interessant gewesen, aber ich vermute, daß er mit dieser Partie arge Schwierigkeiten gehabt hätte.
    Tucker - wäre wahrscheinlich aufgrund seines doch teilweise geschmacklosen und unidiomatischen Ausdrucks keine Konkurrenz für Domingo geworden.
    Bergonzi - hat diese Rolle in der Carnegie Hall gesungen, allerdings nur in einer Probe. Die Aufführung wurde dann abgesagt. Es gibt einen Mitschnitt der Probe: Bergonzi kam über das mittlere G kaum hinaus... Außerdem hatte Bergonzi eine kleine Stimme, die in Häusern über 2500 Plätze regelmäßig unterging, und das nicht in Partien wie Otello sondern bereits bei Puccini!


    Ich denke, daß Giovanni Martinelli der beste Otello auf Tonträgern war. Interessant sind auch die Ausschnitte, die Giacomo Lauri Volpi und Aureliano Pertile aufgenommen haben. Eine Wucht war auch Francesco Merli. Es existiert ein Mitschnitt des kompletten ersten Aktes einer Aufführung von 1938 aus dem Castello Sforzesco in Mailand mit Merli - das ist eine Stimme von einer derart ungeheuren Kraft, daß sie Del Monaco und Vinay locker in den Schatten stellt. Dabei verfügt Merli allerdings über ein schönes Pianissimo, brüllt nicht und interpretiert mit viel Sensibilität.
    Schade, daß es von Merli, Pertile und Lauri Volpi keine Gesamtaufnahmen gibt. Merli würde bei mir sonst unangefochten an Nr.1 stehen.


    Für mich sieht die Otello-Rangliste so aus:
    Martinelli
    Merli, Lauri Volpi, Pertile (In Ausschnitten)
    Domingo
    ...
    ...
    Vinay.


    :hello:
    M.

    Zitat

    Original von heldenbariton
    Sesto Bruscantini


    in dt. Sprache:
    Heinrich Schlusnus


    Du bist mir wieder mal zuvorgekommen!
    Ich wollte nominieren: Sesto Bruscantini (italienisch) und
    Heinrich Schlusnus (für mich DER deutsche Rigoletto).


    Ich wundere mich ein bißchen, daß Cornell MacNeil und Sherill Milnes hier so kurz kommen - und ich wundere mich über Siegfrieds Nominierung von Pagliazzi. Den kennt ja kaum noch einer. Ein toller Bariton (den ich nie in der Rolle des Rigoletto gehört habe), der später aus mir unverständlichen Gründen ins Tenorfach wechselte...


    :hello:
    M.

    Hätte nicht gedacht, daß ich diesem Thread mal posten werde, aber nun denn.


    Ich halte Jackson für ein musikalisches Genie. Sein schier unglaubliches Gesangstalent, seine Musikalität, sein Rhythmusgefühl, sein ebenso unglaubliches Tanztalent - das alles ist für mich der reinste Ausdruck der Musik unserer Zeit. Dieser Mann war Musik.


    Vergleiche seiner Musik zu früheren Musikformen halte ich für ziemlich sinnlos. Was zu vergleichen sich lohnt, ist die Kraft des Ausdrucks von Jackson als Interpreten. Jackson brachte ein Höchstmaß an Authentizität mit sich. Klassikinterpreten von heute, die derart in der Musik aufgehen, sich derart ausdrücken und dementsprechend überzeugen können, kann ich an einer Hand abzählen.


    Ich bin Sänger und finde mich selbst nicht allzu schlecht. Aber nie würde ich träumen, mich auch nur in die Nähe einer Ausdrucksdichte oder Perfektion von der Qualität Jacksons arbeiten zu können. Obwohl ich ausschließlich klassische Musik mache, sind Jacksons beste Videos und Aufnahmen eine große Inspiration und immer wieder Ansporn, noch härter zu arbeiten.
    Ich verneige mich vor dem Genie Jacksons.


    M.

    Carmen und Jago gab es allerdings schon vor der Oper, so richtig erfüllen sie also nicht das Kriterium. à propos Hunde und Opernnamen: Tenor Gianni Raimondi hatte einen Pudel namens Schicchi, so daß Frau Raimondi, wenn sie nach Mann und Hund rief, bloß "Gianni, Schicchi" zu rufen brauchte...


    Zum Thema: Liù ist, glaube ich, ein Name, der erst im Laufe der Arbeit zu Turandot entstanden ist. Gozzi hat im Original keine Liù, und ich bin mir ziemlich sicher, daß dieser Name in Italien vorher nicht existiert hat. Heute kann man dort Frauen treffen, die Liù heißen.


    :hello:
    M.

    Ich will Euch ja nicht den Thread vermiesen, aber es ging doch eigentlich um folgendes:


    Zitat

    Original von Ulli
    Welche kreierten Namen von Opernfiguren haben sich denn noch als Vornamen der heutigen Zeit durchgesetzt?


    Dazu gehören wohl weder Loge (dann schon, kurioserweise, eher Loki), noch Mime, Hüon, Masetto, Alfred, Mandryka usw.


    Nach wie vor scheint mit neben Tamino Aida und Otello (mit Einschränkungen) die einzigen Opernnamen zu sein, der sich auch durchgesetzt haben (zumindest in Italien). Weitere Nennungen?


    :hello:
    M.

    Ich habe mich für folgende Einzelausgaben entschieden (das mit den Gesamtausgaben finde ich ein bißchen unfair...):


    - Alberto Moravia: Die Römerin
    - Erich Fried: Gedichte
    - Hermann Hesse: Das Glasperlenspiel
    - James Joyce: Ulysses
    - Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes
    - Albert Camus: L'étranger
    - Knut Hamsun: Segen der Erde
    - Gabriele d'Annunzio: Laudi
    - Dante: Divina Commedia


    und ein bißchen was zum Lachen muß auch dabei sein:
    - T.C.Boyle: Wassermusik


    Wenn ich den Koffer eines anderen nehmen müßte, dann wäre es wohl der Koffer von Alfred!


    :hello:
    M.

    6 Stimmen, die ich unter allen Umständen erkennen würde:


    • Jussi Björling
    • Set Svanholm
    • Mario del Monaco
    • Alfredo Kraus
    • Luciano Pavarotti
    • Beniamino Gigli


    und so weiter... "Tenöreraten" war bei uns mal so 'ne Art Sport, jeden Sonntag wurde einander Platten vorgespielt und gnadenlos Punkte vergeben (oder nicht). Die oben sind allerdings besonders leicht zu erkennen finde ich.


    :hello:
    M.

    Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    gibt es für dieses Abstimmungsergebnis auch eine Begründung ?


    Lieber Frank,


    sicherlich hauptsächlich Beliebtheit. Ich kann mir nicht vorstellen, daß hier nur nach Qualität geurteilt wurde. Sonst wären bestimmte Sänger gar nicht in der Liste und andere (wie z.B. der beste dramatische Tenor unserer Tage, Vladimir Galuzine, oder Sänger wie Nathan Gunn oder Alessandra Marc) wären drin.


    :hello:
    M.

    Für mich gibt es da nur eins: AIDA... und zwar mit eigens dafür erfundenen Blasinstrumenten!


    Dieser Hammer der Musikgeschichte lebt ja heute noch in der Pop-Kultur weiter. Ich sah im vollbesetzten Berliner Olympiastadion einmal ein Freundschaftspiel des FC Bayern gegen den AC Milan, und die Italiener kamen doch prompt zu den Klängen dieses herrlichen Marsches in die Arena marschiert. Sehr effektvoll...


    Irgendwann später bei Dussmann in der CD-Abteilung wurde ich Zeuge folgenden Gespräches:
    Kunde: "Hamse ooch det Lied aus AIDA, aba mehr so uffjemotzt wie beim Fußball?"
    (Konsternierter, etwas schnöseliger) Verkäufer: "Ääähm...."
    Kunde (singt): "Tä täääääää, tä tä tä tääää tääää tääää..."
    (Peinlich berührter) Verkäufer: "Äh, ja dort drüben, in der Opernabteilung"...


    woraufhin der arme Fußballfan zu einem hohen Regal mit dem Buchstaben V geschickt wurde und ratlos vor etwa 40 Gesamtaufnahmen und Querschnitten von Verdis Aida stand. Ich faßte mir ein Herz, ging hin und riet ihm, wenn er eine aufgemotzte Fußballstadion-Version haben wolle, solle er doch zu KARAJAN greifen... :hahahaha:


    :D
    M.

    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Zu Literaturopern des 20. Jh. wurde folgende These gepostet


    Ein Literaturoper ist allerdings nicht nur eine Oper, die auf Literatur basiert, sondern eine, die das Originalwerk unverändert als Libretto benutzt. Das würde die Reihe der hier zu besprechenden Opern ziemlich eingrenzen. Ich glaube nicht, daß das die Absicht war?


    Eine moderne Oper, welche ein klassisches Thema aufgreift (und mal einen eigenen Thread verdienen würde), ist Bartóks Herzog Blaubarts Burg. Die Blaubart-Legende ist sehr alt und hat zahlreiche literarische Bearbeitungen erfahren. Das Libretto von Balász ist dunkel und symbolistisch und in viele Richtungen interpretiertbar. Ich halte den Textx Balász' für eines der besten Libretti in der Operngeschichte, ebenso wie ich Bartóks Musik hervorragend finde.


    Die Behauptung, daß Opern, in denen der Text eine übergeordnete Rolle spielt, entweder auf dem heimischen Sofa oder auf der Bühne besser seien, finde ich ein bißchen unsachlich. Es kommt ja nicht drauf an, ob das Werk in einer bestimmten Epoche geschrieben ist und ob der Text oder die Musik wichtiger ist. Es kommt immer nur auf das Werk an - auch die Opern der Moderne sind sehr unterschiedlich. Und dann kommt es auch noch auf den Geschmack des Hörers an. Ich kann ja auch nicht generell sagen, daß alle Belcanto-Opern besser von CD aus zu erfahren sind, weil sie auf der Bühne zu albern wären... oder so.


    :hello:
    M.