Endlich daheim, möchte ich meine ersten Eindrücke schildern. Der Abend war, wie die bisherigen Beiträge zeigen, ereignisreich. Aber der Reihe nach:
Gegeben wurde in der WSO
Die Walküre
Text und Musik von Richard Wagner
Dirigent: Franz Welser-Möst
Inszenierung: Sven-Eric Bechtolf
Bühne: Rolf Glittenberg
Kostüme: Marianne Glittenberg
Video: fettFilm
Siegmund Johan Botha
Sieglinde Nina Stemme
Hunding Ain Anger
Wotan Juha Uusitalo (3.Akt: O.Hillebrand)
Brünnhilde Eva Johansson
Fricka Michaela Schuster
Um die Neuinszenierung wurde natürlich viel Aufhebens gemacht und wurde mit sehr großwm Interesse erwartet. Wer eine alles umstoßende, alles umdeutende, globale Neudeutung der Geschichte erwartet hat, muß enttäuscht sein. Bechtolf erzählt hier einfach die Geschichte der Walküre, ohne den Zwang, unbedingt wieder alles ins heute transponieren oder uns mit dem Holzhammer erläutern zu müssen.
Heutzutage manchmal direkt erholsam. Gewicht wurde auf die sehr menschliche Regungen und Handlungen der Götter gelegt, die auch mit den Darstellern sehr genau erarbeitet wurden und für eine Opernaufführung ziemlich glaubhaft gespielt wurde.
Severina berichtete vom durchgehenden blauen Grundton der Bühne - dem ist leider tatsächlich so, und von meinem Platz auf der Galerie aus mußte ich auch ununterbrochen darauf starren. Etwas erträglicher wurde das die Belichtung der Darsteller. Die Kostüme halten sich auch im schon offensichtlich unverzichtbaren schwarz oder zumindest sehr dunkel, Ausnahmen sind hier Sieglinde ab dem Liebesgeständnis, Fricka mit ihrem grün/lila glitzerndem Federmantel (darunter ein stahlblaues Abendkleid), und die Walküren im blutverschmierten weißem (silbern?) Gewand.
Ein guter Regieeinfall für mich ist der getötete Wolf, den ein Todesengel (?) während Frickas Besuch zu Wotans Füßen legt und Fricka seinen Widerstand damit bricht.
Der Walkürenritt mit den sich dem Walhall wiedersetzenden sterbenden Helden wurde schon besprochen. Als ganzes ist die Inszenierung stimmig, auch ohne großartigen einführenden Vorträgen zu verstehen - heutzutage nicht immer selbstverständlich. Und jetzt komme ich zur - von Severina auch geschilderten - Feuerzauber. Da wurde schon arg in den Kitschtopf gegriffen. Wie Wotan mit ausgebreiteten Armen in der Mitte steht und Stück für Stück das Feuer entfacht, das dann in rot-orange glühend die ganze Bühne einnimmt: großes Disney-Filmschluß. Aber hier nicht wirklich passen, etwas zuviel des Guten.
Die musikalische und sängerischen Leistungen sind erstklassig bis sehr gut, wenn man den Bläsern (diesmal nicht die Hörner sondern die Trompeten) von einigen Mißgriffen absieht.
Franz Welser-Möst vermag das Orchester zu wunderbaren Klängen motivieren. In einem vorangehenden Beitrag wurde etwas schwungvolleres Dirigat reklamiert; ich hätte manchmal eher etwas gediegenere Tempi gewünscht. So ist das halt mit den persönlichen Vorlieben.
Johan Bothas Siegfried ist strahlend kraftvoll, wunderbar gefühlvoll gesungen. Das allgemeine Warten auf die "Winterstürme" hat sich gelohnt. Ein Siegfried wie er sein soll.
Leider kann ich Singstimmen und Stimmfärbungen nicht fachlich richtig beschreiben. Nina Stemme singt mit einem warmen, strahlenden Sopran, niemals scharf, nicht in der Höhe oder beim Forcieren. Verdient bekamen beide großen Applaus und Bravi am Ende des ersten Aktes, und auch zum Schluß.
Eine angenehme Überraschung war Ain Angers Hunding, endlich mal ein junger Mann, ohne das übliche Poltern, aber doch gewalttätig und bedrohlich genug. Und daß seine Tonfärbung nicht der einer Matti Salminen oder Kurt Rydl gleicht, macht dem keinen Abbruch.
Michaela Schusters Fricka klang für mich zwar kultiviert, doch wenig gefährlich; allein wegen ihres Tonfalles hätte Wotan nicht nachgeben müssen.
Eva Johansson als Brünhilde muß stimmlich sehr viel leisten. Ihre Stimme ist sehr kraftvoll, kommt leicht über das Orchester und füllt den Raum. Über weite Streckengroßartig, merkt man im dritten Akt jedenfalls deutliche Ermüdungserscheinungen und sie wird etwas schrill. Aber zu den Buhrufen gab überhaupt keinen Grund, wie ich für die Sänger Buhrufe generell ablehne.
Meine Hochachtung gilt Herrn Hillebrand. Er wurde während der Aufführung telefonisch am Wiener Westbahnhof erreicht, wo er vor der Abreise noch schnell beim Würstelstand eine Stärkung zu sich nahm - unter diesen Umständen ein tadelloser Wotan, und jedenfalls eine Premiere gerettet.
Die Buhs für Direktor Holender bei der Ankündigung der Besetzungsänderung waren absolut unangebracht und unverständlich. Überhaupt scheint es etliche Besucher zu geben, die von vornherein mit dem Ziel zu einer Premiere kommen, um "ordentlich" ihre Buhs loszulassen. Eine zweifelhafte Entwicklung und manchmal schäme ich mich für diese Leute.
Das sind meine sehr persönliche Eindrücke. Hoffentlich war noch jemand dabei und kann auch berichten. Ich jedenfalls bin am 13.Dezember wieder dort, allerding auf reinen "Hörplätzen", da kann ich mich ganz auf die Musik konzentrieren.
Jetzt wünsche ich allen eine gute Nacht
und LG Jahnas