Beiträge von WotanCB

    Das Hauptproblem in einer solchen Diskussion über Stimmen und Opernaufführungen ist, glaube ich, dass einige halt nicht akzeptieren, dass es doch eine gewisse objektive, technische Dimension in dieser Kunst gibt, die mit ganz bestimmten Kriterien definiert werden kann und die dann auch überhalb der Geschmacksargumente steht. Dann kommt noch der historische Horizont der Aufführungspraxis und der Stilistik verschiedener Opernrichtungen hinzu. In diesem Falle Belcanto.
    Es geht einfach um Niveauunterschiede in der Argumentation.
    Nichts Persönliches, nur Business.

    Gerade im ersten Punkte waren wir uns auf jeden Fall einig. Die Kriterien gibt es. Aber stehen sie auch über den Geschmackskriterium? Ich glaube, dass sich diese beiden Argumente gegenüber stehen können wenn....
    1. der "Geschmacksfan" es hinnimmt, dass es technisch durchaus bessere Sänger gibt (was bei der Netrebko eindeutig der Fall ist)
    2. der "Technikfan" nicht durch seine Argumente versucht, den Geschmack des anderen zu korrigieren oder diesen madig zu machen


    Ob der Technikfan ein höheres Niveau in der Argumentation erreicht, nur weil er seinen Geschmack mit wichtigen Begriffen der Gesangskunst untermauert, wage ich zu bezweifeln. (Natürlich ist ein "ich mag den Sänger halt und basta" weder lesenswert noch gehaltreich).
    Ganz klar, was die Interpretation der Netrebko in Sachen Anna Bolena angeht, da lasse ich erstmal meinem Geschmack den Vortritt, da ich die Partie kaum kenne und doch kann ich Fehler und Stärken hören, was Legato, Tonanstaz usw angeht, ohne das ich die Partie dafür kennen muss. Ich werde mir bald auf jeden Fall die Gruberova anhören, weil ich genau weiß, dass die technsich der Netrebko haushoch überlegen ist.
    Trotzdem muss ich mich nicht hinstellen und alle Fehler der Netrebko an den Pranger stellen, frei nach dem Motto, die kann ja nichts. Denn das grenzt für mich an eine Trotz-Widersprechung eines zugegeben sehr einfach zu berauschenden "Main-Stream-Klassikpublikum", die auch mit den Augen hören. Aber auch unter diesen gibt es kundige Leute, die die vokalen Qualitäten der Netrebko erkennen ohne sie als "neue Callas" in den Himmel loben zu müssen.

    Es tut mir leid, wenn ich unerträglich radikal erscheine, aber wenn einer, der "Ahnung von Stimmen hat", diese Bolena in einer oder anderen Weise lobt, hat er dann eben KEINE Ahnung von Stimmen oder von Donizetti.

    Tatsächlich bist du mir in dieser Hinsicht zu radikal (und ich dir wahrscheinlich viel zu liberal). Ich verstehe halt nicht, wie du anderen ihre Meinung als falsch hinstellen kannst Damit gibts du allen hier im Forum zu verstehen, dass - in deinen Augen - nur deine Meinung die richtige ist und die anderen, die nicht deiner Meinung sind, keine Ahnung haben.


    1. Wenn das, was sie z.B. im "Al dolce guidami" getan hat, richtige Triller sind, dass bin ich der Kaiser von China. Man höre sich doch bitte eine Gruberova (noch in ihrem Alter!) an. Das sind Triller.
    2. Entschuldigung, aber wenn du die Oper erst kennengelernt hast und weder die Aufnahmen der Sills, der Sutherland, der Callas, der Gencer oder anderer kennst noch in die Partitur nicht hineingeschaut hast, wie kannst du mir sagen, dass sie die Vezierungen hinbekommen hat, wo doch sie keine einzige Koloratur richtig sauber gesungen hat. Das ist leider ein akustisches objektives Faktum. Ob dann die Netrebko immer noch gefällt, weil sie Anna Netrebko ist (erstklassig oder nicht), das ist eine andere Sache.
    3. Wieder einmal bitte ich diese Interpretation der Bolena mit einigen anderen zu vergleichen. Von Legato ist es überhaupt schwierig, im Falle der Netrebko zu reden, da sie - wie auch schon unsere Gioconda hingewiesen hat - allzuhäufig nach Luft geschnappt hat und dort, wo legiert werden musste, stets neu aufatmen musste, weil die Atemtechnik der Netrbko einfach nicht ausreicht, um den langen Phrasen der Bolena, die nur durch ein perfektes Legato Sinn ergeben, gerecht zu werden. Von Verzierungen, Variation und Phantasie ist ja gar keine Rede mehr. Es geht um die "blanke Existenz" bei ihr.
    4. Wenn die aufgeblasenen Töne im ersten Finale und in der "Coppia iniqua" natürlich klingen, dann weiß ich nicht mehr, über welches Belcanto wir reden. Dass sie die ganze letzte Stretta einfach durchgeschrien hat, scheint mir auch ganz unmittelbar einleuchtend zu sein. Zum Glück bin ich nicht der einzige, der es gehört hat.

    Das ist etwas völlig anderes was du jetzt schreibst. Du differenzierst, sagst wo die Fehler waren. Davor waren deine fünf Punkte so formuliert, dass es nicht nur auf die Anna Bolena, sondern gleich auf alles, was sie singt, zutreffen hätte können. Daher auch meine so allgemeine Gegenformulierung.
    Man muss Fr. Netrebko ja nicht mögen. Ich ziehe auch zum Beispiel eine Krassimira Stoyanova dreimal ihr vor. Dann rede ich nicht von schön sondern breche in Lobeshymnnen aus, wie im Herbst im Dortmunder Otello. Und auch wenn Fr. Netrebko diesen Abend aus Sicht eines Fachmanns verhauen hat, muss man ja nicht gleich mit der verbalen Brechstange losprügeln (alles in Bezug auf deine fünf Punkte von oben). Auch wenn ich mich immer noch frage, wie es sein kann, dass andere Leute, die auch Ahnung haben von Singen zu einem anderen Urteil kommen. Ist das dann schon Geschmackssache?

    Die Netrebko ist unfähig:
    1. einen Triller zu singen;
    2. die einfachste Verzierung (Vokalise, Koloratur oder wie man das auch nennen mag) auszuführen;
    3. ohne Intonationsprobleme eine lange, einheitliche Legato-Linie zu singen;
    4. bei dramatischeren Szenen, wo heftigeres "accento" verlangt wird, die Stimme im Zentrum nicht künstlich aufzublasen, in der Höhe nicht zu schreien und die Emission "in den Fugen" zu behalten.

    Schon wieder verstehe ich deine gewaschene Kritik gegenüber einer heutigen Sängerin nicht. So wie du hier über sie schreibst, könnte man meinen sie habe den Beruf verfehlt. Ich kenne auch - ebenso gesangskundige Kritiker - die genau das Gegenteil von dem behaupten, was du sagst. Wer hat denn nun Recht?
    Ich selber würde nie von der Netrebko behaupten, dass sie eine erstklassige Sängerin ist. Aber ich würde jetzt über sie schreiben, dass sie
    1. durchaus schon einen gelungen Triller gesungen hat.
    2. auch schon schiwerige verziehrungen hinbekommen hat;
    3. schon sehr viele Töne auch im langen Legato auf der richtigen Tonhöhe getroffen hat
    4. auch in dramatischer Lage natürlich klingen kann

    Wie willst du über Allgemeinplätze hinauskommen, wenn du die Aufnahmen von Callas, Sutherland, Sills, Gruberova und Theodossiou nicht kennst?


    Von all diesen Interpretationen ist die Netrebko meilenweit entfernt!


    :hello: LT


    Das was ich da oben geschrieben habe, war für mich - und daher auch der Einführungssatz - eine Momentaufnahme. Ich habe die Oper zumindest bis zu der Szene Giovanna - Anna kennengelernt, und was ich gehört habe hat mir zunächst mal als Oper gut gefallen. Und auch wenn ich keinen vergleich habe, kann trotzdem daran erkennen, wie ein Sänger singt, ob er es (technsich) gut macht oder nicht. Mein Gefühl hat mir gesagt, dass ich das was ich da höre schön finde - und erstmal ist das für mich wichtig. Dann hört man da noch zuweilen den aspierierten Tonansatz der Netrebko, oder auch nach oben gezogene Töne und unsaubere Koloraturen. Die Garanca finde ich nicht so unterkühlt und emotionslos wie von dir beschrieben, aber auch da kann ja nun das persönliche Empfinden der Eindrücke eine Rolle spielen.
    Fakt ist also, dass ich mich mit der Oper weiter beschäftigen werde und mir mal beizeiten eine Aufnahme davon zulegen werde.

    Ich verfolge gerade die Anna Bolena auf Arte, was für mich besonders spannend ist, da ich diese Oper noch nie vorher gesehen habe. So sind auch meine Vergleichsmöglichkeiten äußert beschränkt.
    Zunächst einmal gefällt mir die Musik Donizettis sehr gut, was mich aber nicht sonderlich überrascht. Mit der Aufführung bin ich bislang sehr zufrieden, ich kann viele Punkte, die von euch angesprochen wurden, auch heute abend wieder finden. Positiv fällt mir im Vergleich zum Samstag Abend auf, wo ich etwas im Radio mithörte, dass Tenor Meli nicht so auf die Stimme drückt wie noch in der Premiere. D'Arcangelo scheint auch wieder besser bei Stimme sein, trotzdem fehlt es ihm an königlicher Ausstrahlung. Sehr gut gefällt mir die Garanca, die ich aber nicht als unterkühlt bezeichnen würde. Sie ist nicht so "out going" wie die Netrebko, die zwar nicht so sicher singt wie Garanca, aber dennoch sehr sicher bislang die Rolle bewältigt. Auch die Kulmann macht eine tolle Partie. Gibt es noch jemanden, den ihr Timbre etwas an die Horne erinnert?
    Von "Schmutz und Unreinheit", wie Luca schrieb, kann ich im Orchester nichts hören. Das Dirigat von Pido hört sich für mich sehr passend zur Szene an, auch der typische Belcanto-Klang stellt sich für mich ein.
    An der optischen Seite der Übertragung gefallen mir am besten die Kostüme.

    Ich fand das Konzert in München sehr gut. Gerade durch das Dirigat von Kent Nagano. Der setzte auf eine sehr straffe Leseart und ließ nicht zu sehr Schwermut aufkommen. Trotzdem entfaltete Chor und Orchester die passende Stimmung um Tod, Vergänglichkeit und Trost.

    Rheingold aus der MET kann man mit Phonostar hören und/oder aufzeichnen.
    BBC 3 sendet leider nur mit 48 kbit/s.
    CBC Radio 2 (Kanada) sendet mit 192 kbit/s. Das ist eine relativ gute mp3 Qualität.
    Hoffentlich bricht der Stream während der Übertragung nicht ab.


    Auf der MET-Seite kann man mithören,aber leider nicht aufzeichnen.


    Beginn 20.00 Uhr MESZ ,wenn ich richtig umgerechnet habe.


    Soviel ich weiß beginnt es um 19:00 Uhr, die normale Sendezeit für Übertragungen aus der Met. Kann mich aber auch irren.

    Die Met überträgt morgen auf diversen Sendern (auch auf ihrer Homepage) Wagners Rheingold:


    Der amerikansiche Sender WCLV bringt heute abend ab 18/19 Uhr(keine Ahnung ob die Zeitumstellung beachtet wurde):

    Ich freue mich ja immer wieder wenn ein Theater "Zar und Zimmermann" spielt, und daher bin ich gestern nach Gelsenkirchen gefahren. Doch schon als ich erkannte wer die Inszenierung machte ahnte ich, wie der Abend enden würde. Roland Schwab hatte gerade erst in Berlin den Don Giovanni inszeniert und auch dort mit seiner. Sicht für zwiespältige Kritiken gesorgt.


    Wohin der Weg von Roland Schwabs Inszenierung bei Lortzing führen würde, kann man schon während und nach der Ouvertüre erahnen: Acht langbärtige Alt-Russen, das Programmheft benennt sie als die Bojaren, sitzen schon, wenn das Publikum den Saal betritt, vor dem Vorhang, auf dem geschrieben steht: Wanted Peter, und suchen den Zaren im Publikum. Während die Ouvertüre läuft, stricken sie im Takt an ihren Bärten weiter und werden zum Schluss schließlich Opfer von zwei Flammenwerfern.
    Immer wieder streut Schwaab historische Andeutungen zur Figur des Peter Michailow in seine Sicht auf die deutsche Volksoper, deren Sympathieträger sich von Anfang als in Gewaltfantasien manisch zuckender Machthaber entpuppt. Diese doch eher düstere Gestalt setzt Schwaab in betonten Kontrast zum grellen holländischen Saardam, das durch die Anwesenheit von Zaren, Deserteuren und Gesandten mächtig durcheinander gewirbelt wird.
    Soweit der Ausgangspunkt von Schwaabs Inszenierung, die durchaus das Potential gehabt hätte, eine perfekte Neudeutung zu werden, der deutschen Volksoper über einen intelligenten, aber auch zweifelhaft gewaltbereiten Mann ein anderes Gesicht als nur die lächerliche Komödie oder heile Welt Folklore zu geben. Zu lachen gibt es bei Schwaab ebenfalls viel: So sind die Arbeiter der Werft lustige Heinzelmännchen in orangefarbenen Müllmänner-Outfits (Kostüme: Renée Listerdal), die wie die Nibelungen mit einem silbernen Hammer (wo war denn da die Sichel?) rhythmisch ins Leere hämmern und in ihren Pausen Fische aßen. Bürgermeister van Bett wird von einer gelben Frisentracht tragenden Leibgarde begleitet, die als Spiegel fungierende Schutzschilde für den Bürgermeister mit sich tragen. Oder die Kantatenprobe, wo der Pianist den durch einen Schiffskran nach oben gezogenen Flügel über eine Leiter zu erreichen sucht und eine herrliche Slappstick-Nummer abliefert. Dazu wird die Aufführung bereichert durch eine pointierte Bewegungssprache der einzelnen Personen sowie des Chores, so dass die praktische Bühne von Piero Vinciguerra sehr klug bespielt wird.
    Doch das durchdachte, spannende Konzept und die guten Einfälle verlieren ihre Wirkung, wenn viel zu oft der Griff in die mittlerweile ganz alte Kiste der Regietheater-Provokationen getan wird. Das beginnt bei eher peinlichen Witzen: Da zeigen die in „Reih und Glied“ aufgestellten Handwerker ihre neckischen Unterhosen mit Tulpen im Schritt, und Peter Ivanow muss an der überproportionierten Witwe Browe (trotzdem gut und engagiert auf der Bühne: Almuth Herbst) die „Glocken“ läuten, um die Handwerker herbeizurufen. Und schließlich ist die Hochzeit natürlich eine Schwulenhochzeit mit wundervoll übertriebenen tuntigen Männern.
    Noch weniger traut Schwaab der schmachtenden Zärtlichkeit von Châteauneufs Wunschkonzerthit „Lebe wohl mein flandrisch Mädel“, wo der Zar sich unter den Tischen rumtreibt und eine Chordame oral befriedigt. Manches gibt in der Kombination mit der Musik auch keinen Sinn: Das kleine Mädchen zum Beispiel, das zu Beginn des zweiten Aktes im Festsaal steht und in der eingefrorenen Szene aus feiernden Männern und Frauen den nun folgenden Chor „Hoch lebe die Freude“ rezitiert (warum eigentlich?). Im Anschluss wird dieser dann so ausgelassen und toll gesungen von Opern-, und Extrachor des MiR (Einstudierung Christian Jeub), ist aber über die Hälfte gekürzt, so dass der eben rezitierte Text gar nicht zur Geltung kommt.
    Auch das letzte Wort der Aufführung hat nicht etwa Lortzing sondern eben die Gewaltphantasie des Zaren, der von Saardam aus zu einer historisch gesicherten blutigen Verfolgung von tausenden Strelitzen aufbricht. Dafür hebt sich der Bühnenboden zu einer zerstörerischen Musik und zeigt eine sehr scharfe, drehende Schiffsschraube als Vernichtungswaffe.
    In diesem szenischen Gewimmel von Einfällen und Provokationen kam die Musik fast zu kurz. Allerdings war die vokale Gestaltung auch nicht so geschlossen, dass sie die Regie als gleichberechtigter Partner hätte unterstützen können. Joachim G. Maß hatte die dankbare Rolle des blasierten Bürgermeister von Bett übernommen. Glücklicherweise übertrieb er die Rolle darstellerisch nicht und begeisterte mit einer herrlichen Mimik. Gesanglich bleiben dabei viele Feinheiten der Partie auf der Strecke. Piotr Prochera trug das Konzept des Regisseurs voll mit und sein Peter war alles andere als ein Sympathieträger. Mit raubtierhaften Bewegungen, zynischem Lächeln und wahnsinnigen Anflügen beherrschte er die Szene. Nicht ganz so auf diese Ebene war sein eher lyrischer Bariton, den er markant zu führen vermochte, dem allerdings die heldische Durchschlagskraft fehlte, den diese Rolle ohnehin und schon gar in diesem Konzept gebraucht hätte. So gebührte die sängerische Krone des Abends Alfia Kamalova, die sich von ihrer Gretel im Oktober zu einer überragenden, szenisch kecken Marie gesteigert hat. Ihre Stimme blühte wundervoll ausgeglichen in den Arien auf, die sie mit deutlicher Diktion vortrug. Zudem hatte ihre Stimme genau den richtigen Strahl, um in leuchtenden Legato-Bögen sogar aus der hinteren Bühne mühelos nach vorne in den Raum zu dringen.


    Auch der Dirigent Heiko Mathias Förster spürte in Lortzings genialer Musik, die ja immer wieder an Mozart erinnerte, auch den düsteren Untertönen nach, was auch gut zum szenischen Konzept passte. Allerdings vermied er extreme Übertreibungen, vor allem in Punkte Lautstärke, so dass die Sänger doch sehr freundlich unterstützt wurden. Das sehr sichere Orchester reagierte genau auf ihn, klang sehr homogen und und lieferte so eine geschlossene Leistung ab, die Lortzings Musik in all ihrer schlanken Pracht und Delikatesse zum Vorschein brachte.
    Am Ende einer fast dreieinhalbstündigen (und doch gekürzten) Aufführung war der Applaus des konzentriert zuhörenden Publikums in Gelsenkirchen fast schon verhalten müde. Die ersten Gäste hatten schon in der ersten Pause das Theater verlassen. Dementsprechend grollten viele Buhs durch das Theater als das Produktions- Team vor den Vorhang kam. Daneben zollten einige enthusiastischen Bravo-Rufer einer mutigen Sichtweise Respekt. Doch zwischen diesen beiden Meinungsspitzen war nicht zu überhören, dass der Applaus merklich abgeflaut war.




    Insgesamt wäre ich mit dieser Inszenierung wohl glücklich geworden, wenn Schwab nicht so demonstrativ auf billige Provokation geachtet hätte. Sein durchaus interessantes Konzept hätte hervorragend für eine Diskussion ausgereicht.

    Vielleicht sollte man den Thread umbennen in "Opern, die ich eine Zeit lang zu den Akten gelegt habe" oder "Opern, die mich nicht angesprochen haben".
    Ich hatte so einen Fall mit der Zauberflöte, die ich seit meinem 4 Lebensjahr gehört hatte, und irgendwann nach der Pubertät beschloss zu den Akten zu legen, da sie mir - so damals mein Gedanke - nichts mehr geben könnte. Gut zwei drei Jahre habe ich mit der zauberflöte kaum noch was zu tun gehabt, bis ich erkannte wie arrogant mein Gedanke war und heute weiß ich wieder wie wundervoll diese gesamte Musik ist, und das allein das mir sehr viel gibt.


    Aber ich kann verstehen, dass es Opern gibt, die einen nicht sofort ansprechen: Madama Butterfly und Turandot muss ich zum beispiel glaube ich erstmal sehen, aber die Opern ansich vom Hören haben mich noch nie angesprochen.


    Einen "Overactor" wie Villazón, der bereits den Preis für seine mangelnde Technik zahlt, will ich keineswegs als Rollenmodell des "modernen" Opernsängers anpreisen....doch insgesamt, ist das darstellerische Niveau in den letzten Jahrzehnten in Breite und Tiefe erheblich besser geworden...und das ist mir SEHR lieb.

    Dass Villazon eine schlechte Technik hat, möchte ich nicht mal unbedingt so sehen. Ihm fehlt meiner Meinung nach etwas auf der Bühne, was Edda Moser neulich so schön als "Gelassenheit" bezeichnet hat. Ich glaube, wenn er die Bühne betritt, lässt er alle Schranken fallen, lässt sich von seinen Emotionen mitreißen, was sich auch negativ auf Gesang und Szene auswirkt. Deshalb lieben ihn auch so viele Leute, weil er sich auf der Bühne fast auszieht, weil die Leute sehen, dass er sie mitreißen will. Nur leider ging das sehr stark zu Lasten des Gesangs. Ich hoffe, dass er sich wieder fängt.

    Vielleicht sollte man Carusos Liste nicht mal als Kriteriums Liste sehen. Denn ich kenne diese Liste auch, nur genau aus der anderen Richtung: Mein Lehrer hat mir das als Merkblatt (so ähnlich) aufgeschrieben was man


    1. als guter Sänger kennen, verstehen und anwenden sollte und
    2. wie man als Sänger seinen Lehrer überprüfen sollte, ob der einen auch in diesen Dingen unterrichten kann.


    Diese Liste macht also durchaus Sinn. Ich sitze nie in der Oper und höre einem Sänger zu, in dem ich diese Liste auf ihn anwende, aber wenn ich merke dass da technisch gerade etwas schief läuft kann man für sich sehr schnell herausfinden, wo der Fehler liegt. So kann man auch erkennen, ob es sich um ein grundsätzliches Problem, oder ein technisches "Missverständis" oder ein Tagesform abhängiges Maleur handelt.

    Aber dem jetzt weiter nachzugehen lasse ich jetzt doch lieber mal. Ich fürchte, dass es eher eine fruchtbare Diskussion verstellen würde.
    Immerhin möchte ich wenigstens noch darauf hinweisen, dass mir schon klar ist, wie schwierig es sein kann, bei der Beurteilung eines Sängers alle diese Kriterien im Blick zu haben und dann zu entscheiden, welches für mich mehr und welches weniger wiegen soll. Ich habe ja in einem anderen Thread mich als Konya-Verehrer geoutet. Zugleich aber habe ich auch auf seine gesangstechnischen Defizite verwiesen. Die beeinträchtigen nicht meine Begeisterung für Konya (vor 1961/62!!!), aber ich höre sie und kann und will sie nicht verdrängen, wenn ich seinen Hüon, seinen Riccardo oder einen Rodolfo preise!

    Wie bei einem guten Partner gehören auch die Macken eines Sängers zu seiner guten Stimme. Da entscheidet halt der persönliche Geschmack ob man diese Macken im Gesamtbild akzeptiert oder nicht.
    Ich finde übrigens schon, dass man Vergleiche mit "der alten Zeit" anstellen darf, allerdings sind diese Vergleiche oft so, als würde man Äpfel und Birnen vergleichen. Wenn ich hier eine CD suche, schreibe ich ja immer gern dazu, dass ich an Aufnahmen nach 1950/60 interssiert bin, da ich ja mit dieser nostalgischen Klangfarbe der historischen Aufnahmen so gar nichts anfangen kann. Wenn ich die höre frage ich mich immer wie diese Sänger wohl live geklungen haben müssen - schließlich ist der Eindruck ja doch ziemlich verfälscht. Klar kann man eine technsich gute Stimme auch darin hören, aber mehr ja wohl kaum. Ich vermute mal, dass die "alten" Sänger die gleiche Diskussion ähnlich mitgemacht haben wie unsere neue Generation heute.

    Danke für eure Eindrücke aus Hamburg. In der Tat werde ich langsam aber sicher mit Falk Struckmann auch nicht mehr glücklich, dessen früherer Pracht-Bariton in die Jahre und in den logischerweise folgenden Verschleis gekommen. Schon bei seinen letzten Vorstellungen in Bayreuth in dieser Partie (erste Serie des Dorst-Rings) hörte man unüberhörbare Ermüdungserscheinungen.
    Hat jemand von euch den von der Presse doch sehr gelobten Herrn Meyer gehört? Den höre ich nächstes Jahr wahrscheinlich als Hans Sachs....

    Nein, auf keinen Fall muss man singen können, um sich ein Urteil darüber zu erlauben. Allerdings habe ich bei mir (ich schreibe ja auch kleinere Kritiken) festgestellt, dass ein Wissen aus der Sicht des Sängers doch einiges besser beleuchtet. Wie oft habe ich und in mir selber erlebt, wie akribisch genau man das Handwerk des Singens betreiben muss, damit es technisch versiert ist. Und jede Kleinigkeit kann diesen komplizierten Ablauf durcheinander bringen. So kann ein Abend eine ganze Serie an Vorstellungen und auch den Ruf eines Sängers ruinieren, wenn ein verständnisloser, unbarmherziger Kritiker diesem Sänger das technsiche Rüstzeug abspricht auf Grund eines schlechten Abends. So ungern wir Kritiker das auch einsehen wollen: Das Singen ist Kunst für den Augenblick und selbst bei dem technsich versiertesten sängern der Welt geht das mal in die Hose.
    Ich selber arbeite nicht wirklich im System der Sänger. Was ich so beobachte, kann ich nicht (mehr) sagen, dass nur gegen die Stimme gearbeitet wird. Einige Sänger wollen das verändern - sofern sie keine "mediale Macht" haben, werden sie keinen Erfolg haben und sich nur Feinde machen. Schau dir Endrik Wottrich an, der viel gescholten wurde nach seiner Kritik an Schlingensief und seinem Rundumschlag gegen das System: Er selber wird kaum einsehen, dass er seinen teils doch sehr schlechten Leistungen in Bayreuth selber Schuld ist. Das System verändert sich insofern selber, da es sich dem modernen Zeitgeist anpasst. Das bedeutet auch, dass sich die Kunst des Singens sich an diese Umstände anpassen wird. Wenn man da keinen Lehrer hat, der einem die Grundbegriffe das klassischen Singens auf den jeweiligen Sänger hin beibringt, wird dieser Aspekt immer weiter ins Nebulöse abgleiten. Die Sänger selber haben da kaum eine Möglichkeit sich gegen dieses rollende Rad zu stemmen.
    Ein paar machen das, in dem sie sich zum Beispiel von jedem medialem Hype fernhalten, wie die Stoyanova, die du (ebenso wie ich) sehr zu schätzen scheinst. (Ihre Desdemona in Dortmund war eine Sternstunde des Gesangs für mich). Dafür hat ihr ganzer Auftritt eine künstlerische Seriosität und noch dazu die technsiche Sicherheit. Aber heute hat auch jeder Opernsänger Fans und die wollen zum Beispiel über Facebook mit ihm in Kontakt bleiben. Auch das ist für mich ein ganz entscheidender Faktor, warum Singen heute viel schwieriger ist als damals: Bei Youtube findest du heute jeden vergeigten Ton, weil jeder schnell sein Handy zückt und mitschneidet. Das gab es zwar auch damals (Alexander Knipnis Schmiss im Sextett aus "Don Giovanni", der von Donna Elvira korrigiert wurde ist ja auch auf CD erhältlich.), aber heute wird das doch ungleich mehr festgehalten.


    Wenn ich mir deine Beiträge ansehe, Luca, sehe ich schon darin, dass du dich sehr mit der italienischen Gesangsschule theoretisch auseinander gesetzt hast. Aber hast du auch selber gesungen? Ich finde, du machst es dir sehr einfach darin über die heutige schlechte Sängerwelt zu urteilen - und ich stimme dir zu, dass da oftmals viel falsch läuft, dass es nur wenige Lehrer gibt, die diesen komplexen Umgang nur sehr unaufmerksan und mangelhaft unterrichten. Aber so wie du über alte Zeiten schwärmst und neue Sänger in Grund und Boden redest, tust du vielen (auch unbekannten) Sängern Unrecht.
    Ich selber nehme mir die gleiche "Kompetenz" raus wie du, zumal ich auch selber nun seit 6 Jahren Gesangsunterricht nehme, veilleicht aber nicht so lange Opern höre wie du. Trotzdem kann ich einfach nicht zu dem gleichen negativen Urteil kommen wie du es über die heutigen Sänger sehr pauschal fällst. Es gibt genug Sänger die Qualität insgesamt bewahren, auch wenn sie durchaus auch schlechte Vorstellungen haben.
    Auch dass der Stress heutzutage geriner sein soll, als früher, kann ich angesichts vieler Gespräche mit Intendanten und Sängern nicht glauben. Die Probensituation ballt sich über den Vormittag, abends dann regelmäßig die Aufführungen, die auch mal schnell ganz woanders als am Vormittag sein kann. Man weiß ja zu wie vielen unsinnigen Handlungen heute die Sänger auf der Bühne getrieben werden und dass daher auch ein ganz anderer Sängertypus als früher auf der Bühne verlangt wird. Sicher ist auch, dass wen die Forderungen des Theaters nicht erfüllt werden, dem Sänger ganz schnell das Aus droht, nur die ganz großen Sänger dürfen sich solche Weigerungen erlauben.
    Letztendlich hat sich aber ein Sänger, der diesen Weg einschlägt, auch selber für diese Risikoreichen Weg entschieden, und ein Sänger, der sich nur auf sein Talent der schönen Stimme und/oder seine bühnenwirksamen Auftritte verlässt, den will ich mit diesen Worten auch nicht verteidigen.

    Eike Wilm Schulte und Peter Seiffert als Donner und Froh im Rheingold fallen mir da ein, die somit die Nachfolge von Metternich, Kmentt und Wächter in diesen Rollen antreten. Kiri Te Kanawa war ebenso ein (textundeutlicher) Waldvogel unter Haitink. Rollando Villazon ist der Holländer-Steuermann unter Barenboim und etwas später der Tristan-Steuermann unter Pappano neben dem Hirten von Ian Bostrige.
    Dazu kann ich mich erinnern, dass die Rheintöchter im Janowski-Ring von Lucia Popp angeführt wurden.

    Also für mich ist Soltis Dirigat schon das Highlight dieses "Rings". Ich mag diese fesselnde, zupackende Dramatik, die da entfaltet wird. Heutzutage erinnert mich Antonio Pappanos Stil immer ein wenig daran, der allerdings nicht ganz so scharf ran geht.
    Die Sängerbesetzung finde ich von daher klasse, weil sie eigentlich keinen Ausfall in dem Sinne hat. Auch Hans Hotter, der in diesem Ring nicht mehr ganz hält, was sein Name verspricht, ist daher problematisch, weil er sein "Alters-Wabble" nicht mehr in den Griff bekommt - und trotzdem ist seine Figuren-Zeichnung sehr scharf, die technische Bewältigung hervorragend.
    Gerade auch die kleinen Rollen sind für mich das große Highlight dieses Rings. Ewig bleibt mir der grelle Gehard Stolze im Ohr bei "Mime ist König, Fürst der Alben....". Den Gewitterzauber in der Kombination Ebehard Wächter und Solti habe ich seitdem nie wieder auf diesem Niveau gehört.
    Soltis Ring hat also für mich durchaus etwas legendäres, zumal ich sein Rheingold damals noch kurz vor dem Übergang zur CD auf Platte gehört habe. Kleine private Notiz am Rande: Die Platte hatte ich aus unserer Stadtbibliothek entliehen. Einmal vergaß ich den Deckel des Plattenspielers zu schließen, was unsere Katze zum Anlass nahm, Karusell auf der Platte zu fahren und ein paar hässliche Spuren mit ihren Krallen zu hinterlassen.....

    Wo hier gerade über Cura diskutiert wird....
    Ich habe Cura nur einmal erlebt: Nämlich auf dem Konzert in Halle/Westfalen an der Seite von Anna Netrebko. Auf der einen Seite machte mich da sein Rodolfo (La Boheme) nicht wirklich glücklich. Viel zu schwerfällig und auch sehr gekünstelt. Viel besser dagegen sein Otello im ersten Duett mit Desdemona. Aber mit einem stück eroberte er zu recht das Publikum, nämlich und natürlich mit "Nessun dorma", dass er wirklich auserordentlich gut und sogar auch mit Piano-Tönen gesungen hat und nicht nur Forte-Einheitsbrei. Wenn ich mich Recht erinnere, war hier auch sein Umgang mit dem Notentext sehr korrekt und nicht so frei, wie man es oft bei ihm hört.
    Anschließen muss ich mich im weitesten Sinne auch der Meinung, dass Cura alles andere als ein guter Stilist ist. Leider (oder zum Glück) habe ich ihn nicht so oft gehört, dass ich seine Gesangstechnik genau beurteilen könnte, aber mir ist völlig klar, dass dieser Mann mehr durch seine "Gesamtpaket" - Leistung besticht, als durch wirklich genaues, schönes Singen.

    Mich reizt schon einiges: Auf die Meistersinger habe ich eh große Lust, den Rigoletto möchte ich wegen Lucic sehen, den Titus wegen Lothar Ödinius und bei der Tosca..... da weiß ich halt nicht ob ich bis zu den drei Auftritten von Harteros warten soll.
    Der Holländer interssiert mich auf jeden Fall, da ich gerne wissen möchte was Hilsdorf daraus macht.
    Alles in allem vermute ich mal, dass wir relativ oft nach Köln fahren werden......