Beiträge von gyokusai

    Ich habe mich schon recht früh für Weberns Musik interessiert, angeregt von einer Passage in Thomas Pynchons Gravity's Rainbow (Die Enden der Parabel), das ich ebenfalls recht früh gelesen habe. Es ist der kurze, vermutlich innere (das ist bei Pynchon häufig nicht so klar) Monolog eines der Charaktere kurz nach Kriegsende im „Zonendeutschland“ (Übersetzung folgt):


    This rainy morning, in the quiet, it seems that Gustav's German Dialectic has come to its end. He has just had the word, all the way from Vienna along some musicians' grapevine, that Anton Webern is dead. “Shot in May, by the Americans. Senseless, accidental if you believe in accidents—some mess cook from North Carolina, some late draftee with a .45 he hardly knew how to use, too late for WW II, but not for Webern. The excuse for raiding the house was that Webern’s brother was in the black market. Who isn't? Do you know what kind of myth that’s going to make in a thousand years? The young barbarians coming in to murder the Last European, standing at the far end of what'd been going on since Bach, an expansion of music's polymorphous perversity till all notes were truly equal at last. . . . Where was there to go after Webern? It was the moment of maximum freedom. It all had to come down. Another Götterdämmerung—” [Thomas Pynchon, Gravity's Rainbow. London: Picador 1975. pp.440–41]


    Ich habe das Buch nicht auf Deutsch, also versuche ich mich an einer ad-hoc Übersetzung (bitte keine künstlerischen Maßstäbe anlegen, es ist schon vier Uhr morgens!):


    In der Stille dieses regnerischen Morgens scheint Gustavs deutsche Dialektik ihr Ende zu fnden. Gerade erfuhr er, den ganzen Weg aus Wien entlang der musikalischen Gerüchteküche, daß Anton Webern tot ist. „Erschossen im Mai, von den Amerikanern. Sinnlos, versehentlich, wenn man an Versehen glaubt — ein Kantinenkoch aus Nord-Carolina mit einer 45er, die er kaum zu benutzen wußte, zu spät eingezogen für den Zweiten Weltkrieg, aber nicht für Webern. Zur Rechtfertigung für die Hausdurchsuchung hieß es, daß Weberns Bruder auf dem Schwarzmarkt tätig war. Wer nicht! Hast du eine Ahnung, was das in tausend Jahren für einen Mythos abgeben wird? Die jungen Barbaren fallen ein, um den Letzten Europäer zu ermorden, der am fernen Ende einer Entwicklung stand, die mit Bach begann, eine Expansion der polymorphen Perversität der Musik, bis alle Noten schließlich wirklich gleichberechtigt waren . . . Wo sollte es nach Webern noch hingehen? Es war der Augenblick der maximalen Freiheit. Alles mußte zusammenbrechen. Eine weitere Götterdämmerung —“


    Bei aller Ironie hat diese Stelle mich doch immer sehr bewegt und tut das auch heute noch. Ich glaube fast, daß ich Webern anders hören würde, wenn er nicht auf diese Weise gestorben wäre (oder ich nichts davon wüßte). Das ist natürlich eigentlich völlig unsinnig, und wahrscheinlich reine Einbildung. Oder? Wie würdet ihr das sehen?


    Sorry für diese depressive Wendung ...


    ^_^J.

    Zitat

    Original von Khampan
    Klavier - ein fantastisches Instrument, nur leider kein Musikinstrument.


    Hihi das lädt ja fast unwiderstehlich dazu ein, ohne die Textattribute fett & kursiv sowie vollständig aus dem Zusammenhang gerissen flächendeckend als adrenalinanregendes Zitat zu dienen :D ...


    ^_^J.

    Zitat

    Original von Uwe Schoof
    Es muss vor ungefähr 20 Jahren gewesen sein, als ich in Düsseldorf der Aufführung dieser Oper beigewohnt habe. Damals war ich so begeistert oder fasziniert, dass ich während der nächsten 2 Wochen noch zwei Vorstellungen der "Toten Stadt" besucht habe.


    Waah ist das schon wirklich 20 Jahre her?!? Ich erinnere mich noch sehr gut an diese Inszenierung (die ich zweimal besuchte). War meine erste Berühung mit Korngold, der sich damit sofort für meinen persönlichen Komponistenolymp qualifizierte, und die Inszenierung war auch sagenhaft und um Lichtjahre aufregender als alles, was in etlichen Spielzeiten zuvor auf der Düsseldorfer Bühne vorgefallen war. Moment, war das nicht sogar die erste, oder eine der ersten, Inszenierungen unter dem damals brandneuen Intendanten Kurt Horres? Huch, ja das sind ja wirklich 20 Jahre :faint:


    Wie ich sehe, scheint es nur drei oder vier Aufnahmen zu geben? Kollo/Prey kommt für mich nicht in Frage (selbst wenn sie wirklich mal den Eindruck machten sollten, als wüßten sie, was sie da gerade singen, wären meine Aversionen leider übermächtig). Blieben die bereits erwähnte Walhalla-Produktion, deren Vollständigkeit nicht ganz klar scheint, die Live-Aufnahme aus Stockholm von Naxos, die nicht so richtig doll sein soll und schließlich die 2004er Aufnahme von den Salzburger Festspielen mit den Wienern unter Runnicles, die mir noch am vielversprechendsten erscheint.


    Kann jemand Empfehlungen aussprechen? Die tote Stadt gehört einfach in jeden halbwegs morbid ambitionierten Haushalt, wie ich finde. 8)


    ^_^J.

    Eigentlich wollte ich in diesem Thread gar nicht schreiben, sondern nur lesen, um mich ein bißchen mit den Vorlieben der Forenmitglieder vertraut zu machen. Aber zu meinem großen Erstaunen findet das eingangs angekündigte Showdown „Klavier vs. Violine“ gar nicht statt, und nun drängt's mich doch zu schreiben.


    Mein Lieblingsinstrument ist in der Tat die Violine. Sie hat mich schon immer fasziniert als das Instrument, das meinem Empfinden nach am spurlosesten von allen Instrumenten im Gruppenklang (der Streicher) aufgehen kann und als unbegleitetes Soloinstrument für mich gleichzeitig das existentiell einsamste und eindrucksvollste Instrument überhaupt darstellt. (Bachs Solopartiten waren bei mir schon immer ein guter Kandidat für die „einsame-Insel“-Frage.) Und zwischen maximaler Individualität und maximaler Auflösung in der Gruppe steht zusätzlich die phantastische Virtuosität als Soloinstrument in Violinkonzerten, einer Art von Virtuosität, der meinem Empfinden nach nur das Klavier gleichkommt.


    (Hm irgendwoher muß es ja kommen, daß in drei meiner Kernbeziehungen Violinstudierende verwickelt waren 8))


    ^_^J.

    Zitat

    Original von RealHendrik
    Da darf natürlich Dr. Eduard Hanslick nicht fehlen - [...] Entsprechend wenig beliebt war er bei den Komponisten, die von ihm "kritisiert" wurden. Brahms war ihm zu "modern", und Johannes Brahms machte aus seiner Abneigung zu Hanslick ebenfalls keinen Hehl. Brahms soll mal mit der ihm typischen spitzen Zunge auf die Frage nach dem Befinden des Herrn Hanslick geantwortet haben:


    "Hanslick ist vor einigen Wochen leberleidend nach Baden gefahren, aber leider lebend zurückgekommen."


    Holger_Grintz hat ja weiter oben schon darauf aufmerksam gemacht, daß das Zitat von Hellmesberger stammt, nicht von Hanslick, und daß Brahms und Hanslick enge Freunde waren. Es war sogar ein enger Viererclub, der sich da bei freundlichem Diebels verstand: Brahms, Schumann, Hanslick und Josef Joachim. Kritisch „verfeindet“ war Hanslick mit Wagner, Liszt, Tausig und Umfeld, wobei seine schönsten (= witzigsten) Kritiken in Richtung Wagner gingen. Wagner wurde in diesem und in anderen Kreisen schon allein deswegen mit Argwohn beäugt, weil er am Flügel komponierte ... kam ihnen wahrscheinlich so wenig „musikgerecht“ vor wie Punk mit drei Akkorden. ;)


    Wenn mir eine Hanslick-Kritikensammlung unter die Finger kam, habe ich sie stets in kürzester Zeit verschlungen — sagenhaft, was dieser Mensch für eine Bildung und einen Wortwitz hatte. Leider habe ich nie selbst ein Buch besessen, sonst würde ich jetzt etwas passendes daraus zitieren ... aus dem Stand erinnere ich mich nur an „... gab xxx vor der Pause noch eine etwas übereilte Hornphantasie unseres begabten xxx zum Besten.“


    Hanslick kann ich uneingeschränkt empfehlen als Lektüre — sie ist scharfsinnig, witzig und fördert das musikhistorische Allgemeinwissen ungemein. :) (Wagner-Begeisterte reagieren auf Hanslick allerdings heute noch oft wie auf jemanden, der beim Vorspiel zu Tannhäuser mit Popcorn knistert.)


    ^_^J.

    Oh wie in meiner Ripping-Zeremonienliste beschrieben, hält sich die Verlustbehaftung in mehr als nur moderaten Grenzen — und konkret-praktische Anwendungsmöglichkeiten für den Digitalausgang bieten sich überall dort, wo ich meinen Hut ablegen und den H140 umweglos in den einheimischen Hifi-Verstärker einstecken & musikalisch loslegen kann. Passiert bei meinem übermobilen Lebensstil eigentlich ständig!


    Und macht immer wieder Spaß.


    ^_^J.

    Interessant finde ich die unermüdlich wiederkehrende Nachfrage, „was genau“ denn jetzt verbesserungswürdig sei — gleichsam als trügen alle Einwände asymptotisch lediglich zur Liste möglicher Verbesserungen bei, ohne sich jemals zum Attribut „schlecht“ zu verdichten.


    Nebenbei, die gleichermaßen periodisch wiederkehrende Aufforderung „Welche 'Verbesserungsvorschläge' hätten Sie, wenn ich fragen darf?“ empfinde ich hier ähnlich konkret beantwortbar wie die Frage „Wo genau tut's Ihnen weh?“ an den Europäer auf dem Nagelbrett, oder die Gegenfrage „Was genau haben Sie nicht verstanden?“ seitens meines Chemielehrers zur Gymnasialzeit.


    ^_^J.

    Zitat

    Original von Fagott
    Kennt jemand die Bach-Einspielung von Alessio Corti? Diese Box wird durch Bella Musica vertrieben.
    Mir persönlich gefällt die Interpretation von Corti besser als bei Stockmeier oder Fagius.


    Hm schade ich finde so überhaupt nichts sinnvolles im Netz zu Alessio Corti, und auch auf Tamino glänzt er durch namentliche Anwesenheit bislang ausschließlich in den Listen des „Bedeutende Interpreten unserer Zeit — und ich kenne sie nicht“-Threads, einschließlich der einsamen Bemerkung von dem Mitglied m-mueller, daß es sich um eine „gute Interpretation der Bachschen Orgelwerke, herausgekommen bei Antes Concerto“ handle.


    Fagott sag, was zeichnet die Aufnahme denn besonders aus, auch und gerade gegenüber Stockmeier und Fagius?


    ^_^J.


    EDIT: Stimmt es eigentlich, daß die gesamte Einspielung von Alessio Corti auf zwei Orgeln erfolgt (Tamburini-Orgel Santa Maria Segreta Mailand & Tamburini-Orgel der Kirche Santa Cristiana Protestante Mailand)?

    Zitat

    Original von Theophilus

    Zitat

    Zitat


    Jetzt schon zum zweiten Mal. Wofür sollte der H140 einen Digitalausgang haben? Und noch dazu mit der besten Signalqualität? Unterwegs hast du sicherlich nichts davon, du wirst also wohl den Analogausgang meinen (für Kopfhörer oder Anschluss an eine Anlage) ....


    In der Sache hast Du recht, aber insgesamt auch wieder nicht. 8) Wenn mein Kopfhörer dranhängt, wird er natürlich mit analogen Signalen bedient. Aber ebenso wie der Signaleingang ist auch der Ausgang des H140 für analoge UND verlustfreie digitale Datenübertragung eingerichtet, gell! [“The playback outlook is equally rosy, with outputs for digital optical and analog line-out—great for connecting the device to any type of sound system.“]


    (Was nicht heißt, daß ich mich nicht präzise ausdrücken sollte ;) )


    Zitat

    Original von

    Zitat

    Zitat

    Masetto
    Es wurde einfach nur festgestellt, dass Iriverprodukte einfach den besten Klang haben


    :yes:


    ^_^J.

    Hatte heute nichts zu schreiben/texten, sondern nur langweiligen Kram für ein Extranet zu programmieren, was nicht allzu viel Konzentration erforderte — die Gelegenheit konnte ich nutzen, erste Höreindrücke von Stockmeier und Fagius zu sammeln.


    Viel kam da natürlich noch nicht zusammen, die Triosonaten, Fantasie und Fuge g-moll ... aber ich muß zugeben, daß mir beim ersten Gegenhören die Fagius-Version eher zusagt. Seine Registerauswahl finde ich zwar manchmal gewöhnungsbedürftig, aber das Spiel ist deutlich kraftvoller als das von Stockmeier, den ich zwischendurch ein bißchen allzu trocken finde. (Und was in aller Welt hat Stockmeier bewogen, restlos alles auf Kreienbrink-Orgeln einzuspielen? Variatio delectat!)


    Aber das ist natürlich nur ein erster Eindruck. „Kraftvolles“ Spiel kann auf Dauer durchaus ermüden, und gelegentlich möchte ich die Musik auch mal im Kopf zergehen lassen, ohne jedesmal vor Begeisterung mitgerissen zu werden und eigentlich nur noch mit dem Südpol zu rezipieren.


    Zwar sagte ich, daß ich erst jetzt beginne, mich in das Orgelwerk einzuarbeiten, aber über die Jahre habe ich doch reichlich Orgelliteratur von Bach in Kirchen & Konzerten gehört.


    „Echten“ Neulingen würde ich, bei entsprechender Auswahl, jetzt tatsächlich eher Fagius empfehlen, denn bei ihm kommt der erste Eindruck richtig gut mit Knalleffekt. :)


    Oder erzähle ich hier Unsinn, weil ich wieder viel zu wenig schlafe? Wer kennt ebenfalls beide Aufnahmen und sieht das vielleicht alles völlig anders?


    ^_^J.

    Habe diesen Thread gelesen und komme nun fast zu dem Schluß, daß ich es übertreibe mit meiner mobilen Musik ... aber da ich oft mehr Musik unterwegs höre als zu Hause, wollte ich nicht sparen.


    Hier meine überlange Zeremonienliste für Unterwegsmusik:


    >>>
    Jukebox:
    iRiver H140 — hat nach wie vor den Digitalausgang mit der besten Signalqualität auf dem Mobilplayer-Markt, iPod eingeschlossen


    Kopf-/Ohrhöhrer:
    2–3x im Jahr neue Kopf- oder Ohrhörer, weil die Kabel durch das ganze Rein und Raus gründlich mitgenommen werden


    Rippen Schritt 1 (CD zu unkomprimierten WAV):
    Mit „EAX“ (Exact Audio Copy) Freeware, denn gewöhnliche Ripper kranken daran, daß der Red Book Audio-CD-Standard keine Fehlerkorrektur vorsieht, während EAX mit einem ganzen Bündel an Tricks Fehlerkorrekturen vom Laufwerk erzwingt


    Rippen Schritt 2 (WAV zu Ogg Vorbis):
    Konvertierung mit dem „dMC File Selector“/„dbPower AMP Music Converter“ Freeware-Paket von WAV zu Ogg Vorbis mit 256 kb/s dynamischer Bitrate


    Rippen Schritt 3 (Tags):
    Tags zusammenstellen mit „The Godfather“ Freeware, einem extrem mächtigen Programm, das Einarbeitung erfordert, aber dann geht's wie der Wind und komfortabel


    Überspielen/Verwalten:
    Überspielen und Verwalten der Musikdateien mit MoodLogic, das sich auf den U.S.-Seiten von iRiver für den H140 und andere Modelle herunterladen läßt und um Klassen besser ist als der Kram, der in Deutschland mitgeliefert/angeboten wird


    >>>


    Hört sich jetzt alles rasend kompliziert an, geht aber extrem einfach und nebenher, wenn's einmal eingerichtet ist. 256er Bitrate ist natürlich stramm (praktisch CD-Qualität). Tatsächlich höre ich ab 192 kb/s aufwärts keine konkret beschreibbaren Unterschiede mehr, aber nach mehreren Tagen Feldversuchen habe ich herausgefunden, daß mein Unterbewußtsein wohl doch welche hört: Unterhalb 256 kb/s schweife ich gedanklich disproportional oft und reproduzierbar ab und träume vor mich hin, anstatt der Musik zuzuhören. (Testet das mal selbst!) Die Dateigröße wird dabei zum Glück nicht zum Problem: Ogg Vorbis schneidet seit Jahren nicht nur in allen Qualitätstest konstant am besten ab, sondern produziert auch die proportional kleinsten Dateien, nicht zuletzt wegen der dynamischen Codierung. (Lame codiert auch dynamisch, soweit ich weiß, aber mit anderen Algorithmen, und die Dateien sind proportional ebenfalls größer als Ogg-Dateien.) AAC ist zwar besser als „gleichgroßes“ MP3, aber 128 kb/s finde ich trotzdem nicht witzig. Leider hat der iPod keine Ogg Vorbis-Unterstützung, seufz. Aber iTunes kriegt man zumindest dazu, Ogg Vorbis zu verdauen, indem man QuickTime den entsprechenden Codec unterjubelt; von dort holt sich iTunes nämlich seine Gebrauchsanleitungen zum Dekodieren.


    Für mich lohnt sich der ganze Aufwand unter anderem auch deswegen, weil ich schon länger kein Auto bzw. Motorrad mehr fahre, sondern auf Bus & Bahn umgestiegen bin, einschließlich regelmäßiger Zugfahrten nach Hamburg. Und so habe ich mein Wohnzimmer immer dabei! :) Und bin dann auch für grandiose Verspätungen gerüstet.


    ^_^J.

    :)


    Aus Gründen, über die ich nie wirklich nachgedacht habe (würde mal Zeit), war ich auch nie ein Fan von Horowitz, nebenbei. Wie viele andere Menschen neige aber auch ich dazu, „hörfaul“ zu werden, wenn ein bestimmter Interpret schon mal nicht zusagte — völlig unabhängig davon, ob sich das, was nicht gefiel, tatsächlich quer durch Lebenszeit & Werk des Interpreten wiederholt. Die zweite Herausforderung besteht darin, daß Dinge, die wir „schlechter“ finden, oft in Wirklichkeit bloß „anders“ sind, und auch bei dieser Art von Beurteilung, IMHO, haben Gewohnheiten öfter, als wir uns zugestehen wollen & uns lieb sein kann, Vorfahrt vor tatsächlich reflektierten Präferenzen. Tempi-Vorlieben sind da ein hervorragendes Beispiel.


    Op.66 in der Einspielung von Biret werde ich dann mal gründlich in mich gehen lassen — keine einfache Sache, bei einem so komplexen Stück. Sobald mir das gelungen ist, gebe ich Laut. 8)


    Gruß,
    ^_^J.

    Zitat

    Original von gyokusai
    Was mich brennend interessiert: Hat jemand die Stockmeier-Aufnahme auf Vinyl und kann etwas zur Aufnahmequalität sagen? Und könnte jemand mit der CD-Version und dem Ohr für so etwas ein Wort zur Qualität des Remasterings sagen? (Ich weiß im Moment nicht mal, ob die CD-Version ADD oder AAD ist).


    Also auf oder in der Stockmeier-Box, die ich jetzt vor mir habe, steht absolut nichts zum Remastering-Prozeß, kein wie, wann, wo oder von wem. Das liebe ich ja sehr. Hat jemand mehr Informationen dazu? (Und, wie gesagt, zur Qualität der Vinyl-Fassung im Vergleich?)


    ^_^J.

    Hallo Hayate —


    auf jedem anderen Forum würde ich sagen, daß Dein Beitrag zu Biret (und Horowitz, Gulda, Gould ...) auf der allgemeinen Troll-Skala von 1–10 sich großzügig oberhalb der Mitte aufhalte, aber hier auf Tamino gehe ich davon aus, daß ich das aus tonalen Gründen einfach falsch verstehe. (Und ein gewisser Hang zur Apodiktik ist ja auch durchaus interessant.)


    Daher, wärst Du so nett, Deinen Eindruck an einem konkreten Beispiel zu substantiieren? Ich weiß, ich neige bei einer positiven Grundbeurteilung (und die habe ich bei Biret auf jeden Fall) gerne dazu, Schwächen und Negatives auszublenden, und manchmal ist mein Ohr auch schlicht nicht scharf genug. Aber zum Nachvollzug eines Beispiels, wenn ich es denn trotz Deines Fingerdrauflegens nicht hören sollte, könnte ich zumindest bei den Impromptu zusätzlich in die Noten gucken.


    Mit netten Grüßen,
    ^_^J.

    Hat noch jemand außer mir den Eindruck, daß die Anzahl der lokalen Realitätsverzerrungsfelder seit kurzem sprunghaft angestiegen ist? Vielleicht steht ein wichtiges kosmisches Ereignis bevor.


    8)


    Ich gehe wohl recht in der Annahme, daß die „einige Rückmeldungen auf meine Einträge“ aus anderen Foren stammen? Also naja gut hm im Prinzip eigentlich schon aber ich bin nicht sicher, ob wir es hier wirklich mit Mut zu tun haben, eher mit s.o. — und das gilt neben der dramatisch Ausführenden ganz besonders auch für diese subtilste Öffentlichkeitsarbeit seit Bush vs. Kerry.


    ^_^J.

    Um hier, auch etwas verspätet, noch meinen Groschen einzuwerfen:


    (Mit CD meine ich im folgenden immer Standard-CD, nicht SACD, DVD-Audio o.ä. Gut remasterte analoge Aufnahmen auf SACD/DVD-A sind IMHO kaum zu schlagen, aber das Angebot dafür ist viel zu dünn. Und der Hintergrund ärgerlich: Eine Recherche über Standards und Patente fördert zu Tage, daß diese Technik von Sony ewig zurückgehalten wurde, bis das CD-Patent sich seinem Ende näherte. Wieviele tolle Aufnahmen uns dadurch in dieser Technik entgangen sind! Schöne neue Welt, halt.)


    Im Laufe der Zeit bin ich zu der Auffassung gekommen, daß ich analoge Aufnahmen wenn irgend möglich auf Vinyl besitze/höre, digitale aber auf CD. Analoge Aufnahmen klingen in meinen Ohren spürbar ärmer von der Silberscheibe, und Digitalaufnahmen auf Vinyl zu hören finde ich eher albern. Ob das (analoge oder digitale) Remastering für eine bestimmte Aufnahme etwas taugt, stellt sich generell leider erst heraus, wenn sie abgespielt wird, und dann ist es zum Zurückwerfen zu spät.


    Viel für-und-wieder wurde bereits geäußert, was das analoge Hörerlebnis angeht. Eines würde ich gerne hinzufügen: Neil Young sagte einmal, der Unterschied zwischen einer analogen und einer digitalen Aufnahme lasse sich anhand eines Fliegengitters verdeutlichen. Wer an ein gewöhnliches, „analoges“ Fliegengitter ganz nah herantrete und durch ein einzelnes Segment blicke, könne die gesamte Landschaft sehen; bei einem „digitalen“ Fliegengitter zeige sich aus der gleichen Perspektive nur die in diesem Segment vorherrschende Farbe. Damit wollte Young nicht sagen, daß die digitale Aufnahme als solche ihm ein Greuel sei: nur die CD mit ihrer beschränkten „Auflösung“. Denn je kleiner die Fliegengittersegmente, um bei der Analogie zu bleiben, desto reicher wird wieder das Gesamtbild.


    Diese Analogie traf sehr gut mein Empfinden, als mich die große Ernüchterung nach der ersten CD-Euphorie traf. Und ich kenne einige Musiker, meinen Vater eingeschlossen, die über solche Fragen nie reflektierten, aber ein ähnliches Verhalten zeigten: Sie kauften sich freudig einen CD-Player und CDs, fanden alles ganz toll, und ein Jahr später lag auf den CDs eine fette Staubschicht, weil sie — ohne daß Ihnen dies bewußt geworden wäre — wieder zu ihren Analog-Aufnahmen zurückgekehrt waren. (Das klappte natürlich nur so lange, wie Vinyl noch in sinnvoller Auswahl käuflich war.)


    Platten und Plattenspieler sind natürlich pflegebedürftiger, keine Frage. Einfach bloß abstauben reicht da nicht, naß abspielen hat, wie in diesem Thread bereits ausgeführt, enorme Nachteile, und Plattenwaschmaschinen haben große Preisschilder. Ich habe inzwischen einen guten Mittelweg gefunden, für den ich sogar meinen alten Plattenspieler verwenden konnte (der sich neulich, kurz nach dem Ableben meines CD-Spielers, ebenfalls zur unverdienten Ruhe setzte). Bevor ich das jetzt groß und breit erkläre und mich dabei auch noch mit fremden Federn schmücke, verlinke ich lieber zu der Anleitung, die mich dazu inspirierte: http://www.vinyllebt.de/html/b…waschseiten.html#waschen3 .


    Mit dieser Kombination aus Clearaudio Pure Groove-Bürste, Microfasertüchern, L'Art du Son von Loricraft als Reiniger und meinem alten Plattenspieler kriege ich meine Platten hörbar in Topform. Den „Puck“ zum Drehen des Plattentellers habe ich mir übrigens nicht zusammengebastelt, sondern ganz schlicht & faul erworben: Ein Tight-Grip-Reifen für Geländewagen-Modellautos, dessen Mittelloch in der „Plastikfelge“ ich nur ein bißchen aufzubohren brauchte.


    Was aber auch diese Reinigung nicht reparieren kann, sind die vielen blöden Billigpressungen, die ich meinem damals notorisch schwindsüchtigen Portemonnaie (und meiner Ignoranz) verdanke ...


    ^_^J.

    Seit meine gute Freundin Regine mich vor vielen Jahren mit Florence Foster Jenkins' Glory of the Human Voice bekannt machte, habe ich über eine Gesangsdarbietung nicht mehr so gelacht ... bin völlig außer Atem!


    Daß es sich hierbei um Satire, nicht Realsatire, handelt, war ein naheliegender Gedanke, aber es scheint in der Tat alles vollständig echt & ernst gemeint zu sein.


    Was mich endgültig überzeugte, daß es sich nur um Realsatire handeln kann, war der Sängerin „Mutterseite“: Wer so lange wie ich sowohl im Bereich Webdesign (zuarbeitend im Rahmen unseres Freiberuflernetzwerks) als auch im Bereich Computertechnik/-Training zu Hause war, kann mit absoluter Sicherheit sagen, daß http://www.wunsch-computer.at/ keine, in Worten: keine Satire ist. Das ist bitterster Ernst.


    Und hör moin Flöhen, nach den Gesetzen der HTML-Vererbungslehre, automatisch auch.


    Bleibt die Frage, wie das Gerücht um „Guido Klode“ zustande kam ... der einzige Anhaltspunkt ist die Schlußbemerkung eines festspiele.de-Forumsmitglieds zur Beweisführung seiner Behauptung, daß sein hirnverbrannter Thread als Satire konzipiert war. Ansonsten gibt's im ganzen Internet keine Verbindung zwischen dem deutschen Kabarettisten und der österreichischen Tongarotte.


    ^_^J.

    Dieser Thread ist zwar schon etwas älter, aber das gilt für die meisten von uns ja auch.


    Von der Chopin-Einspielung Idil Birets bin ich wirklich beeindruckt. Ihr Name war mir hier und dort begegnet, aber mehr nicht. Vorletzte Woche drückte mir ein Bekannter, der überhaupt keine Klassik hört, die Chopin-Box in die Hand mit den Worten, „hab' ich billig gekauft, hör mal rein und gib sie mir irgendwann wieder“.


    Hm dachte ich, Gesamtaufnahmen als solche sind ja zumeist *hüstel*, und dann das Label ... womit ich auch eher bejahen würde, was in einem verwandten Thread zur Sprache kam: daß Budgetlabel Künstlerinnen und Künstlern nicht unbedingt zuträglich sind!


    Letzte Woche hörte ich dann eine Stunde oder so rein und he, das war besser als ich dachte ... also packte ich etliche ausgesuchte Stücke als Ogg Vorbis in CD-Qualität auf meinen Player und hörte sie dieses Wochenende auf der Zugfahrt nach Hamburg und zurück in Ruhe unterwegs. Und erst dann war ich wirklich angemessen schockiert, wie gut die Aufnahmen waren! Ich muß dazu sagen, daß mein CD-Player sich leider kürzlich in ein zwar formschönes, aber nicht sehr nützliches Möbelstück transformierte, weswegen ich meine CDs zur Zeit nur im DVD-Player abspielen kann, gar nicht schön. Aber über die legendäre (und preisgekrönte) Qualität des Digitalausgangs meines iRiver H140, wow, ein Erlebnis. Habe Zugfahrten lange nicht mehr so genossen! (Sogar die übliche 56-minüte Verspätung verging wie im Fluge.)


    Allerdings würde ich dem Beitrag von gaspard (in wiederum einem anderem Thread zum Thema Naxos) hinsichtlich Birets Rubato anschließen wollen — ein Bremsfallschirm weniger würde gelegentlich nicht schaden.


    Aber eine Frage habe ich. Bei einigen (wenigen) Stücken kam mir die dynamische Reichweite zwischen p und f minimal verdächtig vor (z. B. gleich auf der ersten CD bei der g-moll-Ballade). Wäre es möglich, daß hier ein bißchen „überproduziert“ wurde? Oder höre ich Gespenster?


    ^_^J.

    Tja, wo anfangen! Dieser Thread kommt mir wie gerufen, denn auch ich fange gerade an, mich in Bachs Orgelwerk einzuhören. Und damit sich das auch so richtig lohnt — „keine halben Sachen!“, wie mein Segellehrer zu sagen pflegte, wenn ein Schüler mit dem Kat gleich durchkenterte — habe ich mir sowohl die Stockmeier- als auch die Fagius-Box zugelegt (Operation Overkill). Ab Montag geht's richtig los damit. ;)


    Stockmeier kommt ja in diesem und in anderen Threads nicht so gut weg. Ich bin sehr gespannt: Ich mag es eigentlich, wenn weniger „große Gefühle“ ins Spiel verwickelt sind, was andere jedoch gerne als emotionsloses Spiel empfinden. (Als Beispiel: Eine Freundin und ich kamen kürzlich bei einem ausgedehnten nächtlichen Aufnahmenvergleich abstrichlos überein, daß uns die Solo-Partita für Violine d-moll in der Aufnahme von Szering am heftigsten mitnimmt, gerade weil sie so streng und fast emotionsfrei gespielt ist!)


    Was mich brennend interessiert: Hat jemand die Stockmeier-Aufnahme auf Vinyl und kann etwas zur Aufnahmequalität sagen? Und könnte jemand mit der CD-Version und dem Ohr für so etwas ein Wort zur Qualität des Remasterings sagen? (Ich weiß im Moment nicht mal, ob die CD-Version ADD oder AAD ist).


    Das wär' toll. :)


    ^_^J.

    Hm trotz aller Definitionen werden wir dem Thema „Crossover“ nicht so recht beikommen, fürchte ich, weil wir hier kontextuell gesehen mit Äpfel und Birnen unklar kommen.


    Erstmal das Positive.


    Crossover innerhalb des U-Musik-Bereiches funktionieren oft fabelhaft und bringen interessante neue Stilrichtungen hervor, nicht nur im Jazz. (Trip-Hop, anyone?) Crossover im E-Musik-Bereich halte ich für ähnlich produktiv, wenn darunter das Mischen von Stil- und Epochenlelementen zu verstehen ist. Generell sollten wir dabei auch nicht die Kunstrichtung der Collage vergessen, die intim mit dem (romantischen) Motiv des „Torso“ verwandt ist. (Daß die Postmoderne mit der Romantik einiges gemeinsam hat, erschließt sich nicht so ohne weiteres; Fredric Jameson oder Niall Lucy wären hier als Lektüre zu empfehlen. “Fragments are the only form I trust” — schnell, von wann und wem stammt das? ;) ) (Na! — im Internet nachsehen gilt nicht.) Ob Fusion oder Collage einem Crossover konzeptuell Pate stehen, spielt dabei auch eine große Rolle. Beides kann sehr produktiv sein.


    Nun das Negative.


    All das ist natürlich nur der Fall im Rahmen einer — wie auch immer gearteten — Schaffenshöhe. Bei Crossovern zwischen U- und E-Musik ist Schaffenshöhe fast immer Mangelware oder maximal auf Däumlingshöhe; das betrifft “The 417 Tenors” ebenso wie Hofmann, wenn dieser sich beim Jodeln von “There Is a House in New Orleans” (ausgerechnet!) mit klassischer Gesangstechnik die Stimme ruiniert.


    Aber andererseits.


    Niveauvollere Gegenbeispiele jedoch gibt es meiner Ansicht nach schon: Die bereits erwähnten Beispiele von Jethro Tull, Deep Purple oder Malmsteen. Oder, wie ich hinzufügen würde, Manfred Mann's Earthband, die oft klassische Themen verarbeiten und deren fast 20-minütiger “Earth Song”, z. B., auf das Mittelsatz-Thema des a-moll Violinkonzertes aus dem L'estro Armonico-Zyklus aufgebaut ist, oder “Starbird”, das auf dem Feuervogel-Thema aufbaut.


    Und doch.


    Hier gibt's, neben der Schaffenshöhe, noch einen anderen Unterschied. Weder Ian Anderson noch Jon Lord noch Manfred Mann „wildern“ in fremden Revieren: das Ziel ist gute, neue und „angereicherte“ Rockmusik. Werden Rockfans jetzt zu Vivaldi oder Hindemith greifen? Kaum. Wäre das die Absicht gewesen? Natürlich nicht. Findet irgendjemand durch tenorales Geträllere in knöcheltiefen Tümpeln ernsthaft zur E-Musik? Würde verwundern. Füllt sich der Tümpel mit Silberlingen? In der Tat.


    Die Äpfel und Birnen, nun endlich.


    Das Hauptproblem sinnvoller Crossover liegt IMHO darin, daß wir durch unsere Fixierung auf Töne den Kontext vernachlässigen. Töne von Wolfgang Amadeus und Töne von Britney unterscheiden sich nicht nur durch die Komplexität. (Und ein paar andere Dinge, aber zumindest verbindet beide zur Zeit das Perücketragen LOL!). Worin sich die Töne aber ganz enorm unterscheiden ist die soziale Funktion (danke an meinen Freund Thomas, Psychologe/Soziologe, für diesen Gedanken). Anna, die Bruckner hört und Betty, die Robin Williams hört, hören nicht lediglich unterschiedliche Musik, sondern hören diese Musik auch aus unterschiedlichen Beweggründen, hören sie auf andere Weise, erinnern sie auf andere Weise. Die Funktion, die diese Musik jeweils in ihrem Leben hat, ist nicht nur verschieden, sondern weitgehend inkompatibel. (Worin genau diese Inkompatibilität besteht und eine Erörterung der Funktionen wäre bei Gelegenheit einen Thread wert.)


    Was dann hieße.


    Von daher sind Crossover, wie ich finde, nicht bloß heikel. Ein „echter“ Crossover zwischen U- und E-Musik, der in unserem Hörverhalten etwas nachhaltig bewegen würde, müßte nicht nur eine enorme Schaffenshöhe in künstlerischer Hinsicht aufweisen, sondern müßte auch die beiden unterschiedlichen Funktionen miteinander zu verbinden wissen. Und das ist, seit der Trennung in U- und E-Musik vor einer historisch gesehen gar nicht so langen Zeit, eine monumentale Herausforderung.


    So weit, so schlecht.


    Aber vielleicht war ja die holländische Gruppe Exception, deren Alben sich im Verlaufe der 70er in jedes Wohnzimmer mit Plattenspieler vermehrten, in dieser Hinsicht der große Wurf — den wir wegen unserer zu geringen historischen Distanz nur noch nicht als solchen zu erkennen wissen. ;)


    ^_^J.