Beiträge von Mikko

    Unabhängig von dem Gesamt-Musical schätze ich sehr die sogenannten Symphonic Dances aus der West Side Story, die sich als ein vom Musical unabhängiges, sehr effektvolles Konzertstueck durchzusetzen scheinen. Kuerzlich sah ich in einer TV-Uebertragung aus London die Wiedergabe eines Konzerts bei den Proms. Dirigent war Gustavo Dudamel - faszinierend fand ich sowohl das Werk als auch die Interpretation.


    Mikko

    Danke fuer die aufschlussreichen Antworten. Nachdem ich jetzt auch noch ein Video eines Gulda-Memorials aus Japan gesehen habe, bei dem das Cellokonzert gespielt wurde, habe ich mich dazu entschlossen, dass mir dieses Stueck gefällt, ganz egal, ob es nun polystilitisch, "zeitgemäss" oder ein musikalischer Scherz ist. Ein tolles Stueck mit Melodien von hohem Wiedererkennungswert (darf das heute sein?), fuer den Solisten sehr virtuos und effektvoll. Mir gefällt es!!! Ich bin auch der Meinung, wenn, dann sollte es komplett aufgefuehrt und nicht auf einzelne Sätze reduziert werden.


    Mikko

    Hallo,


    ich möchte gerne einen der ehrenwerten Kenner der Celloliteratur um eine Einschätzung von Guldas Konzert fuer Cello und Blasorchester bitten. Vor einem Jahr hörte ich bei der Eröffnung der neuen Mariinsky-Konzerthalle in St. Petersburg den mit Ouvertuere betitelten 1. Satz, ohne dass ich mich jetzt daran erinnern kann, welchen Eindruck dies hinterliess. Da im kommenden Sommer bei einem finnischen Festival entweder wieder ein einzelner Satz oder das ganze Konzert gespielt werden soll, versuchte ich mich, im Internet kundig zu machen, und wurde fuendig. Ich fand mehrere Aufnahmen sowie einen Videoclip des Finalsatzes. Erster Eindruck : Spassmusik, also Musik, bei der das Zuhören Spass macht. Zweiter Eindruck : Wie "seriös" ist diese Musik? Wollte da der Komponist Zuhörer (eventuell auch Kritiker) "verarschen"? Auf jeden Fall nach meiner Meinung melodische und zugleich effektvolle Musik. Natuerlich bin ich nicht frei von Vorurteilen gegenueber dem Komponisten. Um sie zu ueberpruefen, interessiert mich die Meinung der Forumisten.


    Mikko

    Heute (10.11.) nacht sendet Arte ein fast 1 1/2stuendiges Porträt Mario Lanzas mit dem treffenden Titel "Mario Lanza - Ein Tenor in Hollywood". Da es hier eine Stunde später ist, werde ich diese Sendung ueber Satelliten-Receiver aufnehmen und mir später ansehen. Ich bin gespannt, ob ich danach zu einem anderen Urteil ueber Lanza komme.


    Bis dahin gilt : Dem oftmaligen Besuch des "Großen Caruso"-Films verdanke ich den Beginn meiner Opernleidenschaft und weiss mich darin in guter Gesellschaft, denn immerhin Domingo, Pavarotti, Carreras haben auf ihre Prägung durch Lanza hingewiesen. Mein Fazit bis heute : Verkanntes Genie? Nein, bestimmt nicht. Weder verkannt, noch Genie. Opernariensänger? Ja, denn bis auf New Orleans 1948 (Madama Butterfly) sang er keine vollständigen Opern. Filmsänger? Kein Zweifel, das war Lanza, und wenn man seine Interpretationen stilistisch kritisiert, kommt dieser Stil IMO vom auf einen breiten Massengeschmack ausgerichteten Film. Undiszipliniert? Bestimmt; schon 1 Jahr nach dem Caruso-Film stieg er aus dem Film "The Student Prince" aus (oder wurde ausgestiegen), weil er nicht mehr in die Kostueme passte. Siegfried hat ja bereits auf seine diversen Abmagerungskuren hingewiesen, und hinzu kam eine Abhängigkeit vom Alkohol.


    Wenn ich in meinem vorigen Beitrag den Begriff Material erwähnte und nicht weiter auf Musikalität und Stil einging, tat ich dies, um Lanza von den Sängern zu unterscheiden, die sich ohne Mikrophonverstärkung nicht durchsetzen könnten/konnten. Auch wenn fast alle Aufnahmen Lanzas im Studio produziert wurden, so gibt es doch eine entscheidende Ausnahme, die einen Hinweis auf das Volumen seiner Stimme erlaubt : einen Mitschnitt eines Konzerts aus der Londoner Royal Albert Hall. Und hier klingt die Stimme gross genug, um die Spekulation zu erlauben, ob aus Lanza - wenn es denn den Film nicht gegeben hätte - nicht doch ein ernstzunehmender Sänger hätte werden können.


    Mikko

    Bei aller Wertschätzung des Urteils Saschas und seines berechtigten Versuchs, Jussi Björling, Fritz Wunderlich und Richard Tauber vor Vergleichen mit Mario Lanza in Schutz zu nehmen, kann ich mich seinem Urteil nicht anschliessen, Mario Lanza fuer einen Film- und Schlagersänger zu halten. Aus der Tatsache, er habe sich auf der Opernbuehne (im Gegensatz zu George London oder Frances Yeend etwa) nicht bewährt, zu schliessen, er habe nicht das Material fuer eine Laufbahn auf der Opernbuehne gehabt, hielte ich fuer verkehrt. Wohl gemerkt, ich spreche von Material, nicht von Stil und Geschmack!


    Fuer mich hatte Lanza (ich denke, das kann man aus den Aufnahmen heraushören) eine Opernstimme, im Gegensatz etwa zu dem von Sascha erwähnten Karel Gott (zu ergänzen durch Helmut Lotti oder Andrea Bocelli). Weshalb er es dann "nur" zum Film- und Schlagersänger gebracht hat, kann auch ich nicht erklären. Ich vermute, es lag in seiner Persönlichkeit, nach den Anfangserfolgen im Filmgeschäft nicht den "normalen" und steinigen Weg zur Buehne gefunden zu haben, denn der Opernsänger Lanza hätte sich immer gegen den Filmstar behaupten und sich an ihm messen lassen muessen. Lanza ist nicht der einzige Kuenstler, der diesem Erwartungsdruck nicht stand gehalten hat. Andere haben ihre Karriere aufgegeben, er wählte den auch pekuniär ergiebigeren, jedoch in den Augen vieler unseriöseren.


    Ich weiss, Uebertreibung macht anschaulich, aber auch anfechtbar.


    Mikko

    Ingrid Bjoners Karriere sollte vielen Sängerinnen als Vorbild dienen : Sie hat sich Zeit gelassen. Als ich sie 1960 erstmals hörte (in Bayreuth) sang sie u.a. Freia und Gutrune, also typische Partien des jugendlich-dramatischen Fachs. Dabei blieb sie viele Jahre. Und als sie sich später hochdramatische Partien erarbeitete (so wurde z.B. aus der Chrysothemis Elektra), war dies kein kuenstlich erkämpfter Fachwechsel, kein Ueberdruck, kein Abdunkeln, sondern alles geschah vollkommen natuerlich und homogen. Ingrid Bjoner sang diese Partien mit IHRER Stimme, die sich zwar im Volumen anpasste, aber im "blonden" Timbre unverändert blieb.


    Mikko

    In den 80er Jahren, als Anja Silja noch mit Christoph von Dohnányi verheiratet war und sich mehr um die Erziehung ihrer Kinder gekümmert hat, ist sie verschiedentlich als Hobby-Sängerin bezeichnet worden, die nur noch gelegentlich auftrat. Dies hat sich allerdings erheblich geändert, und ich kenne keine Sängerin, die noch im Alter von nunmehr 67 Jahren derart viele Rollen-Debuts feiert, alles Partien, in denen es nicht mehr (das war noch nie ihre Stärke) auf die Schönheit der Stimme ankommt, sondern auf Persönlichkeit. Nach der Pique Dame-Gräfin folgt als nächstes die Hexe in Hänsel und Gretel!


    Auch ich gehörte zu denjenigen, die Anja Silja, als sie mit 20 Jahren 1960 in Bayreuth als Senta debütierte, keine lange Karriere prophezeit hatten, zumal angesichts solcher eigentlich außerhalb ihrer Reichweite liegenden Partien wie Brünnhilde, Isolde und Elektra. Heute gestehe ich : Ich habe mich geirrt. Sie hatte nie eine schöne Stimme, und mein Klangideal einer Wagner- oder Strauss-Hochdramatischen ist ein anderes. Hier würde ich dunkler getönte Stimmen als die ihrer "Kindertrompete" (Wieland Wagner) vorziehen. Aber Anja Silja hat alles schadlos überstanden, d.h. hauptsächlich ihre Stimmbänder.


    Vor ihrer nunmehr über 50jährigen Karriere ziehe ich voller Hochachtung den Hut! Kompliment!


    Mikko

    Zitat

    Ich glaube, es gibt k e i n e n perfekten Tannhäuser, denn keine Besetzung ist hundertprozentig perfekt, wobei nicht immer die Titelpartie der Punkt sein muss.
    :hello:Heldenbariton


    Dem kann ich mich nur anschließen. In jeder Aufnahme gibt es jemanden, der mich empfindlich stört, und am wenigsten gut ist IMO die Aufnahme, die den Ausgangspunkt dieses threads bildete, die unter Gerdes.


    Somit muß ich damit leben, mir die IMO idealen Interpreten aus verschiedenen Aufnahmen zusammenzudenken, als da wären :


    Elisabeth : Elisabeth Grümmer
    Venus : Christa Ludwig
    Tannhäuser : Wolfgang Windgassen (Bayreuth 1961)
    Wolfram : Dietrich Fischer-Dieskau
    Landgraf : Kurt Moll
    Dirigent : Sir Georg Solti


    Die Studioproduktionen sind mir (wie so oft) zu steril ausgefallen. Ich persönlich würde hier zum Mitschnitt aus Bayreuth 1961 greifen, dem ich der Philips-Aufnahme von 1962 vorziehen würde, weil mich hier Anja Silja stört.


    Mikko

    Zitat

    Original von Wiener Klang
    Thielemanns Interpretationen sind…anders.
    Hinsichtlich der Tempi, hinsichtlich der Dynamik, etc.


    Dass Thielemanns Interpretationen anders sind, empfand ich ganz stark, als ich den mir bis dato unbekannten vor fast genau 20 Jahren bei einem Repertoire-"Holländer" in Hamburg hörte. Repertoire deshalb, weil es bestimmt keine Proben gegeben hatte. Von den ersten Takten war seine Interpretation derart, dass ich gezwungen war, hinzuhören. Es "passierte" etwas, und dies durchaus im doppelten Sinn, denn die Kollektive Orchester und Chor erwiesen sich als so unflexibel gegenueber diesem Neuen, dass es vielfach zu Wackelkontakten kam, aber es war spannend, faszinierend-anders als bisher gehört.


    Ich hörte dann, dass Thielemann später (wann, ist mir entfallen) auch zur Diskussion als möglicher Generalmusikdirektor stand. Durch (ich gebe nur Gehörtes wieder) in Proben ausgedruecktes rechtsgerichtetes Gedankengut erhob sich gegen diesen Gedanken jedoch starker Widerstand, so dass er fallengelassen wurde.


    Dies sind die zwei Seiten Thielemanns : auf der einen Seite ein "ungewöhnlicher" Dirigent, auf der anderen Seite jemand, dem man eine nicht opportune politische Richtung nachsagt.


    Dass er ein recht schmales Repertoire hat und zudem (im Vergleich zu Jet-Settern) wenig dirigiert, ist (s)eine Sache, nur sollte er mit dieser Einstellung zumindest nicht an einem Opernhaus in verantwortlicher Position tätig sein. Fuer mich stellt sich auch die Frage, wie lange die "Ehe" (falls es denn dazu kommen sollte) zwischen Katharina Wagner und ihm halten wurde; ihr kuenstlerisches Weltbild scheint mir doch zu unterschiedlich zu sein.


    Mikko

    Nachdem ich Dudamel vor kurzem erstmalig bei der TV-Uebertragung eines Konzertes bei den Londoner Proms erlebte, habe ich die Beiträge dieses Threads mit grossem Interesse gelesen - zugegeben diejenigen Alfreds mit grosser Verwunderung und einiger Kritik an seinen Äusserungen.


    Zunächst einmal etwas zu seiner kritischen Haltung gegenueber "Jugendorchestern". Vor sehr vielen Jahren, als diese Orchester noch nicht so en vogue waren wie heute, hörte ich einmal ein deutsches Jugendorchester (welches, weiss ich nicht mehr) mit einem Wagner-Programm unter Hans Wallat und den Solisten Nilsson und Nimsgern. Meine anfängliche Skepsis (von Alfreds Vorurteil war ich gar nicht so weit entfernt) verflog, als ich sah und hörte, mit welchem Engagement und mit welcher Qualität diese jungen Leute sich ins Zeug legten und sich damit von einigen quasi verbeamteten Musikern abhoben, deren Haltung oftmals nichts anderes ausdrueckte als :"Alter, nun motiviere mich mal!". Heute gibt es jede Menge Jugendorchester auf einem hohen Niveau, dass sich z.B. Dirigenten wie Claudio Abbado gluecklich schätzen, mit den Kollegen von morgen zu arbeiten.


    Auf der Suche nach einem kleinen von mir akzeptierten Ansatz in Alfreds Beiträgen stiess ich auf seine Angst, die Klassikszene könnte sich zur Popszene wandeln, wie sie ja auch in manchen Beiträgen zum Netrebko-Thread durchscheint. Meine Antwort : Solange Kuenstler wie Netrebko und auch Dudamel am Abend Seriös-Professionelles abliefern, kann mir die Art der Vermarktung egal sein.


    Dudamel als Spass-Dirigenten zu bezeichnen, scheint mir gar nicht mal so abwegig zu sein; war dies nicht ein Etikett, das auch einem Bernstein oft angeheftet wurde? Jedenfalls hatte ich Spass, einem Dudamel bei seinem Londoner Konzert zuzuschauen, der offenbar auch Spass am Dirigieren zu haben schien. Typisch fuer die Proms das Prorgamm : im ersten Teil Shostakovichs Zehnte, im zweiten Teil Musik z.T. aus Lateinamerika und in einem Stil, der der Popszene gefährlich nahe kam, nämlich den Sinfonischen Tänzen aus Bernsteins West Side Story.


    Ob Dudamel das ganze Programm nun auswendig dirigierte, ist mir egal. Ich unterstelle einmal, dass er Noten lesen kann. Wie er aber mit einer an Kleiber Sohn erinnernden Leichtigkeit den Taktstock fuehrte und damit seine Intentionen an das Orchester uebertrug, fand ich faszinierend und ueberzeigend. Natuerlich werde ich mich hueten, von DSch auf das Mainstream-Repertoire zu schliessen, aber : Seit wann ist Mainstream ein Vorwurf? Schliesslich macht sich Dudamel das Leben schwerer, wenn er sich mit diesen Werken einfuehrt, in dem die Vergleichsmöglichkeiten auf der Strasse liegen. Ich werde jedenfalls versuchen, im Internet an die Uebertragungen seiner Konzerte heranzukommen.


    Unterstreichen wuerde ich auf jeden Fall die kritischen Einwände Edwins gegen Dudamels Vermarktung durch die DG, nicht jedoch gegen sein Engagement bei den LA Philharmonikern. Ist er gut, wird er sich durchsetzen, besonders als einer, der auf Salonen nachfolgt.


    Die Tamino eigenen Threadtitel verfuehren zu Polarisierung und Polemisierung; dadurch "verkauft" sich ein Forum besser. Ich denke, Alfred hat zuviel Ahnung von Musik, als dass ich in seinen Dudamel-Beiträgen etwas anderes als gewollte Anheizung eines Threads sehen könnte. Oder sollte ich mich irren?


    Nichts fuer ungut, Alfred.


    Schöne Gruesse von einem, aus dessen Land ein ebenfalls blutjunger Dirigent (Mikko Franck) kommt.


    Mikko

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    Original von Walter Krause
    Noch nicht erwähnt, falls ich es nicht übersehen habe, wurde der Schlußgesang der Brünhilde, den sie schon in fortgeschrittenem Stadium einmal aufgenommen hat - eine mehr als beeindruckendes Experiment, das ihre enorme Spannweite unter Beweis stellte!
    LG
    Waldi


    Diesen Schlussgesang aus der Götterdämmerung hörte ich (ich glaube, 1963 oder 1964) live mit Christa Ludwig unter der Leitung von Hans Knappertsbusch - trotz einer Birgit Nilsson nie schöner und verinnerlichter als von der Ludwig. Im selben Konzert sang sie auch Isoldes Liebestod - mit weniger Erfolg, denn die Tessitura lag ihr, wie auch Waltraud Meier, weniger.
    Christa Ludwig war klug genug, diesen Wechsel zu hochdramatischen Sopranpartien nicht weiter zu beschreiten, was karriereverlängernd war. Jedoch fand ich sie im Altfach, das sie danach oft sang (Marfa, Quickly z.B.) weniger ueberzeugend als bei ihren angestammten Mezzosopranpartien.


    Mikko

    Es war 1969, als ich René Kollo erstmalig hörte, als Holländer-Steuermann und Meistersinger-Kunz Vogelgesang in Bayreuth, keine Partien, in denen man (vielleicht mit Ausnahme des Steuermanns) auffallen kann. Das tat er allerdings 2 Jahre später, wieder in Bayreuth, mit einem Lohengrin, wie ich ihn schöner und stimmiger selten hörte. M.E. hätte Kollo in diesem Fach der Lohengrine und Stolzinge bleiben sollen. Den "Aufstieg" zu solchen Partien wie Tannhäuser, Tristan und Siegfried erkaufte er sich mit Stimm-Manipulationen wie Verdicken des Tones, zu dem solche "Macken" wie ständiges Anschleifen der Töne kamen. Als Lohengrin und Stolzing habe ich ihn, immer live, eigentlich nie schlecht gehört, wohl aber als Tannhäuser, total ueberfordert im 1. Akt und sich im 3. Akt in Sprechgesang fluechtend.


    Es gibt ein sehr fruehes Tondokument des Wagner-Sängers Kollo unter der Leitung Otmar Suitners. Hier klingt die Stimme noch frisch und unmaniriert, wenn auch die schwereren Sachen zu frueh kamen. Ich wuerde davor warnen wollen, Kollo nur nach den Studioproduktionen zu beurteilen, die meistens kein Abbild der Buehnenwirklichkeit wiedergeben. So, wie er Tannhäuser (unter Solti), Stolzing (unter Karajan) und Tristan (unter Kleiber) sang, wird er diese Partien kaum auf der Buehne durchgestanden haben.


    Es wäre einmal interessant, Kollos Aufnahmen aus seiner Fruehzeit zum Vergleich heranzuziehen, z.B. den Walther von der Vogelweide neben einem echten Heldentenor als Tannhäuser, nämlich Ernst Kozub. Hier wird deutlich, was Kollo IMO immer war, ein jugendlich-lyrischer "Held", der sich - mangels Konkurrenz - im schweren Fach versuchte.


    Mikko

    Die 3 Filippos, die mir im Verlaufe von fast 50 live gehörten "Don Carlo(s)"-Auffuehrungen den grössten Eindruck hinterliessen, sind :
    Nicolai Ghiaurov
    Boris Christoff und
    Cesare Siepi,
    jeder auf Grund seiner Persönlichkeit und seiner Stimme zu einer höchst individuellen Interpretation kommend, Siepi durch sein weicheres Timbre mehr die Resignation hervorkehrend, während Christoff durch seine herrische, knorrige Stimme jederzeit der Machtmensch war und Ghiaurov so etwas wie die Synthese zwischen beiden Polen war.


    Sehr eindringlich, wenn auch mehr durch die Persönlichkeit :
    Kim Borg und
    Theo Adam,
    während ich Sänger wie
    Giorgio Tozzi,
    Paul Plishka und
    Franz Crass
    als zwar schönstimmig, aber auch persönlichkeitsarm empfand.


    Samuel Ramey hörte ich als Filippo zu einem sehr fruehen Zeitpunkt, als er sich die Partie noch nicht ganz zu eigen gemacht hatte. Nie hörte ich einen Filippo, der alle Schwierigkeiten derart muehelos meisterte, nie aber auch einen, der als Figur weniger vorhanden war. Ruggero Raimondi gehörte fuer mich durch sein fahles Timbre nie in die erste Kategorie, ebenso wenig wie Simon Estes, der seine Meriten mehr als Heldenbariton hatte. Yevgeny Nesterenko : ebenfalls mehr Stimmbesitzer als Persönlichkeit. Dasselbe hätte ich auch ueber Matti Salminen gesagt, bevor ich ihn hörte und mein Vorurteil revidieren musste.


    Mikko

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    Original von Ingrid
    Er war aber davor auch der Siegfried für mich und höchstwahrscheinlich doch der Optik wegen :untertauch:
    Gruß Ingrid


    Liebe Ingrid,


    mit der Bitte um Nachhilfe : Wo hat Peter Hofmann Siegfried gesungen? Oder meintest Du Siegmund?


    Von der Optik her wäre er natuerlich das Traumbild eines Siegfried, aber auch stimmlich???


    Gruesse


    Mikko

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    Original von Alviano
    Kannst Du Dich erinnern, ob er damals in Zürich als Stolzing auftrat? Ich bilde mir ein, er gab die Partie zurück und Kollo sprang ein, stimmlich auch schon grenzwertig.


    Hallo Alviano!


    Laut einer Opernglas-Kritik vom Februar 1985 (S. 33 f.) sang Peter Hofmann in den letzten drei Vorstellungen der Dezember 1984-Serie in Zuerich Stolzing, hatte sich aber in den ersten krankheitshalber vertreten lassen muessen. Die Rezensentin bescheinigte ihm Nervosität, fand auch die Stimme etwas angestrengt und nicht frei genug, hielt das Debuet aber fuer gelungen.


    Ich verweise auch auf ein Opernglas-Interview, das im Januar 1984 abgedruckt wurde. Dort kuendigte er nicht nur den Stolzing fuer den folgenden Dezember in Zuerich an, sondern auch die Absicht, die "Winterreise" (!!!) fuer Schallplatten einzuspielen. Die scheint aber an ihm voruebergegangen zu sein ebenso wie der Tannhäuser, den er meines Wissens in Sued- oder Mittelamerika ausprobieren wollte.


    Mikko

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    Original von Alviano
    sein Tristan, zuerst in Bayreuth, dann auch für die Platte unter Bernstein


    Lieber Alviano!


    Ich bitte um Pardon für eine kleine Korrektur : Der Bernstein-Tristan wurde 1981/82 aufgenommen, während Peter Hofmann ihn auf der Bühne erst 1986 in Bayreuth sang. Gleichzeitig eine Korrektur meines Beitrags : Der Bayreuther Siegmund war 1976 (und den Loge hörte ich in Hamburg).


    Mikko

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    Original von Felipe II.
    Beim Durchlesen einiger Themen (u.a. Parsifal), in denen SIEGFRIED JERUSALEM (geb. 1940) erwähnt wird, fiel mir die fast einmütige Ablehnung seiner Gesangsleistungen auf.


    Ausser einem TV-Film des "Zigeunerbarons", in dem Jerusalem damals noch unter (wenn ich mich nicht irre) Siegfried Salem als Barinkay mitwirkte, kenne ich ihn weniger von Studio-Aufnahmen als von Live-Auffuehrungen, angefangen vom Froh im Bayreuther Chéreau-Ring bis hin zu seinem Tristan. Mein Gesamteindruck : Jerusalem besass eine sehr angenehm timbrierte, im Grunde genommen lyrische Tenorstimme, die allerdings recht "kurz" war, d.h. er hatte keine gute, zuverlässige Höhe. Hinzu kam, dass er, obwohl dies z.B. in Bayreuth total unnötig war, stark forcierte, zuviel Stimme gab, so dass sich seine Tonproduktion bald heiser anhörte.


    Sehr gute Erinnerungen habe ich allerdings (wiederum in Bayreuth) an seinen Jung-Siegfried im Kupfer-Ring, und ich kann mir diesen besseren Eindruck (incl. besserer Höhenlage) eigentlich nicht erklären. Hatte er sich nun eine andere Technik erarbeitet oder die Angst vor der Höhe verloren, die ihm und dem Zuhörer bei so manchem Stolzing die Kehle zuschnuerte?


    Siegfried Jerusalem gehört fuer mich zu jenen Sängern, ueber die Josef Metternich einmal sagte, wenn die Opernwelt noch in Ordnung wäre, wuerde XYZ noch Tamino in Braunschweig singen. Ich hätte ihn sehr gerne einmal als Tamino und als Lensky gehört.


    Mikko

    Zitat

    Original von Felipe II.
    Von der Presse um 1980 zum Shoting-Star hochgejubelt - nicht zuletzt aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes


    Wie bei einigen anderen Sängern, denen hier threads gewidmet sind, kann auch bei Peter Hofmann die Marktmechanismen deutlich erkennen. Zwei Jahre vor seinem "Durchbruch" 1978 als Siegmund in Bayreuth hörte ich ihn als "Rheingold"-Loge, also in einer Rolle, die frueher von Heldentenören, später von persönlichkeitsstarken Charaktertenören interpretiert wurde. Hofmann war weder das Eine noch das Andere; er war einfach nicht vorhanden - und das in dieser Drahtzieher-Rolle.


    1978 war ich dabei, als der Regisseur Nikolaus Lehnhoff, Anfang der 60er Jahre Assistent Wieland Wagners in Bayreuth, sich nach dem ersten "Walkuere"-Aufzug des Chéreau-Rings ungemein begeistert ueber Hofmanns Interpretation äusserte. Ich konnte dies nicht nachvollziehen, denn ausser, dass er es sich leisten konnte, mit nacktem Oberkörper aufzutreten, fand ich an seinem Siegmund nichts Aussergewöhnliches, schon gar nicht an seinem Gesang.


    Dies war das Problem, das ich mit Peter Hofmann hatte : Fuer mich war er ein verkappter Bariton, dessen Stimme kuenstlich auf Tenor getrimmt wurde. So fand ich ihn denn auch als Parsifal, also in einer sehr tief liegenden Rolle, am besten, während ich ihn oftmals hörte, wie er an Lohengrin oder Bacchus scheiterte. Bei seinem Bayreuther Tristan konnte man ihm wenigstens Bemuehen um eine seriöse Ausformung attestieren, aber im Grunde war er damit ueberfordert.


    Apropos Hofmann als Bariton : Auf einem Wagner-Recital sang er u.a. die Romerzählung aus "Tannhäuser", die wenigen Einwuerfe des Wolfram wurden von einem mir dem Namen nach unbekannten Bariton gesungen - unverkennbar war es Hofmann selber.


    Mikko

    Ein verkannter Tenor war Bonisolli sicher nicht - er hatte eine sehr grosse Fangemeinde. Zwar gehörte ich nicht dazu, aber ich wusste zumindest einen Aspekt seiner Auftritte zu schätzen : Es war immer spannend; es war immer etwas los! Man wusste nie, wie und wann der Abend enden wuerde.


    Leider erlebte ich den Abend nicht mit, als Bonisolli der Spitzenton nach der Trovatore-Stretta missglueckte und er nach einem Glas Wasser rief, dies austrank und den Ton nachlieferte. Aber stattdessen war ich dabei, als er (in Hamburg) bei einem konzertanten "Guglielmo Tell" mitten im Duett mit Tell-Taddei die Buehne verliess und erst nach der Pause wieder erschien, angekuendigt mit den Worten, er habe den Klimawechsel zwischen Garderobe und Buehne nicht vertragen!!!


    Man wuerde Bonisolli Unrecht erweisen, reduzierte man ihn auf diese Mätzchen. Ich habe ihn im Nachhinein schätzen gelernt, als ich mir in Vorbereitung auf "Manon" und "Benvenuto Cellini" seine fruehen Mitschnitte dieser Opern anhörte. Eine sehr schön timbrierte lyrische Stimme mit ausserordentlich viel Stilgefuehl fuer das französische Idiom und sehr gekonntem Einsatz der voix mixte. Leider blieb er nicht sehr lange bei diesem eigentlich sehr passenden Repertoire, sondern wandte sich (wie ich meine, zu seinem Schaden) dramatischeren Partien zu. Um dieses Repertoire stimmlich auszufuellen, dunkelte er seine Stimme ab, um sie dadurch grösser erscheinen zu lassen. Zwar hatte er immer noch diese strahlkräftigen Spitzentöne, doch was unterhalb von ihnen passierte, war mehr "Bell-Kanto" als Belcanto. Bestes Beispiel war fuer mich immer "Trovatore", wenn er sehr gekonnt die lyrische Romanze sang und dafuer nur Höflichkeitsapplaus erhielt, weil alles auf die meist herausgebellte Stretta wartete. Dafuer gab er Riesenbeifall, und als Zugabe sprang (wenn er nicht das C zugab) er vor den Vorhang.


    Gerade wegen seiner Mätzchen gehört Bonisolli fuer mich nicht zu den ernst zu nehmenden Sängern; auf Grund seines Potentials auf jeden Fall. Schade, dass er nicht mehr daraus gemacht hat!!!


    Mikko

    Genau wie Anna Netrebko keine "zweite Callas" ist, war Mario Lanza nicht der "zweite Caruso". Dies sind Marketingmechanismen, die mit der tatsächlichen Leistung nichts zu tun haben.


    Ob er ein Opernsänger war, also eine fuer die Buehne geeignete Stimme besass? George London zufolge, einem Drittel des Belcanto-Trios, war Lanzas Stimme gross genug, um auf der Buehne bestehen zu können, doch Lanza - wie AN als Pop-Ikone vermarktet - wählte einen anderen Weg. Trotzdem wuerde ich persönlich nicht negativ ueber ihn urteilen wollen. Schliesslich verdanke ich dem Film "Der grosse Caruso" meine Leidenschaft fuer Oper und Stimmen, und wenn "Die 3 Tenöre" uebereinstimmend bekennen, dass es ihnen genauso ergangen ist, brauche ich mich nicht zu schämen.


    Nur eines wuerde ich nicht tun : Einen Sänger, der sich der Popularisierung der Oper verschrieben hat (nach heutigen Mass-stäben manchmal kitschähnlich), mit seriösen Buehnensängern zu vergleichen. Aber ist dies nicht eine deutsche Krankheit? Wer denkt, wenn er von Lauritz Melchior spricht, an den Melchior, der nach seinem Met-Abschied seinen Namen "vertingelt" hat, von Helen Traubel, Ezio Pinza etc. ganz zu schweigen? Alle haben ihren Namen am Schluss ihrer Karriere noch "versilbert". Bei Mario Lanza trifft der Buchtitel "Tragödie einer Stimme" m.E. zu; ich wuerde erweitern "Tragödie eines Menschen", der mit seiner Karriere nicht fertig wurde.


    Mikko

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    Original von martello
    Sollten die Aussagen zur "endgültigen Fassung" allerdings zu Lebzeiten Stalins getätigt worden sein, würde ich ihnen eher wenig Gewicht beimessen (da war die Urfassung unaufführbar)


    Hallo Martello!


    "Lady Macbeth" war erst nach Stalins Verdikt unauffuehrbar; davor erlebte sie fuer eine zeitgenössische Oper erstaunlich viele Auffuehrungen.


    Da die Aussagen (jedenfalls die von mir gemeinten) aus dem Briefwechsel mit seinem Freund und Vertrauten Glikman stammen, wuerde ich ihnen Gewicht beimessen. Gegenueber in der Öffentlichkeit gemachten Aussagen wäre auch ich misstrauisch.


    Mikko

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    Original von Fairy Queen
    Wenn man Netrabko mal endlcih als das sehen kann was sie ist, nämlich als eine in passendem Repertoire gute Bühnen-Sängerin, schöne Frau UND Medienliebling, nciht mehr aber auch nichtt weniger dann wäre der Hysterie der Wind aus den Segeln genommen
    .Keiner hat hier je gesagt, sie sei phantastisch, erstklassig , zum Hinknien etc pp. :
    Fairy Queen


    Liebe Fairy Queen!


    Danke! Um nichts anderes ging es in meinen Beiträgen - die Kirche im Dorf zu lassen.


    Inzwischen hörte und sah ich auch die Sonnambula-Arie des 1. Prom-Teils. Das BBC-Video kann bei einer Internetgruppe heruntergeladen werden. Zwar habe ich in meinen vergangenen AN-Beiträgen deutlich zu machen versucht, dass ich AN falsch beraten finde, wenn sie diese hoch gelagerten Koloraturpartien singt und sich damit Vergleichen stellt, die fuer sie unguenstig ausfallen (muessen), aber diese Interpretation fand ich in jeder Hinsicht bemerkenswert : ein Timbre, das ich (Geschmacksache) im Gegensatz zu Paul sehr mag; eine grosse Ausdrucksstärke, fern von jeder "performance"; besonders schön gestaltet der langsame Teil der Arie; gute Geläufigkeit einer "Lyrischen mit Koloratur"; sicher placierte Spitzentöne (sonst nicht immer ihre Stzärke). Lediglich die Diktion des Italienischen vermag ich nicht zu beurteilen. Interessant auch, dass sie den rasenden Beifall "seriöser" engegennahm als mit diesem albernen Herumgehopse nach der "Giuditta".


    Fazit : Alle drei Beiträge vermittelten einen guten Eindruck des "Gesamtpakets" Anna Netrebko : hervorragend als Opernsängerin, sehr gut in "Giuditta" (ueber die "performance" kann man durchaus geteilter Meinung sein) und sich geschmacklich (was Auswahl und Interpretation anbelangt) mit "Morgen" verirrend.


    Mikko

    Hallo,


    was mich an dieser ganzen Diskussions um ANs Proms-Auftritt stört, ist, dass sie sich an ihren sprachlichen Unzulänglichkeiten festbeisst und ihren "Auftritt" hart kritisiert. Zu Letzterem : Ihre "Schauspielerei", ihr "Tanz" passen zum 2. Teil der Last Night wie zu keinem anderen Event. Wenn nicht hier, wo dann?


    Ich gehe davon aus, dass ein Grossteil des Proms-Publikums nicht aus Snobs, sondern aus Musikliebhabern bzw. -kennern besteht. Wenn dieses Publikum angesichts dieser "Show" in Stimmung gerät - hat sie dann nicht ihre Berechtigung? Außerdem fand ich die stimmliche Leistung bei "Giuditta" sehr gut (im Gegensatz zu musicophil) und habe auch an der Diktion nichts auszusetzen.


    Die war jedoch beim Strauss grottenschlecht, und alles - das Lied in dieser Version plus Interpretation plus Artikulation - war geeignet, den diversen AN-Gegnern Munition zu liefern. "Kitsch as Kitsch can". Schuld an dieser (in meinen Augen) Geschmacksverirrung waren jedoch in erster Linie die Veranstalter, die diesen Kitsch auf das Programm dieser Spass-Veranstaltung gesetzt haben.


    Der erste Teil wartet noch darauf, von mir gesehen zu werden. Dieser Teil sollte mit seriösen Mass-stäben gemessen werden; der zweite ist ein "Event". Bei der Diskussion um den zweiten Teil habe ich den Eindruck, dass sich die Diskutanten auf die Diktion ANs einschiessen; zwar ist die Diktion nicht unwichtig, doch m.E. neben der Stimmschönheit und der stimmlichen Leistung zweitrangig, oder?


    Gruesse aus Finnland


    Mikko


    P.S. In einem seriös sein wollenden Forum solche hirnrissigen Behauptungen wie "die neue Callas" auch nur zu zitieren, läuft Gefahr, sich auf das Niveau solcher Medien herabzulassen. Ein bisschen mehr Niveau duerfte es schon sein!

    Mitte der 60er Jahre hörte ich erstmals Musik von Shostakovich : auf LP sein Violinkonzert No. 1 mit Oistrakh, wenn ich mich nicht irre, unter Mitropoulos. Wenn ich daran denke, dass mich heute jede Auffuehrung dieses Konzerts ungemein emotional beruehrt, kann ich mein damaliges Desinteresse nur meiner Jugend zuschreiben.


    Dann kam eine Phase, in der ich - wider besseren Wissens - die These von DSCH als einer Art Parteitagskomponist nachplapperte, bis ich im Radio einen Zyklus aller Sinfonien hörte und zunehmend gebannter zuhörte.


    Heute gehört er zu den (mich am meisten) faszinierendsten Komponisten, und ich kann von Glueck sagen, dass ich die meisten seiner Sinfonien und Konzerte hören konnte plus seine Opern. Schwierigkeiten habe ich heute vor allem, wenn ich die 5. Sinfonie von Dirigenten bzw. Orchestern interpretiert höre, die die Doppelbödigkeit dieser Musik verfehlen und z.B. das Finale zu einem "per aspera ad astra" verkommen lassen.


    Doppelbödigkeit - ich wuerde sagen, dass mich diese Doppelbödigkeit am meisten an DSCH fasziniert - und die Todesnähe in seinen späteren Werken. Natuerlich interessiert mich seine Biografie, wie er in diesem System zwischen Anpassung und (heimlicher) Beharrung ueberleben konnte, denn andere, die derart von Stalin diskreditiert wurden, hatten nicht das Glueck, zu ueberleben.


    Im Sommer hörte ich die Interpretation des Violinkonzerts Nr. 1 mit dem 22jährigen armenischen Geiger Sergey Khachatryan unter der Leitung Valeri Gergijevs - ohne eine Sekunde der Probe, da Gergijev verspätet anreiste. Khachatryan hatte dieses Konzert, mit dem er den Concours Reine Elisabeth in Bruxelles gewonnen hatte, unter diversen Dirigenten gespielt : Sinaisky, Noseda, Masur (um nur einige zu nennen). Nach seinen eigenen Worten hatten er und Gergijev, und das ohne Probe, jedoch dieselbe Auffassung vom Wesensgehalt dieser Musik, so dass einen faszinierende und beruehrende Interpretation herauskam.


    An die DSCH-Kenner unter Euch hätte ich jedoch eine Frage. Allgemein gilt die Annahme, der Komponist hätte unter dem Druck des Stalin-Urteils seine Oper "Lady Macbeth von Mtsensk" umgearbeitet, und das Ergebnis sei die verwaschene "Katerina Ismailova". Als ich letztere Version jedoch einmal hörte, war sie von Irina Molostova inszeniert, die sich - als enge Mitarbeiterin des Komponisten - auf dessen Willen berief, dass diese Fassung als die endgueltige zu gelten habe. Ähnliches lese ich auch aus dem Briefwechsel mit Glikman heraus.


    Wie sehen es die DSCH-Experten dieses Forums?


    Mikko

    Was mich an den Nachrufen hier in der finnischen Presse stört, ist die Reduzierung Pavarottis auf einen der 3 Tenöre und auf einen Arena-Sänger (tatsächlich trat er in Finnland 3x in Eisstadien und anderen Arenen auf). Aber wahrscheinlich ist dies die Folge seiner Vermarktung.


    Ich hatte das Glueck, Pavarotti oftmals zu hören, und das zu einem fruehen Zeitpunkt. Als ich 1967 das im TV uebertragene Verdi-Requiem (unter Karajan) hörte, war ich noch nicht ueberzeugt. Zu "weiß" kam mir sein Timbre neben solch charakteristischen Farben wie denen von Price, Cossotto und Ghiaurov vor (später konnte ich diesen Eindruck allerdings nicht mehr nachvollziehen). Meine Begeisterung fuer Big P begann 1971 mit dem Rigoletto-Duca, den ich live noch nie in solcher Vollendung gehört hatte. Den meisten Tenören schnuert die sich in die Höhe schraubende Tessitura des Duetts mit Gilda die Kehle zu. Nicht so Pavarotti, bei dem die Höhe herrlich aufbluuehte, abgesehen von der Eleganz seiner Tonproduktion.


    In Salzburg, Wien, London, Hamburg und Berlin konnte ich ihn auf der Buehne erleben, in Konzerten ausserdem auch in Budapest, Köln und wiederum Hamburg, und meistens brachte er eine Leistung, die seinen Ruhm rechtfertigte. Wenn ich mich fuer eine Rolle entscheiden muesste, dann wäre es der Nemorino, als der er IMO unvergleichlich und -vergesslich war und in der er auch als Darsteller köstlich war.


    Mein "Desinteresse" an Pavarotti begann Anfang der 90er Jahre, als ich eine Uebertragung der Aida aus der Met hörte : kurzluftig, unrhythmisch, mit den Tempi des Dirigenten nicht konform gehend. Da ahnte ich, es wurde jetzt mit ihm bergab gehen. Das wollte ich, der ihm so viele herrliche Eindruecke verdankte, nicht miterleben. So habe ich nun den Pavarotti auf seinen vielen Höhepunkten in Erinnerung. Danke fuer diese Erlebnisse, die mir keiner nehmen kann!


    Mikko

    Im Verlaufe ihrer internationalen Karriere sang Oralia Dominguez in zunehmendem Masse Partien, die gewöhnlich mehr einem Alt als einem Mezzosopran zugeordnet werden. So hörte ich sie (ich glaube 1974) in Hamburg als Mrs. Quickly im Falstaff, und bei Karajan sang sie in Salzburg Erda. Mit ihrem satten Alt-Register fuellte sie diese Rollen vollkommen aus; eine imponierende Sängerin!


    Viele Gruesse


    Mikko

    Zitat

    Original von ulfk179
    Und da Gergiev sich ja auch für die Gesangsbesetzung verantwortlich zeichnet, sollte er mal Ausschau nach einer besseren Brünnhilde halten - die war an besagtem Tag eigentlich nicht akzeptabel...


    Wer war die Brünnhilde? Das Mariinsky-Theater besetzt diese Rolle normalerweise vierfach : Olga Sergeeva, Larissa Gogolevskaya, Olga Savova und (gastweise) Milana Butaeva.


    Und das sprachliche Problem, das Du ansprichst, scheint mir ein grosses zu sein. Zwar gehört der Sänger des Jung-Siegfried (falls es denn Leonid Zakhozhaev war) zu denen mit einer besseren Diktion, doch hier muss noch viel gearbeitet werden, um internationalen Standard zu erreichen.


    Und zur Hype um Gergijev, die auch ich nicht verstehen kann : Seinen "Ruhm" hat er IMO mehr durch seine Interpretationen des russischen Repertoires erlangt (vielleicht, weil hier Vergleichsmöglichkeiten fehlen) als durch Mozart, Brahms, Bruckner oder Wagner.


    Mikko

    Hallo,


    um die Threadfuelle nicht noch weiter auszuweiten, habe ich diesen sich durchwegs positiv mit Valeri Gergijev beschäftigenden Thread herausgeholt, um auch Kritisches aufzuarbeiten. Ich lehne mich dabei an den Thread ueber die Salzburger Benvenuto Cellini-Produktion an, die aber vorwiegend auf die szenische Umsetzung einging.


    Wenn ich die Presserezensionen ueber Cellini Revue passieren lasse, kommt Gergijev dabei im Allgemeinen schlecht weg : vom "Star als Versager" bis hin zum "meistueberschätzten Dirigenten der Gegenwart" war hier die Rede. Vorgeworfen wurde ihm vor allem, die Wiener Philharmoniker zu zu lärmendem Spiel angehalten zu haben, womit er den Qualitäten dieses Orchesters als auch dem Werk Berlioz' nicht gerecht geworden sei.


    Ich habe Gergijev oft genug erlebt, um ihn sowohl positiv als auch kritisch zu sehen. Im Cellini-Thread warf ich angesichts seines Terminkalenders die Frage auf, ob er sich mit seinen ueblicherweise dynamischen Dirigierweise von seiner Muedigkeit befreien will. Von Esa-Pekka Salonens Ostsee-Festival in Stockholm wurden gerade 2 Konzerte uebertragen, ein Sinfoniekonzert sowie die konzertante Auffuehrung von Benvenuto Cellini mit den Kräften seines Mariinsky-Theaters. Beide Konzerte wurden "umrahmt" von 2 Salzburger Cellini-Auffüehrungen. Abgesehen von fehlenden Proben kann ich mir nicht vorstellen, wie sich ein Dirigent auf die jeweilige Auffuehrung konzentrieren kann.


    Was meint Ihr dazu? Seht Ihr Gergijev ähnlich kritisch wie die Presse?


    Mikko

    Wer Siegfrieds Tenorgeschmack kennt (Wunderlich, Kaufmann), fuer den ist es keine Ueberraschung, dass er hier etwas ueber Piotr Beczala schreibt.


    Auf der Opernbuehne habe ich ihn noch nicht gehört, doch vor wenigen Jahren hier in Helsinki als Solisten in Rossinis Stabat mater (uebrigens neben Elina Garanca). Ich war fasziniert von der Schönheit dieser Stimme und von der Selbstsicherheit, mit der er die Klippen seiner grossen Arie "Cuius animam" bezwang. Wie Wunderlich und auch Kaufmann (dessen Stimme schon mehr zu dramatischeren Partien tendiert) besitzt Beczala einen viril-timbrierten lyrischen Tenor mit Kern. Ich bin gespannt, wie seine Karriere weiter verläuft.


    Viele Gruesse


    Mikko