Zur 8. Sinfonie kann ich lediglich anmerken, dass Carl Schuricht grundsätzlich die Nowak-Fassung spielte, diese aber im Finale um einige Takte kürzte oder in einigen Passagen durch Noten aus der Haas-Fassung ersetzte. In wieweit sich das deutlich hörbar auf die Sinfonie auswirkt oder wie mir die Aufnahme gefiel, kann ich aus dem Gedächtnis leider nicht sagen.
Die 9. Sinfonie hat auch nach fast 60 Jahren (aufgenommen 20.-22.11.1961) nichts von ihrem "Ausnahmerang" verloren. Besonders das Adagio (mit 20:17 sehr flott gespielt) lässt durch die komplett unsentimentale, fast aggressive (zu Beginn des Satzes) Herangehensweise aufhorchen.
Näheres, wenn ich beide Aufnahmen gehört habe...
Nachdem ich mir beide Aufnahmen zweimal angehört habe, komme ich zu dem Schluss: Die 8. Sinfonie kann man gerne besitzen, die 9. Sinfonie sollte man auf jeden Fall besitzen.
Zur 8.: Die von mir oben erwähnten Kürzungen und Vermischungen von Haas und Nowak scheinen mir gängige Praxis bei Carl Schuricht gewesen zu sein, die aber in der vorliegenden Aufnahme nicht zum Tragen gekommen sind. Im Beiheft ist zu lesen, "In der vorliegenden Einspielung der Achten folgte er der Ausgabe der 1890-er Fassung von Leopold Nowak, zugegebenermaßen mit Bedenken."
Im ersten Satz ist auffällig, dass Carl Schuricht eine gewisse Flexibilität im Tempo bevorzugte, die allerdings nicht störend wirkten, im Gegenteil, gut gemachte Rubati empfinde ich als durchaus hörenswert, weil sie einzelne Satzstellen neu betonen und ihnen ein anderes Gewicht verleihen.
Schuricht wusste, was er dirigiert und was er vermitteln wollte. Die recht zügigen Tempi (15.40, 14.03, 21.47 und 19.45) lassen keine falsche Gemütlichkeit aufkommen, lassen aber trotzdem "Raum für Größe" (insbesondere in den sehr gelungenen Sätzen drei und vier). Der stets gewahrte musikalische Fluss widerspricht nicht dem großen Detailreichtum der Partitur. Nichts wirkt beiläufig oder "unterbelichtet".
Es ist unterm Strich eine Aufnahme der Spitzenklasse, die leicht unter einem etwas "topfigen Klang" leidet. Aufnahmen von 1963 können besser klingen.
Das ist erstaunlicher Weise bei der 9. Sinfonie der Fall, die 1961 und somit fast zwei Jahre früher aufgenommen wurde. Ich habe die SACDs gehört

und kann dem Remastering von 2012 ein großes Plus in Bezug auf die Abbildung der Instrumente, der Räumlichkeit und der Transparenz gegenüber der CD-Ausgabe von 1990 machen, die ich ebenfalls seit Jahren besitze

Es sind zwei wunderbar musizierte Sätze zu hören, in denen Schuricht "größe Bögen" spannt, aber niemals ein Detail aus dem Auge verliert (Spielzeiten 25.37, 10.28 und 20.17). Auch hier lassen sehr gelungene Rubati aufhorchen, auch hier spielt das Orchester mit Engagement und Klangschönheit, scheut sich aber im Adagio nicht vor etwas raueren Tönen. Das Adagio nimmt nicht nur wegen des schnellen Tempos einen Ausnahmerang ein. So atemlos suchend, Kämpfe durchführend, Spannung aufbauend, Konflikte lösend, bis hin zum ruhig fließenden, friedlichen Ende, habe ich den Satz bisher in keiner anderen Interpretation gehört. Da ist null "Weihrauch", der Friede am Ende ist hart umkämpft (ausgehend davon, dass dieser letzte vollendete Satz von Bruckner im Bewusstsein geschrieben wurde, dass der Tod nicht fern ist).
Das ist für mich unterm Strich eine der gelungensten Aufnahmen der 9. Sinfonie, die man insbesondere wegen des Adagios unbedingt kennen sollte.