Beiträge von Fugato


    Biber: Rosenkranz-Sonaten
    Walter Reiter, Violine
    Timothy Roberts, Cembalo/Truhenorgel
    Elizabeth Kenny, Theorbe
    Joanna Levine, Cello/Gambe
    Frances Kelly, Harfe
    Mark Levy, Lirone
    Kah-Ming Ng, Regal


    Von einem "bescheidenen Continuo" kann hier ganz und gar nicht die Rede sein - es ist genauso üppig besetzt wie in der Holloway-Einspielung.


    Ein Lirone sieht übrigens so aus:



    :hello: Andreas

    Zitat

    Original von Klawirr
    Reiter wird wohl sowas wie die allgemeine Bezugsgröße werden, weil seine Interpretation aufgrund des brillianten Preises wohl die größte Verbreitung finden wird.


    Der Preis ist ja kein Kriterium für die Qualität der Interpretation - wenn doch, gibt es von der Reiter-Aufnahme auch eine Hochpreis-Version von Signum Classics:



    :hello: Andreas

    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Auf die Gefahr hin selbst oberlehrerhaft zu klingen (bzw. mich in die Nesseln zu setzen, ich habe es nämlich nicht genau nachgeschlagen), "rideamus" heißt meines Wissens eher "Wir wollen lachen" oder "Laßt uns lachen" (Konj. Präs. in "adhortativer" Bedeutung, Indikativ wäre "ridemus"). Paßt. m.E. jedenfalls besser.


    Wie bei dem bekannten Studentenlied "Gaudeamus igitur" - übersetzt "Wir wollen also fröhlich sein" oder "Lasst uns also fröhlich sein". Der Infinitiv des Verbs lautet "gaudere".


    :hello: Andreas

    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    WIE ÖFFNET MAN einen AKG 501 ?


    Bei meinem (vor ca. 18 Monaten gekauft) war ein Faltblatt mit einer entsprechenden Anleitung dabei, die mir damals einigermaßen kompliziert erschien. Das kann aber damit zusammenhängen, dass ich vorher lange Zeit nur Sennheiser-Kopfhörer hatte, wo man die Kabel innerhalb weniger Sekunden auswechseln konnte, weil sie einfach nur in Buchsen an den Hörmuscheln gesteckt waren. Zum Auswechseln war das sehr praktisch, aber diese Steckkontakte waren mit zunehmendem Alter des Kopfhörers eine Schwachstelle, weil der Kontakt durch Materialermüdung immer unzuverlässiger wurde. Alles hat seine Vor- und Nachteile...


    :hello: Andreas

    Zitat

    Original von Maggie
    Durch Zwang hat sich nie und wird sich nie eine Liebe entwickeln.


    Hallo Maggie,


    diesen Satz kann man gar nicht dick genug unterstreichen. Ich habe leider im Bekanntenkreis schon viele Fälle erlebt, wo sich durch Zwang eine ausgeprägte Abneigung gegenüber klassischer Musik entwickelt hat. Die Kinder wurden mehr oder weniger von den Eltern zum Unterricht gezwungen - und haben ihr Instrument sofort in die hinterste Ecke gepackt und nie wieder angerührt, als der elterliche Druck dann nicht mehr da war.


    Wir haben unserer Tochter entsprechende Angebote gemacht - parallel zum Kindergarten hatte sie musikalische Früherziehung, ab Beginn der Grundschule dann Blockflötenunterricht. Dabei war es uns in erster Linie wichtig, dass sie Spass an der Musik hat; instrumentale Höchstleistungen haben wir niemals erwartet. Bis jetzt macht ihr die Musik immer noch Spass, die nächste Hürde ist dann die Pubertät :wacky:


    Zitat

    Eventuell erinnern sich die Kinder, Jugendlichen oder später die Erwachsenen daran, dass sie das eine oder andere sehr schön fanden und gehen diesen dann ihren Interessen selbstständig nach.


    Darauf hoffen wir als Eltern auch - mehr kann man nicht tun. Mit Zwang erreicht man wie gesagt das Gegenteil.


    :hello: Andreas

    Zitat

    Original von Hildebrandt
    Die allergenialste KdF-Einspielung aller Zeiten. :D


    Falsch - die stammt von Gustav Leonhardt :D


    Ich habe mich immer gefragt, wie Moroney es ohne zweiten Spieler geschafft hat, die Spiegelfugen zu spielen - im Booklet wird jedenfalls kein Mitstreiter genannt. Playback? :stumm:


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    Und ganz vollständig :stumm:


    Wieder ein nicht überzeugender Versuch mehr, die letzte Fuge zu vervollständigen :kotz:


    :hello: Andreas

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    Original von Hildebrandt
    Glaubst Du nicht, dass einem gerade bei barocken Meistern so einiges entgeht, wenn man ganz auf die Noten verzichtet? Also nicht unbedingt irgendeine Suite, aber Kunst der Fuge, Matthäus-Passion, aber auch bei anderen Komponisten?


    :yes: Deswegen stehen hier auch ein paar Partituren im Regal :pfeif:


    Ich glaube allerdings nicht, dass einem viel entgeht, wenn man sich nicht an der Notenzählerei beteiligt - darum ging es mir. Der Nutzen von Partituren, gerade bei komplexer polyphoner Musik, ist sicher unbestritten.


    Zitat

    Übrigens hält er heute noch als Pensionär Vorlesungen zur Musikgeschichte, er muss jetzt über 80 sein. Hut ab!


    Musik hält eben jung :D


    Mal sehen, ob wir mit 80 noch hier im Forum schreiben...


    :hello: Andreas

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    Original von Hildebrandt
    So ganz ohne wirds wohl nicht gewesen sein. Die 14 und 41 bei JSB, die Kreuzgestalt in Noten und noch ein paar andere Spielereien sind schon Absicht.


    Hallo Hildebrandt,


    da hast Du mich offenbar missverstanden - ich wollte nicht anzweifeln, dass hier Zahlensymbolik betrieben wurde. Man kann dies vom Verstand her zur Kenntnis nehmen, aber man kann es beim Hören nicht nachvollziehen - wer zählt da schon Noten? Und deswegen ist die Zahlensymbolik beim Hören der Musik nicht von Bedeutung.


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    Habt Ihr mal Prautsch gelesen?


    Mir ist aufgefallen, dass die Zahlensymbolik für eine gewisse Zeit in der Bach-Literatur in Mode war. In jüngeren Werken findet man jedoch nach meiner Beobachtung kaum mehr etwas darüber. Emil Platens Buch über die Matthäus-Passion, das mir einige neue Einsichten über dieses Werk gebracht hat, verzichtet - wenn ich mich richtig erinnere - gänzlich darauf.


    :hello: Andreas

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    Original von Klawirr
    Insbesondere bin ich davon überzeugt, daß bei der Entscheidung für die jeweiligen Skordaturen spieltechnische und klangliche Überlegungen im Vordergrund standen.


    Genau - es kann ja kein Zufall sein, dass durch die Skordatur zwei in Oktaven gestimmte Saitenpaare entstehen oder die ungegriffenen Saiten bereits einen vollständigen Akkord bilden.


    Die klanglichen Veränderungen sind ebenfalls von Bedeutung: In der Aufnahme mit Beznosiuk ist sehr schön zu hören, dass eine hochgestimmte Saite dünner und schärfer klingt, während eine heruntergestimmte Saite voller und weniger brilliant klingt. Es ist wohl auch kein Zufall, dass gerade bei den Sonaten 7 bis 9 am extremsten hochgestimmt wird und die Violine dadurch sehr scharf, schon fast schneidend klingt. Mich hat dieser Klang an das Arioso "Betrachte, meine Seel" aus Bachs Johannes-Passion erinnert, wo zwei Violen d'amore einen ähnlichen Klang erzeugen. In der Beznosiuk-Aufnahme wird dieser Klang in der Sonate 7 (Geißelung) noch dadurch verstärkt, dass im Continuo nur eine Gambe (mehrstimmig) spielt.


    Das tieftraurige Lamento zu Beginn der Sonate 9 gehört wirklich zum Ergreifendsten, was ich jemals an Barockmusik gehört habe - wer braucht da noch Zahlensymbolik?


    :hello: Andreas

    Zitat

    Original von Ulli
    Könnte sein, dass ich mir deswegen die Box zulegen muß. Der McNulty [ich nehme an, es ist derselbe wie jener bei Kraus] klingt nämlich totgeil. :yes:


    Naja - ich hätte mich da etwas weniger jugendnah ausgedrückt :wacky:


    Das McNulty-Instrument wurde 1996 gebaut und stammt aus der Sammlung von Stanley Hoogland. Es wird auf 6 der 10 CD's gespielt, allerdings nicht durchgängig.


    :hello: Andreas

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    Original von WolfgangZ
    Da bin ich jetzt wirklich gespannt. Nach über 35 Jahren lebhafter Hörpraxis scheint mir ein diesem Forum zufolge absolut geniales Werk gänzlich entgangen zu sein ... :untertauch::angel:


    Hallo Wolfgang, willkommen im Club! Bei mir sind's wohl nicht ganz 35 Jahre, entgangen ist mir diese großartige Musik bisher aber auch - und sie wäre es ohne dieses Forum und ohne die Begeisterung von Medard auch weiterhin. Daher nun:



    Biber: Rosenkranz-Sonaten


    Pavlo Beznosiuk, Violine
    David Roblou, Cembalo/Truhenorgel
    Paula Chateauneuf, Laute/Theorbe
    Richard Tunnicliffe, Cello/Gambe


    :hello: Andreas

    Zitat

    Original von Ulli
    Die Box ist auf jeden Fall lohnenswert [allein der Preis: 19,99 €] - die Interpretationen empfinde ich als unterschiedlich gelungen.


    Ich habe diese Box auch, aber ich bin damit nicht warmgeworden. Ich weiss nicht warum, aber Frau Schornsheims Interpretationen sprechen mich nicht an, lassen mich sozusagen kalt. An den verwendeten Instrumenten liegt es jedenfalls nicht; ich bin ja auch nicht derjenige, der etwas gegen Cembali oder Clavichords einzuwenden hätte...


    Die Haydn-Box von Brilliant dagegen hat mich sofort begeistert. Hier die Liste der verwendeten Instrumente, wie bereits angekündigt:


    - Fortepiano von Chris Maene nach Anton Walter
    - Fortepiano von Joseph Kirckman 1798
    - Fortepiano von Thomas und Barbara Wolf nach Johann Schantz
    - Fortepiano von Paul McNulty nach Anton Walter
    - Fortepiano von Broadwood (1794)
    - Fortepiano von einem anonymen Wiener Instrumentenbauer, ca. 1785


    :hello: Andreas

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    Original von Klawirr
    nachvollziehbar finde ich Lotters Theorie schon - er legt sie ja auch äußerst folgelogisch argumentierend dar - überzeugend finde ich sie in ihrem Anspruch auf Ausschließlichkeit allerdings nicht


    Das ist es auch, was mich daran stört - Lotter schreibt ja, die Skordaturen seien ausschliesslich mathematisch motiviert. Als ein möglicher Erklärungsversuch, der andere nicht ausschliesst, wäre seine Darstellung überzeugender.


    Zitat

    (zudem geht dieses Rechenspiel der Skurdaturintervalle ja auch nur so schön auf, wenn man tatsächlich die Ausführung mit drei Violinen, die Lotter als die Ideallösung propagiert, als von Biber intendiert zugrunde legt)


    Genau an dieser Stelle ist meiner Meinung nach seine Argumentation schwach: Wieso gerade drei Instrumente?


    Zitat

    Den Bezug der 2772 klingenden Takte zur zahl der kanonoschen Bücher der Heiligen Schrift halte ich noch für nachvollziehbar (das ist IMO nicht zufällig).


    So etwas findet sich durchaus auch noch bei Bach, scheint also bei religiös motivierten Werken üblich gewesen zu sein.


    Zitat

    Die Verbindung zu Kepplers Sphärenharmonie scheint mir dagegen in Lotters difficilen und differenzierten Rechenspiel etwas arg ausgereizt


    Das scheint mir auch so, wobei ich nicht nachvollziehen kann, wieso sich ein katholischer Musiker in einem religiösen Werk ausgerechnet auf die (sicher damals nicht unumstrittenen) Theorien eines protestantischen Gelehrten beziehen soll. Das ist für mich reine Spekulation, mehr nicht.


    :hello: Andreas

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    Original von Klawirr
    Aber vielleicht kann wirklich einmal ein Violinist etwas Fundierteres dazu verlauten lassen.


    Rüdiger Lotter, von dem eine Live-Aufnahme bei Oehms erschienen ist, schreibt dazu (hier nachzulesen, Hervorhebung von mir):


    Zitat

    Diese außergewöhnliche Skordaturhäufung hat immer wieder Anlass zu der Frage gegeben, welche Absicht Biber mit dieser für die Aufführung der Sonaten eher unkomfortablen Kompositionsweise verfolgt haben könnte.


    Leider lässt er die Frage offen, was genau er als unkomfortabel empfindet: Das Umstimmen des Instruments, das Vorhalten mehrerer Instrumente bei einer zyklischen Aufführung, den Unterschied zwischen Notation und tatsächlichem Klang (da die Notation in den Sonaten mit Skordatur eine Griffnotation und keine Klangnotation ist)? Anders formuliert: Ist Lotter der Meinung, dass alle Sonaten ohne Skordatur komfortabler zu spielen wären? Wenn ja, müsste er den praktischen Beweis erbringen.


    Zur Skordatur schreibt Lotter weiterhin, nachdem er einige zahlensymbolische Betrachtungen angestellt hat (Hervorhebung wiederum von mir):


    Zitat

    Die Skordaturen sind also im Gegensatz zu bisherigen Annahmen ausschließlich mathematisch motiviert. Sie bilden gemeinsam mit der Disposition der Gesamttaktzahl den Rahmen der kompositorischen Arbeit Bibers.


    Seiner Meinung nach gibt es also ausschliesslich (!) zahlensymbolische Gründe für die Skordatur, also weder klangliche noch spieltechnische.


    Allerdings sind diese Zusammenhänge für den Hörer (und wohl auch für den Spieler) nicht unmittelbar nachvollziehbar, wie Lotter zugibt:


    Zitat

    Da eine Verknüpfung der Skordatur- und Taktzahlebene über die Zahl 2772 für den Zuhörer weder akustisch noch verstandesmäßig unmittelbar nachvollziehbar ist, darf man vermuten, dass Biber sich mit diesem „Geheimnis der Rosenkranzsonaten“ an Gott selbst richtet.


    Vermuten darf man natürlich alles Mögliche, aber ich halte diese Zahlenspielereien für etwas weit hergeholt. Letztlich würden sie ja bedeuten, das sich das Wesentliche in diesem Zyklus auf einer abstrakt-mathematischen, für den Hörer und Spieler nicht unmittelbar wahrnehmbaren Ebene ereignet - die hörbare Musik wäre dann weitgehend ohne Bedeutung. Was meint Ihr zu Lotters Theorie - ist sie nachvollziehbar?


    :hello: Andreas

    Wegen des anhaltend schlechten Wetters, das nicht gerade für Freiluft-Aktivitäten geeignet war, habe ich mir heute Bibers Rosenkranz-Sonaten mit Pavlo Beznosiuk besorgt:



    Die Sonaten sind auch als Download (unkomprimiert, ohne DRM) bei Magnatune erhältlich, und da es schnell gehen musste, habe ich sie dort gekauft. (Übrigens gibt es dort als Hörproben die vollständigen Sonaten im MP3-Format mit 128 kbit/s, was von der Qualität her schon halbwegs akzeptabel ist, um sich ein Urteil zu bilden.)


    Neben Pavlo Beznosiuk, der als Konzertmeister und Mitwirkender bei zahlreichen Barockorchestern (The Academy of Ancient Music, Amsterdam Baroque Orchestra, Orchestra of the Age of Enlightenment, Hanover Band, New London Consort) bekannt sein dürfte, wirken bei dieser Aufnahme im Continuo mit: David Roblou (Cembalo/Truhenorgel), Paula Chateauneuf (Laute/Theorbe) und Richard Tunnicliffe (Cello/Gambe) mit.


    Man sollte meinen, dass über zwei Stunden Solovioline mit Continuo irgendwann mal langweilig werden, aber weit gefehlt. Nach erstmaligem Hören dieser Stücke kann ich jeden vollauf verstehen, der von dieser Musik fasziniert ist und den sie nicht wieder loslässt! Mir fehlt natürlich der Vergleich zu anderen Aufnahmen, aber ich möchte trotzdem versuchen, kurz meine Eindrücke zu schildern.


    Pavlo Beznosiuk ist ein Barockviolinist mit bewunderungswürdigen Fähigkeiten: Egal, ob Doppel- oder Tripelgriffe, ob Läufe in schnellsten Tempi oder Spiel in den höchsten Lagen - der Hörer merkt nichts von den teilweise enormen technischen Schwierigkeiten, die hier zu bewältigen sind; alles klingt sauber und scheinbar mühelos. Seine Virtuosität demonstriert er aber niemals vordergründig; er nimmt sie eher zurück und stellt statt des Technischen das Musikalische in den Vordergrund. Beznosiuk artikuliert ungemein differenziert, daneben nutzt er die Dynamik der Barockvioline vom zartesten, gerade noch hörbaren pianissimo bis zum satten forte voll aus.


    Die drei Musiker der Continuo-Gruppe begleiten sehr fantasievoll, in wechselnden Besetzungen und immer am Affekt des jeweiligen Satzes orientiert. Die vielleicht bemerkenswerteste Continuo-Besetzung findet sich in der Sonate 7, wo die Violine nur von einer Gambe begleitet wird, die allerdings mehrstimmig gespielt wird. Es ist wirklich erstaunlich, wie vielfältig man mit drei Continuo-Spielern begleiten kann.


    Deutlich hörbar ist die durch die Skordatur von Sonate zu Sonate wechselnde Klangfarbe der Violine. In der Sonate 11 sollen übrigens die beiden mittleren Saiten am Steg und am Halsende gekreuzt (!) werden.


    Die Interpretation in eine der beiden Schubladen "meditativ" oder "virtuos" einzuordnen, fällt mir mangels Vergleichsaufnahme schwer. Bei Beznosiuk gibt es sowohl Momente tiefster Versunkenheit, wo die Zeit fast stillzustehen scheint, als auch sinnliche Spielfreude, die aber niemals vordergründig virtuos wirkt. Mit der gebotenen Vorsicht (da ich von anderen Aufnahmen nur die Beschreibungen hier im Forum kenne, nicht aber die Aufnahmen selbst) würde ich Beznosiuk eher Richtung Pierot einordnen; die Aufnahme passt weder zur Beschreibung von Manze noch zu der von Goebel. Für die Sonate 11 braucht Beznosiuk 8:17 min, ist also vom Tempo in Richtung Holloway einzuordnen.


    Ich werde mir wohl demnächst noch eine zweite Einspielung kaufen (Pierot oder Holloway), die "Rasanten" wie Goebel oder Letzbor würden mich bei dieser Musik mit Sicherheit nicht ansprechen. Das Interesse ist jedenfalls geweckt, auch dank der vielen Informationen in diesem Thread - herzlichen Dank an Medard!


    :hello: Andreas

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    Original von der Lullist
    Ich halte Fischer dennoch für einen "Lullisten" da er wohl maßgeblich an der Verbreitung des frz. Orchesterstils beteiligt war - ich habe ja eine Vorliebe für diese Lullisten, auch wenn sie meiner Meinung nach nie das große Vorbild erreichten.


    Von Fischer besitze ich eine CD mit Cembalomusik (wenn ich mich richtig erinnere, aus dem "Parnasse Musical"), gespielt von William Christie (aus der HMF-Reihe "Musique d'abord"). Unbedingt hörenswert, aber natürlich aus dem Katalog gestrichen. X(


    Fischers Leistungen als Komponist darauf zu reduzieren, dass er - überspitzt formuliert - Lully kopiert hat, aber natürlich daran gescheitert ist, halte ich für sehr gewagt. Er hat nach meinem Empfinden durchaus einen Personalstil, der aber eben nicht nur aus Elementen der französischen Musik besteht. Vielmehr hat er - wie Hildebrandt richtig anmerkte - Stilelemente der französischen und italienischen Musik aufgenommen und (wie auch andere deutsche Komponisten seiner Zeit) daraus einen neuen Stil, den "vermischten", entwickelt.


    Vielleicht sollten wir mal darüber diskutieren, was ein "Lullist" ist: Ein unkritischer Bewunderer und Nachahmer Lullys, der aber nie an sein Vorbild heranreichte? Oder jemand, der unter anderem auch Stil- und Formelemente der Musik Lullys in seinen Personalstil übernommen hat? Dann wäre jeder Barockkomponist, der eine Ouvertüre im französischen Stil geschrieben hat, ein Lullist. :D


    :hello: Andreas

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    Original von Klawirr
    Hm, jetzt habe ich Melkus allerdings gar nichts sagen können (noch 'ne Einspielung, die ich mir wohl mal besorgen muß :wacky: ) ....


    Ich muss mir überhaupt erst einmal eine Einspielung besorgen :wacky:


    Angesichts der vielen besprochenen Aufnahmen und unterschiedlichen Interpretationsansätze bin ich aber etwas verunsichert, was die Wahl der Einspielung angeht. Mein persönlicher Geschmack tendiert eher zu einem meditativen Interpretationsansatz, denn bei einer musikalischen Darstellung der christlichen Mysterien sollte nach meinem Empfinden Virtuosität nicht im Vordergrund stehen. Diese Musik ist ja nicht "l'art pour l'art", sondern sie soll ganz offensichtlich eine Glaubensbotschaft transportieren.


    Welche Aufnahme wäre geeignet - Manze, Pierrot?


    :hello: Andreas

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    Original von Klawirr
    Anscheinend sind die vorgeschriebenen »Verstimmungen« dagegen bei einer Barockvioline (geringere Halsneigung und Darmbesaitung) aber möglich.


    Also wird die Skordatur möglich durch ein anderes Material der Saiten (Darmsaiten statt stahlumsponnene Saiten, wobei aber meines Wissens auch bei Barockviolinen die g-Saite umsponnen ist), durch geringere Saitenspannung und durch einen "flacheren" Hals.


    Bei Wikipedia habe ich eine Grafik gefunden, die die Skordaturen in den Rosenkranz-Sonaten als Noten wiedergibt - das finde ich um einiges anschaulicher:


    800px-Mysterien_sonate.jpg


    Zitat

    In der einzigen mir bekannten Live-Aufnahme der Sonaten, verwendet der Violinist drei Violinen.


    Das hängt möglicherweise damit zusammen, dass eine extrem umgestimmte Violine zunächst schlecht die Stimmung hält - oder es werden möglicherweise für "Extremfälle" wie die Sonaten 8 und 11 Instrumente mit anderer Besaitung verwenden (bei Sonate 8 vielleicht ein Instrument mit zwei d-Saiten, wobei die erste auf d, die zweite auf f gestimmt wird, bei Sonate 11 ein Instrument mit vertauschter d- und a-Saite).


    Zitat

    Ja, die Erleichterung von Doppel- und Mehrfachgriffen ist ein Grund für die Skordaturen. Ein anderer, ebenso wichter Grund besteht allerdings darin, daß die veränderten Spannungsverhältnisse den Klang der Violine signifikant verändern (aus diesem Grunde verwenden manche Violinisten bei Studioeinspielung eben nur ein einziges Instrument: um die Klangveränderung bei gleichem Material besonders deutlich hörbar werden zu lassen).


    Zweifellos ändert sich mit der Saitenspannung auch der Klang - das ist auch auf einer Gitarre deutlich wahrnehmbar. Anhand der Noten ist aber auch erkennbar, dass bei einigen Sonaten die umgestimmten leeren Saiten einen Dreiklang bilden bzw. auch Saitenpaare in Oktaven gestimmt sind (Sonaten 2, 4, 11), was wie gesagt spieltechnische Gründe haben dürfte.


    Interessant ist, dass der Zyklus mit der Normalstimmung beginnt, sich mit Sonate 8 am weitesten davon entfernt (g-Saite um eine Quinte hochgestimmt!) und mit der Normalstimmung endet. In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage: War von Biber eine zyklische Aufführung (also ein Spielen aller 15 Sonaten und der Passacaglia unmittelbar hintereinander) überhaupt vorgesehen? Gibt es von ihm diesbezügliche Spielanweisungen?


    Ist übrigens die folgende Aufnahme mit Pavlo Bezsosiuk bekannt:



    Er hat hier (in Englisch) recht interessante Anmerkungen zur Interpretation der Sonaten gemacht.


    :hello: Andreas

    Hallo allerseits,


    eine recht preiswerte Möglichkeit sich unterschiedliche Fortepianos anzuhören und zu vergleichen, bietet die Gesamtaufnahme der Klaviersonaten von Haydn bei Brilliant:



    Hier werden sowohl Originalinstrumente als auch Nachbauten gespielt. Genauere Informationen zu den einzelnen Instrumenten habe ich hier leider nicht zur Hand (kann ich aber - wenn gewünscht - nachliefern, wenn ich wieder zuhause bin). Ich habe die Box schon komplett durchgehört, und keines der verwendeten Instrumente scheppert oder hakelt. Die Instrumente klingen teilweise schon recht charakteristisch und unterscheiden sich deutlich voneinander, aber bei keinem hatte ich den Eindruck, dass es unausgewogen klingt.


    Ich habe eine CD mit Klavierwerken von Wilhelm Friedemann Bach, gespielt von Harald Hoeren auf einem Fortepiano (cpo, nicht mehr erhältlich). Das von ihm verwendete Instrument (um welches es sich handelt, kann ich erst zuhause nachschlagen) klingt im Vergleich zu den Instrumenten der Haydn-Box sehr unausgewogen. Einige Töne klingen sauber, andere sirren oder scheppern leicht - da macht das Zuhören keinen Spass :no:


    Aufgrund dieser CD hatte sich bei mir eine gewisse Abneigung gegen Fortepianos entwickelt - umso erfreuter war ich, als ich bei der Haydn-Box dann festgestellt habe, dass es auch erheblich besser geht.


    :hello: Andreas

    Zitat

    Original von Bernhard


    Man kann anhand der Fotos kaum glauben, dass es sich um ein- und dieselbe Person handelt:



    Was ein Labelwechsel (bzw. die PR-Maschinerie von Sony Classical) doch ausmacht!


    Übrigens gibt es in der neuen FonoForum ein sehr interessantes Interview mit Frau Dasch. Den Ausdruck "vordersitzig singen" kannte ich bis dato noch nicht...


    :hello: Andreas

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    Original von Klawirr
    Da ich heute seit längerer Zeit (so ca. 7 Tagen) mal wieder die Rosenkranzsonaten laufen habe (diesmal Franzjosef Maier), dachte ich, mal kurz die Skordaturen der einzelnen Sonaten nachzutragen.


    Interessant - da stellt sich mir die Frage, wie die Instrumente das eigentlich aushalten. ?(


    Vom Gitarrespielen weiß ich: Wenn man von der Standardstimmung der Saiten abweicht, wird herunter- und nicht heraufgestimmt. Die tiefe E-Saite wird z. B. häufiger auf D heruntergestimmt und die g-Saite auf fis (wenn man Werke spielt, die eigentlich für Laute komponiert sind). Vom Heraufstimmen wird abgeraten, weil die Gefahr steigt, dass die betreffende Saite reisst (was beim Spielen zu bösen Verletzungen führen kann) oder das Instrument Schaden nimmt (Hals verzieht sich, Schalldecke reisst). Ist das bei der Violine grundsätzlich anders?


    Wenn ich mir die Stimmungen so angucke:


    Zitat

    Sonate I (d-moll): »Den du vom Heiligen Geist empfangen hast«. Stimmung: g – d‘ – a‘ – e‘‘


    OK - Standardstimmung, wie heute üblich.


    Zitat

    Sonate II (A-Dur): Den Du zu Elisabeth getragen hast«. Stimmung: a – e‘ – a‘ – e‘‘


    g- und d-Saite um einen Ganzton hoch, die beiden hohen Saiten bleiben in Standardstimmung - da wird das Instrument doch schon ungleichmässig belastet...


    Zitat

    Sonate III (h-moll): »Den du geboren hast«. Stimmung: h – fis‘ – h‘ – d‘‘


    Noch extremer: g- und d-Saite um zwei Ganztöne hoch, a-Saite um einen Ganzton hoch, e-Saite um einen Ganzton hinunter - spätestens jetzt hätte ich als Geiger Angst um mein teures und unersetzbares Instrument.


    Zitat

    Sonate VIII (B-Dur): »Der für uns mit Dornen gekrönt worden ist«. Stimmung: d‘ – f‘ – b‘ – d‘‘


    Noch extremer - hier wird die g-Saite um eine Quinte hochgestimmt. Und so weiter.


    Meine Frage: Werden bei den Aufnahmen dieser Werke wirklich die vorhandenen Saiten der Standardstimmung entsprechend umgestimmt oder werden die Saiten ausgewechselt, um das Instrument nicht über Gebühr zu belasten? Gibt es hier einen Violinspieler, der sich mit Skordatur auskennt und dazu etwas sagen kann?


    Der Sinn der Skordatur scheint mir in erster Linie leichteres mehrstimmiges (akkordisches) Spiel zu sein: Bei Sonate 2 fehlt nur cis zum Tonika-Dreiklang, bei Sonate 3 und 8 kann er mit den leeren (ungegriffenen) Saiten gespielt werden. Damit wäre Biber der Erfinder der "Open Tunings", die sich heute beim nichtklassischen Gitarrenspiel (Fingerpicking) allgemeiner Beliebtheit erfreuen. :yes:


    :hello: Andreas

    Musiker hassen bekanntlich drei Dinge: frische Luft, Tageslicht und das unerträgliche Gebrüll der Vögel. :D


    Interessant wäre ein Zeitvergleich mit Zinman, der ja angeblich die originalen Metronomangaben (oder das, was nach aktuellem Forschungsstand für original gehalten wird) umgesetzt haben soll. Leider habe ich die CD's nicht hier, dafür war in der Familienkutsche kein Platz mehr :wacky:


    :hello: Andreas

    Zitat

    Original von Prometeo
    wann kommt eigentlich die cd "rameau auf dem synthesizer" ???
    :wacky:


    Du wirst lachen - die gibt es schon lange. Ich hatte mal eine LP eines amerikanischen Pianisten (später auf CD wiederveröffentlicht), der abwechselnd und ineinander übergehend Cembalo, Klavier und Synthesizer verwendet hat. Das hörte sich gar nicht schlecht an, weil er die Stücke gut ausgewählt hatte. Die LP erschien Anfang der 80er Jahre bei CBS, der Name des Pianisten fällt mir leider nicht mehr ein...


    :hello: Andreas

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    Original von Wulf
    Also, ich bin zwar auch kein Barto- Fan, aber das finde ich nun doch - vErzeihung etwas überheblich.


    Hallo Wulf,


    eine Frage vorab: Hast Du das Interview mit ihm in der FonoForum gelesen? Wenn nicht, solltest Du das nachholen, bevor wir weiterdiskutieren - es lohnt sich.


    In diesem Forum sind schon ganz andere Musiker (inklusive Mozart und Beethoven!) ohne nachvollziehbare Gründe niedergemacht worden - da kommt es auf einen klavierspielenden Bodybuilder auch nicht mehr an. :D


    Spass beiseite: Mein Urteil ist natürlich völlig subjektiv und erhebt keinerlei Anspruch auf Allgemeingültigkeit, das sollte doch deutlich zu erkennen sein. Warum also die Aufregung?


    Zitat

    Muß denn ein Musiker, Pinaist etc. immer ein in der Schule schelcht sozialisierter, daher zu Klassik gekommener, hypersensibler Feingeist sein, der das Fitness-Studio nur aus Erzählungen kennt - also so ne Art Brendel??


    Könnte es sein, dass Du Brendel nicht sonderlich schätzt? :pfeif:


    :hello: Andreas

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    Original von Hildebrandt
    Und bei Tahrauds "Erinnerungen" fällt mir Schwarzenegger am Cembalo ein.


    Der ist mir eher bei Barto eingefallen - beide haben ja eine durchaus ähnliche Statur, dank Bodybuilding. :D


    Tut mir leid, aber Barto ist für mich kein ernstzunehmender Musiker.


    Zitat

    Und wenn keiner mal ans Eingemachte will, fang ich halt selber damit an.


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Eigentlich hatte ich das von den Klavierbefürwortern erwartet, aber da kommt irgendwie nichts Konkretes...


    Zitat

    Das Klavier ist gegenüber dem Cembalo bei der Ausführung komplizierter Verzierungen technisch und akustisch im Nachteil. Und das ist wohl ein Nachteil bei der Aufführung einer Musik, die von der exakten Ausführung der Verzierungen geradezu lebt.


    Ganz wichtig, auch und gerade bei französischer Cembalomusik, und besonders bei Francois Couperin. Die Verzierungen sind keine "Zugabe ad libitum", die der Spieler nach Gutdünken auch weglassen kann - sie sind wichtiger, essentieller Bestandteil dieser Musik!


    Zitat

    Und was kaum beachtet wird, aber immens wichtig ist: Das Cembalo bietet allein wegen des Obertonreichtums eine sehr viel bessere Präsenz der Mittel- und Unterstimmen. Bestimmte einzelne Basstöne, die auf dem Cembalo auch wirklich wie hingetupft klingen, wirken auf dem Klavier erheblich anders (für mich schon fast lächerlich).


    Anders formuliert: Auch ein komplexer Satz mit sehr viel Eigenleben in den Stimmen ist auf dem Cembalo hervorragend durchhörbar, weil eben der Bass und besonders die Mittelstimmen nicht "untergehen". Deswegen ist das Cembalo prädestiniert für polyphone Musik.


    :hello: Andreas

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    Original von Alfred_Schmidt
    Ich nehme an, er wollte sagen, er versuche mit dem modernen Flügel, das Werk so zu interpretieren, daß es den Intentionen des Komponisten möglichst noch entspräche.


    Hallo Alfred,


    vermutlich wollte er das, und der hier etwas unglückliche deutsche Begriff Geist ist durch die Übersetzung aus dem Französischen hineingekommen.


    Was die Intentionen des Komponisten sind, darüber wird wohl jeder Interpret eine etwas andere Vorstellung haben - das ist sehr subjektiv.


    Zitat

    IMO ist das aber kauim möglich - Schon eine Schubert- Klaviersonate ändert ihren Charakter signifikant, je nachdem, ob man sie mit einem Broadwood Hammerflügel oder einem modernen Konzertflügel wie Bösendorfer oder Steinway spielt.


    Ganz genau! Ich hatte hier vor kurzem ein Schlüsselerlebnis, als ich zum ersten Mal Mozarts Klaviersonaten auf einem Fortepiano hörte. Bis dato kannte ich nur Aufnahmen mit modernen Klavieren, und was da im Vergleich zu einem Fortepiano verlorengeht, fand ich schon einigermassen erschreckend. Jedenfalls hatte ich den Eindruck, die Sonaten zum ersten Mal "richtig" zu hören.


    Zitat

    Das Ergebnis kann im eintzelnen durchas ansprechend sein, vielleicht für einige sogar überzeugend (eine Frage der Prägung) - aber ich bin der Überzeugung daß Rameaus oder Bachs (etc etc) Musik eindeutig verliert, wenn man sie auf modernem Instrumenten spielt.


    Ich habe auch einige Aufnahmen, wo Bach auf dem Klavier gespielt wird - bei einzelnen Stücken ist das durchaus ansprechend. Einige Stücke von Rameau könnte ich mir auch auf dem Klavier vorstellen, nicht aber Stücke von Francois Couperin (das war Ausgangspunkt der Diskussion, die dann in diesen Thread verlagert wurde).


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    Historisch korrekt ist es jedenfalls nicht - es widerspräche dem "Geist Rameaus"


    Das ist auch meine Meinung. :yes:



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    Rameau auf dem Harmonium - auch eine feine Sache........ :baeh01:


    Genauso wie Chopin für Tubaquartett und Bruckner für Blockflötenorchester :D


    :hello: Andreas