Wegen des anhaltend schlechten Wetters, das nicht gerade für Freiluft-Aktivitäten geeignet war, habe ich mir heute Bibers Rosenkranz-Sonaten mit Pavlo Beznosiuk besorgt:

Die Sonaten sind auch als Download (unkomprimiert, ohne DRM) bei Magnatune erhältlich, und da es schnell gehen musste, habe ich sie dort gekauft. (Übrigens gibt es dort als Hörproben die vollständigen Sonaten im MP3-Format mit 128 kbit/s, was von der Qualität her schon halbwegs akzeptabel ist, um sich ein Urteil zu bilden.)
Neben Pavlo Beznosiuk, der als Konzertmeister und Mitwirkender bei zahlreichen Barockorchestern (The Academy of Ancient Music, Amsterdam Baroque Orchestra, Orchestra of the Age of Enlightenment, Hanover Band, New London Consort) bekannt sein dürfte, wirken bei dieser Aufnahme im Continuo mit: David Roblou (Cembalo/Truhenorgel), Paula Chateauneuf (Laute/Theorbe) und Richard Tunnicliffe (Cello/Gambe) mit.
Man sollte meinen, dass über zwei Stunden Solovioline mit Continuo irgendwann mal langweilig werden, aber weit gefehlt. Nach erstmaligem Hören dieser Stücke kann ich jeden vollauf verstehen, der von dieser Musik fasziniert ist und den sie nicht wieder loslässt! Mir fehlt natürlich der Vergleich zu anderen Aufnahmen, aber ich möchte trotzdem versuchen, kurz meine Eindrücke zu schildern.
Pavlo Beznosiuk ist ein Barockviolinist mit bewunderungswürdigen Fähigkeiten: Egal, ob Doppel- oder Tripelgriffe, ob Läufe in schnellsten Tempi oder Spiel in den höchsten Lagen - der Hörer merkt nichts von den teilweise enormen technischen Schwierigkeiten, die hier zu bewältigen sind; alles klingt sauber und scheinbar mühelos. Seine Virtuosität demonstriert er aber niemals vordergründig; er nimmt sie eher zurück und stellt statt des Technischen das Musikalische in den Vordergrund. Beznosiuk artikuliert ungemein differenziert, daneben nutzt er die Dynamik der Barockvioline vom zartesten, gerade noch hörbaren pianissimo bis zum satten forte voll aus.
Die drei Musiker der Continuo-Gruppe begleiten sehr fantasievoll, in wechselnden Besetzungen und immer am Affekt des jeweiligen Satzes orientiert. Die vielleicht bemerkenswerteste Continuo-Besetzung findet sich in der Sonate 7, wo die Violine nur von einer Gambe begleitet wird, die allerdings mehrstimmig gespielt wird. Es ist wirklich erstaunlich, wie vielfältig man mit drei Continuo-Spielern begleiten kann.
Deutlich hörbar ist die durch die Skordatur von Sonate zu Sonate wechselnde Klangfarbe der Violine. In der Sonate 11 sollen übrigens die beiden mittleren Saiten am Steg und am Halsende gekreuzt (!) werden.
Die Interpretation in eine der beiden Schubladen "meditativ" oder "virtuos" einzuordnen, fällt mir mangels Vergleichsaufnahme schwer. Bei Beznosiuk gibt es sowohl Momente tiefster Versunkenheit, wo die Zeit fast stillzustehen scheint, als auch sinnliche Spielfreude, die aber niemals vordergründig virtuos wirkt. Mit der gebotenen Vorsicht (da ich von anderen Aufnahmen nur die Beschreibungen hier im Forum kenne, nicht aber die Aufnahmen selbst) würde ich Beznosiuk eher Richtung Pierot einordnen; die Aufnahme passt weder zur Beschreibung von Manze noch zu der von Goebel. Für die Sonate 11 braucht Beznosiuk 8:17 min, ist also vom Tempo in Richtung Holloway einzuordnen.
Ich werde mir wohl demnächst noch eine zweite Einspielung kaufen (Pierot oder Holloway), die "Rasanten" wie Goebel oder Letzbor würden mich bei dieser Musik mit Sicherheit nicht ansprechen. Das Interesse ist jedenfalls geweckt, auch dank der vielen Informationen in diesem Thread - herzlichen Dank an Medard!
Andreas