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Ich finde immer wieder überraschend wie Internet- und andere Experten anscheinend völlig vergessen oder ignorieren, dass die Berliner Philharmoniker sich Rattle schließlich selbst ausgesucht haben. Völlig inkompetent dürften dessen Mitglieder, egal ob sie das beste oder das zehntbeste Orchester der Welt sind, doch wohl nicht sein, oder? Und sie haben bereits in der Vergangenheit, sowohl bei der Auseinandersetzung mit dem selbstherrlichen alten Karajan als auch bei der Nachfolge sich durchaus als eigensinnig erwiesen.
Richtig, und wenn man die Möglichkeiten Maazel und Barenboim heranzieht war es wohl auch eine sehr gute Wahl.
Also, ich habe nur das Eröffnungskonzert mit der 5. Mahler gehört und das fand ich grossartig (gibts ja auch auf DVD, wenn sich jemand eine eigene Meinung bilden möchte). Da wurde mit grosser Spielfreude musiziert, extrem gut aufeinander gehört und einfach auch sehr musikalisch gespielt. Zinman hat mal gesagt, Mahler ist Kammermusik für grosses Orchester, das kam da sehr gut heraus. Im Übrigen kam Rattle wieder sehr sympathisch rüber (ja ich weiss alles nur Show :wacky:, aber anscheinend macht er die Sympathieshow rund um die Uhr). Sich zwischen den Bläsersolisten am Schluss zu verbeugen war eine tolle Geste.
Ich habe das Orchester oft unter Abbado gehört und da habe ich es immer schlechter erlebt. Da sind rein technische Pannen passiert, die es in der Form hoffentlich nicht mehr gibt. Den Status das beste oder zweitbeste Orchester der Welt zu sein, hatte es in dieser Phase schon lange nicht mehr zumindestens unter Musikern. Im ÜBrigen war das die Phase in der die grosse Verjüngung des Orchesters stattgefunden hat. In dieser Zeit ist der Orchesterklang grundsätzlich ein anderer geworden, was ja auch logisch ist, kein Mensch spielt Heute wie z.B. ein Zöller unter Karajan.
Jetzt wo Abbado weg ist, finden ihn ja alle wieder ganz toll....
Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Zeitungskritiker im grossen und Ganzen voneinander abschreiben. Anders kann ich mir auch nicht erklären, dass Kent Nagano in den Kritiken so extrem gut weg kommt, obwohl die Musiker die ich kenne ihn schlicht unmusikalisch finden und das deutsche Symphonieorchester soweit ich weiss, alles andere als zufrieden ist. Was ich bisher gehört habe, fand ich auch nicht toll.
Ich halte es durchaus für möglich, dass der negative Hype gegen Rattle auch eine Art Selbstläufer ist. Zum einen bezweifle ich das jeder Kritiker die Kompetenz besitzt eine Interpretation zu beurteilen. Ich bin auch Musiker und wenn ich das Stück nicht selber gespielt habe, traue ich mir das auch nicht bis ins letzte zu. ZUm anderen wird es ab einer bestimmten Ebene der Interpretation schon auch Geschmackssache. So kann man die Mahlerinterpretationen als oberlehrerhaft oder eben als besonders klar und deutlich in den Details empfinden. Das Simon Rattle grundsätzlich ein hervorragender und umfassend gebildeter Kapellmeister ist, hat er wirklich in seiner Birmingham-zeit ausreichend bewiesen. Sehr zu empfehlen sind übrigens auch die DVDs "Orchestral Music In The 20th Century". (besonders denjenigen die hier ständig Spitzen gegen die moderne Musik bringen :D) Was er da macht, können weiss Gott nicht viele Dirigenten und nebenbei präsentiert er es auch noch sehr gut und sympathisch (...ich weiss :wacky: )
Ich werde die Philis im September wieder unter Rattle mit Sibelius 5. hören, mal sehen, obs wirklich so schlimm wird wie hier beschrieben.
Gruss
Syrinx