Lieber Gustav :
Lassen wir jede Diskussion über die grossartigen Interpretationen durch Maria Callas beiseite .
Mir persönlich ist es auch völlig unbedeutend , ob alleine in dem Zusammenhang mit der Stadt Paris der Name dieser ganz aussergwöhnlichen Sängerin 100 000 oder 300 000 mal zu finden ist -
Das immer neu Faszinierende sin d für mich kleinste , eigentlich belanglose Details , auf die Menschen achten, wenn sie nur eine Foto von ihr sehen . Zum Beispiel , dass sie auf einem Pardeck mit Onassis geht . im Hintergrund sehen wir einen Ford - PKW , Typ 17 m . Warum denn kein 20 m , den es gab . So penibel wird bei Maria Callas alles , wirklich alles , registriert .
Niemand hat heute etwas davon . Selbst der Autogigant Ford in Detroit ist nicht einmal auf die Idee gekommen, dies zu vermarkten .
Dennoch passt gerade solch ein selbst damals in den 1960er Jahren aufgenommenes Foto zu dem Zerrbild , dass die breiteste öffentlichkeit über " die Callas " serviert bekommen hat .
Und der Wagen , seinerzeit im Mittelklasssegment anzusiedeln , passst dann doch zu ihrer Biographie . Sie war herausgekommen aus eher einfachen Verhältnissen in New York . Damit kann man diesen wagen assoziiernen .
Onassis ? Und ein Ford 17 m ? nein, niemals . Cadillac , Ford thunderbird , Rolls Royce - was denn sonst . Aber niemand schreibt etwas über dieses schlichte Auto und den Milliradär Onassis .
Selbst menschen , die ihn kannten , haben ganz schlicht gesagt, , dass er enorm viel geld gehabt habe .
Und Maria callas ? S i e war selbst dann d e r Mittelpunkt , wenn Ari etwa das superteure " Maxim's " in Paris für sich reserviert hatte .
Maria Callas# Natürlichkeit im Alltagsleben, das genau beschrieben ist ,
rührt daher , dass sie sich immer klar war, aus welchen sozialen Verhältnissen sie aufgestiegen war . Sie kannte all die Risiken, die ungeheueren Anstrengungen, um nach ganz oben kommen zu können .
Sie war eine Sprachbegabung, was ihr sicherlich sehr geholfen hat . dennoch blieb sie selbst bezüglich ihres Französischs immer sehr kritisch . Gerade im Hinblick auf ihre Rollen .
Wäre sie nicht längst zur Weltbürgerin geworden , dann hätte sie bei mangelnder Durchdringung ihrer Umgebung und bei eniger Kampfgeist im alltäglichen Leben nicht so lange ganz oben stehen können .
Ich kenne von keiner wirklich grossen Opernsängerin auch nur eine Bemerkung, die sie nicht als d i e Verkörperung von Gesang , Opernbetrieb und Erneuerung bezeichnet hätte .
Ich hatte immer den eindruck , dass ihr denken sehr klar gewesen ist . Fast ohen Schnörkel hat sie in den aufgezeichneten Gesprächen die Fragen, auch die wenig angenehmen , beantwortet . Und vor allem : Sie hat sie alleine beantwortet können .
Dabei ging es ja in aller Regel nicht um die Frage eines bestimmten Tons, den sie so oder so schon einmal " erreicht " hatte .
Ich bin sehr sicher, dass Maria Callas solche Fragen mit milder Ironie und scharfem Verstand und sehr direkt beantwortet hätte .
Sie hat, was noch einmal ausdrücklich betont werden muss , ja als ganz junge Frau eine Weltkarriere begonnen . Nie hat sie die enormen gegensätze zwischen ganz einfach und abgeschottet luxus-reich vergessen . Folgt man Michel Glotz , dann war sie in der Einsamkeit auf der Yacht von Onassis ein freier Mensch , der - natürlich gerne gesungen hat ( mit M. Glotz am Flügel ) .
Weil sie immer empfinden konnte ist es ihr eben auch auf der Bühne gelungen, den rollen diese einzigartige Prägung , ja derselben Violetta so feinste Nuancen mit ihrer Stimme zu verleihen . Die von ihr gesungenen Personen wurden nicht künstlich durch sie in eine starre Rolle gezwängt, sondern waren das , was eben Giulini oder Zeffirelli so scharf beobachtet und beschrieben haben .
I n diesen Interpretationen , Deutungen kann man Callas als mensch, als Frau wiederfinden .
Ich meine , dass wir solch eine Einfülsamkeit nicht lernen können . Dies ist ein einzigartige Gabe . Sie hat ja so äusserst komplexe , sich widersprechende Charaktere gesungen . Doch alles blieb so als sei sie selbst die von ihr singend dargestellte Person .
Dass dies möglich ist ist beeindruckend, bewegend , aber ist es nicht auch erschreckend angesichts der eigenen Lebenssituationen, in denen sie isch oft alleine gelassen gegenüber sah ?
Der für mich bewegnste Tag in ihrem Leben muss der gewesen sein mit dem Kind , über das sie ja selbst gesprochen und geschrieben hat .
Das Leben hat ihr unendlich viel gegeben , aber doch auch alles genommen , wonach sie sich im Innersten gesehnt hatte .
Beste Grüsse
Frank