Beiträge von Helmut Hofmann

    „Abschied von Frankreich“ (IV)

    Bei den Worten „der sage dir“ kehrt die melodische Linie über einen Sekundschritt zu dieser tonalen Ebene des „Fis“ zurück, beschreibt dort, nun in e-Moll gebettet, eine gedehnte Tonrepetition, der ein in eine neuerliche Dehnung mündender Quartsprung bei „dir“ nachfolgt, wobei die Harmonik wieder zu ihrem H-Dur zurückkehrt. Darin drückt sich der Anrede-Gestus aus, aber es ist wegen der kurzen harmonischen Wandlung nach e-Moll und dem erwähnten Drecrescendo ein gebrochener. Das lyrische Ich hätte gar gerne, dass seine Anrede beim Adressaten ankommt und Erfüllung findet, aber es ahnt im tiefsten Innern, dass das nicht der Fall sein wird.

    Und daraus erklärt sich auch die Anlage der Melodik auf den Worten des Schlussverses und überdies auch noch die Tatsache, dass Schumann diesem ein zweimaliges „Ade“ hinzufügt. Der Originaltext weist das nicht auf, er endet in den Worten „Pour que de l´autre il te souvienne“. Es ist wieder dieser für den die existentielle Situation des Abschied nehmen Müssens und die damit einhergehende seelische Befindlichkeit reflektierende Eigenart der Melodik des Bruchs im augenblicklichen Willen zur Expressivität. Nur ereignet er sich hier, am Ende des Liedes, nicht in Gestalt des üblichen „Crescendo-Decrescendos“ , vielmehr in Gestalt eines kurzen Anstiegs der Melodik in ein Forte, das nachfolgend in ein Piano übergeht und im zweifachen „Ade“-Piano seine Bekräftigung als die Seelenlage des lyrischen Ichs reflektierende melodische Äußerung erhält.

    Bei den Worten „des andern“ geht die melodische Linie, in e-Moll harmonisiert, mit einem Sekundsprung in eine Tonrepetition auf der Ebene eines „G“ in unterer Mittellage über, bei „eingedenk“ beschreibt sie anschließend einen ausdrucksstarken Sextsprung zur Ebene eines „E“ in hoher Lage, um sich dort im Fortepiano einer langen Dehnung zu überlassen. Das Wort „eingedenk“ erfährt neben diesem melodischen Schritt auch deshalb eine starke Akzentuierung, weil das Klavier ihn mit einem lang gehaltenen und ebenfalls mit einem „fp“ versehenen C-Dur-Akkord begleitet, so dass die Dehnung in diese Tonart gebettet ist. Auf der zweiten und der dritten Silbe von „eingedenk“ geht die melodische Linie in einen Fall über eine Terz und eine Sekunde über, nun in ein „a-Moll“ gebettet, und diese Abwärtsbewegung setzt sich bei „zu sein“ in Gestalt zwei weiterer Sekundschritte fort, wovon der letzte, also der auf dem Wort „sein“ eine lange Dehnung darstellt.

    Diese ist aber nicht, wie man eigentlich nun erwartet, in die Grundtonart G-Dur gebettet, sondern in ein im Quintenzirkel weitab liegendes Gis-Dur, das während des nachfolgenden kurzen Zwischenspiels aus aufsteigenden Sechzehnteln noch innerhalb des Taktes zur Dominantseptvariante übergeht. Sie signalisiert: Es ist noch nicht alles gesagt. Schumann will, wie er das ja in der ganzen vorangehenden Liedmusik getan hat, den Aspekt „Abschied nehmen Müssen“ stark hervorheben, und deshalb erklingt das Wort „Ade“ am Schluss des Liedes zwei Mal. Dies aber, und das ist bemerkenswert, nicht auf melodisch identische, sondern sich stark voneinander abhebender Weise. Beim ersten Mal in Gestalt eines in e-Moll gebetteten und in eine Dehnung mündenden Quartsprungs, nach einer Dreiachtelpause, in der das Klavier weiter seine Figuren aus aufsteigenden Sechzehnteln erklingen lässt, dann aber in einem melodischen Fall über eine Quinte, wobei die Harmonik nun eine Rückung von H-Dur nach der Grundtonart e-Moll vollzieht und die melodische Dehnung im Grundton auf tiefer Lage erklingt.

    Das ist ein „Ade“, das aus dem Gestus der leicht schmerzlichen Klage in den des entschiedenen Abschied-Nehmens übergeht. Darin drückt sich das Verständnis Schumanns von Maria Stuart als die starke Frau aus, die sie historisch ja auch tatsächlich war. Und deshalb hat er ja auch an keiner Stelle seiner Liedmusik einen weinerlich-klagenden Ton aufkommen lassen.
    Es ist alles gesagt. Nur noch zwei Takte Nachspiel folgen, in denen das Klavier, dabei ohne in den Gestus des Kommentars überzugehen, nur noch seine Sechzehntel-Figuren in einen fermatierten, vierstimmigen und piano ausgeführten e-Moll-Akkord münden lässt.

    „Abschied von Frankreich“ (III)

    Auch den Worten „Doch trägt's die Hälfte nur von mir“ wohnt ein hohes Potential an schmerzlichen Emotionen inne, und deshalb vollzieht die melodische Linie zwei Mal einen verminderten Sekundschritt. Der erste, ein aufwärtsgerichteter, ereignet sich auf den Worten „doch trägt´s“. Er mündet in eine kleine Dehnung und ist in die im Quintenzirkel weitab liegende Tonart His-Dur gebettet. Man vernimmt das, als sei dieses Tragen selbst für das lyrische Ich zu einem schmerzerfüllten Akt geworden. Der zweite verminderte Sekundschritt ist ein fallender. Die melodische Linie beschreibt ihn von den Worten „von mir“, und die Harmonik vollzieht dabei eine Wandlung von dem e-Moll, in das der gedehnte Quartfall auf dem Wort „Hälfte“ gebettet ist, eine Wandlung nach E-Dur. Dem lyrischen Ich wird die Realität des unabänderlichen Geschehens bewusst.

    Die Worte „Ein Teil für immer bleibet dein“ muten an wie ein kläglicher Akt der Selbsttröstung in diesem Augenblick des Abschied-Nehmens, und so hat Schumann sie auch gelesen. Er lässt die melodische Linie auf ihnen nämlich einen Fall über das große Intervall einer None beschreiben, und dieser ist vielsagend angelegt. Er erfolgt nämlich nicht kontinuierlich, vielmehr hält er nach einem auf einem hohen „E“ ansetzenden Quintfall bei „Teil“ in einer Dehnung kurz inne, setzt, in a-Moll harmonisiert, mit einer Tonrepetition zu einem Sekundanstieg an, und nun ereignet sich bei den Worten „bleibet dein“ ein höchst ausdrucksstarker gedehnter und verminderter Septfall mit einer Tonrepetition auf der tonalen Ebene eines „Dis“ in tiefer Lage.
    Das Klavier, das zuvor noch die kurze melodische Aufwärtsbewegung der melodischen Linie wieder einmal mit der triolischen Variante seiner Sechzehntelfigur begleitet hat, lässt dazu nun „sfp“ einen sechsstimmigen Akkord in einem verminderten A-Dur erklingen. Das stellt, mitsamt dem verminderten Septfall der Melodik, eine über das semantische Potential des lyrischen Textes hinausgehende Akzentuierung der schmerzlichen Empfindungen des lyrischen Ichs bei seinem Versuch dar, etwas Tröstliches in dieser Situation des Abschieds zu finden.

    Die beiden letzten Verse sind, da sie eine syntaktische Einheit bilden, in einer Melodiezeile zusammen gefasst. Maria bittet das Land Frankreich, weil es in ihm nun einen Teil von ihr zurücklässt, eben deshalb des anderen Teils, zu gedenken, eine Bitte, der die Angst zugrunde liegt, die personale Einheit zu verlieren. Auch diese existenzielle Dimension der so einfach auftretenden lyrischen Aussage erschließt Schumanns Melodik und lässt sie erfassbar werden. In dieser, den lyrischen Text interpretierenden Fähigkeit wurzelt ihre liedkompositorische Größe. Auf den Worten „Mein fröhlich Land, der sage dir“ beschreibt die melodische Linie nach einem auftaktigen Quartsprung auf dem Wort „fröhlich“ einen lang gedehnten und in H-Dur harmonisierten Fall über eine Quarte zurück zu ihrem Ausgangspunkt auf der tonalen Ebene eines „Fis“ in tiefer Lage.

    Und wieder versieht Schumann das mit dieser unmittelbar aufeinanderfolgenden Kombination aus Crescendo und Decrescendo. Schon im nächsten Takt geschieht das bei den Worten „sage dir“ erneut. Es stellt ein kompositorisches Grundmerkmal dieses Liedes dar und ist wohl so zu verstehen, dass Schumann damit die Seelenlage Maria Stuarts zum Ausdruck bringen will: Ihre im Gestus der Ansprache erfolgenden Aussagen bleiben bei all dem ihnen innewohnenden großen emotionalen Potential gleichwohl monologische. Das ist ihr bewusst, und deshalb immer wieder der Einbruch eines Decrescendos in die ausdrucksstark vorgebrachten lyrischen Aussagen, - so wie hier bei dem Anrede-Bekenntnis, Frankreich als ein „fröhlich Land“ erfahren zu haben.

    „Abschied von Frankreich“ (II)

    Diese kompositorische Verfahrensweise der melodischen Hervorhebung jener Worte, in denen die Seelenlage nach Ausdruck sucht, behält Schumann nicht nur im zweiten Vers bei, sie liegt der Liedmusik bis zum Ende zugrunde. Das Wort „Ade“, das den zweiten Vers einleitet und dem Maria kein weiteres Ausrufezeichen, sondern nur ein Komma nachfolgen lässt, erfährt eine Akzentuierung dadurch, dass die melodische Linie, nun in einem harmonisch weitab liegenden und klanglich hellen C-Dur harmonisiert und erneut mit dem Crescendo/Decrescendo versehen, einen gedehnten Legato-Quartanstieg auf der Silbe „a“ beschreibt, dem bei „-de“ eine lange Dehnung auf der damit erreichten tonalen Ebene nachfolgt.

    Auf den Worten „mein fröhlich“ beschreibt die melodische Linie einen Sekundfall, der sich bis zur ersten Silbe von „Frankenland“ fortsetzt, auf den beiden nachfolgenden Silben des Wortes in einen Sekundanstieg übergeht, der auf sprachlich widersinnige Weise bei der Schlusssilbe „-land“ in eine lange Dehnung im Wert einer halben Note mündet. Die Harmonik, die zuvor eine Wandlung von G-Dur zu Doppeldominante A-Dur vollzog, kehrt hier zur Dominante D-Dur zurück. Das Wort „Frankenland“ erfährt, so empfindet man das, eine musikalische Hervorhebung, die sich zugleich als Öffnung für das präsentiert, was melodisch nachfolgt.

    Es ist poetisch vielsagend und affektiv bedeutungsschwer, weil das Wort „Heimat“ beinhaltend, und die Melodik reflektiert das dergestalt, dass sie zunächst eine Bogenbewegung beschreibt, in der die Worte „ich“ und der Sekundfall auf „liebste“ eine kleine Dehnung tragen, zu dem Wort „fand“ aber zu einem Sextsprung übergeht, der mit einem Crescendo versehen ist und mit einer Wandlung der Harmonik von G-Dur nach C-Dur einhergeht. Nicht auf dem Wort „Heimat“ gipfelt die melodische Linie auf, auf diesem liegt nur der die Abwärtsbewegung beschließende Sekundfall, sondern auf dem Verb „fand“. Schumann will also, und das ist typisch für sein auf Einfühlung in das lyrische Ich basierendes liedkompositorisches Konzept, nicht das affektive Potential des Wortes „Heimat“ zum Ausdruck bringen, sondern das subjektive des Heimat-Habens.

    Und dementsprechend legt er auch die melodische Linie auf den nachfolgenden Worten des vierten Verses „Du meiner Kindheit Pflegerin“ an. Sie geht dieses Mal ohne Pause und mit einem Decrescendo in eine Fallbewegung über, die eine Sekunde tiefer als die Aufgipfelung bei dem Wort „fand“ in Gestalt einer Dehnung auf „du“ ansetzt, und damit den sich auf die „Heimat“ gerichteten Anrede-Aspekt akzentuiert. Der Fall setzt sich danach, in G-Dur harmonisiert, in Gestalt von Sekundschritten bis zu dem Wort „Kindheit“ fort. Dann aber ereignet sich bei „Pflegerin“ ein Abbruch dieser Abwärtsbewegung, die melodische Linie geht mit einem Terzsprung zu einem gedehnten Sekundfall mit nachfolgender Tonrepetition über, der mit einer harmonischen Wandlung zur Dominante D-Dur verbunden ist und dieses Wort stark hervorhebt. Das wirkt sich bis in die Gestalt der wie immer die melodische Linie begleitenden Sechzehntelfiguren aus. An dieser Stelle tritt ein triolisches Legato in sie, und das setzt Schumann als emotionale Komponente in der nach einer Achtelpause einsetzenden Melodiezeile auf den Worten des fünften Verses gleich noch einmal ein: Auf dem als Anrede-Personalpronomen auftretenden „du“.

    Die Worte „Ade, du Land, du schöne Zeit“ weisen in ihrem Gestus der zweimaligen Anrede ein hohes affektives Potential auf. Die melodische Linie reflektiert das, indem sie wieder in den Gestus ihres Anfangs auf den Worten „Ich zieh´ dahin“ verfällt, den in eine Dehnung mündenden Aufwärtsschritt. Nur ist es dieses Mal kein in der tonalen Ebene ansteigender und im Intervall von der Sekunde zur Terz sich erweiternder, vielmehr ein dreimaliger, der sich in der tonalen Ebene um eine Sekunde absenkt und dies sogar in dem Sekundenintervall, in dem er sich ereignet. Denn der deklamatorische Sekundschritt auf den Worten „du schöne“ setzt zwar wieder auf der tonalen Ebene von dem auf „Ade“ an, schafft es aber nicht mehr über eine volle Sekunde, sondern nur mehr über eine kleine und leitet damit den lang gedehnten, und weil mit einer harmonischen Wandlung nach g-Moll einhergehenden und überaus schmerzlich anmutenden Terzfall auf diesem Wort ein.

    Es war eine „schöne Zeit“ in diesem als „Heimat“ erfahrenen und erlebten „Land“, aber nun im Augenblick des Abschied-nehmen-Müssens davon stellt sich großer seelischer Schmerz ein. Schumanns Liedmusik lässt das auf höchst eindrückliche Weise vernehmen. Auf den Worten „mich trennt das Boot“ beschreibt die melodische Linie eine ähnliche Bewegung wie auf „du schöne Zeit, nur dass der Fall, der sich nach der Dehnung auf „trennt“ ereignet, einer über eine Quarte und in H-Dur harmonisierte ist und die Harmonik beim nachfolgenden Sekundanstieg auf „das Boot“ eine Wandlung nach e-Moll vollzieht.
    Das Boot führt sie weg von der geliebten Heimat. Und deshalb geht die melodische Linie, versehen mit einem Crescendo und nun in C-Dur harmonisiert, bei „vom Glück“ in einen Quartsprung über, dem unmittelbar danach ein verminderter Quartfall nachfolgt, bevor sie sich dann über einen Sekundschritt aufwärts bei „weit“ einer kleinen Dehnung überlassen kann.

    Ich sehe gerade, mir ist da so ein albernes Smiley in den Text geraten, und ich kann das nicht korrigieren oder löschen. Ausgelöst hat das wohl die Ziffer acht, die an dieser Stelle stand und beim Speichern sich verwandelte, was ich nicht wusste, weil ich nie Smileys benutze. Ich werde künftig keine Ziffern mehr einsetzen, sondern die Zahlen ausschreiben.

    Sorry!

    „Abschied von Frankreich“. Zur Faktur der Komposition und ihrer liedmusikalischen Aussage

    „Ziemlich langsam“ soll die Liedmusik vorgetragen werden. Ein Viervierteltakt liegt ihr zugrunde, und als Grundtonart ist ein Kreuz vorgegeben, e-Moll also, was aber theoretisch die Dur-Parallele mit beinhaltet und sich schon vom dritten Takt an auch als faktisch herausstellt. Die Harmonik beschreibt zwar permanente Wandlungen im Tongeschlecht und in den Tonarten, wobei sie in diesen sogar durchaus weit ausgreifend angelegt sind, allerdings mit nur einer einzigen Ausnahme im Kreuztonbereich verbleiben. Dieses in zuweilen weiten tonartlichen Sprüngen erfolgende und einmal sogar eine Verminderung einbeziehende Ausgreifen der Harmonik ereignet sich vom Ende des sechsten Verses an, von der Melodik auf den Worten „vom Glück so weit“, wo auch ein Crescendo in sie tritt, und man darf das wohl als Reflexion der großen emotionalen Bewegtheit Marias angesichts ihres Abschied nehmen Müssens von ihrer „liebsten Heimat“ Frankreich auffassen und verstehen. Diese anwachsende innere Erregung schlägt sich auch in der Melodik, im Klaviersatz und auch in der Dynamik nieder, die am Ende, wenn auch nur ganz kurz, aus dem Piano ins Forte ausbricht.

    Aber das ist ein wesenhaft stilles, von Wehmut nur sanft angehauchtes Lied, das sich in seiner Musik durchweg im Piano entfaltet. Das Forte in der Melodik bei der melodischen Dehnung auf dem Wort „eingedenk“ im letzten Vers und das im Klaviersatz im den Septfall auf den Worten „bleibet dein“ (Vers 8) begleitenden dissonanten Akkord ist in beiden Fällen ein „fp“. Allerdings ereignet sich fünf Mal in dieser an sich ja kurzen Liedmusik ein unmittelbarer Übergang von einem Crescendo in ein Decrescendo in der Melodik - wieder Niederschlag des hochbewegten Geschehens in der Seele des lyrischen Ichs. Und Schumann tat ja recht, die Liedmusik in dieser Weise anzulegen, muss der lyrische Text jenseits seines Auftretens im sprachlichen Gestus der Anrede doch wohl gelesen werden als monologischer Niederschlag einer retrospektiven Vergegenwärtigung eines Ereignisses in weit zurückliegender Vergangenheit.

    Nur einen Takt nimmt das Vorspiel in Anspruch. Aber es ist, wie sich das gehört bei Schumann, höchst vielsagend. In eine harmonische Wandlung von e-Moll nach H-Dur gebettet, erklingen piano, im Bass von einer lang gehaltenen Quinte begleitet, im Diskant aufsteigend angelegte, aber immer wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrende Sechzehntelfiguren. Das mutet an wie die klangliche Evokation eines Aufbruchs, der sich nicht ereignen kann, weil immer wieder die Rückkehr dazwischentritt. Und das ist ja auch der Geist des lyrischen Geschehens, das der Liedmusik zugrunde liegt, und eben deshalb hat Schumann dieses Vorspiel zur den Klaviersatz in vielerlei Variationen prägenden und die Melodik von Anfang bis Ende vorherrschenden Begleitung gemacht.

    Schumann hebt die Worte „Ich zieh´ dahin!“, mit denen Maria Stuart ihr Gedicht einleitet, markanter hervor, als sie das zu tun vermag. Sie will sie als das Geschehen benennenden Ausruf verstanden wissen, und deshalb das Ausrufezeichen, Schumann aber macht mehr daraus, wie die Anlage der Melodiezeile erkennen lässt. Er legt auf beide Worte einen melodischen Sprung, dies aber verbunden mit einer Steigerung der Expressivität dadurch, dass aus dem in eine kleine Dehnung mündenden Sekundschritt auf „ich“ bei „dahin“ einer wird, der auf der tonalen Ebene ansetzt, auf dem der erste endet und sich das Intervall nun zur Terz erweitert. Ein Crescendo ist damit verbunden, das aber sofort wieder zurückgenommen wird, und die Harmonik beschreibt eine Wandlung von H-Dur nach e-Moll. Damit ist es aber noch nicht genug. Das Wort „dahin“ wird noch einmal deklamiert, wieder in einem in eine Dehnung mündenden Sekundschritt, er ereignet sich aber nicht auf der gleichen tonalen Ebene oder gar einer angehobenen, vielmehr erweist er sich, auch in seiner Harmonisierung, als Wiederholung desjenigen, der auf „ich zieh´“ liegt.

    Die Melodik dieser Melodiezeile beschreibt also, indem sie nach einem Anstieg zu ihrem Anfang zurückkehrt, eine Fallbewegung, die harmonisch in einen zweimaligen Übergang von Dur nach Moll gebettet ist. Und indem ihr eine relativ lange, zwei Viertel einnehmende Pause nachfolgt, in der das Klavier weiter seine nun weiter nach unten ausgreifende Sechzehntelfigur erklingen lässt, erfährt sie eine markante Hervorhebung. Sie mutet, über ihren sprachlichen Konstatierungsgestus hinaus, als Ausdruck von Seelenschmerz an. Es ist aber in der Rückkehr der Melodik zu ihrem Ausgangspunkt und mit dem kleinen Crescendo im Piano ein verhaltener, wesenhaft introvertierter und darin Ausdruck der Grundhaltung, in der sich Maria Stuart hier lyrisch artikuliert.

    „Gedichte der Königin Maria Stuart op.135“

    Das ist Schumanns letzter mit einer Opus-Ziffer versehener Liederzyklus, und man kann ihn nicht nur aus diesem formalen Grund, sondern aus einem tieferen, seiner Thematik und seiner Liedsprache nämlich, als seinen Schwanengesang betrachten. Die fünf Lieder auf Maria Stuart zugeschriebene und von Gisbert Freiherr Vincke ins Deutsche übertragene Texte legte Schumann seiner Clara zu Weihnachten 1852 auf den Gabentisch. Sie vermerkt dazu in ihrem Tagebuch:
    „Robert beschenkte mich mit Liedern der Maria Stuart, sein erster Kompositionsversuch nach langer Zeit“.
    Publiziert wurden sie als Opus 135 wahrscheinlich schon im Sommer 1852 in Leipzig. Die Notiz von Clara Schumann ist von Bedeutung, weil sie einen indirekten Verweis auf Schumanns körperliche und seelische Befindlichkeit zur damaligen Zeit enthält. Er vermochte, unter den Folgen seiner Krankheit stark leidend, kaum noch zu komponieren. In seinem Tagebuch findet sich zum 3. August der Eintrag „Traurige Ermattung meiner Kräfte“, und einige Tage später „Schwere Leidenszeit“. Zu der Vertonung der Vertonung der Maria Stuart-Texte vermerkt er zwar, sie habe ihm „Freude gemacht“, das ist aber ein für seine Verhältnisse bemerkenswert lakonischer Eintrag.

    Wenn dieser kleine Zyklus hier als Schumanns Schwanengesang bezeichnet wird, so liegt dem der thematische Sachverhalt zugrunde, dass diese Lyrik, so sie denn wirklich von Maria Stuart stammt, aus dem Bewusstsein des bevorstehenden Todes entstand, und von Schumann in eine Liedsprache umgesetzt wurde, die in der Radikalität der Reduktion der musikalischen Mittel auf das gleichsam Elementare in der Reflexion von sprachlicher Struktur und Semantik anmutet wie ein Nachklang aus der inzwischen so fernen Zeit des Liederjahres 1840.

    Dietrich Fischer-Dieskau hat das in seinem Schumann-Buch von 1981 treffend in die Worte gefasst:
    „Die Anlage des kleinen Zyklus schließt Melodie im Sinne des vor dreizehn Jahren begonnen Weges aus. Die Form, auch die der Begleitung - wird nun aus dem Sprechrhythmus gewonnen. Ein Stil, wie von einem sehr fernen Anstoß Wagners ans Tageslicht gehoben. Aber unter gänzlichem Verzicht auf alle überredenden Beigaben …“ (S.199).
    Was er dort nicht macht, nämlich aufzuzeigen, wie sich das nun ganz konkret und im Einzelnen in den einzelnen Liedern darstellt, das wird nun in den nachfolgenden analytischen Liedbetrachtungen zu erbringen sein.

    „Abschied von Frankreich“, op. 135, Nr. 1

    Ich zieh' dahin!
    Ade, mein fröhlich Frankenland,
    Wo ich die liebste Heimat fand,
    Du meiner Kindheit Pflegerin.
    Ade, du Land, du schöne Zeit.
    Mich trennt das Boot vom Glück so weit!
    Doch trägt's die Hälfte nur von mir:
    Ein Teil für immer bleibet dein,
    Mein fröhlich Land, der sage dir,
    Des Andern eingedenk zu sein!
    Ade!

    Das ist ein aus der Situation des Abschied-Nehmens erfolgender wehmütiger Rückblick Marias auf ihr Leben in Frankreich. Als Tochter Jakobs V. von Schottland und der Marie von Guise wurde sie 1558 mit dem französischen Dauphin, dem späteren König Franz I. verheiratet und lebte an dessen Hof, bevor sie sich in den Machtkampf mit der englischen Königin Elisabeth begab, der sie, 47 Jahre alt, 1587 das Leben kostete. Ihre Zeit in Frankreich erscheint ihr jetzt als eine „schöne“, in der sie „die liebste Heimat“ fand. Sie macht dieses Land gar metaphorisch zur ihrer „Kindheit Pflegerin“ und lässt es, ihr Boot nach England besteigend, wissen, dass „die Hälfte“ von ihr hier bei ihm zurückbleibt.

    Das alles wird - jedenfalls in der Übersetzung - im ganz und gar unlyrischen, weil im sprachlich nüchternen, partiell konstatierenden Gestus der Ansprache vorgebracht. Es weist aber in seiner Semantik ein durchaus hohes affektives Potential auf, und bringt damit für einen Liedkomponisten die große Herausforderung mit sich, sowohl dem einen, wie auch dem anderen Sachverhalt in der angemessenen Weise musikalisch gerecht zu werden. Schumann ist das, wie nachfolgend aufzuzeigen sein wird, voll und ganz und auf beeindruckende Weise gelungen.
    Und das heißt: Die so karg anmutende Liedsprache ist nicht Folge eines krankheitsbedingten Nachlassens der kompositorischen Kräfte, sie erweist sich Resultat eines vollumfänglichen musikalischen Erfassens von Sprache, Semantik und affektivem Potential des lyrischen Textes.


    Ehrlich gesagt war ich positiv überrascht über so manche intensive Stelle.

    Ebenso ehrlich gesagt: Das ist - für mich wohlgemerkt - ja das Problem. Diese aufgesetzt wirkende und durch Mimik und Gestik ins Theatralische gesteigerte intensive Dramatik lässt den plötzlichen Ausbruch ins Falsett geradezu lächerlich wirken.

    Aber es lohnt nicht, darüber einen Diskurs anzufangen. Ich jedenfalls werde mich, zumal das zu einem großen Teil eine Ansichtssache ist, nicht darauf einlassen.

    „Abendlied“ (II)

    Man sollte denken, dass Schumann, wenn er im fünften Vers das Wort „Tale“ durch „Tiefe“ ersetzt, und es bei diesem lyrischen Vorgang um „Finsternis“ geht, die bedrohliche Seite von Nacht wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck bringen würde, zumal sie ihm ja von Eichendorff her wohl bekannt ist. Dem ist aber nicht so. Die Liedmusik verbleibt, ohne auch nur den kleinsten Ausbruch in die Dissonanz zu vollziehen, ganz und gar im Raum klanglich-argloser Schönheit. Auf den Worten „Rings in die Tiefe senket“ setzt die melodische Linie nach einer Viertpause mit einer dreischrittigen, anfangs eine leichte Dehnung aufweisenden Tonrepetition ein, die bei „Tiefe“ mit einem verminderten Sekundanstieg in einen gedehnten, und dieses Wort damit akzentuierenden Terzfall übergeht. Die Harmonik vollzieht hierbei eine ausdrucksstarke Wandlung von C-Dur nach A-Dur. Auf dem Wort „senket“ liegt ein in tiefer Lage ansetzender Quartsprung, der vom Klavier mit nur einer Triole aus einem verminderten Sekundfall und Wiederanstieg in sehr tiefer Basslage begleitet wird. Eine Viertpause folgt nach.

    Die Liedmusik reflektiert damit zwar die Bedeutsamkeit des Ereignisses, weist aber nicht die mindeste Anmutung von Bedrohlichkeit auf. Und diese Grundhaltung behält sie auch bei den Worten „Sich Finsternis mit Macht“ bei. Wieder setzt die melodische Linie nach einer Viertelpause mit einer Tonrepetition ein, nun aber auf einer um eine Sekunde angehobenen tonalen Ebene und im weiteren Verlauf in F-Dur mit Zwischenbewegung nach B-Dur harmonisiert. Auf der letzten Silbe von „Finsternis“ geht sie in einen Anstieg über eine kleine Sekunde über, der sich zu „mit“ hin über eine große fortsetzt. Und sie endet in einer über einen Terzfall erfolgenden langen Dehnung auf der Ebene eines „A“ in mittlerer Lage bei dem Wort „Macht“. Hier begleitet das Klavier mit lang gehaltenen vierstimmigen Akkorden im Diskant, die aber im Bass mit triolischen Viertel-Anstiegsfiguren verknüpft sind, auf dass der Barkarolen-Geist gewahrt bleibt.

    Und nun also der lebensanschaulich-appellative Refrain, auf den sowohl lyrisch, als auch musikalisch alles zuläuft. Nach einer neuerlichen Viertelpause, in der die beiden triolischen Viertelakkord-Figuren einen zwar pianissimo erfolgenden, gleichwohl aber ausdrucksstarken und vielsagenden Sprung aus tiefer in hohe Diskantlage vollziehen, setzt die diesen Refrain aufgreifende Melodik ein. Auf den Worten „Wirf ab, Herz, was dich kränket“ beginnt die melodische Linie mit einem ausdrucksstarken Sextsprung hoch zur tonalen Ebene eines „F“ in hoher Lage. Von dort aus geht sie, in d-Moll-Harmonik gebettet, in einen ruhigen, weil in vier Schritten im Wert eines Viertels verlaufenden Sekundfall über, der bei „kränket“ auf der Ebene eines „C“ in einer Repetition kurz innehält, um diese Fallbewegung auf der zweiten Silbe des Wortes über eine weitere Sekunde fortzusetzen, wobei die Harmonik eine Wandlung vom vorangehenden d-Moll nach G-Dur vollzieht. Das Wort „kränket“ erfährt auf diese Weise eine leichte Akzentuierung.

    Der Sextfall, mit dem die melodische Linie auf den Worten „Und was dir bange macht!“ einsetzt, mutet wie eine Umkehr des Einsatzes auf den appellativen Worten „wirf ab“ an, und er soll, auch weil er in C-Dur gebettet ist und das Klavier ihn mit einer entsprechenden Fallfigur aus Einzelvierten und einer Terz mitvollzieht, Ruhe ausstrahlen. Von der Ebene eines tiefen „E“ aus, auf der der Fall ankommt, vollzieht die melodische Linie einen zweischrittigen Sekundanstieg, und nun geht sie bei den Worten „bange macht“ zu einer Entfaltung über, die ein beruhigend wirkendes suggestives Potential ausweist. Sie verharrt nämlich, in C-Dur harmonisiert, in Gestalt einer dreischrittigen Repetition auf der Ebene eines „G“ in mittlerer Lage, wobei der erste Schritt den Wert eines gedehnten Viertels und der zweite den eines Achtels hat, so dass das Wort „bange“ eine markante Hervorhebung erfährt. Auf „macht“ liegt dann zwar ein einfacher Viertelschritt, aber weil die triolische Viertel-Terzenfigur, mit der das Klavier hier begleitet, in ein Ritardando übergeht, weist der Melodik-Schluss, der ja der des ganzen Liedes ist, eine leichte Dehnung auf.

    Das also ist die Liedmusik, mit der Schumann die poetische Kernaussage des Kinkel-Gedichts aufgreift. Sie entspricht in der Struktur ihrer Melodik, deren Harmonisierung und dem ihr zugeordneten Klaviersatz voll und ganz der Semantik der beiden Schlussverse und reflektiert auch deren appellativen Gestus in adäquater Weise. Schumann verbleibt also liedmusikalisch bis zum Schluss im Geist dieser Lyrik, ohne die poetische Einvernahme der Erfahrung von Abend und Nacht, die sich darin ereignet, in irgendeiner Weise kompositorisch zu bereichern oder gar zu problematisieren.

    Und das setzt sich auch im dreitaktigen Nachspiel fort, das aus nichts anderem als einem Ausklingen der triolischen Figuren des Klaviersatzes in Gestalt eines Einmündens in einen sechsstimmig-fermatierten C-Dur-Akkord im Bassbereich besteht. Immerhin kann man ihm, da sich dieses in Gestalt eines Übergangs von bitonalen Akkorden im Diskant in solche von vierstimmigen C-Dur-Akkorden im Bass ereignet, so etwas wie das in diesem Gedicht beschworene Zur-Ruhe-Kommen des Menschen vernehmen.

    „Abendlied“. Zur Faktur der Komposition und ihrer liedmusikalischen Aussage

    „Langsam“ soll die Liedmusik vorgetragen werden, ein Viervierteltakt liegt ihr zugrunde, und als Grundtonart ist C-Dur vorgeben. Der Eindruck eines Beflügelt-Seins vom Geist der Barkarole kommt dadurch zustande, dass der Klaviersatz triolisch angelegt ist. Das dreieinhalb Takte einnehmende Vorspiel besteht ganz und gar aus triolischen Figuren. Im Diskant erklingt ein sich in der tonalen Ebene langsam absenkendes Auf und Ab von jeweils drei dreistimmigen Viertel-Akkorden, im Bass begleitet von einer synchronen, die gleiche Bewegung beschreibenden Folge von Einzelvierteln. Die Dynamik geht dabei mit einem Decrescendo vom Piano ins Pianissimo über und die Harmonik beschreibt Wandlungen von C- nach G-Dur, C- nach F-Dur und F-nach B-Dur, geht aber am Ende zum Tongeschlecht Moll (d-Moll mit Zwischenbewegung nach G-Dur) über.

    Wenn dieses Vorspiel den Geist der Liedmusik verkörpern soll, und dem scheint ja so zu sein, nimmt es doch keine strukturellen Elemente der Melodik voraus, dann wäre es der eines sich in dieser ruhigen, leicht beschwingten und klanglich lieblichen Fallbewegung sich ausdrückenden Sich-Einfindens in harmonischer und friedvoller Seelenruhe, - eben das, was das Schluss-Verspaar der Strophen appellativ beschwört. Und die Liedmusik ist ja ganz darauf ausgerichtet, was daraus ersichtlich wird, dass Schumann sie als Strophenlied angelegt hat, also darauf verzichtete, sich auf die Vielfalt der lyrischen Aussagen und Bilder beider Strophen musikalisch-interpretatorisch einzulassen. Ihm kam es darauf an, diese existenzielle Grunderfahrung einer Befreiung von allen seelischen Bedrückungen und Ängsten durch das Erlebnis von Abend und Nacht liedmusikalisch zum Ausdruck zu bringen. Und das war wohl auch der Grund, der ihn zu dieser poetisch unbedeutenden, die potentielle Bipolarität von Nachterfahrung ausklammernden Lyrik gegriffen hat.

    Die Melodik entfaltet sich, wie es das Vorspiel indirekt vorgegeben hat, in ruhiger, weitgreifend phrasierter und klanglich schöner, alle schroffen Brüche meidender deklamatorischer Gebundenheit. Den die lyrische Grund- und Ausgangssituation evozierenden Worten „Es ist so still geworden“ widmet Schumann eine eigene, in eine Viertelpause mündende kleine Melodiezeile. Ganz der lyrischen Aussage entsprechend, setzt die melodische Linie mit einem sie auf die Ebene eines „C“ in tiefer Lage absenkenden Quintfall ein, und dort verbleibt sie dann auch, erhebt sich zwar zu dem Wort „still“ hin, um es mit einer Akzentuierung in Gestalt einer kleinen Dehnung zu versehen, mit einem Sekund- und einem Terzschritt hoch zur Ebene eine „F“ in unterer Lage, kehrt aber bei „geworden“ zu einer silbengetreuen Tonrepetition eine Sekunde tiefer wieder zurück. Die Harmonik beschreibt dabei die für die Liedmusik typischen und im Vorspiel programmatisch vorgegebenen permanenten Wandlungen in den Tonarten, - hier die von der Tonika C-Dur zur Dominante G-Dur. Und das Klavier begleitet in Diskant und Bass mit den Figuren des Vorspiels.

    Nun, nach dieser in konstatierendem Gestus angelegten Kurzzeile, geht die melodische Linie zu einer weitgreifend phrasierten, die Verse zwei bis vier umfassenden Entfaltung über. Auf den Worten „Verrauscht des Abends Wehn“ beschreibt sie eine ruhige, auf „Abends“ einen gedehnten Sekundfall aufweisende und in einer Tonrepetition auf der Ebene eines „F“ in tiefer Lage endende Abwärtsbewegung, die ganz und gar in Moll-Harmonik (g-Moll mit Wandlung nach d-Moll) gebettet ist. Die Friedlichkeit des Bildes soll damit zum Ausdruck gebracht werden. Bei den Worten „Nun hört man aller Orten“ geht sie, weiterhin in g-Moll mit Zwischenbewegung nach d-Moll harmonisiert, zur Entfaltung in oberer Lage über, hebt das Wort „aller Orten“ mit einem Legato-Terz- und Sekundanstieg zu einem „F“ in hoher Lage und einem nachfolgenden Fall über eine verminderte Quarte, einer Dehnung und einem Wiederanstieg über eine Terz in besonderer Weise hervor.
    Es wird schließlich auf ein bedeutendes Ereignis verwiesen: Den Gang der Engelsfüße. Und die Liedmusik greift das in der Weise auf, dass die melodische Linie, nun in G-Dur mit markanter Zwischenbewegung nach F-Dur harmonisiert, nach einer Tonrepetition zu einer melismatischen Figur aus Legato-Sekundanstieg und -Fall mit nachfolgender Dehnung auf „gehen“ übergeht und das Klavier mit triolischen Figuren aus Akkorden, einer gehaltenen Terz und einem Einzelviertel begleitet.

    „Abendlied“, op.107, Nr.6

    Es ist so still geworden,
    Verrauscht des Abends Wehn,
    Nun hört man aller Orten
    Der Engel Füße gehn,
    Rings in die Tiefe (K.: Tale) senket
    Sich Finsternis mit Macht;
    Wirf ab, Herz, was dich kränket
    Und was dir bange macht!

    Nun stehn im Himmelskreise
    Die Stern' in Majestät;
    In gleichem festem Gleise
    Der goldne Wagen geht.
    Und gleich den Sternen lenket
    Er deinen Weg durch Nacht;
    Wirf ab, Herz, was dich kränket,
    Und was dir bange macht!

    (Johann Gottfried Kinkel)

    Der Verfasser dieser Verse, der 1815 geborene und 1882 in Zürich verstorbene Johann Gottfried Kinkel, war zu seiner Zeit eine herausragende Persönlichkeit. Theologe, Professor für Kunst- und Literaturgeschichte, Schriftsteller und Dichter und Mitglied der preußischen Nationalversammlung als Vertreter der republikanischen Linken, der wegen seine Beteiligung am badisch-pfälzischen Aufstand 1849 zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt wurde. Gleichwohl brachte er es, wie diese Verse, aber auch seine Novellen und dramatischen Versuche zeigen, nicht zu literarisch bedeutsamen Produkten.

    Dieses Gedicht, das im Original vier Strophen hat, von denen Schumann nur die erste und die letzte in Musik setzte, hat das lyrische Standardthema „Erfahrung von Abend und Nacht“ zum Gegenstand und es wird darin mit der hierbei üblichen, reichlich abgegriffenen, auch die majestätischen Sterne und der Engel Füße in Anspruch nehmenden und jeglicher Originalität entbehrenden Metaphorik abgehandelt. Und was die Sache noch bedenklicher macht: Es wird daraus sogar ein Verhaltensappell hergeleitet, der jeweils in den beiden letzten Versen die Strophen refrainartig beschließt. Das verführt zum Griff zum Strophenlied-Konzept, und Schumann ist dem auch tatsächlich gefolgt. Melodik und Harmonik sind in beiden Strophen identisch, und dass hier kein ganz reines Strophenlied vorliegt, hat seinen Grund darin, dass der Klaviersatz Variationen aufweist.

    Diese tragen aber nichts Wesentliches zur Aussage der Liedmusik bei, die ihre Rezipienten mit ihrem leicht lieblich angehauchten Melos und ihrem Barkarolen-Geist durchaus anzusprechen vermag. Aber ihre klangliche Schönheit ist eine ganz und gar arglose. Nicht einmal einen Hauch von innerer Gebrochenheit vernimmt man in ihr. Dabei hätte doch ein lyrisches Bild wie das des vierten und fünften Verses der ersten Strophe („Rings in die Tiefe senket / Sich Finsternis mit Macht“) einem Robert Schumann doch Anlass dazu geben sollen. Dieser hat mit Eichendorffs „Zwielicht“ einen lyrischen Text vertont, der genau dieses Thema zum Gegenstand hat. Und hört man sich an, was er nun, elf Jahre später, daraus gemacht hat, verfällt man in tiefe Ratlosigkeit.
    Was, so fragt man sich, muss diesem Menschen widerfahren sein, auf dass sich ein solcher Übergang, ja eigentlich Absturz in die liedkompositorische Arglosigkeit ereignen konnte?


    Wenn nun schon der Text und eine Aufnahme von „Die Sterne“, op. 96,1 (D 939) hier vorliegen (Beitrag 206), dann soll dem auch noch ein Kommentar beigegeben werden, der erfass- und erkennbar werden lässt, warum es sich hier wie bei „Im Freien“ ebenfalls um ein großes, tief beeindruckendes und ergreifendes Schubert-Lied handelt.

    Schon im Vorspiel, lässt die Liedmusik einen schwärmerischen und zugleich innigen Geist vernehmen, der sich so gar nicht in jenen wesenhaft rationalen einfügen will, der den lyrischen Text beherrscht. Die Liedmusik transzendiert ihn, setzt sich gleichsam über ihn hinweg, und dies in der Absicht, das den lyrischen Bildern innewohnende, aber vom Autor nicht zugänglich gemachte emotional-evokative Potential zu erschließen. Im Vorspiel geschieht dies natürlich noch nicht, aber es deutet sich in ihm gleichsam an, dass dies in der den lyrischen Text aufgreifenden Melodik geschehen wird. Aber nicht nur dort. Dem Klaviersatz wird dabei, wie sich ebenfalls im Vorspiel vernehmen lässt, eine bedeutsame Rolle zukommen. Denn das, was das Klavier zur Liedmusik beiträgt, erschöpft sich nicht in der schlichten Begleitung der Singstimme.

    Der Klaviersatz liefert in seiner auf Autonomie ausgerichteten Anlage einen wesentlichen Beitrag zur musikalischen Aussage der Komposition. Dies in der partiellen Emanzipation von der Bindung an die Struktur der melodischen Linie und überdies – und ganz wesentlich – in den Zwischenspielen, die zwischen den jeweils drei Verse umfassenden Melodiezeilen und den beiden eine liedmusikalische Einheit bildenden lyrischen Strophen erklingen. Ein Musikologe (Walter Gerstenberg) hat das einmal in die zwar etwas pathetisch aufgeladenen, aber durchaus den Kern der Sache treffenden Worte gefasst:
    „Über Abgründe der Harmonie durchpulst einen jeden Takt die daktylische Figur des Klaviers – wie das ewig gleiche Licht der Sterne alle Stufen und Stationen des menschlichen Daseins begleitet.“

    Die melodische Linie auf den Versen der beiden dem Strophenlied-Konzept als musikalische Einheit zugrundeliegenden lyrischen Strophen ist natürlich, schon allein deshalb, weil sie sich in den einzelnen, jeweils drei Verse umfassenden Zeilen, in Anbindung an den lyrischen Text und seine Semantik entfaltet, von komplexerer Art, als dies das Vorspiel in seinem Konzept der Beschränkung auf das Wesentliche vorgibt. Gleichwohl atmet sie den dort in gleichsam programmatischer Weise zum Ausdruck gebrachten und sich in eben dieser Absicht als Strophen-Zwischenspiele zu Wort meldenden, von innerer Beschwingtheit beflügelten und wesenhaft romantisch-schwärmerischen Geist. Getragen wird er, was die Beschwingtheit anbelangt, von einem deklamatorischen Grund-Gestus, der identisch ist mit der Grundfigur des Klaviersatzes: Der Aufeinanderfolge von einem längeren (Viertelnote) und zwei kürzeren (Achtelnote) deklamatorischen Schritten. Und das hat auch zur Folge, dass, wenn der erste Schritt nicht aus einem Achtel-Sekundsprung besteht oder sich die melodische Linie am Ende der Zeilen einer Dehnung überlässt, Deklamation und Begleitung durchweg synchron ablaufen.

    Die Anmutung eines Beflügelt-Seins von einem schwärmerischen Geist geht bei der melodischen Linie ganz offensichtlich von ihrer Neigung aus, aus unterer tonaler Lage in hohe hinaufzustreben, und dies auch, wenn die Aussage des lyrischen Textes bewirkt, dass sie zwischendurch einmal eine Fallbewegung beschreiben muss. Die einzelnen, jeweils drei Verse beinhaltenden Melodiezeilen, lassen das deutlich erkennen. Dadurch, dass sie durch fast dreitaktige Pausen voneinander abgehoben sind, stellen sie zwar einerseits eigenständige melodische Gebilde dar, auf der anderen Seite binden jeweils zwei von ihnen aneinander an und bilden, darin die strophischen Gegebenheiten aufgreifend, auf diese Weise eine höhere liedmusikalische Aussageeinheit. Durchgängig verfährt Schubert so, dass er die letzte Dreier-Versgruppe der zweiten, der vierten, der sechsten und der achten Strophe wiederholen lässt. Nur einmal, nämlich bei der letzten Strophe, weitet er das Prinzip der Wiederholung aus, indem er den dritten Vers („Seid hold dem Verein“) auf identischer

    Damit es nicht vergessen geht: Liedgesang ist eine partnerschaftliche künstlerische Tätigkeit.

    Das ist schon richtig. Aber der maßgebliche und die Interpretation dieser Liedmusik prägende Beitrag kommt von Jan Bostridge.

    Er ist es, der dieses Herausarbeiten und zum Ausdruck-Bringen der diesem Lied innewohnenden affektiven Dimensionen in der Wiedergabe der Melodik geleistet hat.

    Man kennt dieses gesanglich-interpretatorische Konzept von ihm ja, und das bringt er auch mit anderen Begleitern in gleicher Weise zum Ausdruck.

    Es freut mich, dass ich dir, lieber greghauser, mit dem, was ich hier über die Lieder Schuberts geschrieben habe, von Nutzen sein konnte.

    Das ist, wie moderato es sieht, in der Tat eine schöne Auswahl von großen Schubertliedern für diesen Liederabend, bei dem ich gar gerne anwesend wäre.

    Wie für Fiesco ist auch für mich "Im Freien" eines meiner Lieblingslieder. Mit seiner schwebend sich entfaltenden Melodik vermag es zu beschwingen, zu beflügeln und kann die Seele von schweren Lasten befreien, wenn man sich ihm hörend hingibt.


    Das habe ich in der hier und in den nachfolgenden Beträgen vorliegenden Besprechung nicht erwähnt:, weil ich mich dabei, wie das bei all meinen liedanalytischen Betrachtungen der Fall ist, vom Prinzip der Objektivität habe leiten lassen

    Franz Schubert. Liedkomposition nach existenziell tiefgreifender Lebenskrise


    Und so hole ich es denn hier nach und lasse es noch einmal erklingen. Dieses Mal aber in einer anderen Interpretation als der oben zitierten von Dietrich Fischer-Dieskau.

    Bostridge wagt es, anders als dieser, die affektiven Dimensionen dieser Liedmusik viel stärker zum Ausdruck zu bringen.


    „Im Wald“ (III)

    Dass Schumann auf das ebenfalls mit dem Ausruf „O sieh“ eingeleitete Verspaar zwei und drei der dritten Strophe die gleiche Melodik gelegt hat wie in den beiden vorangehenden Strophen, ist von den lyrisch-textlichen Gegebenheiten her naheliegend und entspricht überdies dem diese Komposition prägenden Strophenlied-Geist. Aber mit den Worten „Und wie sie mich seh'n“ geht der lyrisch-deskriptive Gestus zu dem der subjektiven Betroffenheit über, und es ist wieder die für die poetische Aussage des Gedichts relevante Erfahrung in den beiden letzten Versen vor dem Bilanz-Refrain, die eine Abkehr vom Wiederholungsprinzip und eine diese reflektierende Melodik fordert.

    Die Betroffenheit des lyrischen Ichs bringt Schumann mittels einer dreimaligen Tonrepetition auf der Ebene eines „G“ in mittlerer Lage zum Ausdruck. Diese geht anschließend auf den Worten „mich sehn“ in einen triolischen Sekundanstieg über. Die Harmonik beschreibt dabei eine Wandlung von der Tonika C-Dur zur Dominante, und das Klavier begleitet mit einer Folge von drei- und vierstimmigen Akkorden, in die ein Achtel-Sekundstieg eingelagert ist. Auf den Worten „entflieh'n / Sie fern in Berg und Tal“ beschreibt die melodische Linie wieder die Fallbewegung, die mit nur leichten Variationen in der Struktur in allen drei Strophen auf dem zweitletzten Vers unter Einbeziehung des letzten Wortes vom vorangehenden liegt. Wie auf den Worten „und suchen und locken sie…“ setzt sie mit einem Crescendo mit der gleichen Kombination aus Quart- und Sekundsprung zu einem „D“ in hoher Lage ein, um von dort in eine Fallbewegung überzugehen, die allerdings dieses Mal in ihren letzten Schritten anders angelegt ist. Sie beschreibt nun am Ende nicht wie bei „Geäst“ dort einen verminderten Quintsturz zu einem tiefen „Cis“ mit nachfolgendem Sekundanstieg, sondern einen Fall, der wie ein Ausklingen anmuten, weil er in gleichförmigen Sekundschritten erfolgt, bei „Berg“ eine kleine Dehnung aufweist und auf der Ebene eines „D“ in tiefer Lage endet.

    Das Klavier folgt dieser Abwärtsbewegung der melodischen Linie mit dreistimmigen Staccato-Akkorden im Diskant und synchronen Staccato-Vierteln im Bass und verleiht ihr damit starkes Gewicht. Schumann setzt dabei wieder subtile harmonische Akzente. Anfänglich ist sie in einer Wandlung von C-Dur nach F-Dur harmonisiert. Der Sekundfall bei den Worten „Berg und Tal“ ist aber in d-Moll gebettet, mit einer kurzen Zwischenbewegung nach A-Dur allerdings. Es ist wieder so wie bei den fünften Versen der vorangehenden Strophen: Das lyrische Ich macht die Wald-Naturerfahrung, hier das Flüchten der Rehe vor ihm, auf schmerzliche Art und Weise, wird ihm doch allemal dabei seine existenzielle Befindlichkeit bewusst: Das Allein-Sein und voll Pein Sein.

    Sie ist aus der Sicht Schumanns von solch elementarem Eigengewicht, dass er das Lied ohne jegliches Nachspiel in der gleichen Weise wie die die beiden vorangehenden Strophen enden lässt. Mit nur einer kleinen, die Anmutung von Ende evozierenden Variation allerdings. Auf dem ersten „voll Pein“ liegt nun ein Legato-Sekundanstieg, damit auf dem zweiten und letzten eine in eine lange, mit einer Fermate versehene und mit einem fünfstimmigen fermatierten a-Moll-Akkord Dehnung mündende Dehnung auf der Ebene eines „E“ in tiefer erklingen kann.

    Ich finde diesen Liedschluss aus der Fragestellung dieses Threads aufschlussreich und vielsagend, wie überhaupt Schumanns Griff zu diesem lyrischen Text. In der psychischen Verfassung, in der er sich zurzeit der Komposition dieses Opus 107 befand, den hochgradigen und immer mehr in die Introversion drängenden Depressionen, konnte er sich sehr wohl in diesem Ausruf „Ich bin so allein, voll Pein!“ wiedergefunden haben.

    Für mich gehört diese Ansammlung von Liedern eindeutig zu einem geplanten Liederzyklus und damit, dicht gefolgt von der WR, zu meinen herzallerliebsten.

    Mit Verlaub, Ulli, das ist ist keiner, und schon gar kein "geplanter" "Liederzyklus".

    Es handelt sich hierbei um eine nach Schuberts Tod vom Verleger arrangierte, von ihm mit diesem Titel versehene, aber im Grunde gar nicht zusammenpassende Folge von hinterlassenen Liedern.

    „Im Wald“ (II)

    Und nun der alle Erfahrungen des lyrischen Ichs gleichsam auf den Punkt bringende und deshalb mit einer Konjunktion eingeleitete Schlussvers „Und ich bin so allein, voll Pein!“. Um seiner, die poetische Aussage des Gedichts verkörpernden Bedeutung gerecht zu werden, greift Schumann hier zur kompositorischen Wiederholung, und dies sogar auf potenzierte Weise, indem er die Worte „voll Pein“ ein weiteres Mal deklamieren lässt.
    Dieser mit einem Ausrufezeichen versehene und in den durch ein Komma abgesetzten Worten „voll Pein“ in seiner Schmerzlichkeit gleichsam aufgipfelnde Schlussvers der drei Strophen war es wohl, worin er sich bei diesem Gedicht angesprochen fühlte. Und wahrscheinlich hat er eben deshalb auch deshalb an der Melodik, in die er ihn mitsamt seiner Wiederholung gesetzt hat, keine Variation vorgenommen. Er hat offenbar als lyrische Aussage absolut genommen, also nicht in einem funktionalen Zusammenhang mit den lyrischen Bildern der drei Strophen stehend und davon abhängig aufgefasst und ihn deshalb drei Mal in der gleichen Melodik und Harmonik, ja sogar mit dem gleichen Klaviersatz versehen erklingen lassen.

    Umso mehr Gewicht dürfte, wenn man diesen liedkompositorischen Sachverhalt so interpretiert, nun der Aussage der Liedmusik auf diesem letzten Vers zukommen. „Zurückhaltend“ lautet die Vortragsanweisung für die melodische Linie und den Klaviersatz auf den Worten „Und ich bin so allein, voll Pein!“. Schumann versteht also diese Worte, obgleich sie von Müller mit einem entsprechenden Zeichen versehen sind, nicht als in die Welt hinaus sich richtenden Ausruf, sondern als introvertierte Äußerung. Und demgemäß legt er auch die Liedmusik an.
    Die melodische Linie ist in ihrem Gestus stark repetitiv angelegt. Bei „und ich bin“ beschreibt sie aus tiefer Lage einen Anstieg erst über eine Sekunde, dann über eine Quarte, geht danach auf der Ebene eines „H“ in mittlerer Lage in eine dreimalige Repetition über und vollzieht danach bei „allein“ einen in eine kleine Dehnung mündenden Quintfall. Harmonisiert ist diese melodische Bewegung in einer Wandlung von d-Moll nach a-Moll, das Klavier begleitet sie mit einer geradezu spärlichen Folge von bitonalen Akkorden. Auf den Worten „voll Pein“ liegt dann ein schlichter, wiederum in eine kleine Dehnung übergehender verminderter Sekundfall, bei dem die Harmonik eine Wandlung von a-Moll nach E-Dur vollzieht.

    Das ist in der Tat eine Liedmusik, die man im deklamatorischen Gestus und der Moll-Harmonisierung als Ausdruck eines in sich Hineinsprechens des lyrischen Ichs empfindet. In der nachfolgenden Zweiviertelpause allerdings lässt Schumann eine kleine bitonale Akkordfolge im Fortepiano erklingen, als wolle es der melodischen Aussage den Nachdruck verleihen, zu dem das lyrische Ich sich nicht in der Lage fühlt. Denn er lässt es bei der Wiederholung dieser Worte seine introvertierte Grundhaltung beibehalten, versieht die melodische Linie nun aber mit einem Anflug von expressiver Schmerzlichkeit. Sie beschreibt nun, in E-Dur gebettet, bei „so allein“ einen auf eine Tonrepetition in tiefer Lage folgenden verminderten Sekundfall, von dort aus geht es, nun in a-Moll-Harmonisierung, bei „voll Pein“ in Gestalt eines weiteren Sekundfalls sogar hinab bis zu einem „C“ in tiefer Lage.

    Auf der neuerlichen Wiederholung von „voll Pein“ geht die melodische Linie aber in einen zweischrittigen Sekundanstieg über, bei dem das a-Moll nach E-Dur rückt. Das mutet so an, als habe das lyrische Ich, nun in einen konstatierenden Gestus übergehend, sich mit seiner existenziellen Grundbefindlichkeit abgefunden, sei damit einverstanden. Und für diese Deutung spricht, dass in der nachfolgenden, eineinhalb Takte einnehmenden Pause das Vorspiel in unveränderter Gestalt erklingt und die melodische Linie wie am Liedanfang auf den Worten des ersten Verses in ihm einsetzt.
    Das lyrische Ich kehrt also, das ist das der Vertonung dieses Müller-Gedichts zugrundeliegende kompositorische Konzept, vor der zweiten und der dritten Strophe zu der Haltung zurück, in der es am Liedanfang einsetzte. Dieses ist, darin die Anlage des Gedichts reflektierend, ein gleichsam additives, eine sich aneinanderreihende Folge von drei Erfahrungen eines lyrischen Ichs „im Wald“, die allesamt die gleiche existenzielle Selbsterkenntnis zur Folge haben.

    Die erste davon ist in ihrer liedmusikalischen Gestalt dargestellt, die beiden anderen gilt es nun noch in der jeweiligen liedmusikalischen Umsetzung zu betrachten. Auf die Worte „O sieh zwei Vöglein erschrocken / Entstieben dem warmen Nest“ legt Schumann die gleiche Melodik wie auf die entsprechenden Verse zwei und drei der ersten Strophe. Auch die Harmonisierung ist identisch, nur der zugehörige Klaviersatz weist Variationen auf. Bei den Worten „Doch singen und suchen und locken / Sie hoch sich im Geäst“ beschreibt die melodische Linie eine ähnliche, wellenartige Fallbewegung wie auf den Worten „so wiegen
    Sie sich in der Blumen Duft“ der ersten Strophe. Sie setzt, mit einem Crescendo versehen, mit einer Kombination aus Quart- und Sekundsprung ein und senkt sich, immer wieder in Gestalt von aufwärts gerichteten Sekundschritten kurz innehaltend, über das große Intervall einer None bis zu einem „Cis“ in tiefer Lage ab, um von dort bei „Geäst“ wieder mit einem Sekundschritt aufwärts in eine kleine Dehnung überzugehen. Harmonisiert ist die in einer Wandlung von C-Dur über A-Dur nach D-Dur, aber der Sekundsprung auf „locken“ ist in eine kurze Wandlung von a-Moll nach e-Moll gebettet. Die Lieblichkeit des Bildes soll darin Ausdruck finden, und das lässt - wieder einmal - die hochgradige Differenziertheit von Schumanns Harmonisierung der Melodik erkennen.

    Auffällig ist, dass er auf ein lyrisches Bild, das an sich eine Aufwärtsbewegung beinhaltet, die „Vöglein“ locken sich bei Müller „hoch im Geäst“, eine sich so weit in die Tiefe absenkende und mit einem Decrescendo versehene Fallbewegung legt. Die Erklärung dafür könnte sein, dass er hier vom lyrischen Ich aus denkt. In diesem löst dieses lyrische Bild ja kein Entzücken aus, es fühlt sich vielmehr ausgeschlossen von einem solchen liebevoll lockenden Umgang miteinander in seiner menschlichen Lebenswelt, und so mündet diese Begegnung mit der Vogelwelt prompt in den schmerzlichen Ausspruch des lyrischen Refrains.

    „Im Wald“. Zur Faktur der Komposition und ihrer liedmusikalischen Aussage

    „Ziemlich lebhaft“ soll die Liedmusik vorgetragen werden. Ein Viervierteltakt liegt ihr zugrunde, und als Grundtonart ist a-Moll, bzw. dessen Dur-Parallele vorgegeben. Ein kurzes, nur einen Takt einnehmendes Vorspiel geht dem Einsatz der Melodik voraus. Es besteht im Diskant aus einer leicht steigend angelegten und piano auszuführenden Folge von dreistimmigen Akkorden, die im dritten Fall leicht rhythmisiert und in a-Moll mit einer Zwischenwandlung nach E-Dur harmonisiert ist. Seine Funktion erschöpft sich in der Vorausnahme der deklamatorischen Figur und deren Harmonisierung, in der die melodische Linie auf den Worten „ich zieh´ so allein“ einsetzt.

    Sie beschreibt auf diesen einen mit einem verminderten Sekundfall einsetzenden Sekundanstieg, der leicht rhythmisiert ist und in eine längere (punktierte halbe Note) Dehnung auf der Ebene eines „C“ in mittlerer Lage mündet. Das Piano ist dabei mit einem Crescendo versehen, und das a-Moll beschreibt eine kurze Zwischenbewegung nach E-Dur. Auf den Worten „in den Wald hinein“ liegt eine sich um eine Sekunda absenkende viermalige Tonrepetition, in die bei „Wald“ eine verminderte Terz eingelagert ist. Diese melodische Bewegung ist in einer Wandlung von E-Dur nach a-Moll harmonisiert, uns alles wird vom Klavier im Diskant erst von der dreistimmigen Akkordfolge des Vorspiels und danach von sforzato auszuführenden Terzfolgen begleitet, wobei auf „Wald“ noch einmal ein dreistimmiger Akkord erklingt, der zusammen mit dem verminderten melodischen Terzfall diesem Wort eine leichte Akzentuierung verleiht. Anders als die Dehnung auf der zweiten Silbe von „allein“ ist sie aber nicht von Gewicht.

    Die Tatsache, dass dieser erste Vers alle drei Strophen unverändert einleitet, nimmt Schumann zum Anlass, auch die zugehörige Liedmusik unverändert wiederkehren zu lassen. Diese kompositorische Entscheidung hat, über ihr Hervorgehen aus dem Strophenlied-Konzept hinaus, durchaus ihre Berechtigung, hat dieser erste Vers in seinem sprachlichen Feststellungscharakter doch die Funktion einer strophischen Einleitung. Eben deshalb lässt er die Melodik in einem deklamatorisch repetitiven Gestus enden und begnügt sich damit, das für die lyrische Aussage einzig relevante Wort „allein“ in Gestalt einer mit vorgelagerten Sekundsprung versehenen relativ langen Dehnung, der überdies ein auf sie hinführendes dynamisches Crescendo vorausgeht, auf markante Weise hervorzuheben. Das alles hat durchaus seine kompositorische Logik.

    Anders ist dies aber beim ebenfalls aus sprachlich identische Weise wiederkehrenden letzten Vers. Bei diesem greift Schumann zwar zum Prinzip der Wiederholung von lyrischem Text, setzt aber in allen drei Fällen die gleiche Liedmusik ein, obwohl man doch als liedkompositorischer Interpret die Aussage dieses letzten Verses als Folge von drei unterschiedlichen Erfahrungen des lyrischen Ichs lesen und dementsprechend bei der Melodik zum Mittel der Variation greifen könnte. Vor allem bei der vom lyrischen Ich in der dritten Strophe gemachten Erfahrung der Einsamkeit wäre das geradezu angesagt, und das Konzept des variierten Strophenliedes gäbe das ja auch sehr wohl her.
    Hat hier der kompositorische Aussagewille und die dafür erforderliche Gestaltungskraft nicht mehr ausgereicht? Eine solche Frage stellt sich der dem liedkompositorischen Spätwerk Schumanns zuwendenden Liedbetrachtung.

    Die Melodik ist durchaus darauf angelegt, den Gehalt der lyrischen Bilder zu reflektieren. Bei den Versen zwei und setzt die melodische Linie, dem appellativen „o sieh“ entsprechend, mit einem in d-Moll gebetteten Quartsprung ein, bei den Worten „zwei Falter fliegen“ und „sie tummeln sich“ beschreibt sie, nun ganz und gar im Tongeschlecht Dur (C-Dur mit Zwischenbewegung zur Dominante) zwei Mal eine Kombination aus zweischrittigem Legato-Anstieg und nachfolgendem Quartfall, und das Bild „durch die Luft“ erfährt melodischen Ausdruck durch einen auf eine Tonrepetition folgenden Quartsprung“. Das Klavier begleitet das mit schlichten Viertelakkordfolgen. Bei den Worten „so wiegen sie sich in der Blumen Duft“ geht die melodische Linie, auch darin die Metaphorik reflektierend, mit einem Crescendo in eine wiegend angelegte, weil in Gestalt eines Auf und Abs von Sekund- und Terzschritten erfolgende Abwärtsbewegung über, die bei „Blumen Duft“ mit einem Decrescendo in einen zweischrittigen und anfangs gedehnten Sekundfall in tiefer Lage mündet. Die Harmonik beschreibt hierbei eine ausdrucksstarke Wandlung von einem anfänglichen Dominantsept-C-Dur über ein F-Dur nach d-Moll.

    „Im Wald“, op.107, Nr.5

    Ich zieh' so allein in den Wald hinein!
    O sieh zwei Falter fliegen!
    Sie tummeln sich durch die Luft,
    Und wenn sie ruh'n, so wiegen
    Sie sich in der Blumen Duft,
    Und ich bin so allein, voll Pein!

    Ich zieh' so allein in den Wald hinein!
    O sieh zwei Vöglein erschrocken
    Entstieben dem warmen Nest!
    Doch singen und suchen und locken
    Sie hoch sich im Geäst,
    Und ich bin so allein, voll Pein!

    Ich zieh' so allein in den Wald hinein!
    O sieh zwei Rehe zieh'n
    An der grünen Halde zumal!
    Und wie sie mich seh'n, entflieh'n
    Sie fern in Berg und Tal,
    Und ich bin so allein, voll Pein!

    (Wolfgang Müller von Königswinter, 186-1873)

    Der Autor dieses Gedichts heißt eigentlich Peter Wilhelm Karl Müller. Er wurde 1816 in Königswinter geboren, starb 1873 in Neuenahr, und war eigentlich Arzt von Beruf, betätigte sich aber daneben als Verfasser von patriotischer Lyrik, Sagen und Volkliedern.
    Dass er über nur bescheidenes poetisches Potential verfügte, lassen diese Verse unschwer erkennen. Was er lyrisch sagen will, bringt auf unverblümt direkte Weise der als Refrain fungierende und sprachlich wie ein Ausruf angelegte letzte Vers der Strophen zum Ausdruck.
    In seinem prosaisch-konstatierenden Gestus hat dieser mit Lyrik eigentlich wenig zu tun, aber vermutlich war gerade er es, der Schumann dazu bewog, dieses Gedicht zur Vertonung heranzuziehen.

    Der sechste Vers bildet bei jeder Strophe zusammen mit dem ersten, der ebenfalls unverändert wiederkehrt, eine Art Rahmen, und innerhalb desselben macht das lyrische Ich in der Begegnung mit zwei Faltern, zwei Vöglein und zwei Rehen die im letzten Vers zum Ausdruck kommende Erfahrung. Zwei müssen es jeweils sein, weil das lyrische Ich sich anders nicht als „allein“ erleben kann, und die Erfahrung von „Pein“ resultiert aus dem lyrischen Geschehen, das den Gehalt der vier Verse innerhalb des Rahmens bildet. In den ersten beiden Strophen ist es die Begegnung mit einem gemeinsamen und zugleich freien Leben in der Geborgenheit von Natur. In der dritten ist es die Erfahrung des verlassen und gemieden Werdens durch das Ich fürchtende Lebewesen, - die Erfahrung von Einsamkeit also.

    Schumann hat aus dieser ganz und gar arglosen Lyrik eine Liedmusik in Gestalt eines variierten Strophenlieds gemacht, die sich in einer gefälligen Melodik entfaltet, und die, weil es da nicht viel musikalisch zu interpretieren und an affektiven Dimensionen auszuloten gibt, sich auf das Sich Einlassen auf die jeweiligen lyrischen Bilder beschränkt und sogar auf die Variation der Rahmenverse verzichtet, sich im Grunde in eben dieser schönen Gefälligkeit erschöpft.


    Die "Überreferenz" in Sachen Klavierkonzert lief gestern bei ARTE


    ABM und Celibidache

    Ich hatte die Festplatte eingeschaltet zum Mitschnitt, ahnend, dass sich da bei Arte etwas Außergewöhnliches ereignen wird. Und so war´s.

    Ich sehe das mit dem Begriff "Referenzaufnahme" so wie Holger:

    Referenzaufnahmen sind für mich solche, die Maßstäbe gesetzt haben, an denen andere Aufnahmen gemessen werden in verschiedener Hinsicht.

    Und in diesem Sinn liegt bei dieser Ravel-Interpretation durch Michelangeli eine solche vor. Eindeutig!

    Noch einmal: „Die Spinnerin“ , Johannes Brahms

    Dieses Lied ist Fischer-Dieskau in seinem Schumann-Buch nur die Bemerkung wert, dass es „erst später in das Heft aufgenommen“ wurde. Und ähnlich wie bei dem Lied „Der Gärtner“ mit dem Verweis auf Hugo Wolf, fügt er hier wie nebenbei die Feststellung hinzu: „Das gleiche Gedicht beflügelte Brahms zu Besserem“. Er spielt damit auf die Vertonung von Johannes Brahms an, die bei ihm den Titel „Mädchenlied“ (op.107, Nr.5) trägt.

    Dem Lied liegt ein Dreiachteltakt zugrunde, die Grundtonart ist h-Moll, und es soll „leise bewegt“ vorgetragen werden. Die erste und die zweite Strophe sind in der Liedmusik identisch, bei der dritten weist die melodische Linie nur eine geringfügige, der Klaviersatz aber eine deutlich ausgeprägte Variation auf, die vierte ist in einer eigenständigen Liedmusik gestaltet, so dass sich das Strophenschema „A-A-A´-B“ ergibt. Weil die lyrische Aussage in einer ländlich-dörflichen Sphäre angesiedelt ist, hat Brahms der Liedmusik die Anmutung von Volksliedhaftigkeit verliehen und die Form des variierten Strophenlieds gewählt. Zwar weist besonders der Klaviersatz eine hochgradig artifizielle Struktur auf, und auch die melodische Linie enthüllt sich dem näheren Blick als durchaus kunstvoll gestaltet. . Gleichwohl begegnet das Lied – und erweist sich darin als eine typische Brahms-Komposition - seinem Hörer als ein den Geist des Volkslieds atmendes, relativ schlichtes und unprätentiöses und gerade darin überaus liebenswertes musikalisches Gebilde.

    Zu Recht spricht Fischer-Dieskau bei dieser Brahms-Komposition von „etwas Besserem“.
    Hier ist das Lied in ausführlicher Weise vorgestellt und besprochen:

    Johannes Brahms. Seine Lieder, gehört und betrachtet im Bemühen, ihr Wesen zu erfassen


    „Die Spinnerin“ (III)

    In der eineinhalbtaktigen Pause vor dem Einsatz der melodischen Linie auf den Worten der vierten Strophe senkt sich die quartolische Sechzehntel-Spinnradfigur im Fortepiano aus hoher Diskantlage in mittlere ab, und erneut ereignet sich im Bass Ungewöhnliches. Nicht die übliche Figur aus Einzelton und Achtelakkord erklingt, vielmehr eine anfangs gedehnte und dann rhythmisierte Folge von dreistimmigen Akkorden in hoher Diskantlage, wohl darauf verweisend, dass nun eine Melodik von hohem affektivem Gehalt nachfolgen wird. Und dem ist ja auch so. Bei den Worten „Und die Tränen mir rinnen / Leis übers Gesicht“ beschreibt die melodische Linie, nun in einer Wandlung von e-Moll nach h-Moll harmonisiert und auf der Ebene eines „Cis“ in tiefer Lage ansetzend, einen ausdrucksstarken Aufstieg über das große Intervall einer Dezime, wobei dies bei „rinnen“ in Gestalt eines verminderten Quintsprungs geschieht. Mit dem Wort „leis“ setzt ein Fall in Sekundschritten ein, der bei „übers“ in einer kurzen Tonrepetition kurz innehält, um dann bei „Gesicht“ in einen Sekundanstieg überzugehen.

    Auch hier weicht der Klaviersatz, die Schmerzlichkeit der melodischen Aussage akzentuierend, von seiner üblichen Gestalt ab und weist im Diskant ein Auf und Ab von Sechzehnteln über ein großes Intervall auf, und im Bass eine steigend angelegte Folge von Achteln, sich ebenfalls über ein großes Intervall erstreckend. Dieses Auf und Ab im Diskant wird von der nun in h-Moll gebetteten melodischen Linie auf den Worten „Wofür soll ich spinnen“ gleichsam aufgegriffen, wohl die Ratlosigkeit des lyrischen Ichs zum Ausdruck bringend. Deshalb lautet die Vortragsanweisung hier auch „etwas zurückhaltend“. Bei den Worten „Ich weiß es ja nicht“ reflektiert die melodische Linie in ihrer Gestalt und ihrer Harmonisierung wieder den konstatierenden Gestus der lyrischen Aussage. Sie setzt, in Fis-Dur harmonisiert, mit einem verminderten Quartfall ein, geht in eine dreimalige deklamatorische Tonrepetition auf der Ebene eines „Ais“ in mittlerer Lage über, um bei dem Wort „nicht in einem Sekundschritt aufwärts zu enden. Dieser ist in G-Dur harmonisiert, einer Tonart, die einerseits weitab liegt vom vorangehenden Fis-Dur, andererseits aber die Subdominante der Grundtonart D-Dur darstellt.

    Da es sich überdies bei dem „H“, auf dem die leichte Dehnung auf „nicht“ liegt, um die Terz zur Tonart G-Dur handelt, deutet sich an, dass die Liedmusik noch nicht zu Ende ist. Und tatsächlich: Schumann lässt die Worte „Ich weiß es ja nicht“ noch einmal deklamieren. In ihnen drückt sich die tiefe existenzielle Ratlosigkeit dieses Dorfmädchens aus, das in seiner Ausgegrenztheit vom fröhlichen Kreis der Altersgenossinnen und ihrer Dorfbuben nicht mehr weiß, wozu es sein Leben weiterführen soll. Denn so ist diese lyrische Aussage doch wohl zu verstehen, besteht doch dieses Leben wesenhaft in der Tätigkeit, die es gerade ausübt.

    Ich denke, dass Schumann sich in seiner damaligen existenziellen Befindlichkeit in diesem „ich weiß es ja nicht“ wiederfand. Wohl deshalb lässt er es wiederholen, und um die tiefe Nachdrücklichkeit dieser Aussage zum Ausdruck zu bringen, legt er auf sie die gleiche Melodik. Aber in einem sehr wichtigen Sachverhalt weicht er von der Wiederholung ab. Nun ist die kleine Dehnung auf dem Schlusswort „nicht“ anders als zuvor nicht in G-Dur gebettet, sondern in h-Moll.

    Bekamen die Worte des letzten Verses durch die Dur-Harmonik, in denen die Melodik endete, noch den Anflug einer nach außen hin sich richtenden Feststellung, so fällt das lyrische Ich bei ihrer Wiederholung mit dem h-Moll wieder in seine introvertiert-schmerzliche Grundhaltung zurück. Und das viertaktige Nachspiel mutet mit seinen in tiefe Lage absinkenden, ganz und gar in Moll-Harmonik gebetteten und mit einem regelrechten Sturz in einer schlichten h-Moll-Oktave im Bass endenden Sechzehntel-Sekundsprung-Figuren an, als würde das lyrische Ich in dieser Haltung versinken.

    „Die Spinnerin“ (II)

    Die melodische Linie geht im Fall dieses vierten Verses mit einem Quartsprung zu einem triolischen Sekundfall auf den Worten „flink geht das“ über, um dann auf „Rädchen“ einen eine Quinte höher ansetzenden Fall über eben diese Quinte zu beschreiben. Das ist exakt der gleiche Fall, den die melodische Linie auf dem Wortteil („Herz“-) „-buben“ vollzieht, nur dass er nun nicht in fis-Moll gebettet ist, vielmehr in eine Wandlung von Cis-Dur nach Fis-Dur. Auch bei dem entsprechenden, mit der gleichen melodischen Bewegung versehenen Wort „Hochzeitsgeläut“ geht die Harmonik von Moll zum Tongeschlecht Dur über, nur ist es, weil die Melodik hier silbenbedingt nicht in einen Quintfall, sondern in einer langen Dehnung auf der Ebene eines „Cis“ in oberer Mittellage endet, nun ein Cis-Dur.
    Das Tongeschlecht Dur setzt Schumann nur an wenigen Stellen der Liedmusik ein, und ganz offensichtlich sind es jene, an denen sich im lyrischen Text eine für die Lebenswelt und die seelische Befindlichkeit des lyrischen Ichs hochrelevante Aussage im Sinne eines Faktums ereignet.

    Gleich in der Melodik der ersten Melodiezeile der dritten Strophe, in der ja sich ja erstmals das lyrische Ich als solches äußert, ereignet sich der Übergang vom an sich dominanten Tongeschlecht Moll zum Dur erneut. Auf den Worten „Kein' Seel', die mir gut ist“ beschreibt die melodische Linie nach einem auftaktigen verminderten Sekundsprung eine dreimalige anfänglich gedehnte Tonrepetition auf der Ebene eines „Cis“ in oberer Mittellage, die in Fis-Dur gebettet ist und das Wort „Seel´“ auf diese Weise mit einer Akzentuierung versieht. Der sich anschließende, eine Quarte hoher einsetzende und mit einem Portato-Zeichen versehene Sekundfall auf den Worten „gut ist“ erfolgt hingegen wieder in Moll-Harmonisierung (h-Moll). Der seelische Schmerz des lyrischen Ichs verschafft sich Ausdruck. Und diese harmonische Wandlung wiederholt sich in der Melodik auf den zu dieser Melodiezeile gehörenden Worten des zweiten Verses: „Kommt mit mir zu plaudern“. Nur dass Schumann dieses Mal umgekehrt verfährt, in Gestalt einer Wandlung von Moll nach Dur nämlich.

    Dieser zweite Teil der ersten Melodiezeile ist in seiner musikalischen Anlage ohnehin ungewöhnlich. Der Grund dürfte darin zu finden sein, dass hier das lyrische Ich erstmals Einblick in seine Seele gibt, und Schumann diesen lyrischen Sachverhalt in die angemessene Liedmusik umsetzt. Auf „kommt mit mir“ beschreibt die melodische Linie, das von Heyse aus Gründen der Metrik ausgelassene Wort „um“ reflektierend, eine anfänglich gedehnte Tonrepetition wieder auf der tonalen Ebene des „Cis“, auf der sich die erste ereignete, und geht danach bei „dir“ in einen verminderten Sekundfall über. Diese mutet eben wegen eben dieses im Intervalls verminderten Intervalls schmerzlich an und ist deshalb in h-Moll gebettet. Dann aber ereignet sich in dieser Liedmusik Ungewöhnliches. Auf „plaudern“ liegt ein Sekundfall in hoher Lage, und im Klaviersatz reißt die Spinnfiguren-Reihe aus Sechzehntel-Sekundsprüngen ab, und es erklingt nach einer Sechzehntel Pause eine Folge von triolischen Fall-und Sprungfiguren aus einer Sechzehntel-Terz und zwei Einzel-Sechzehnteln. Und dies in Fis-Dur Harmonik.

    Dieser Ausbruch aus dem bislang vorherrschenden liedmusikalischen Satz soll wohl, so verstehe ich das, die existenzielle Bedeutsamkeit der überaus schmerzlichen Erfahrung zum Ausdruck bringen, die das lyrische Ich in den einfach-volksliedhaften Worten “Kein' Seel', die mir gut ist, kommt mit mir zu plaudern“ bekennt. Die Dur-Harmonik dient Schumann hier dazu, die Faktizität dieses Sachverhalts musikalisch zu unterstreichen. Er lässt zwar in der auf diese erste Melodiezeile folgenden Pause wieder die in h-Moll-gebettete und „fp“ vorzutragende Spinnlinien-Sechzehntel-Figur erklingen, aber der Melodik auf den Worten „Gar schwül mir zu Mut ist / Und die Hände zaudern“, dem zweiten Verspaar der dritten Strophe also, ereignet sich erneut zwei Mal die harmonische Wandlung von Fis-Dur nach h-Moll. Bei beiden Versen endet die eine eigene Zeile bildende melodische Linie in einem Sekundfall in hoher Lage. Aber während der erste auf den Worten „zu Mut ist“ in h-Moll gebettet ist, weil diesen ein hoher affektiver Gehalt innewohnt, ereignet sich bei „zaudern“ eine Wandlung von h-Moll nach Fis-Dur. Diese lyrische Aussage hat mehr den Charakter einer Feststellung.

    „Die Spinnerin“. Zur Faktur der Komposition und ihrer liedmusikalischen Aussage

    Formal betrachtet handelt es sich bei dieser Komposition um ein variiertes Strophenlied: Die ersten beiden Strophen sind in ihrer Melodik, ihrer Harmonisierung und im Klaviersatz fast identisch, - mit Ausnahme des deklamatorisch wortbedingten melodischen Endes der zweiten Strophe. Die dritte und die vierte Strophe weisen eine je eigene Liedmusik auf, und es ist auch erklärlich, warum Schumann das Lied so angelegt hat. Der Griff zum Strophenlied-Konzept ist als eine Reverenz dem Volkslied-Geist der Lyrik gegenüber aufzufassen, die darauf folgende Durchkomposition ergibt sich aus der Notwendigkeit, die die Vielgestaltigkeit der affektiven Komponenten der Aussagen des lyrischen Ichs liedmusikalisch zu erfassen.

    Ein Zweivierteltakt liegt der Liedmusik zugrunde, „nicht zu schnell“ soll sie vorgetragen werden, und als Grundtonart ist h-Moll, bzw. dessen Dur-Parallele vorgegeben. Ein nur kurzes, gerade mal eineinhalb Takte einnehmendes Vorspiel geht dem Einsatz der melodischen Linie voraus. Um ein wirkliches Vorspiel mit eigener musikalischer Aussage handelt es sich ja auch gar nicht. Hier erklingt der Klaviersatz, der in Gestalt vieler struktureller Varianten im Diskant als Begleitung fungiert. Im Bass ist er als Ostinato angelegt, und die melodische Linie setzt in der zweiten Hälfte des zweiten Taktes ganz einfach auftaktig in ihm ein. Auch das kann man als Zugeständnis Schumanns an den Volkslied-Geist auffassen und verstehen.

    Im Diskant besteht der Klaviersatz durchweg als aus zwei quartolischen Sechzehntelfiguren, die zumeist zwei Sekundsprünge aufweisen und in unterschiedlichen tonalen Ebenen aufeinanderfolgen. Nur wenige Abweichungen gibt es davon, dergestalt, dass das letzte Sechzehntel einen Fall über ein großes Intervall vollzieht, gar alle Sechzehntel der Vierergruppe einen Fall beschreiben und einmal sogar nur ein triolisches Paar aus einer Terz und zwei Sechzehnteln erklingt.
    Aber man geht wohl nicht fehl, wenn man dieses Auf und Ab von Sechzehntelfiguren als klangliche Evokation des Fadenspinnens auffasst und versteht, wobei es sich hierbei ja auch um gedankliche Fäden handelt. Erstaunlich einfach ist der Klavierbass angelegt. Mit nur drei Ausnahmen besteht er aus nichts anderem als zwei Figuren aus Einzelachtel und Achtel-Akkord pro Takt. Das ist, von Schumann ganz gewiss kompositorisch so intendiert, die Imagination einer Volksmusik-Begleitung von Melodik.

    Mit einer ganzen Reihe von kompositorischen Elementen insinuiert Schumann also die klangliche Atmosphäre einer dörflichen Spinnstuben-Szenerie. Aber bei der Melodik und ihrer Harmonisierung ist für ihn, anders als für Brahms, der diese Heyse-Verse auch vertont hat, diesbezüglich eine Grenzlinie erreicht, die er nicht überschreiten mag. Als allenfalls angehaucht von Volksliedgeist empfindet man diese, aber in ihrer Struktur ist sie viel zu komplex, als dass man meinen könnte, hier singe ein einfaches Dorfmädchen.
    Ein Schubert, ein Brahms oder ein Hugo Wolf vermochten eine entsprechende Melodik zu kreieren, und Schumann wäre ganz gewiss ebenfalls dazu fähig gewesen. Aber es hätte seinem liedmusikalischen Grundkonzept widersprochen, das auf eine kompositorische Interpretation des lyrischen Textes ausgerichtet war. Für die Melodik hat das allemal zur Folge, dass ihre Struktur die sprachliche Gestalt, ihre Semantik und deren affektiven Gehalt zu reflektieren hat, also eine entsprechende Komplexität aufweisen muss.

    So ist das auch im Fall dieses Heyse-Gedichts. Und es ist im Grunde ja auch angebracht. Denn dessen lyrische Aussagen entspringen zwar einer bäuerlich-dörflichen Lebenswelt, und sie artikulieren sich sogar in einer dementsprechenden Sprachlichkeit, gleichwohl weisen sie in ihrem Gehalt einen hohen Grad an kognitiver Reflexivität und seelischer Komplexität auf. Da ist einem lyrischen Ich „schwül zu Mut“, die „Hände zaudern“ ihm, und Tränen rinnen ihm „leis“ übers Gesicht. Auf den Worten „Auf dem Dorf in den Spinnstuben“ beschreibt die melodische Linie, in h-Moll harmonisiert, eine Anstiegsbewegung aus tiefer Lage, anfänglich über Sekunden, dann über Terzen, und bei „Spinnstuben“ geht sie in einen Quartfall mit Tonrepetition auf der Ebene eines „Fis“ in tiefer Lage über. Das geschieht in silbengetreuer Deklamation, und diese deklamatorische Bindung an die Silbe behält sie auch durchweg bei, darin ihre Orientierung am Volksliedton bekundend.

    Aber in diesem am Volksliedton sich ausrichtenden deklamatorischen Gestus, zu dem ja auch die Identität von Vers und Melodiezeile gehört, kann sich Schumann in seinem interpretativen kompositorischen Ansatz nicht voll entfalten, und das zeigt sich schon in der zweiten, nach einer Achtelpause einsetzenden Melodiezeile. Diese umgreift nämlich nun die Verse zwei und drei, obwohl eigentlich naheliegen würde, nach dem Wort „Mädchen“ erneut eine Achtelpause einzulegen, zumal hier im lyrischen Text ein Punkt sitzt. Und auch die syllabisch exakte Deklamation wird nicht durchgehalten. Auf dem Wort „lustig“ beschreibt die melodische Linie eine in e-Moll harmonisierte melismatische Figur aus Legato-Sechzehntel-Achtel-Anstieg und nachfolgendem Sekundfall, dies in der Absicht, den semantischen Gehalt dieses Wortes klanglich sinnfällig werden zu lassen.

    Danach allerdings wird die deklamatorische Silbenbindung zwar bis zum Ende der Melodiezeile wieder eingehalten, aber auch hier interpretiert die Melodik den semantischen und den affektiven Gehalt des lyrischen Texts. Auf „Mädchen“ vollzieht die melodische Line, nun in h-Moll harmonisiert, einen Quartsprung, bei „jedes“ gipfelt sie in Gestalt einer Tonrepetition in hoher Lage auf, um diesen Sachverhalt hervorzuheben, und auf dem Wort „Herzbuben“ liegt eine silbengetreue und ausdrucksstarke Kombination aus Terzsprung und Quintfall, die in ein harmonisch weitab liegendes fis-Moll gebettet ist.
    Moll-Harmonisierung herrscht ohnehin bis hierher vor, und das ist eigentlich verwunderlich, treten doch die ersten drei Verse sprachlich als Beschreibung eines situativen Sachverhalts auf. Anscheinend will aber Schumann diesen schon aus der Perspektive des lyrischen Ichs gesehen haben, und da wohnt diesem Sachverhalt die Anmutung von Schmerzlichkeit inne. Denn dieses lyrische Ich sieht sich ja ausgeschlossen von diesem lustigen Kreis der Mädchen mit ihren „Herzbuben“. Schumanns Harmonik stellt also auf hintergründige Weise die Gültigkeit des Wortes „alle“ infrage.

    Und wie tiefgehend seine Liedmusik interpretiert, das zeigt sich beim letzten Vers der ersten - und auch der zweiten - Strophe. An sich beinhalten die Worte „wie tief geht das Rädchen“ erneut nichts anderes als die Feststellung eines Sachverhalts (so auch „ein Hochzeitsgeläut“). Aber Schumann setzt die Melodik darauf mittels einer Achtelpause von der vorangehenden Melodiezeile ab und weist ihr damit einen eigenen Zeilencharakter zu. Dies wohl deshalb, weil er diesen lyrischen Sachverhalt für so bedeutsam hält, dass er ihm das ihm gebührende liedmusikalische Gewicht verleihen will. Das lyrische Bild vom „flink gehenden Rädchen“ verweist (wie auch das vom „Hochzeitsgeläut“) auf die dynamisch-vitale Ungebrochenheit der Lebens- und Arbeitswelt dieser „Mädchen“. Und das ist von Bedeutung, weil es den Bruch in der Lebenswelt des lyrischen Ichs in seiner existenziellen Relevanz allererst sichtbar werden lässt.

    „Die Spinnerin“, op.107, Nr.4

    Auf dem Dorf in den Spinnstuben
    Sind lustig die Mädchen.
    Hat jedes seinen Herzbuben,
    Wie flink geht das Rädchen!

    Spinnt jedes am Brautschatz,
    Daß der Liebste sich freut.
    Nicht lange, so gibt es
    Ein Hochzeitsgeläut!

    Kein' Seel', die mir gut ist,
    Kommt mit mir zu plaudern;
    Gar schwül mir zu Mut ist,
    Und die Hände zaudern.

    Und die Tränen mir rinnen
    Leis übers Gesicht.
    Wofür soll ich spinnen,
    Ich weiß es ja nicht!

    (Paul Heyse)

    Das einfache Mädchen aus dem Volk in der Spinnstube oder am Herd. Das ist ein vielsagendes und eindrückliches Bild, dem sich große Dichter lyrisch gewidmet haben: Goethe in „Gretchen am Spinnrade“ etwa, Mörike in „Das verlassene Mägdlein“, Clemens Brentano in „Der Spinnerin Lied“, und eben auch – nicht ganz auf deren poetischem Niveau - Paul Heyse.
    Obgleich: Er insinuiert lyrisch-sprachlich den Volksliedton, und in der ganz und gar unverblümten und unsentimentalen Direktheit des Monologs und dem sich auf die wesentlichen Konturen konzentrierenden lyrischen Aufriss der Situation, in der dieser sich ereignet, ist ihm das zweifellos gut gelungen.

    Das Mädchen, das sich in der Spinnstube unter all den anderen, die unter fröhlichem Singen am Material für das Hochzeitskleid arbeiten, seiner Einsamkeit bewusst wird, sich im Wissen darum, dass es keinen Menschen gibt, der nach ihr fragt, auf die existenziell hoch relevante Frage „Wozu tu ich das alles?“ zurückgeworfen sieht, auf die es keine Antwort gibt, - das ist ein in der geradezu sachlich-konstatierender Sprachlichkeit, in der Heyse es poetisch gestaltet hat, tief anrührendes lyrisches Bild.

    Schumann hat sich wohl, so darf man vermuten, in der Lebenslage und seelischen Befindlichkeit zur Zeit der kompositorischen Arbeit an diesem Opus 107 von diesen Versen Heyses menschlich unmittelbar angesprochen gefühlt. Vielleicht erklärt sich auch daraus, warum er die erste Strophe so stark abgeändert hat. Denn die lautet bei Heyse:


    Auf die Nacht in den Spinnstub´n
    Da singen die Mädchen,
    Da lachen die Dorfbub´n,
    Wie flink gehn die Rädchen!


    Das Ersetzen des dritten Verses durch die Worte „Hat jedes seinen Herzbuben“ lässt die in der dritten und vierten Strophe zum Ausdruck kommende Einsamkeit des lyrischen umso schmerzlicher hervortreten.


    Mal kurz von Schumann zu Schubert


    Ich möchte gerne, bevor ich mit der nächsten Vorstellung eines Schuman-Liedes diesen Thread im Sinne seines Themas fortsetze, kurz auf diese von mir vorangehend getätigte Äußerung eingehen:

    Ich setze mal an einer Erfahrung an, die viele Liebhaber des Kunstliedes kennen: Man liest einen lyrischen Text, und automatisch stellt sich eine bestimmte Liedmusik ein.


    Die die hinter dieser Erfahrung sich auftuende Frage nach dem Warum, nach den die verursachenden Gründen, beschäftigt mich schon seit langer Zeit, ohne dass ich eine befriedigende Antwort darauf gefunden hätte. Aber sie ist eine durchaus bedeutsame, schließlich mache ich diese Erfahrung ja wohl nicht allein, einst bekannte auch ein Golo Mann, dass Goethes „Erlkönig“ die einzige Ballade sei, die er „nicht hersagen könne“. „Und warum?“, fragt er sich , und fährt fort: Wegen der Schubertschen Komposition. Melodie und Wort haben sich derart vereinigt, daß sie nie mehr voneinander zu scheiden sind; was für die Melodie spricht und das Wort auch.“

    So viel ist mir immerhin klar geworden: Die Antwort muss im Wesen der Melodie zu finden sein. Aber diesem wohnt ein Geheimnisvolles inne, etwas das sich rational nicht voll und ganz fassen lässt. Dass die Frage wesenhaft mit der Melodik einer Liedkomposition zu tun haben muss, ergibt sich aus der Tatsache, dass diese sich diese Erfahrung - bei mir jedenfalls – in den meisten Fällen bei Schubert-Vertonungen ereignet. Und Schubert war, anders als Hugo Wolf, als Komponist primär ein Melodiker.
    Mit gutem Grund hat deshalb Hans Gal seine 1970 bei S. Fischer erschienene Schubert-Biographie mit dem Titel „Franz Schubert oder die Melodie“ versehen. Und darin findet sich die bemerkenswerte Feststellung:
    „Das Außerordentliche bei Schubert ist seine schlichte Selbstverständlichkeit, die immer den Eindruck erweckt, als sei eine solche Melodie seit Erschaffung der Welt vorhanden gewesen.“

    Schubert hatte wohl ein hochgradig ausgeprägtes Sensorium für die der lyrischen Sprache innewohnende Melodik. Ich nehme mal als Beispiel Goethes „Gretchen am Spinnrade“. Das ist auch so ein Fall, wo ich nicht den Text lesen kann, ohne dass sich dabei automatisch Schuberts Melodie einstellt.
    Warum?

    Die Worte „Meine Ruh´ ist hin, mein Herz ist schwer“ stellen, rein grammatisch-sprachlich betrachtet, eine einfache Feststellung dar. Aber ihnen wohnt ein mit einem Anapäst eingeleiteter in Jamben sich fortsetzender rhythmischer Fluss inne. Klanglich-lautlich ereignet sich am Anfang ein Sturz von einem hellen Vokal von dem die Aussage syntaktisch konstituierenden, sich wiederholenden Hilfsverb „ist“ zu dem dunklen, in der Artikulation eine Dehnung aufweisenden „u“ von „Ruh´“, im zweiten Teil dominiert aber der helle Vokal „e“. In seiner Semantik handelt es sich um ein aus tiefer Seele kommendes, also ein hohes affektives Potential aufweisendes Geständnis.

    Betrachtet man nun Schuberts Melodik, die er auf diese Worte legt, so stellt man fest, dass sie all diese Sachverhalte aufgreift und berücksichtigt. Er hat also, was Thrasybulos Georgiades in ausführlicher Weise nachgewiesen hat, lyrische Sprache unmittelbar in musikalische umgesetzt. Das d-Moll, in die sie gebettet ist, reflektiert das affektive Potential. Den Anapäst-Auftakt erfasst er mit einem deklamatorischen Achtel-Sekundanstieg. Auf das semantisch zentrale Wort „Ruh“ legt er eine den dunklen Vokal zum Klingen bringende lange (Legato von punktiertem Viertel und Achtel) Dehnung. Auf dem Hilfsverb „ist“ liegt ein Sekundfall, beim Wort „hin“ geht die melodische Linie in eine lang gedehnte und dieses damit mit einer Akzentuierung versehende gedehnte Tonrepetition über, die sich auf der gleichen tonalen Ebene ereignet wie auch die auf „Ruh´“, und das „ist“ erklingt ebenfalls auf dieser.

    Diese tonale Ebene, es ist die der Quinte zum Grundton, nimmt, wie die melodische Figur auf „mein Herz ist schwer“ zeigt, eine zentrale Rolle ein, stellt gleichsam den Ruhepunkt der meloodischen Bewegung dar, und sie ist der Faktor, in der sich ihre innere Geschlossenheit konstituiert. Denn bei diesen Worten setzt die melodische Linie nach einer Achtelpause von ihr aus mit einem Quartsprung zu einer langen Dehnung auf dem Wort „Herz“ an, die dieses wiederum mit einer Hervorhebung versieht, und fällt danach auf sie zurück zu einer in eine kleine Dehnung mündenden deklamatorischen Tonrepetition auf den Worten „ist schwer“.

    Die Melodik entfaltet sich also von einer als Basis fungierenden und mittels eines Sekundanstiegs eingeleiteten tonalen Ebene, von der aus sie sich mit nur einem Sekund- und einem Quartsprung auf „Herz“ erhebt, um danach wieder zu ihr zurückzukehren. In dieser strukturellen Einfachheit gründet ihre spezifische Eingängigkeit, die Tatsache dass sie sich so leicht einprägt. Gleichwohl reflektiert sie darin die sprachliche Gestalt mit ihren rhythmischen Scherpunkten „Ruh´“, „Herz“ und „schwer“, die Lautlichkeit, die Semantik und das affektive Potential der lyrischen Aussage. Dies mit den Dehnungen auf den Worten „Ruh““, „Herz“ und „schwer“, die Ansiedlung des klanglich dunklen Wortes „Ruh´“ auf der tonalen Ebene, der des helleren Wortes „Herz“ eine Quarte höher und der kleineren Dehnung auf dem als nur als syntaktisches Adverbial fungierenden, gleich wohl aber semantisch bedeutsamen Wort „schwer“.

    Das ist Melodik, in der man sich als Leser des lyrischen Textes unmittelbar wiederfindet, weil man sie so rezipiert, als sei dieser ganz und gar zu Musik geworden. Als sei sie ihm also nicht aufgesetzt und gar übergestülpt, sondern sei eine Verkörperung seiner selbst in einem anderen Medium.
    Schubertsche Melodik eben.

    Noch einmal: „Der Gärtner“

    Noch ein anderer von den Großen hat Mörikes Gedicht vertont: Hugo Wolf. Eine Besprechung seines Liedes findet sich hier: Hugo Wolf und Eduard Mörike

    Und hier ist das Lied zu hören:



    Dietrich Fischer-Dieskau fügte seinem nur einen Satz umfassenden Kommentar zu Schumanns Lied „Der Gärtner“ diese Bemerkung hinzu:
    „Wolf scheint durch Ende und Nachspiel dieses Liedes bei der eigenen Vertonung des Textes stark beeinflußt. Daß er auch en Galopprhythmus der punktierten Triolen von Schumann übernahm, verhinderte nicht, daß er ein ungleich treffsichereres Lied formte.“ (in seinem Schumann-Buch, S.187)

    Was aber meinte er mit dem Komparativ „treffsicherer“? Die lyrische Aussage, das, was Mörike zu poetisch zu sagen hat und die Art und Weise, wie dies lyrisch-sprachlich geschieht, kann doch nicht gemeint sein. Das liedkompositorisch zu erfassen ist, wie in der analytischen Betrachtung doch wohl aufgezeigt und nachgewiesen ist, Schumann auf vollkommene Weise gelungen. Was aber gibt es noch, das Wolf „sicherer“ als Schumann getroffen haben könnte? Der Publikumsgeschmack kann es doch ganz sicher nicht sein, der hat weder Schumann noch Hugo Wolf interessiert.

    Ich setze mal an einer Erfahrung an, die viele Liebhaber des Kunstliedes kennen: Man liest einen lyrischen Text, und automatisch stellt sich eine bestimmte Liedmusik ein. Und das ereignet sich auch - jedenfalls bei mir - im Fall dieses Mörike-Gedichts. Ich höre beim Lesen automatisch die Wolf-Melodik. Sie hat sich mir so eingeprägt, dass ich sie ohne Notenvorlage singen kann. Und in dieser Erfahrung ist wohl die Antwort zu finden, was Hugo Wolf besser getroffen hat als Schumann. Melodik und lyrische Sprache sind eine innige Verbindung eingegangen, sind auf vollkommene Weise miteinander verschmolzen, so dass man das Gefühl hat, die lyrische Sprache hat die Melodik aus sich hervorbracht, hat sie geboren.

    Man könnte also, an Fischer-Dieskaus Wort „treffsicherer“ ansetzend sagen: Besser als Robert Schumann ist es Hugo Wolf gelungen, in einer ihr Melos auf vollkommen gebundene und in sich stimmige Weise entfaltenden Melodik musikalisch den Geist einzufangen und zu erfassen, der Mörikes Lyrik innewohnt: Es ist der einer Begegnung eines lyrischen Ich mit einem es bezaubernden und seelisch beflügelnden Prinzessinnen-Traumgesicht.

    Anders als Robert Schumann setzt Hugo Wolf nicht silbengetreu-deklamatorisch am einzelnen Vers an, vielmehr, und dies in einem radikal melodischen Ansatz, am zentralen lyrischen Bild. Und das ist ja doch ein höchst erstaunlicher Sachverhalt, denn es müsste ja eigentlich genau umgekehrt sein. Vielsagend ist: Hier, leistet sich der ansonsten so sehr auf syllabisch exakte Deklamation achtende Hugo Wolf zwei „Fehler“ im Skandieren: Bei dem Wort „Leibrößlein“ trägt die Silbe „-röß“ einen Ton (er müsste eigentlich auf „Leib-„ sitzen), und auch das Wort „durch“ im vierten Vers der ersten Strophe wird durch einen tonalen Akzent zu stark hervorgehoben.

    Die in schöner Kantabilität dahinfließende melodische Linie fordert ihr eigenes Recht. Und das darf sie, denn sie reflektiert auf vollkommene Weise die Beglückung, die sich beim lyrischen Ich im Augenblick des Sich-Hingebens an seine Wunschträume einstellt. Wolf folgt in der Struktur der melodischen Linie ja eigentlich der Metrik der Mörike-Verse. Dort tragen, wenn man metrisch korrekt skandiert, die Silbe („Leib“-) –„röss-„ („lein“) und das Wort „durch“ nämlich einen Ton. Hört man sich die melodische Linie der Singstimme unter diesem Aspekt an, dann liegt die These nahe, dass die klangliche Faszination, die von ihr ausgeht, in eben diesem Sich-Anschmiegen an die metrischen Akzente der Sprachmelodie gründet.

    Korrekte Deklamation war ein ehernes Grundprinzip der Wagnerianer. Hugo Wolf, der sich immer wieder leidenschaftlich als solcher bekannte, zeigt in seiner Liedkomposition aber nicht nur hier, sondern auch in vielen anderen Fällen, dass er durchaus kompositorische Eigenständigkeit zu wahren wusste. Dies hier in der Weise, dass ihm die Ungebrochenheit der Melodik und die Beibehaltung des tänzerischen Grundrhythmus´ des Liedes so wichtig war, dass er die Korrektheit der Deklamation guten Gewissens zu opfern vermochte.

    Eine Anmerkung noch:
    Auf Hugo Wolfs Vertonung dieser Mörike Verse wurde deshalb hier kurz eingegangen, weil es in diesem Thread um das Erfassen der Wesensmerkmale von Schumanns später Liedsprache geht. In ihrer Ausrichtung auf das musikalische Erfassen der lyrischen Aussage in ihren affektiven Dimensionen, die kompositorische Interpretation derselben also, kommt der Melodik eine wichtige und klar definierte Funktion zu, dies aber immer im Zusammenhang mit dem Klaviersatz. Und Schumann war in der Hochzeit seines liedmusikalischen Schaffens selbstverständlich in der Lage, Melodik so einzusetzen wie Hugo Wolf dies hier tut.

    Es fällt aber auf, dass er dies in der sich anschließenden liedkompositorischen Phase mehr und mehr meidet und der wortbezogen deklamatorische Gestus in den Vordergrund rückt. Und hier, bei diesem Lied „Der Gärtner“ zeigt sich auch einer der Gründe dafür. Es ist, wie sich in der Besprechung gezeigt haben dürfte, sein spezifisches Verständnis des lyrischen Ichs. Und in dieses, so kann man vermuten, floss wiederum seine eigene existenzielle Daseinsbefindlichkeit zur Zeit der Entstehung des Liedes ein.

    Es wird sich im weiteren Verlauf des Threads herausstellen, dass dies ein Sachverhalt ist, dem hinsichtlich der spezifischen Eigenart von Schumanns später Liedsprache eine maßgeblich prägende Funktion zukommt.

    „Der Gärtner“ (III)

    Bei den Worten „Nimm tausend für eine, / Nimm alle dafür!“ erreicht die Melodik, darin die reizvolle Gigantomanie reflektierend, in die das lyrische Ich sich gesteigert hat, den vorläufigen Höhepunkt ihrer Expressivität. Zwei Mal beschreibt sie die gleiche, einen großen Ambitus einnehmende Bewegung aus einer Kombination aus Quartsprung und Septfall, wobei dieser bezeichnenderweise auf den Worten „tausend“ und „alle“ liegt. Beim zweiten Mal endet die melodische Bewegung dann aber in einer mit einem Sekundfall eingeleiteten und kurze Ruhe bringenden Dehnung auf der zweiten Silbe von „dafür“.
    Aber die liegt auf der tonalen Ebene eines „Fis“ in tiefer Lage, der Terz zum Grundton also, und das will heißen: Für Schumann ist liedmusikalisch noch nicht alles gesagt. Dieses lyrische Ich will alles dafür geben, was es geben kann, für ein kleines Zeichen der Zuneigung oder wenigstens auch nur der Wahrnehmung vonseiten der bewunderten Prinzessin. Und das muss es noch einmal auf emphatisch gesteigerte Weise zum Ausdruck bringen dürfen.

    Das ereignet sich in Gestalt einer potenzierten Wiederholung der beiden letzten Verse, - potenziert deshalb, weil der letzte sogar erneut wiederholt wird. Nun legt die Melodik ihre innere Kontrolle in Form einer deklamatorischen Bindung an die sprachliche Silbe und der damit verbundenen Einschränkung in der Sprunghaftigkeit der Entfaltung zu einem großen Teil ab, aber - typisch für das kompositorische Konzept Schumanns - nicht ganz und gar. . Und das Klavier folgt ihr darin, indem es sie mit lebhaft bewegten Figuren nicht nur im Diskant, sondern nun sogar auch im Bass begleitet, in dem bislang weitgehend große Ruhe geherrscht hat. Mit einem Crescendo beschreibt die melodische Linie auf den Worten „Nimm tausend für eine“ nun eine bogenförmige, auf der Ebene eines „G“ in mittlerer Lage ansetzende und dorthin auch wieder zurückkehrende Bogenbewegung, die deshalb so schwungvoll anmutet, weil sich erstmals in diesem Lied auf einer Silbe eine zweischrittige Legato-Bewegung ereignet: Auf der ersten Silbe von „tausend“ ein Legato-Terzenanstieg und auf der ersten von „eine“ ein Legato-Sekundfall.

    Die Melodik auf diesen Worten, die in einer Rückung von A-Dur nach D-Dur harmonisiert ist und vom Klavier im Diskant in Gestalt von Achtelfiguren mitvollzogen wird, mutet wie ein Anlauf zu dem Sextsprung an, den die melodische Linie bei dem Wort „alle“ vollzieht. Er führt sie zur Ebene eines hohen „E“, von wo sie, und dies im Forte, in einen Sekundfall übergeht. Diesem Wort „alle“ wird auf diese Weise eine noch stärkere Akzentuierung verliehen als beim ersten Mal. Es ereignet sich dieses Mal gleichsam die Umkehr des Septfalls, der dort auf ihm lag. Bei „dafür“ kehrt die melodische Linie nach einem kleinen Sekundfall wieder zu der Ebene zurück, in die der leicht gedehnte Sekundfall auf „alle“ mündete.

    Denn die Liedmusik ist noch nicht zu Ende. Während sich die melodische Line auf der zweiten Silbe von „dafür“ einer leichten Dehnung auf dem in D-Dur gebetteten Grundton in hoher Lage überlässt, lässt das Klavier seine rhythmisiert triolischen Staccato-Akkorde erklingen, dies aber bemerkenswerterweise im Pianissimo. Nun werden die Worte „Nimm alle dafür!“ noch einmal deklamiert, und wieder ist bemerkenswert, wie das geschieht. Die melodische Linie setzt, aus dem Forte zurückgenommen, mit einem Quintsprung ein und geht nun bei „alle“ in eine lange, den Takt überschreitende Dehnung in Gestalt einer gleichsam gestreckten Version des Sekundfalls über, den sie bei der ersten Wiederholung dieses Wortes in der gleichen A7-Harmonisierung beschrieb. Dort aber im Forte, nun ist daraus ein Piano geworden, und der der ganzen Takt gehaltene A7-Akkord erklingt sogar im Pianissimo.

    Und noch mehr Bemerkenswertes geschieht: Statt in einen weiteren Anstieg zu beschreiben, geht die melodische Linie in ein Ritardando über und vollzieht einen Quintfall, der auf den beiden Silben des Wortes „dafür“ in einen Terzfall, der auf der Ebene eines „Fis“ in tiefer Lage in Gestalt eines schlichten deklamatorischen Viertels mündet. Also in keine längere Schlussdehnung und überdies auch noch auf der Terz der Tonika. Das ist der gleiche Ausklang, der sich in der Melodik schon beim ersten Mal ereignete, und wieder ist es also ein melodisch offener und überdies auch noch ein wenig lakonisch anmutender, denn die Schlussdehnung ist dieses Mal noch kürzer.

    Die Liedmusik hat also noch ein Weiteres zu sagen, und wie sich das für Schumann gehört, erfolgt das im Nachspiel. Es ist relativ lang, nimmt sieben Takte ein und besteht im Diskant ausschließlich aus einer Folge der den Klaviersatz prägenden triolischen Achtelfigur, nun in ihrer akkordischen Gestalt, im Bass mit Oktaven begleitet. Sie beschreiben eine langsame Abwärtsbewegung und münden, - in ein wiederum lakonisch anmutendes, von Achtelpausen unterbrochenes Aufeinander zweier D-Dur-Akkorde mit einem A7-Akkord dazwischen. Und dies auch noch im Pianissimo.

    Und warum erscheint mir dieser Liedschluss aus partiell zweifacher Wiederholung und langem Nachspiel „bemerkenswert“?
    Für mich findet darin auf eine beeindruckende, für Schumanns Liedkomposition ganz typische Art und Weise sein Verständnis des lyrischen Ichs musikalischen Ausdruck. Es ist ein überaus zartes, feinsinniges, ein Ich, das nur kurz in die Emphase von Entzücken und Beglückung ausbricht, um sich alsbald daraus wieder in sein Inneres zurückzunehmen.

    Ist es darin Verkörperung des Lebensgefühls, in dem Schumann in der Spätphase seines liedkompositorischen Schaffens befangen war?
    Ich halte das für möglich.