Ich habe mir nun die CD 59 "Callas in Paris II", aufgenommen 1963 mit George Pretre und dem Orchestre de la Societé du Conservatoire, vorgenommen.
Wie beim ersten Paris Recital handelt es sich wieder um ein rein französisches Programm.
Gluck: "O malheureuse Iphigenie"
Berlioz:" D'amour ardente flamme"
Bizet: Me voilà seule... comme autrefois"
Massenet: Manon: "Adieu notre petite table"
"Suis-je gentille ainsi?"
Werther: "Werther, Werther" (Briefszene)
Gounod: "Il etait un roi de Thule"
"Air des bijoux"
Callas lässt,anders als zwei Jahre zuvor, die extremen Enden der Stimmskala, nämlich Soprano leger und Contralto ,aus und hält sich mit Charlotte, Margarethe ( Berlioz und Gounod), Iphigenie, Leila und Manon im Mezzo bzw lyrischen Sopranfach (Ausnahme die Manon als lyrischer Koloratursopran) auf.
Ihre Stimme hat im Vergleich zu 1961 bereits spürbar weiter gelitten- was sich wiederum vor allem an den Tönen der oberen Soprantessitur zwischen f2 und c3 zeigt: je länger sie gehalten werden müssen, desto katastrophaler klingen sie.
"O malheureuse Iphigenie" die grosse bewegende Arie der Iphigenie leidet besonders unter diesem Verfall. Es gibt mehrer Töne darinnen, die regelrecht weh tun; dasselbe gilt für den Schluss der Perlenfischer-Arie "Comme autrefois".
Callas weicht gerade in dieser Arie, soweit es eben noch künstlerisch vertretbar ist, den "gefährlichen Tönen" aus und bindet sie , anstatt sie wie früher auf Silbertellern zu präsentieren, "angetippt" in die Phrasen ein. Eine kluge Verschleierungstechnik, die in ausgezierten belcantoartigen Arien wir bei Manon und Leila möglich ist, bei grossen lyrischen Arien wie der unglücklichen Iphigenie jedoch nicht. Und leider auch nicht bei hohen Schlusstönen.
Im Falle der Leila ist der End-Ton so stark gewobbelt, dass er gar nicht mehr als der gewollte Ton erkennbar ist , eine Amplitude von mehr als einem Halbton aufweist und schmerzhaft falsch klingt .
Es gibt, abgesehen davon, in diesem Recital aber so kostbare Juwelen, dass man auch hier wieder die genannten Katastrophen vergessen will und kann.
Allem voran nenne ich die Arie der Berlioz und der Gounod Margarethe.
Callas gelingt es hier sowohl rein stimmlich wie auch gestalterisch den sehr verschiedenen Charakter dieser beiden frz. Gretchen zu verlebendigen.
In beiden Fällen gibt es für sie nur ganz wenige stimmliche Klippen zu umschiffen-die Tessitur und Kompositionsart kommt dem Zustand der Stimme 1963 sehr entgegen.
Das leidenschaftliche innere Glühen der Berlioz Margarethe setzt Callas so gekonnt in Gesang um, wie ich es trotz der herausragenden Interpretationen von Regine Crespin und Susan Graham noch nciht erlebt habe.
Das ist tief ergreifende Kunst und genau das, was Bernd oben mehrfach beschreiben hat: a kann man nicht ungerührt sitzen und zuhören- man hat die Margarethe in personam vor sich stehen!
Auch die Gounod Margarethe macht Callas- malgré Gounod- zu einer sehr ernstzunehmenden Figur .
Auch hier ist die Tessitura sehr angenehm für sie, denn die gefährlichen Höhen in der Juwelenarie sind meist sehr gut in Koloraturketten eingebunden, die keinerlei Problem darstellen, während sich die Ballade vom König in Thule ohnehin fast in Mezzo-Lage aufhält.
Ähnlcihes lâsst sich über die Charlotte und Manons "Adieu notre petite table" sagen.
Callas hat ihr Repertoire in diesem Recital klug gewählt und die Ausfälle bei Gluck und Bizet beziehen sich gottseidank nur auf wenige Töne.
Ihre Gestaltungs- und Ausdruckskraft macht aus jeder Arie eine echte Charakterrolle und stellt damit das frz. Fach auf eine sehr hohe Kunst-Stufe.
Eine Stufe, die ihm m.E. ohnehin gebührt.
Bernd hat mir gestern in einer Pn geschrieben, dass die Künstlerin Callas immer weiter wächst- auch dann, als ihre stimmliche Kraft schon hörbar im Sinken begriffen ist.
Das hat mir so gut gefallen, dass ich es hier einfach als Resümée zitiere!
Fairy Queen