Beiträge von Holger

    Hallo Ulrica,


    danke für die Antwort!
    Das meine ich auch; wenn sehr sauber gesungen wird, dann muss das eben zulasten der schauspielerischen Leistung gehen; weniger anstrengend ist das selbstverständlich nicht.
    Und wenn schauspielerisch viel verlangt wird, muss eben in Kauf genommen werden, dass auch schneller mal ein gesanglicher Fehler unterlaufen kann - dass das also nahezu zwangsläufig auf Kosten der gesanglichen Qualität gehen muss.


    :hello:

    Zitat

    Wäre nett, wenn man die Bemerkung mit dem müden Geiger im Zusammenhang lassen würde...dann wird sie nämlich weniger "unmöglich" Zornbinkerl


    Hallo Rosenkavalier,
    das ist ja leider oft so, dass so'n bischen drüber gelesen wird, aber für 'nen blöden Kommentar reicht's dann trotzdem noch. Habe ich volles Verständnis, kann ich mich auch drüber ärgern.

    Hallo Alviano,


    das hast du, glaube ich, nicht genau gelesen. Ich schreibe doch:


    Zitat

    Mir muss doch nicht mit einer Interpratation gleich mitgeliefert werden, was ich zu denken habe.


    Dabei setze ich doch voraus, dass das, was mir da geliefert wird, eine Interpretation ist.


    Ich habe mich ja schon in dem "Oper- altmodisch vs. modern"-Thread dazu geäußert, dass ich "pädagogisierende" (ich weiß auch nicht, ob der Ausdruck 100%ig ist, hoffe, man weiß oder ahnt, was ich meine) Interpretationen nicht so meine. Diese Wolfgang-Geschichte empfinde ich als ein gutes Beispiel für das, was ich mit "pädagogisierend" meine.

    Zitat

    ja, ich habe schon Dich gemeint, aber nicht beim Thema Humor, sondern beim Thema, wie eine Inszenierung aussehen sollte. Und das gehört in einen anderen Thread. Stichwort: Interpretation. Die ist für mich nämlich die Grundlage für eine Inszenierung. Theater, das nicht interpretiert, ist sinnlos.


    An welchen Thread denkst du denn?


    Aber ansonsten verstehe ich deine Kritik nicht. Bei einer Aufführung wird doch notwendig eine Vorlage interpretiert. Oder missverstehe ich hier etwas?

    Zitat

    na, das will ich aber doch nicht hoffen! Auch, wenn mir manche der hier vorgetragenen Positionen (Holger) überhaupt nicht nachvollziehbar ist


    Waaaaaaaaaaas?!?!?!?!?


    Zitat

    der Humor ist mir (und ich hoffe doch, auch Dir) noch nicht abhanden gekommen ....


    Ich bin mir ja jetzt nich ganz sicher, ob ich hier angesprochen bin, aber ich kann mich an deinem Beitrag durchaus erfreuen. Ob das jedoch ein zureichendes Argument dafür ist, dass ich humorvoll bin, weiß ich nicht. Allerdings bin ich auch ganz sicher nicht WAGNERIANER und ich würde mich auch nicht als Wagnerianer bezeichnen, obwohl ich Wagner schon ganz gerne höre.
    :hello:

    Hallo Ulrica,


    ich meine auch, dass in Verona besser gesungen wurde als in Bregenz. Genau wie du sehe ich hier einen Zusammenhang zwischen schauspielerischer und gesanglicher Qualität, der sozusagen gegenläufig ist. Allerdings meine ich, dass man in Bregenz gut daran tat, mehr Gewicht auf die schauspielerische Qualität zu legen.

    Zitat

    ich sehe diesen Satz ganz anders: hier geht es um die Ungeheuerlichkeit (oder einfach: die Tatsache), daß Scarpia sich in einer Kirche seinen abartigen sexuellen Gawaltfantasien hingibt.



    Das ist sicher richtig. Dennoch zeigen diese Worte doch unzweifelhaft, dass Scarpia normalerweise durchaus pietätvoll ist und über ein normales Unrechtsbewusstsein verfügt, dass es also eben die Begierde, die maßlose Leidenschaft für Tosca ist, die ihn seine Pietät und Moral vergessen lässt.

    Zitat

    Lasst bitte die Kirche im Dorf!

    Also bitte!!! Scarpia ist alles andere als ein armes Würstchen! Er ist Teil eines Systems und hat dieses so geschickt benützt um sehr weit hinauf geschwemmt zu werden. Hochgestellte Persönlichkeiten in totalitären Systemen sind niemals Opfer, auch dann nicht, wenn sie glauben zu schieben und in Wirklichkeit bereits geschoben werden. Es war ihre ganz gezielte Entscheidung! Und Mitleid wäre völlig fehl am Platz...


    Das ist Fairy Queens Deutung dieses von mir Verfassten:

    Zitat

    Das eigentlich Böse in dieser Inszenierung konnte nicht Scarpia sein; das eigentliche Böse ist dieses Auge, dessen Zentrum dunkel bleibt. Scarpia ist also sehr passend als als machtgeiler, egoistischer, lüsterner Verzweifelter erschienen; aber nicht als böser Unmensch.


    Scarpia ist sicher kein "Unschuldiger". Aber er ist von Puccini differenzierter gezeichnet, als er von Gobbi interpretiert wird - wie ich meine.
    Das zeigt doch das Ende von Scarpia am Ende des ersten Aktes gesungene verzweifelte:
    "Tosca, mi fai dimenticare Iddio!"
    Scarpia ist natürlich kein Unschuldiger, aber er ist auch kein schlichter "böser Unhold". Das ist in der Bregenzer Inszenierung gelungen rübergebracht worden.

    Hallo Fairy Queen et alii,


    ich habe auch noch einmal eben diese CD gehört. Die ist charakterlich schon sehr anders als die Bregenzer Tosca. Tito Gobbi ist ein geradezu dämonischer Scarpia.


    Gidon Saks nicht so. Er hat Scarpia eher ambivalent interpretiert. Ich finde allerdings, dass diese Interpretation sehr gut zur Inszenierung passt. Überhaupt ist da für Bregenz m.E. ein Gesamtpaket geschnürt worden, dass nur als solches beurteilt - und dann eben als solches bejubelt oder verworfen gehört.
    Ich finde, dass die einzelnen Ingredienzen, die den Gesamteindruck formulieren, nicht isoliert betrachtet werden dürfen, dass wäre nicht fair.


    (Ich muss jetzt zum Folgenden dazu sagen, dass sich meine Beurteilungen auf die Inszenierung ab Ende erster Akt stützen, die ersten 35-45 Minuten habe ich leider verpasst. Außerdem ist das natürlich eine Beurteilung, zu der ich anhand der Fernsehbilder gekommen bin; live mag sich das etwas anders darstellen.)


    Man hat sich in Bregenz zunächst für eine effektvolle, technikorientierte Inszenierung entschieden. Ich meine, dass da den Möglichkeiten, die durch den Open-Air-Festival-Charakter geboten sind, sehr gut Rechnung getragen wurde. Man die Sänger entsprechend gewählt. Schauspielerisch stark und optisch ansprechend. Die ganze Oper war als dramatisches, gleichsam gesungenes Theaterstück angelegt. In dieser Hinsicht ist die Wahl der Sänger sicher sehr, sehr gelungen. Was die Sangeskünste angeht, sind ja vor allem und auch zu Recht Gidon Saks und Nadja Michael kritisiert worden. Beide haben hier und dort Schwächen gezeigt. Lediglich Todorovich konnte als Sänger wirklich zufrieden stellen. Allerdings empfand ich gerade Todorovich schauspielerisch als am schlechtesten. Die schauspielerischen Qualitäten von Saks und Michael waren doch sehr viel überzeugender und weniger manieristisch, stilisiert. Ich persönlich empfand die Sangesleistungen auch von Saks und Michael immer noch absolut akzeptabel. Außerdem meine ich, dass erhöhter körperlicher Einsatz, was Mimik, Bewegung, etc betrifft, auch das Risiko erhöht, beim Singen Fehler zu machen. Wer also schauspielerisch mehr als das übliche stilisierte Gepose (das ja in der Regel auch ausreicht, im Falle von Bregenz, so denke ich, muss hier aber mehr erwartet werden, wenn die Inszenierung nicht lächerlich wirken soll) möchte, muss demnach gesanglich gewisse Ungenauigkeiten in Kauf nehmen. (Ich bin aber natürlich nicht vom Fach.)
    Ich meine also, dass die Art technik- und effektorientierter Inszenierung mit einem verstärkten Gewicht auf der schauspielerischen Leistung der Protagonisten Hand in Hand geht. Das Risiko, hier und dort musikalisch ungenau zu sein, hat man dabei billigend in Kauf genommen. Diese Gewichtung allein sagt dabei für mich nichts über die Qualität der Inszenierung aus, genauso wenig wie die Menge an Theaterblut, etc.


    Man hat den Plot in den beklemmenden Rahmen eines fiktiven totalitären Überwachungsstaates gelegt, dessen Strukturen, Ziele, etc. unsichtbar und undurchschaubar bleiben. Dieser Rahmen allein bedeutete für die Inszenierung ein beklemmend apokalyptisches Vorzeichen. Das hat man dann auch - richtig, meine ich - konsequent so durchgezogen: Dunkle Farben, spärliche Ausstattung, langsame Tempi (die die Musik düsterer und schauerlicher haben wirken lassen), eine fiese und brutale Folterszene; die äußerst brutale Ermordung Scarpias; auch die Schlussszene des ersten Aktes war grauselig - und dass all der Systemterror, der in dem alles überblickendem, allgegenwärtigem Auge symbolisiert war, auch noch durch die Ideologie zusätzliche Weihe erhielt (der Klerus am Ende des ersten Aktes), hat das Bild eines totalen, unüberwindbaren, grauenvollen Gefängnisses noch verstärkt: Jeden kann es hier, ja muss es in dieser Theaterwelt treffen, niemand kann entrinnen; jeder kann erschossen werden oder hinter Gittern eingepfercht werden; es gibt keine Fluchtmöglichkeit, nicht einmal eine ideelle. Am Ende sind es die in dieser Welt (sozusagen durch Scarpia) Gefangengehaltenen selbst, die dessen Tod rächen wollen - kein Halt in diesem Rahmen.
    Das eigentlich Böse in dieser Inszenierung konnte nicht Scarpia sein; das eigentliche Böse ist dieses Auge, dessen Zentrum dunkel bleibt. Scarpia ist also sehr passend als als machtgeiler, egoistischer, lüsterner Verzweifelter erschienen; aber nicht als böser Unmensch. Klare Konturen verschwimmen bei dieser Inszenierung: Cavaradossi erscheint als Naivling, Tosca verliert eigentlich schon dadurch, dass sie Angelotti verrät, ihre Unschuld; sie scheint irgendetwas zu suchen, was sie doch nie und nirgends finden wird; Scarpia dagegen hat weder Ideale noch Träume; er ist völlig seiner Gier ausgeliefert. Das lässt ihn letztlich klein und schwach erscheinen, nicht als der böse Oberfiesling, als den ihn Gobbi interpretiert. Das macht sich in der ganzen Interpretation Saks' bemerkbar.



    Ich denke also, dass da eine in sich sehr schlüssige, stimmige Inszenierung in Bregenz präsentiert wurde. Da greift ein Rad ins andere. Das sollte auch anerkannt werden.
    Ob einem persönlich dann die Gewichtungen und der Rahmen schmecken, ist eine andere Frage.
    Ich selbst kann es derartig fies und düster wohl mal gut vertragen.

    Hallo Draugur,


    ich kann diese "Wolfgang, weiß du eigentlich..."-Klugscheißerei auch nicht gut leiden. Das hat doch auch mit "Entweihung" überhaupt nichts zu tun; eher damit, dass ich als Hörer gerne möchte, dass mir von den Interpreten zugemutet wird, mir selbst Gedanken über ein Stück zu machen. Mir muss doch nicht mit einer Interpratation gleich mitgeliefert werden, was ich zu denken habe. Das stört mich.


    Und das Zweite: Ich stimme zu, dass diese "Wolfgang,..."-Sache eigentlich eine Art höchst fauler Kompromiss ist.
    Wenn Wagner ein noch nicht ganz ausgereifter Nazi ist, dann gehört er halt nicht gespielt. Und wenn er dann doch gespielt wird, gehört er boykottiert. Da muss man doch auch konsequent sein, finde ich, wenn man den guten Richard nicht ertragen kann. Oder alternativ bei bestimmten Passagen halt die Ohrstöpsel 'rausholen.

    Ich werde jedenfalls zukünftig graphisch zwischen dem Wagnerianer und DEM WAGNERIANER/dem Wagnerianer unterscheiden.


    ...bei Edwin, finde ich, ist überhaupt nicht klar, ob die Leute, die sich da so merkwürdig äußern tatsächlich WAGNERIANER sind (oder vielleicht doch nur Wagnerianer).
    Ok, ich vermute - fällt mir beim Schreiben so auf - die Unterscheidung zwischen Wagnerianer (also "Wagnerianer im weiteren Sinne") und WAGNERIANER (also "Wagnerianer im engeren Sinne") hält nicht stand.
    Ich habe in Dokus über Bayreuth schon die Rede von "Scharen von Wagnerianern" gehört - nach dieser Definition wäre dann wohl jeder, der gerade zufällig eine Wagneroper - oder zumindest: eine Wagneroper in Bayreuth - besucht ein Wagnerianer - wenigstens bis er dann das Opernhaus wieder verlässt und nach Hause geht.

    Hallo liebe Tamino-Freunde,


    ich sitze auch wieder vor der Glotze :no:.


    Und Liebestraum hat recht, gesungen wird wirklich wunderschön,
    aber...


    Was die schauspielerische Leistung angeht - das ist wohl jetzt bereits absehbar: kein Vergleich mit gestern.
    Die Inszenierung: gewöhnlich, aber absolut akzeptabel - finde ich.
    Die Orchesterleistung dazu passend: überpräzise würde ich das nennen.


    Unterm Strich: nett (im besten Sinne!). Ich werde es wohl noch dran bleiben. Echt schön zuzuhören.

    Hallo liebe Tamino-Freunde,


    ich habe auch die Bregenz-Tosca auf 3Sat gesehen - leider habe ich erst nach der ersten Stunde eingeschaltet.


    Über Stimmung, Inszenierung und Regie ist ja schon einiges Gutes gesagt worden und ich kann allem Positiven nur zustimmen, wirklich sehr atmosphärisch.
    Die sängerischen Leistungen fand ich auch ok, natürlich war die Tosca keine Callas, aber das wird doch wohl niemand ernsthaft erwartet haben. ;)


    Über die Kritik an Scarpia wundere ich mich. Mir hat die Scarpia-Interpretation am Besten gefallen, wirklich sehr, sehr düster. Mag aber sein, dass ich mich hier zu sehr von der schauspielerischen Leistung habe beeindrucken lassen.


    Alles in allem, wirklich sehenswert. Ich bin zufällig beim zappen drauf gestoßen - bin halt nicht so der Fernsehgucker. Bin aber sehr dankbar dafür.

    Hallo Edwin,


    sorry für die leicht späte Meldung. :O


    Aber ich möchte doch noch einmal nachhaken. Erst mal habe ich "The Rake's Progress" noch einmal gehört und finde die Oper immer noch sehr lahm. Allerdings stimmt es, dass das Ende schon gut ist, auch in puncto Musik muss ich dir recht geben. Trotzdem:

    Zitat

    Daß andere Verse mitunter gesucht sind oder der Stil von abgegriffener Banalität strotzt


    Zitat

    Dann beginnt sich aber das Stück etwas zu ziehen, wobei es natürlich immer wieder sehr gelungene Abschnitte gibt. Dennoch habe ich das Gefühl, ich höre das Räderwerk allzu absichtsvoll knacken: Die musikalischen Chiffren bleiben einander zu ähnlich, der Unterschied zwischen ernst Gemeintem, bewußter Stilparaphrase und Parodie ist nahezu aufgehoben. Womit mich die Bilder bis zum Kartenspiel eigentlich, ich muß es zugeben, langweilen.


    Außerdem, auch wenn das sicher Geschmackssache ist, im Gegensatz zu "Tom Rakewell" finde ich "Nick Shadow" und "Anne Trulove" ziemlich schlecht erfundene Namen, das hätte subtiler, weniger holzhammermäßig gemacht werden können.


    Was mich aber wirklich noch interessiert: Wieso hat Strawinsky die "psychologische Oper" abgelehnt? Und was versteht man darunter?
    Ich habe eine Ahnung und mir fallen spontan einige Opern ein, die ich "psychologisch" oder "psychologistisch" nennen würde, trotzdem, da würde ich mich über nähere Informationen freuen. Ist das ein terminus technicus, "psychologische Oper"?

    Hallo liebe Taminoaner.


    Ich muesste mich auch naeher in das Libretto hineinfuchsen, um so detailliert wie noetig darueber referrieren zu koennen, freue mich jedenfalls ueber eure Postings.
    Ich habe schon befuerchtet, dass bei den Namen etc. eine gewisse Absicht dabei ist, was es m.E. nicht besser macht. Sicherlich habt ihr aber trotzdem recht, wenn ihr sagt, dass es kunstvoll (im Hinblick auf das stilistische Vorbild) gearbeitet ist. Es ist schon interessant, hier die Zusammenarbeit von Komponist und Dichter in den Blick zu nehmen.


    @Edvin:
    Warum meinst du denn, dass die Musik nicht optimal komponiert ist? Ihr werdet ja sicher bemerkt haben, dass ich an der Musik nichts bekrittelt habe. Wuerde mich interessieren.

    Hallo Fairy Queen.


    Ich habe Luisa Miller einmal vor einer Weile in Leipzig gesehen. Es hat mir sehr gut gefallen. Schon ein Juwel (wie der ganze Verdi oder?) und vielleicht auch ein wenig vergessen, jedenfalls nicht so haeufig auf den Spielplaenen. Ich kenne mich aber mit Aufnahmen dieser Oper nicht aus und besitze auch selbst keine, kann dir hier also leider nicht weiterhelfen, aber da findet sich sicher wer! :yes:
    Ueber den Kanal, :hello:

    Zitat

    das Libretto eine der geistvollsten Geschichten der Gattung Oper.


    Ohne "The Rake's Progress" irgendwem abspenstig machen zu wollen, du hast schon recht, Johannes, jeder muss sich da ein eigenes Urteil bilden. Trotzdem - ich kopiere dieses Posting auch in den entsprechenden Thread: Ich finde gerade das Libretto ist die besondere Schwaeche dieser Oper. Ich bin - wuerde ich sagen - hochsensibel bezueglich Opernlibrettos und gleichwohl nachsichtig. Doch das Libretto von "The Rake's Progress" ist wohl eines der schlechtesten, wenn nicht das schlechteste Libretto, das ich kenne. Es ist halt fuer einen bestimmten Markt geschrieben und hat die Erwartungen dieses Marktes antizipiert (Strawinsky hat ja stets eine gewisse Sensibilitaet gegenueber dem Publikum gehabt -was ich keineswegs prinzipiell verurteile!).
    Wie man da auf "geistvoll" kommen kann, ist mir ein Raetsel, aber ich lasse mich eines Besseren belehren. Schon allein die Namen "Trulove", "Nick Shadow", wirklich geistvoll :no:.

    Zitat

    das Libretto eine der geistvollsten Geschichten der Gattung Oper.


    Ohne "The Rake's Progress" irgendwem abspenstig machen zu wollen, du hast schon recht, Johannes, jeder muss sich da ein eigenes Urteil bilden. Trotzdem: Ich finde gerade das Libretto ist die besondere Schwaeche dieser Oper. Ich bin - wuerde ich sagen - hochsensibel bezueglich Opernlibrettos und gleichwohl nachsichtig. Doch das Libretto von "The Rake's Progress" ist wohl eines der schlechtesten, wenn nicht das schlechteste Libretto, das ich kenne. Es ist halt fuer einen bestimmten Markt geschrieben und hat die Erwartungen dieses Marktes antizipiert (Stranwinsky hat ja stets eine gewisse Sensibilitaet gegenueber dem Publikum gehabt -was ich keineswegs prinzipiell verurteile!).
    Wie man da auf "geistvoll" kommen kann, ist mir ein Raetsel, aber ich lasse mich eines Besseren belehren. Schon allein die Namen "Trulove", "Nick Shadow", wirklich geistvoll :no:.

    Hallo Peter.


    Ich hatte schon angenommen, dieser Thread wuerde jetzt erst mal verebben; freue mich sehr, dass das nicht der Fall ist. Ich habe ja noch ein Posting gestern hinterhergeschickt, darauf jedenfalls ein Hinweis.


    Erst mal das vielleicht weniger Wichtige:

    Zitat

    Dem kann ich nicht so folgen, es gibt eben auch Schreibtischtäter, Vorbereiter späteren gräßlichen Geschehens, die müsste ich ausnehmen.


    Ich habe ja Hitler gerade als Schreibtischtaeter implizit genannt - Hitler ist natuerlich der Klassiker der Schreibtischtaeter, trotzdem...
    Ich meine, das man Wagner wirklich unrecht tut, ihn als Vorbereiter des 3. Reiches zu verurteilen - dazu sicher mehr, wenn ich wieder etwas mehr Zeit habe.


    Besonders interessant finde ich diesen Punkt:

    Zitat

    Deshalb bin ich so zurückhaltend, gleich mit dem "Heeresrufer" sozusagen das Kind mit dem Bade auszuschütten. Man kann über die einzelne Szene diskutieren, aber erst das Konzept der ganzen Aufführung kann einem den Aufschluss geben, wie die einzelne Szene zu bewerten ist.


    Ich bin nicht sicher, ob das so richtig ist, auch wenn du natuerlich da auf etwas Beachtenswertes hinweist.
    Ich stelle einmal die Frage, ob es legitim ist, von einem Gesamtkonzept ausgehend an einzelne Szenen heranzugehen. (...ich meine hier ein Regiekonzept! - die Oper ist ja selbst eine Einheit oder Ganzheit, die den Rahmen jeder einzelnen Szene bildet, dass man da also Kontrastierungen, wiederkehrende Elemente, etc. hat, ist keine Frage.) Ich persoenlich wuerde eher meinen, dass es sinnvoller ist von den Details und Einzelheiten auszugehen.


    Zitat

    Es gibt ja auch in der Musikkritik einige Leute, die warten nur auf ihre "Referenzstelle", gelingt die dem unglücklichen Künstler nicht, so ist das ausreichend, die Interpretation abzukanzeln. Sie kann aber trotz der vielleicht verpatzten exzeptionell sein.


    Da kann ich mitgehen. - Auch wenn jeder wahrscheinlich bei manchen Werken persoenliche Lieblingsstellen hat, die, sind sie schlecht dargeboten, eine ganze Auffuehrung schlecht erscheinen lassen.

    Hallo Peter et alii.


    Ich haette vielleicht meine letzten beiden Beitraege nicht posten duerfen. Sie sind beide eher spontane Reaktionen gewesen.


    Ich bin eigentlich immer etwas "blauaeugig" in die Oper gegangen. Habe mir die Oper angeschaut und hinteher dann relativ spontan auf dieses oder jenes Feature reagiert, affirmativ oder ablehnend.


    Ich hatte zuvor zwei Arten von "Aenderungen" benannt, von denen die erste zwar riskant, aber unter Umstaenden sehr gut zu rechtfertigen ist; die zweite Art sehe ich allerdings sehr kritisch.
    Hier zur Erinnerung das Zitat, in gewohnt flappsiger Manier (das werde ich auch nicht aendern, vor allem weil ich meine, das ein gewisses, verantwortbares Mass an Vulgaersprache schlicht kuerzer, pregnanter und nicht selten exakter ist):

    Zitat

    1.) Mit dem Stueck ist einfach so nichts mehr anzufangen. Teile davon sind zu gut, um es einfach im geschichtlichen Muelleimer vergammeln zu lassen, aber es gehoert ueberarbeitet/aktualisiert.


    Zitat

    2.) Mit dem Stueck ist einfach nichts mehr anzufangen. Aber - historisch gesehen - ist es zu bedeutsam, um es im geschichtlichen Muelleimer vergammeln zu lassen. Es gehoert daher tradiert - der Bildung halber. Die Auffuehrung ist eine Art "Anschauungsunterricht". Integraler Bestandteil einer Unterrichtseinheit ist - selbstverstaendlich - das Paedagogisieren des Lehrers, will sagen: Die bewusste Lenkung der Schuelerblicke; eine Fokussierung der historischen Bedeutung des Stueckes.


    Zum ersten Punkt waren zumindest Peter und ich uns einig, dass eine solche Aenderung idealerweise im Opernprogramm vermerkt gehoert.


    Peter hat bemerkt, dass natuerlich gewisse Aenderungen der musikalischen Praxis geschuldet sind. Auch wenn das ein wichtiger Punkt ist, glaube ich trotzdem, dass wir hier darueber nicht zu diskutieren brauchen. Wenn eine Aenderung der besseren Praktikabilitaet geschuldet ist, dann ist sie IMO ueber jede Kritik erhaben. Der Punkt wird wahrscheinlich eher sein, eine Aenderung als eine solche zu erkennen und klassifizieren zu koennen. Aber das will dann wohl bei konkretem Beispiel diskutiert sein.


    Ich habe die Vermutung angestellt, dass irgendwoe zwischen einer Aenderung, die der Vermittlung, und einer Aenderung, die der Paedagogik geschuldet ist, die Grenze zwischen akzeptabler und inakzeptabler Aenderung liegt (ich habe hier jetzt bewusst den Begriff "Interpretation" vermieden und stattdessen "Aenderung" gewaehlt - ich hoffe, damit Missverstaendnisse zu vermeiden).


    Diese Bemerkung hat mich jetzt noch einmal ins Gruebeln gebracht:

    Zitat

    Hip, Hip, Hooray: In Bonn hat Dietrisch Hilsdorf wieder zugeschlagen. "Sein" Othello spielt in einer Fabrikhalle und einem nach bedarf hineingezogenen Kubus. Drumherum gibt's bizarres Hafentreiben, wo Kapitän Ahab mit dem Schild "L'ultime Virgine" seine Tochter anbietet. Nackedeis gibt's auch: Eine Barbusige verführt Cassio. Spielen tut der Schmarr'n nicht um 1500 sondern - welch Wunder - in der Entstehungszeit der Oper +/- 50 Jahre. Kostüme waren entsprechend schlecht recherchiert.


    Ich meine, dass die hier angesprochenen Aenderungen weniger der Paedagogik als der Selbstdarstellungssucht des Regisseurs anzukreiden sind (ich selbst habe ja benannt Auffuehrung nicht gesehen, ich beziehe mich also nicht darauf - d.h., ich will keine Diskussion darueber lostreten, inwieweit die zitierte Beurteilung angemessen ist oder nicht; dazu wuerde ich mich wenigstens nicht aeussern koennen).


    Ich meine weiterhin, dass das, was ich paedagogisierend genannt habe, wohl dem Aspekt der "Selbstbezogenheit eines Regisseurs" unterzuordnen ist. Oder ist es umgekehrt? Ich denke, beides geht wohl Hand in Hand.


    Ich hoffe, es ist verstaendlich, woran ich denke, wenn ich von "paedagogisierend" spreche. Dazu erlaeuternd:

    Zitat

    Veraenderungen, die schlicht eine "neuartige", "nie da gewesene", "einzigartige" Interpretation dem Betrachter paedagogisierend aufzwingen


    Ich moechte hiermit jedenfalls, den Punkt, den ich positiv einzubringen habe, und das vorlaeufige Ergebnis meiner Ueberlegungen noch einmal zusammenfassend zum Ausdruck bringen.
    Wahrscheinlich wird niemand sich dazu aeussern moechten, was ich auch verstaendlich finde. Vielleicht hilft dieses Posting aber auch, die Diskussion in diesem thread noch einmal in sachliche Bahnen zurueckzulenken.


    Ich meine jedenfalls, dass eine gewisse Kriteriologie - so schwierig das auch sein mag - unbedingt noetig ist, wenn man sich Opern nicht einfach nur "gefallen lassen" moechte. Ausserdem meine ich, dass jeder, der nicht nur etwas ueber Opern "herumlabern" moechte, auch irgendwo in den Tiefen seiner selbst ueber eine solche Kriteriologie verfuegt, auch wenn er sich dessen vielleicht gar nicht so bewusst ist.

    Es deprimiert mich sehr, aber ich habe derzeit viel zuviel zu tun als auf saemtliche Beitraege einzugehen.


    Es juckt mich aber doch zu sehr, wenigstens einige wenige Bemerkungen nun schon vorzuschiessen.


    @Peter: Ausfuehrliches Zitat indiziert nich gruendliches Lesen. In puncto Wagner: Ich wuerde bei Edvins Beitrag "abscheulicher Charakter" durch "hoechst fragwuerdiger Charakter" ersetzen, ansonsten: that's it! Gerne in anderem thread mehr, aber Edvin hat es nahezu auf den Punkt gebracht. Ich werde mich dem sicherlich, wenn ich mehr Musse habe in einem geeigneteren thread noch einmal zuwenden.


    @Alfred: Nahezu ungeteilte Zustimmung. Ich wuerde nicht von "historischem Ambiente" sprechen. Auch wenn unklar bleiben muss, was letzlich genau 1.6 Jhdt. ist, es gibt so etwas wie Assoziationen dazu. Und es gibt gewisse Grenzen dessen, was da denkbar ist. Ob dann eine aegyptische Statue bei Verdis Aida dann "historisch korrekte" Haltung einnimmt oder nicht, finde ich dann allerdings weniger wichtig.


    Es ist doch wohl voellig klar, dass wir hier im Grenzbereich dessen diskutieren, was ueberhaupt diskutierbar ist. Deshalb bitte ich eindringlichst darum, moeglichst genau zu lesen - und sich moeglichst genau auszudruecken.


    Auch diese Passage Fairy Queens finde ich sehr gut. Ich habe ja auch den Unterhaltungsfaktor hervorgehoben und dem "Belehrfaktor" vorgeordnet. Der Punkt ist, dass ich irgendwo zwischen der Legitimitaet von Veraenderungen im Sinne eines impliziten Unterhaltungsauftrages einer Operninszenierung, den ich ganz subjektiv unterstelle (das sei ja wohl zugegeben!), und Veraenderungen, die schlicht eine "neuartige", "nie da gewesene", "einzigartige" Interpretation dem Betrachter paedagogisierend aufzwingen, die Grenze des "guten Geschmacks" sehe, dessen was als (aktualisierende - aber das ist doch eine Interpretation per definitionem, oder? - daher bleiben mir auch manche Ausfuehrungen zu "Raumbezug", etc. irgendwie unverstaendlich - ) Interpretation vertretbar ist. (Sorry fuer diesen Satz. Aber ich zerwusele den jetzt nicht in leichter verstaendliche und zweifelsohne auch stilistisch bessere Haeppchen - aus Zeitgruenden.)

    Zitat

    Ich mag keine Holzhammerinszenierungen, die mich brutal auf eine manchmal serh fragwürdige Scihtweise des Regisseurs festnageln wollen, sei sie politisch oder psychoanalythisch. Ich mag aber auch kein Opernmuseum, das nur noch romantische Gefühle und ewig-Gestriges befriedigen will und kann.
    Wenn Kunst nur noch ein nettes ästhetisches Erlebnis wird und nicht mehr aufstört, zum Neu-Denken anregt und aufregt, dann hat sie ihren Sinn verfehlt. Von daher muss , wie ja Peter schon viel besser gesagt hat, in jeder einzelnen Auffûhrung neu nach ienem stringentem ästhetischen Konzept geschaut werden, egal ob in historischem oder modernem Gewand. Ich lasse mich stets neu überraschen, begeistern oder abstossen-nur LANGWEILEN lasse ich mich nciht, dann stehe ich auf und gehe! :boese2:


    Und ganz abgesehen davon:
    Diese Scheinbiederkeit des oeffentlichen Raumes, diese "political correctness" ist mir irgendwie manchmal ueber. Jemand darf - so wie ich das sehe - doch gegenueber seinen Freunden dreckige, perverse, unmoegliche, gemeine, etc. Witzchen und Sprueche machen, wie er lustig ist, das haelt doch keinen Vergleich stand mit dem Befehl zur Endloesung, der ausgefuehrt wurde (!) oder dem eigenhaendigen Mord! Oder auch Mobbing (was auch schon schlimm ist).


    Und noch eine Kleinigkeit:

    Zitat

    Die Wahrheit aber ist die Wahrheit der Autoren. Eine Wahrheit gegen die Autoren, mag sie noch so überzeugend sein, ist eine Verfälschung. Wenn die Wahrheit eines Kunstwerkes seinen Interpreten nicht ausreicht, wenn sie sie nicht entdecken und zu ihrer eigenen Wahrheit machen können, müssen sie, wenn sie verantwortlich handeln, die Hände davon lassen und sich ein Werk für ihre Interpretation suchen, mit dem sie sich identifizieren können.


    :yes:
    Ein klitzekleines Beispiel:
    Verdi hat sich der Zensur beugen muessen - etwa beim Maskenball. Trotzdem wissen wir nicht, was Verdi produziert haette, wenn das Stueck in Neapel und nicht Boston spielen wuerde. So what?


    Hrgh. Ich haette noch so viel zu sagen! Aber die Arbeit ruft, nein bruellt!



    Gestresst, aber gluecklich. - Warnung: Habe Posting nicht Korrektur gelesen - hoffe, es ist trotzdem einigermassen Fauxpas-frei.

    Ich habe doch von "Anbetungsgeste" gesprochen. Das hat natuerlich implizite etwas mit Unterwuerfigkeit zu tun.
    Ich habe das mit dem Mauszeiger noch nicht ausprobiert gehabt, da erscheint bei mir "Jubel". Aber wenn der Smiley nicht eine immanente Aussage haette, dann koennte man ja gleich ein Schild mit "JUBEL" drauf einfuehren.
    Ich bitte wirklich, das mit dem Smiley nicht zu tragisch zu nehmen. Ein anderer "Liebling" von mir ist etwa der hier: :baeh01:
    :hahahaha:

    Hrgh. Ich kann lediglich 360Min. nach Verfassen eines Beitrages noch aendern. Gut, dann sollen meine Smiley-Auslassungen wohl drin bleiben.


    @Peter et alii (besonders Fairy Queen & Medard): Auch wenn meine Ausfuehrungen zu dem Smiley meine Meinung dazu repraesentieren, kann ich die trotzdem mit Humor nehmen. :hello:

    Hallo Peter et alii.


    Ich muss zugeben, dass ich mit dem Anbetungssmiley gegenueber eher skeptisch eingestellt bin - als Christ, verstaendlich. Gestern Abend habe ich hier Teile von "Any Dream Will Do" gesehen, da wird der naechste "Joseph" fuer Webbers Musical gesucht. Da sass dann Andrew "Lord Frog" Lloyd Webber auf gueldener Kathedra und als zu Beginn die Juroren vorgestellt wurden und sein Name gefallen war, wandten sich seine beiden Nachbarn in eben solcher Anbetungsgeste ihm zu, was nicht nur ich peinlich fand - His Lordship Webber himself auch.


    @Peter
    Ich verstehe nicht ganz, ob bzw. inwiefern du meinen Beitrag kritisierst. Ich denke, du kritisierst mich, aber ich bin nicht sicher.


    Z. B. worauf beziehst du deine Ausfuehrungen zum Raum? Du meinst da Aenderungen etwa der Dynamik, vielleicht in gewissem Masse der Notenwerte? Das wuerde ich als Interpretation einstufen und nicht als Bearbeitung.


    Das Thema "Originalklang". Es ist mir auch hier nicht ganz klar, was du meinst. Ich besitze etwa die Einspielung der Matthaeuspassion von McCreesh (... und ich habe gerade gesehen, dass die bei Amazon fuer 90€ steht, das ist ja Wahnsinn! Ich habe dafuer noch 30€ bezahlt!). Ich habe mir diese Aufnahme auf Anraten eines (mehr als) hervorragenden Organisten und Bach-Fans (der ist - im Gegensatz zu mir - wirklich Bach-Fan) gekauft. Die Aufnahme orientiert sich, was die Besetzung angeht, an den Bedingungen der Bachzeit. Trotzdem ist die Aufnahme atem(be)raubend. Ich persoenlich finde, die Passion gewinnt enorm dadurch, dass kein Kammerchor im Einsatz ist, sondern die Chorstuecke von den Solisten getragen sind. Trotzdem, warum nicht einen Kammerchor die Chorpartien singen lassen?
    Partitur und Libretto sind original. Mehr nicht. Und nicht selten - wie etwa bei Hoffmanns Erzaehlungen - gibt es auch mehrere Libretti und Partituren, die original sind und die Konzertanten haben die "Qual" der Wahl.


    Was ist denn nun der "Sinn" eines Librettos? Ich verstehe deine Ausfuehrungen so, dass du der Meinung bist, der "Buchstabe" des Librettos enthuelle den "Sinn". Genau das sagst du doch, wenn du von "Mollhaltigkeit", "Dissonanzen" und "strukturellen Verknuepfungen" sprichst, oder? Das heisst, was du einforderst, ist nichts anderes als genaues Lesen von Partitur und Libretto, oder?



    Ein "Sinn" jenseits des Textes koennte lediglich in den Leerstellen des Textes gefunden werden.
    Nun brauche ich dir nicht durchzudeklinieren, was etwa bei folgender Zeile aus einem bekannten Libretto an leerem Raum der Interpretation belassen ist:


    "La scena si finge nella città di Mantova e suoi dintorni.
    Epoca, il secolo XVI."


    Etwa aus Mantua einen Luxusliner zu machen? Ist das genaues Lesen?


    Ich meine, dass man durchaus auch dem Publikum zutrauen darf, sich Gedanken ueber die "Aktualitaet" eines Stueckes zu machen.


    Als Theologe bin ich in Sachen Hermeneutik ja kein Analphabet. Und meiner Erfahrung nach hilft es fuer das Verstaendnis der Weihnachtsgeschichte ueberhaupt nichts, aus Maria und Joseph zwei Obdachlose unserer Tage zu machen.
    Ganz abgesehen davon: Natuerlich kann man die Weihnachtsgeschichte in unsere Tage legen. Und "Jesus of Montreal" habe ich etwa gar nicht schlecht in Erinnerung (ist allerdings schon lange her, dass ich's gesehen habe).
    Auch wenn ich es fuer kuenstlerisch wertvoller halte, durch Musik und Spiel die Aktualitaet (die doch wohl keineswegs in einer - im weitesten Sinne - "ideologischen" Aussage bestehen muss, sondern doch auch schlich darin bestehen kann, dass ein Stueck auch, sagen wir, nach 200 Jahren noch hoechst unterhaltsam ist) eines Stueckes rueberzubringen als durch effekthascherische, scheingeniale inszenatorische Kunstgriffe, so mag eine Inszenierung hin und wieder trotz eben solcher unterm Strich gelungen sein. Nur waere ich dann eben - wie ich ja schon geschrieben habe und da hast du mir ja auch zugestimmt - fuer eine Kennzeichnung. Da mag dann statt "Bearbeitung" im Opernprogramm auch "aktualisiert"/"in einer modernen Inszenierung", o. ae. stehen.


    Weitaus problematischer - das wirst du an meinem Schreibstil gemerkt haben - finde ich dieses Paedagogisieren bei Inszenierungen a la (accent aigu ist mit englischer Tastatur so wenig machbar wie dt. ae) Heeresrufer als SS-Mann finde ich erheblich abstossender: Natuerlich war Wagner Teil einer historischen Bewegung, die schliesslich im Nationalsozialismus muendete, so what? Da kann jeder soweit, wie er moechte, sich mit beschaeftigen. Wagner selbst hat - soweit ich weiss - keine Juden umgebracht (und im Gegensatz zu Gesualdo auch sonst niemanden). Auch in seinen Werken kommen keine Juden vor. Er hat zwar unschoene Sachen ueber Juden geschrieben, aber auch nicht dazu aufgerufen, Juden zu toeten. Er hat zweifelsohne eine Art deutschnationale Kunst schaffen wollen - aber Verdis Opern tragen auch nationalistische Merkmale (was keine Entschuldigung ist). Auch solche Scherzereien wie diese Rhein-links-rechts-Geschichte kann ich mit Humor nehmen. Wer daran rumaendert faellt doch in dieselbe Falle, in die auch Wagner gefallen ist. (Letztere Bemerkungen gehoeren nicht in diesen Thread sind aber - leider - bei derzeitigem Diskussionsstand unbedingt unverzichtbar). Lohengrin und Tristan sind tiefromantisch; Parzifal gar pazifistisch. Wenn jedem Kuenstler seine Fehler in seinen Werken nachgetragen wuerden, wohin fuehrte das? Da kann man sich im Musikunterricht mit beschaeftigen, auf die Opernbuehne gehoeren solche Scherzereien - mit Verlaub - nicht.


    Lieber Peter, bitte fuehle dich von dem Geschriebenen weder kritisiert noch angegriffen. Ich moechte lediglich meine Position praezisieren und deine besser verstehen. Weit auseinander - wenn ueberhaupt - liegen wir meinungsmaessig, so mein Gefuehl, nicht. Wg. meiner Polemik hie und da bitte ich um Nachsicht.