Beiträge von davis1926

    Seit meiner Jugend gehört eine Bach-Passion in der Karwoche, auch für mich als Katholiken, unbedingt dazu. Einige Jahre habe ich die karfreitäglichen Aufführungen des Bach Collegium München unter Hansjörg Albrecht besucht. Heuer gibt es mal was Anderes, nämlich die Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle. Die Solisten: Camilla Tilling, Magdalena Kožená, Mark Padmore, Topi Lehtipuu, Christian Gerhaher und Thomas Quasthoff. Ich bin schon sehr gespannt, zumal es sich um eine Vorstellung "ritualisiert" von Peter Sellars handelt. Man wird sehen und hören, wie sich die Philharmoniker Bachs Musik angeeignet haben.

    In der Herstellung ist die CD sicherlich ein billiges Massenprodukt, als Rohling sogar ein typisches Wegwerfprodukt. Aber man kann, gerade wenn es um wertvolle Musik geht, durchaus was daraus machen, indem man zu den bloßen Daten sozusagen einen „Mehrwert“ schafft. Als Beispiel möchte ich nur die letzten CDs von Cecilia Bartoli nennen. Wenn Inhalt und Gestaltung auf hohem Niveau Hand in Hand gehen und dazu auch der Preis passt (meine Schmerzgrenze liegt bei 15 €), kann die CD jederzeit neben Streams und Downloads bestehen.

    Bei der gestrigen Jenufa-Premiere an der Bayerischen Staatsoper gab es eine besondere Freude für die Leute an den Stehplätzen im 3. Rang rechts: Der grau-zottelige Engländer im weißen Hemd war wieder da! Kenner dürften wissen, was das bedeutet, nämlich ein umfassendes Spektrum wahrhaft infernalischer Körperdüfte. Die jungen Leute neben mir – offenbar Neulinge – waren entsetzt, ein Mädchen hat in der Pause sogar aufgegeben. Ihr Begleiter hat versucht, den Herrn am Pausenbeginn auf seine Ausdünstungen anzusprechen, freilich zwecklos, in solchen Fällen reduzieren sich nämlich dessen Deutschkenntnisse auf Null.

    Die Vorgeschichte muss man sich ungefähr so vorstellen:
    Der Bachler Nick, der wo jetzt ganz neu von Wien nach München kommen ist, der hat sich gesagt, also für mein neues Opernhaus, da möcht ich in meinem ersten Jahr gleich so eine richtige Münchner Oper haben, die wo hier zum ersten Mal uraufgeführt worden ist, und die soll mir auch ein richtiger Münchner Regisseur machen, zwengs der Authentizität und so. Und da ist er auf die Palestrina-Oper von dem Pfitzner gekommen, die passt nämlich wunderbar, weil die ist in München uraufgeführt worden und handelt von der Kirche, was in Bayern ganz wichtig ist und außerdem kann man mit dem Palestrina, den wo kein Mensch kennt, zeigen, dass man ein Spezialist ist und nicht nur ein Theater für die Geldigen sondern auch für die anderen Spezialisten macht. Und dann hat der Bachler Nick den Stückl Christ gfragt, der ein ganz berühmter bayerischer Regisseur ist, weil der ist der Chef vom Münchner Volkstheater und hat da einen gefeierten Brandner Kaspar hingelegt und in Salzburg den Jedermann mit vielen Kinderl und so, ob der ihm nicht die Oper inszenieren tät. Und der Stückl Christ hat gsagt, ich kenn die Oper zwar nicht, aber ich schaus mir mal an. Und dann hat sich der Stückl Christ die Oper angehört und obwohl die ihm gar nicht gefallen hat und er sich denkt hat, mei o mei, lauters Kardinäle und Zeug, wen soll denn das interessieren, hat er dem Bachler Nick gesagt, du Nick, ich mach dir die Oper, des wird schon werden. Der Stückl Christ ist dann ganz oft von Oberammergau, wo er daheim ist, nach München in das Opernhaus gefahren und hat sich im Auto auch immer die Palestrinaoper angehört damit er sie lernt und hat dann im Theater immer fleissig mit den Leuten von der Oper gearbeitet, damit, wenn dann eine Aufführung ist, die wissen, wo sie stehen sollen und was sie beim Singen anziehen sollen. Und die ganze Zeit hat er sich immer denkt, mei o mei o mei, was hab ich mir da angfangt. Wie dann die Premiere näher gekommen ist, haben sie dem Stückl Christ gesagt, jetzt ist aber Schluss mit dem Inszenieren, jetzt müssen wir mit dem Orchester und den Sängern richtig proben. Und der Stückl Christ hat sich gedacht, mei o mei, hätt ich doch nur net ja gesagt und wär bei meinem Theater, des wo ich richtig gut kann und des mir so vui Spaß macht, geblieben.
    So war das vermutlich.
    Ich fürchte, diese Oper ist auch mit viel Herzblut nur schwer zu retten. Im Juni wird es in Frankfurt auch Harry Kupfer versuchen. Es wird in diesem Libretto einfach zu viel gequasselt. Im Vergleich mit seinen Zeitgenossen, die im Repertoire der Staatsoper zu sehen sind oder bis vor kurzem waren, etwa Humperdincks Königskindern, Busonis Doktor Faust oder gar Bergs Wozzeck verliert Palestrina deutlich. Vor allem der erste Akt erscheint nur wenig kürzer als endlos; hier muss man, Stückl hat völlig richtig darauf hingewiesen, Sitzfleisch mitbringen.
    In Erinnerung bleiben grandiose Sängerleistungen, etwa Christopher Ventris in der Titelrolle und Christiane Karg als sein Sohn Ighino, vor allem aber John Daszak, Falk Struckmann und Michael Volle als Kirchenmänner.
    Nach einem in jeder Beziehung langen Opernabend hat mich auf dem Heimweg aber vor allem eine Frage beschäftigt: Muss man diese Oper spielen? Gibt es im Repertoire des 20. Jahrhunderts nicht so viel anderes zu entdecken?

    Ich war am Sonntag auch nochmal im Onegin, dessen Qualitäten und Mängel mit der neuen Intendanz übrigens nicht das geringste zu tun haben; da schießt unser Freund aus Wien vielleicht etwas zu sehr ins Blaue.
    Es war vor allem eindrucksvoll zu erleben, zu welcher Zurückhaltung das Bayerische Staatsorchester unter Kent Nagano fähig ist, vor allem nach der Pause wurde in Hochform musiziert.
    Mit der Inszenierung konnte ich mich mittlerweile weitgehend anfreunden, die Grundidee der unterdrückten Homosexualität Onegins muss man eben akzeptieren, die etwas angestrengten Bemühungen des Programmbuches können hier eine Hilfestellung sein. Manches erscheint mir nun in dieser Serie auch klarer dargestellt, etwa die Alptraum-Polonaise. Anderes, vor allem die Billardtische, sind ob ihrer Lautstärke nach wie vor grob störend.
    „Mei“ (um mit Horst Seehofer zu sprechen), nicht jede Inszenierung auch eines großen Hauses kann ein großer Wurf sein, muss sie auch nicht. Aber wenn die Bilder einigermaßen schlüssig durchdacht sind und vor allem mitreissend musiziert wird, dann ist es kein verschwendeter Abend und mir Vergnügen genug.

    Das lässt tief blicken: Der Höhepunkt der letzten Münchner Opernsaison, Christof Loys Inszenierung von Henzes „Die Bassariden“ wird nun nach einem halben Jahr wegen zu geringer Nachfrage abgesetzt. So teilt der Münchner Merkur – danke, Markus Thiel, für die scharfen Worte – heute mit. So wird also der Auftrag zur Kulturvermittlung und zur Kulturweiterentwicklung im staatlich getragenen Haus in der soeben begonnen Bachlerphase interpretiert! Na gottseidank ist es gelungen, Anna Netrebko für die gefühlt hundertjährige Boheme-Inszenierung des Hauses zu verpflichten. Die wirds richten, da kommen dann die erwünschten zahlungskräftigen und –willigen Opernkulinariker in Scharen.
    Und für die jüngsten und kommenden Produktionen etwas problematischerer Werke jenseits von Hänsel, Gretel und dem sonstigen entzückenden Mainstream, der die Herzen alter Damen und kleiner Mädchen zuverlässig höher schlagen lässt, wie Doktor Faust (Busoni), Wozzeck (Berg) oder Palestrina (Pfitzner) kann man wohl schon jetzt ebenfalls ein absehbares wirtschaftliches Verfallsdatum prognostizieren.

    Danke, Bernd, genauso ist es.
    Die „Pinkelszene“ dauert grade mal ein paar Minuten. Und bei dieser „Pinkel-“ (richtiger Hexen-) Szene spricht das Libretto doch davon, dass diese „un'opra senza nome“, ein namenloses Werk, verrichten. Das ist für mich durchaus schlüssig gezeigt, wenn auch nicht schön und natürlich gesucht provokant.
    Bei der von mir besuchten Vorstellung gab es hier ein überlanges und daher auch äußerst störendes Buhkonzert. Wie immer in solchen Fällen ging es den Störern auch primär nicht darum, ihr Missfallen zu bekunden, sondern in erster Linie um eine eklige Selbstdarstellung. Beim Schlussapplaus gefiel sich ein einzelner „Experte“ darin, den Auftritt Nadja Michaels durch anhaltendes Gebuhe zu kommentieren, auch von anderen Besuchern („halts Maul“) lies er sich davon nicht abbringen.
    Meines Erachtens besteht kein Anlass, den Münchner Macbeth nicht zu besuchen oder gar bereits gekaufte Eintrittskarten wieder zu verscheuern.
    Ein bekanntlich harter Stoff, stark bebildert, mit gesanglich (Lucic) und schauspielerisch (Michael) hervorragenden Hauptdarstellern, einem famosen Chor und einem luxuriös aufspielenden Orchester.

    Ich konnte Annette Dasch in Salzburg als Donna Anna erleben. Zumindest bei der Premiere war ihr Auftritt stimmlich eher enttäuschend, aber das mag wohl auch an der schweren Partie liegen, die selten beglückend vermittelt wird. Ich bin gespannt, wo Frau Dasch in naher Zukunft ihre Schwerpunkte setzen wird, ob weiterhin mit interessanten Schwerpunktprogrammen (Armida) oder in Richtung größere Medienpräsenz mit gefälligerer Musikauswahl (darauf könnten ihre „Fernsehshow“ und das angekündigte Mozartrecital hindeuten).

    Alfred Brendel wird nach seinem Abgang vom Konzertpodium ohne Zweifel eine große Lücke hinterlassen. Nur wenige Pianisten haben ihr Tun so intensiv öffentlich hinterfragt und publizistisch begleitet und vor dem interessierten Publikum reflektiert, wie Brendel. Glenn Gould war ähnlichen Schlages, Andras Schiff ist unter den jüngeren zu nennen.


    Ich finde Brendels Konzentration und zugleich Bescheidung auf ein Kernrepertoire zwischen Haydn und Schubert, das wahrlich Kosmos genug für ein ganzes Pianistenleben ist und sein immer geringeres Interesse an der Lösung rein virtuoser Schwierigkeiten stets beeindruckend, in seinem Kreisen um musikalische Grundfragen.


    Julia Spinola hat für die FAZ den oben erwähnten Kölner Klavierabend besucht; zwei Zitate aus ihrer heutigen Berichterstattung:
    „Beiläufig an die tiefsten Geheimnisse zu rühren, Beziehungsvollstes im Gestus eines gedankenverlorenen, spielerisch fortspinnenden "Bandelns" auszufalten, Abgründiges im Gewand einer Skurrilität aufblitzen zu lassen - dies sind die fruchtbaren, den großen Wiener Klassikern abgelauschten Brendelschen Paradoxa.“
    „Welche Phantasie, welcher Ausdrucksreichtum Brendel zu Gebote steht, wie er durch feinste dynamische Schattierungen bei einem harmonischen Wechsel plötzlich eine völlig neue Perspektive aufreissen kann, mit welcher Selbstverständlichkeit er einem tändelnden Kinderthema, wie dem dritten des Kopfsatzes in der Schubert-Sonate, seine unschuldige Grazie entlockt, kurz: wie vertraut ihm die Sprache der Musik in all ihren Feinheiten ist - das warf an diesem Abend auch die bange Frage auf, ob sein Erbe im Zeitalter der Lang Langs noch eine Chance auf sinnvolle Einlösung oder Transformation haben wird.“

    Muss man nicht gleich alles schwarz sehen und bespötteln...
    Erstens handelt es sich wohl um ein weithin anerkanntes Verfahren, auch in der Gerichtsmedizin. Wie das funktioniert, wird hier (ww.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~E80C8018F95314021BC1011F91ED2DA74~ATpl~Ecommon~Scontent.html) recht anschaulich gezeigt.
    Zweitens scheint es sich hinreichend sicher auch um den korrekten Schädel zu handeln.
    Und drittens: Wenn nicht, auch egal. Ist doch immerhin ganz witzig, dem vermutlich "echten" Bach ins Angesicht blicken zu können.
    Also, in vier Wochen auf nach Eisenach.
    Übrigens weiß ich wirklich nicht, was NH-CDs sind...?

    Ich lese besonders gerne die Beiträge von Eleonore Büning in der FAZ. Vor allem, weil Frau Büning andere, oft auch ältere Einspielungen zum Vergleich heranzieht, was im Übrigen für jede brauchbare CD-Rezension selbstverständlich sein sollte.


    Ansonsten lese ich seit Jahren das Fono Forum, habe in jüngster Zeit aber öfter den Verdacht, dass die Qualität dieser Zeitschrift gefährlich nachlässt. So habe ich den Artikel über Beethovens Symphonien in der aktuellen Ausgabe als ziemlichen Tiefpunkt empfunden, vor allem was die Plattenempfehlungen angeht.


    Der Hort der Kompetenz ist und bleibt natürlich stets das eigene Ohr, das uns zuverlässig in bestechlicher Subjektivität immer verrät, was uns grade gefallen möchte.

    Ariodante an der Bayerischen Staatsoper am Sonntag, 6. Januar 2008.
    Da Vesselina Kassarova erkrankt war, gibt es eine Entdeckung zu vermelden (vielleicht hab ichs aber auch nur verschlafen): Als Ersatz wurde aus Berlin die australische Sängerin Caitlin Hulcup eingeflogen.
    Einer sängerisch ohnehin starken Vorstellung (für meinen Geschmack wunderbar: Olga Pasychnik und vor allem Rebecca Evans) konnte sie, erst 20 Minuten vor Beginn der Vorstellung im Haus angekommen und die Titelrolle konzertant aus dem Orchestergraben singend, noch ein Glanzlicht aufsetzen.
    Im Internet ist leider nicht viel zu erfahren, aber sie hat den Ariodante unter Christophe Rousset wohl bereits in London und Madrid interpretiert.
    Können Leser aus Berlin oder Halle etwas über die Sängerin beisteuern?
    Jedenfalls wär es schön, Caitlin Hulcup in der BSO auch einmal auf der Bühne zu erleben.

    Große Klassikkompetenz beweist das ZDF übrigens bereits heute Abend, 20.15 Uhr: André Rieu im Wunderland.




    Wer das nicht für möglich hält, kann es hier nachlesen: ww.zdf.de/ZDFde/inhalt/6/0,1872,1404038_idDispatch:7178343,00.html


    Offenbar ist aus dem ZDF ein Satiresender geworden. Gut, dass es "Classica" gibt.

    Der Pressetext zu der Sendung ist sehr vielversprechend:


    Zitat

    Man sieht die elegante Künstlerin bei der Verleihung des russischen Staatspreises durch Präsident Putin und erfährt im nächsten Augenblick, dass sie ein Faible für Frauenboxen hat und gerne mehr Zeit für die Disko hätte. Der sehr lebendige Film erlaubt bislang unbekannte, sehr persönliche Einblicke in das Privatleben von Anna Netrebko und porträtiert einen liebenswerten Menschen, der sich trotz der manchmal erdrückenden Popularität seine Natürlichkeit bewahrt hat.



    Ein klarer Favorit um den Preis für die "Lobhudelei des Tages".

    Auch von mir kurze Anmerkungen zum gestrigen Münchner Tristan.
    Mir sind vor allem die Ensemblemitglieder Daniela Sindram und Michael Volle überaus positiv aufgefallen. Schön, wenn man sich als Stammbesucher auf Sänger solchen Formats verlassen kann. Enttäuscht war ich allerdings von John Treleaven, ich habe seinen Auftritt gestern über weite Strecken als Ringen um die richtigen Töne erlebt. Auch beim Staatsorchester scheinen verwackelte Einsätze mehr und mehr zur Regel zu werden, und die Intonation der Bläser ließ stellenweise sehr zu wünschen übrig.
    Aber natürlich Konwitschnys legendäre Inszenierung! Eine verkleinerte Hinterbühne, verniedlicht, auch comic-haft die Kulisse, scheinbar gestutzt die übermenschliche Tragödie. (Natürlich auch mit einigen Albernheiten, etwa der bescheuerte Seemann im 1. Aufzug, die Freischützoutfits im 2. und der Yetipelz des Hirten im 3.) Aber, bei allen Wunderlichkeiten, die sich während des Geschehens einstellen, im 3. Aufzug, mit Tristans melancholischer Diaschau, dem Dialog der Englischhornspieler auf der Vorderbühne, dem für meine Begriffe prächtig gelösten „Liebestod“, dessen Konzept sich bereits im 2. Aufzug andeutet und allerspätestens mit dem wunderbaren Schlussbild, hat dich der alte Regiefuchs gepackt.

    Ich werde heute Abend in der Vorstellung sein. Wie es aussieht, gehe ich nach der feinen Salzburger Vorstellung vom Sommer gewiss einer großen Enttäuschung entgegen.
    Wie man hört, war der Regisseur sehr begeistert von dem Film „Brokeback Mountain“ und hat sich daher auf die homosexuellen Neigungen des Komponisten besonnen und darüberhinaus die Handlung kurzerhand in das Nordamerika der siebziger Jahre verlegt. Lenski wird erschossen, nachdem er die Hose geöffnet hat...
    Ich bin trotzdem immer noch davon überzeugt, dass es keine schwule Musik gibt.
    Das beste Mittel gegen fragwürdige Inszenierungen bleibt: Augen zu und durch.

    Es sei auf die Klaviersonate op. 1 von Alban Berg hingewiesen. Ein jugendliches, durchaus auch etwas schwärmerisches Stück, komponiert in einer Zeit des Aufbruchs in die sogenannte Moderne.
    Es gibt eine schöne Einspielung von Glenn Gould aus den fünfziger Jahren, dessen Werk von Sony unermüdlich „neu“ veröffentlicht wird, also stets gut greifbar ist.


    Letzte Woche, am 21. August ist Rose Bampton, gesegnet mit 99 Lebensjahren, gestorben. Werden manche gar nicht gewußt haben, dass die Toscaninis Leonore und Bruno Walters Donna Anna noch gelebt hat. Sie ist auf einigen Aufnahmen aus den dreissiger und vierziger Jahren noch zu hören. Arnold Schoenberg, in dessen Gurreliedern sie unter Stokowski die Waldtaube sang, nannte ihre drei Oktaven umfassende Stimme ein "Wunder".

    Zitat

    Original von musicophil
    Ich verstehe nicht, warum hier einen separaten Thread gemacht wird.
    Denn schon gestern hatte honigschlecker dies erwähnt in diesem Thread.


    Bitte entschuldige, musicophil, hab ich nicht gesehen...
    Aber eigentlich gehts hier ja gar nicht darum, ob Herr Wottrich seiner Stimme schadet, sondern eher um die Frage, ob er seinen Ruf ruiniert.
    :hello:


    So lobenswert und wohl auch nötig es ist, auch in der Klassikbranche auf Missstände hinzuweisen, so kommt es schon auch immer auf die Form an. Wenn man sich die albernen und ärgerlichen Rassismus-Scharmützel, die sich Herr Wottrich mit Herrn Schlingensief geliefert hat, vergegenwärtigt - ich nenne nur die Begriffe "Neger" und "Nazi", die dabei eine Rolle gespielt haben -, frage ich im Idiom meiner oberbayerischen Heimat: "Gehts no?"
    Aus der Position des Beleidigten heraus schwer auszuteilen und aufgeregt rundumzuschlagen hat für mich immer einen schlechten Mundgeruch.


    Auch stimme ich jenen zu, die den stilvollen Abgang von Robert Dean Smith hervorheben.


    So zu poltern wie Herr Wottrich schadet jedenfalls den teilweise guten Ansätzen seiner Kritik.

    Zitat

    Original von Alviano
    Wieso habe ich immer wieder den Eindruck, dass Wottrich besser keine Interviews geben sollte...?


    Hihi. :angel:
    Wottrich: "Heute ist die Oper ein Stundenhotel, in dem sie in möglichst wenigen Jahren möglichst viel Kohle verdienen müssen. Das ist Prostitution. Aber natürlich nehmen Anna Netrebko oder andere dieses Angebot auch an. Heute ist weniger die Stimme gefragt als das sogenannte 'Gesamtpaket', und mit der ersten Falte ist die Karriere am Ende."
    Sind Sie deshalb passionierter Bodybuilder?
    Wottrich: "Das hilft ja auch nicht." :beatnik:

    „Doping ist in der Musik längst Alltag“ Unter dieser Überschrift veröffentlicht die FAZ heute online ein Interview mit Endrik Wottrich. Es sei allen zur Lektüre empfohlen.
    Unfassbar, wie bescheuert man fragen kann: „Aber wie kann man während der Bayreuther Festspiele krank werden? Ein Olympionike bekommt während der Olympiade auch keine Grippe.“
    Aber ich zitiere lieber Einiges aus Wottrichs Antworten:
    „Dass Anna Netrebko in Salzburg vorgeworfen wird, dass sie unzuverlässig sei, ist eine Frechheit. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass sie eine Laryngitis hat. Natürlich hat sie die Vorstellung abgesagt, weil sie den Festspiel-Hype kennt, weil sie weiß, dass jeder falsche Ton ihr zum Grab in jener Stadt geworden wäre, in der sie zum Star gemacht wurde. Jetzt wird sie fallengelassen, als wenn sie lapidar gesagt hätte: ’Ach, ich bin dann mal krank.’ Letztlich ist die Oper in der medialen Wirklichkeit angekommen. Sänger werden heute nach den Kriterien von Jenny Elvers, Paris Hilton oder Christoph Schlingensief gemessen.“
    Zu Schlingensief: „Als ich mich mit diesem Trottel angelegt habe, hat alles angefangen! Damals schrieb die ‚Hannoversche Allgemeine Zeitung’, dass ich nach der Premiere ausgebuht wurde. Tondokumente beweisen, dass es kein einziges Buh nach dieser Aufführung gab. Die Konsequenz war, dass die Deutsche Presseagentur das übernommen hat und ich in der zweiten Aufführung konsequent ausgebuht wurde. In dieser Vorstellung saßen sogar Journalisten, die gebuht haben. Genauso war das mit der ‚Walküre’ dieses Jahr - es wurde wieder geschrieben, dass ich ausgebuht wurde. Da waren vielleicht zwei oder drei Buhrufer. Die Dinge bekommen plötzlich eine Eigendynamik.
    Über Claqueure in der Oper: „Bei meiner alten Lehrerin ist einmal ein sogenannter Chapeau-Claque vorstellig geworden, ein Anführer der Claqueure. Er hat gesagt: ‚Wenn Sie zahlen, rufen wir bravo, wenn nicht, wird gebuht.’ Mir sind einige dieser Leute namentlich bekannt - und dazu gehören sogar Journalisten.“
    Über Doping: „Darüber redet ja keiner. Dabei ist das Doping in der Musik längst Alltag. Solisten nehmen Betablocker, um ihre Angst in den Griff zu bekommen, einige Tenöre nehmen Cortison, um die Stimme in die Höhe zu schrauben, und Alkohol ist gang und gäbe. Die Angst ist zu einem großen Faktor geworden, so dass fast jedes Mittel recht scheint, um den Erwartungen gerecht zu werden. Das ist für die meisten Sänger der Anfang vom Ende. Es bedarf großer Kraft, all dem zu widerstehen. Letztlich müssen wir uns fragen, warum Musiker sich so verlassen vorkommen, dass sie zu diesen Mitteln greifen.“
    Über Rolando Villazón: „Ich würde mich erschießen, wenn ich eine Stimme wie er hätte und in den Zeitungen auf den „Mr. Bean der Oper“ reduziert würde. Er ist ein hochintelligenter Tenor mit einer wunderschönen Stimme. Aber das interessiert keinen mehr, weil er große Augenbrauen hat und lustig ist. Kein Wunder, dass man da krank wird.“

    Wenn es gestattet ist, würde ich gerne auch auf den heutigen Geburtstag dieses Herrn hinweisen:



    Der Pianist Sir George Shearing wurde am 13.08.1919 in London geboren.
    "My mind keeps flashing on my beginnings as pianist playing in a pub for the equivalent of $5.00 a week. What a journey it has been from that pub to Buckingham Palace. Receiving such an honour as a Knighthood might also show young people what can be achieved in life if one learns his craft and follows his dreams."

    Orchester und Sänger waren beileibe nicht so schlecht, wie in manchen Kritiken hämegesättigt ausgerufen wurde. Man muss, zumindest bei der zweiten Vorstellung, die musikalische Darbietung keineswegs als „ruinös unterbelichtet“, dank Markus Stenz’ Bemühungen als „leidlich pünktlich“ bezeichnen und auch die „gewaltige Hornpfuscherei“ (alles einer Kritik von Reinhard Kriechbaum zu entnehmen) blieb aus; über einen kleinen Patzer darf man auch bei den Wiener Philharmonikern mal hinwegsehen. Auch über die Sänger kann man durchaus Gutes sagen, es kann und muss ja nicht immer eine Sternstunde erwartet werden.
    Anders sieht es für mich mit dem Geschehen auf der Bühne aus. Das war, mit Ignaz Kirchner als Samiel, einem lustigen Jägerchor und einigen anderen Lichtblicken, eher fad. Und dann findet nach all den mit viel Inszenierungswillen vorgezeigten Verheutigungen der Geschichte der Schlußchor konzertant an der Rampe statt, so dass das Ensemble zur Entgegennahme des Applauses bereits richtig steht. Überhaupt wird nach alter Väter Sitte viel an der Rampe gesungen. Da ist dem Regisseur wohl nichts anderes eingefallen.
    Die Zwischentexte sind beim Freischütz immer problematisch, weil sie aus der Oper fast ein Theaterstück machen. Und wie auf der Sprechbühne üblich, hat man sich auch hier bemüssigt gefühlt, die sicher nicht allzu hochwertigen Kind-Texte für die „heutige Zeit“ zu verbessern. So akzeptabel ich die Idee mit den beiden Samielgehilfen finde, so belästigend ist das anbiedernde, vermeintliche Jungsprechrotwelsch, dessen sich die Figuren bedienen müssen. Hier wird „auf jugendlich gemacht“, was genauso peinlich deplaziert wirkt, wie die Garderobe des Chores im 1. Akt. Man weiß es ja nicht, aber sollten Leute aus dem Volk gemeint sein, so sind es doch eher Touristen aus Übersee in den Farben der siebziger Jahre.
    Man möchte das Publikum erfreuen/erschrecken mit pyrotechnischen Mätzchen, die so halbwegs gelingen, mit ein paar hübschen Stringtangatittenmäuschen, die es immerhin schon vor der Premiere mit einer Diskussion über die Höhe der Probengagen in die Zeitung geschafft haben, und mit ein paar finsteren Kostümen, die wir alle auch im Kino schon gesehen haben.
    Soweit in Kürze meine Eindrücke von der gestrigen Vorstellung. Bereut hab ich den Besuch nicht. Carl Maria von Weber hat ja bekanntlich eine wunderschöne Musik komponiert und das Treiben der Regisseure nehme ich nicht immer ganz so ernst. So eine Inszenierung ist ja gegebenenfalls bald wieder vergessen.

    Zum Geburtstag der von mir sehr geschätzten Gundula Janowitz findet sich heute in der FAZ eine Würdigung von Jürgen Kesting: "Ihre Aufnahme der Frauenlieder von Franz Schubert, sensibel begleitet von Irwin Gage, gehört zu den Inkunabeln des Liedgesangs." Das kann man wohl sagen. Ich würde den ganzen Text gerne hier reinkopieren, weiß aber nicht, ob ich das darf...

    Hallo Ingrid,
    direkt verboten ist das Fahren mit MP3-Player derzeit jedenfalls nicht. Schließlich darf man ja mit Freisprecheinrichtungen sogar telefonieren. Ein Stöpsel sollte also zumindest bei moderater Lautstärke nicht unbedingt schaden.
    Aber: § 1 Abs. 2 StVO fordert bei der Teilnahme am Straßenverkehr „ständige Vorsicht“ und § 23 Abs. 1 StVO macht dich als Autofahrerin dafür verantwortlich, dass dein Gehör nicht durch „Geräte“, also z. B. einen MP3-Player, beeinträchtigt wird.
    Die Frage, wie das nach einem Unfall aussieht, wird allerdings immer dem Richter überlassen bleiben.

    Bei einer völlig unerträglichen Inszenierung (hatte ich aber noch nicht) würde ich lieber die Flucht ergreifen. Bei den Meistersingern hab ich einen ziemlich traurigen Platz (2. Rang, 2. Reihe) und werde nicht sonderlich viel zu sehen bekommen.
    Onegin hab ich auf dem Programm, ansonsten Konzerte und den Jedermann. Für die Armida habe ich die Bestellung leider verschlafen. Annette Dasch hat mich als Pamina völlig verzaubert, auch ihre Freia in Salzburg hat mir gefallen. Freuen wir uns auf ihre Elettra!
    Hübsch wie sie ist, hoffe ich sehr, sie läßt sich nicht vernetrebkoisieren...