Ganz kann ich mir bei diesem Thread die Frage nicht verkneifen, wie eben Keith auch mal kurz, was dahintersteckt, dass es immer wieder so hoch kocht.
Zu einer Inszenierung bin ich erst einmal so lange einigermaßen leidenschaftslos, solange Gesang und Figurendarstellung stimmig sind; allerdings, zu beachten: einigermaßen!
Ich kann mich - gerade ohne greifbare Nachschlagewerke etc. - hier weniger dazu äußern, welcher Regisseur wann wo genau was verbockt oder verplüscht hat, sondern könnte allenfalls einige Opern nennen, die mir modern inszeniert im Gedächtnis geblieben sind, sei es gelungen oder nicht, aber das könnte keiner zuordnen. Erinnerlich sind mir z. B akut einige Inszenierungen von Peter Sellars, die mir zugesagt haben. Schenk - Inszenierungen habe ich auch gesehen. Dieser Stil ist mir, obwohl durchaus qualifiziert gemacht, zu verzopft; zu wenig geeignet m. E., um Oper heute interessant zu machen.
Persönlich tendiere ich auch mehr dazu, Opernkonsum mit gedanklicher Auseinandersetzung verbinden zu wollen. Priorität hat hier für mich das, was Sänger und Orchester übermitteln. Der Grundfokus des Genres liegt m. E. auf der Kunst, sängerisch - musikalisch zu übermitteln, was das Werk zu sagen hat. Das kann sowohl in einem konservativen als auch einem modernisierten Rahmen gelingen oder misslingen.
Trotzdem bleibt der Regie- und Ausstattungsbereich (das wird oft vermengt) keinesfalls außen vor, sondern dient (oder sollte das) der Grundanforderung.
Es wird sich ja meistens eher darüber aufgeregt, dass angeblich komisches Zeug auf der Bühne steht und wie die Akteure gekleidet sind als über die eigentliche Regie, die hier oft schon Personenregie genannt wurde. Es trifft allerdings zu, dass die Regie letztlich auch für die Ausstattung verantwortlich ist.
Ich bin hierin allerdings eher für Modernisierungen aus folgendem Gründen:
Moderne Inszenierungen versetzen ja oft die Handlung in die Gegenwart und in eine andere Umgebung als man automatisch mit einem Libretto assoziiert. Wenn der Stoff zeitlos genug ist (das sehe ich in sehr vielen Opern, ganz deutlich gerade in den Wagnerschen Stoffen z. B.), ist dies ein geeignetes Mittel, Gegenwartsbezüge wirklich herzustellen und das Genre aktuell zu halten. Gerade bei einem historisch belastetem Stoff wie dem Wagnerschen war und ist es sinnvoll, die Essenz für die Gegenwart herauszuarbeiten und die eigentlich verstellende Deutschtümelei daraus zu entrümpeln. Trotzdem ist Werktreue möglich, denn selten haben Komponisten sich zur Kleidung und zur Umgebung geäußert.
"Regietheater" will ja auch Handlungsauthenzität. Ein Anspruch, der bei historischen Opern m. E. nur bedingt erfüllbar - jedenfalls weniger als beim Sprechtheater oder gar im Film -, aber berechtigt ist. Es ist für unsere sehr realistisch geprägte Zeit eigentlich unerträglich, dass bei einer Szene des leisen Anschleichens einer so krawotisch rumbrüllt, dass die "geheime Kommandosache" im normalen Leben nie gelingen könnte oder dass - durchaus wissenswerte - Gedanken deutlich hörbar werden für andere, die es eben nicht hören sollten.
Wer einfach nur in Tönen und glanzvollen Kostümen schwelgt, dem ist das wurscht. Mir nicht (obwohl ich durchaus gerne in schönen Tönen schwelge). Hier ist in der Tat eine kreative Regie gefragt, der es gelingt, solche Umstände, die die Musik vorgibt, so stimmig für die Gegenwartsgewohnheiten wie möglich zu inszenieren, und sei es durch eine hohe Abstrahierung und Stilisierung der Handlung auf den puren Sinngehalt, etwa der ausgedrückten Gefühle.
All das hat natürlich seine Grenzen. Oper ist nun mal nicht Film, sondern muss z. B. auch auf Erfordernisse der Sänger für einen Gesang der optimalen Qualität achten. In dem Punkt bin ich vielleicht konservativ und bewundere viele alte Aufnahmen (akustisch), weil ich in vielen Fällen dort die Figurendarstellung über Stimme und Interpretation transportiert, ohne Optik voll erfasst vorfinde.
Aber warum solchen Gesang live denn nicht in einer Fabrikhalle, am Bahnhof oder am Tresen, wo die ausgedrückten Empfindungen heute gelebt werden?
Die "alten" Opern bewahren heißt nichts anderes als sie in der Gegenwart verständlich machen. Das Genre ist eine sehr komplexe Mischung verschiedener Bereiche der musischen Künste und wird nach meinem Dafürhalten mit vollem Potential transportiert, wenn die zeitlosen Grundaussagen, die mit diesem Genre mithilfe der Stimulation multipler Sinne und Gehirnsparten wirklich breit gefächert vermittelt werden können, nicht zwingend im Zeitgeschmack von vor 200 oder 300 Jahren steckenbleibt.
Ich versuche, das ganze unaufgeregt und auch unideologisch zu betrachten. Es bleibt nach wie vor über konkrete Einzelinszenierungen zu diskutieren, diese auch zu kritisieren. Ich fände es auch sinnvoll, wenn sich die BesucherInnen z. B. qualifiziert gegenüber der Intendanz äußern, aber ein grundsätzliches Sch…, nur weil modernisiert wird, kann es nicht sein, auch wenn das vielleicht bequem ist.
Wie schon zuvor gesagt wurde: Die Vorlieben können inzwischen kaum mehr mit politischen Vorlieben in Korrelation gesetzt werden, aber ich bezweifle bei der Verbissenheit dieser ständigen Grundauseinandersetzung, dass hierüber wirklich Konsens herrscht (sorry, da liegt die Schlagseite ziemlich bei den "Staubis"; ist nur mein Eindruck….)
Ich glaube, das grundsätzliches Für uns Wider hat sich hier wirklich allmählich totgelaufen haben. Wenn man sich zu Einzelinszenierungen weiterfetzt, ist das oft nicht weniger heftig, aber irgendwie bringt es mehr an Erhellung am Objekt.
LG
Ulrica