Die Abkoppelung einzelner Berufsgruppen aus einem Tarifgefüge wirkt sich aus der Erfahrung heraus immer nachteilig für die Arbeitnehmerschaft aus, weil es sie spaltet. M. E. ist der tiefere Sinn solcher Maßnahmen - neben eher vordergründig, aber kaum nachhaltig wirkenden Spareffekten - das schon antike Prinzip "Teile und herrsche".
Das mag jetzt plakativ klingen oder bei manchen als sozialistische oder gewerkschaftliche Propaganda aufstoßen, lässt sich aber anhand häufiger Vorgänge dieser Art - in Deutschland merkbar so seit den neunziger Jahren - gut belegen.
Beispielsweise ist meine Berufsgruppe der Verwaltungsbeamten in Bayern in punkto Besoldungs- und Arbeitszeitentwicklung seit gut 10 Jahren davon betroffen, dass eben die Tarifabschlüsse vergleichbarer Beschäftigter nicht mehr für uns übernommen werden. Das bedeutet, die Einkommensentwicklung fiel massiv zurück und wir arbeiten sein eben diesen 10 Jahren deutlich länger als die Beschäftigten. Momentan steht das Verhältnis 39 Wochenstunden für die Tarifkollegen und 42 für meine Beamtenkollegen und mich ohne Ausgleich, was einer Gehaltskürzung entspricht. Diese Umstände stehen überhaupt nicht mehr in irgendeinem nachvollziehbaren Verhältnis zueinander und bedeutet einen Rückschritt auf den Stand der 70ger Jahre und gilt zudem nicht einmal für sämtliche Beamte in Deutschland.
Nur der Tatsache, dass die Tarifbeschäftigten dem massiven Druck auf ihre Arbeitszeiten nicht nachgegeben haben, verdanken wir, dass unsere Gewerkschaften und Verbände mit diesem Ungleichgewicht weiter argumentieren können und allmählich auch in der Politik endlich Gehör finden. Mehr geht eh nicht, denn wir dürfen ja nicht streiken.
Man kann jetzt noch jede Menge Berufsgruppen anführen, wo es härter zugeht, aber das führt an dem Anliegen vorbei, denn auch diese oft übelsten Verhältnisse sind entstanden, weil sie einer wirksamen Interessenvertretung entzogen wurden.
Auf diesem Hintergrund hat der Streik der Orchester, wenn er dem oben formulierten Ziel gilt (leider hat meine Zeitung hierzu nicht informiert), meine volle Unterstützung, auch wenn ich die Einzelheiten dieses Entlohnungsgefüges nicht kenne. Je weniger es gelingt, die Beschäftigten auseinander zu dividieren, desto wirkungsvoller können die Arbeitnehmer - Interessenvertretungen für alle agieren, incl. der genannten Kleinverdiener, die sich wohl eher über verpulvertes Geld durch Misswirtschaft berechtigt ärgern als über eine angemessene Bezahlung einer anderen Dienstleistung, die die Orchestertätigkeit trotz allem echten und vermeintlichen Glamour bleibt.
Noch zum Abschluss: Das Streikrecht (zum Zweck der Verbesserung von Arbeitsbedingungen) stellt in allen der hier vertretenen Länder ein grundrecht dar und ist eben keine "Unverschämtheit".
LG
Ulrica