Zitat
Original von observator
ich möchte mich ausdrücklich bedanken für diese deine beiträge. ich bin begeisterter cembalo-hörer (wenn ich das so naiv formulieren darf) und finde deine übersichten sehr hilfreich. ausdrücklich möchte ich den wunsch nach analoger beschreibung von virginal, spinett, tafelklavier und clavichord einbringen.
Danke für die Blumen
Aber wenn ich das für jedes Tasteninstrument mache, muss ich wenigstens zweitweise meinen Broterwerb hintanstellen.
Andere an die Front!
Oder vielleicht genügt es ja vorerst, spezielle Fragen zu diskutieren?
Jetzt kommen jedenfalls erst einmal die Franzosen!
Die französischen Cembali sind ein merkwürdiges Kapitel in der Instrumentengeschichte.
Aus der Frühzeit, von den burgundischen Quellen bis ins 17. Jh., haben keine Instrumente überlebt, bis auf eines vielleicht, auf das wir später noch kommen.
Dagegen sind eine ganze Reihe Cembalobauer dokumentarisch belegt, und es gibt Beschreibungen der Instrumente. Danach scheint es sich um den dritten Entwicklungszweig zu handeln, der neben Italien und Flandern von Burgund ausgeht. Oft ist davon die Rede, dass die Gehäuse außen mit feinem gefärbten Leder oder besonders kostbaren Stoffen verkleidet sind. Möglicherweise gab es auch eine inner-outer-Bauweise wie in Italien und 4’-Fuß-Register wie in Flamen. Vielleicht (aber wirklich nur sehr hypothetisch) taucht hier die erste „echte“ Zweimanualigkeit für den Klangfarbenwechsel auf.
– kurze Zwischenbemerkung: Zu der Zeit wurden in Frankreich enorm viele Clavichorde (oft als „manicordium“ bezeichnet) gebaut. Soweit ich weiß, ist allerdings kein einziges frz. Clavichord erhalten. Sehr seltsam.
Das überkommene Instrument, von dem oben die Rede war, ist ein sehr spätes, eher schmuckloses Zeugnis. Es wurde gegen Ende des 17. Jh. von Vincent Tibaut in Toulouse gebaut. Colin Tilney spielt es auf einer Reflexe-LP „Französische Cembalomusik von Jean-Nicolas Geoffroy und Louis Couperin“, die es jetzt wieder als CD in der Reflexe-Box 7 gibt. Böse formuliert, kann man verstehen, warum diese Instrumente ausgestorben sind: Sie vereinigen zwanglos die Nachteile der Italiener mit denen der Flamen. Der Klang ist kurz, eher spröde und nicht sehr eindrucksvoll. Das, was da herauskommt, lässt sich mit einer Laute oder einem Virginal auch, wenn nicht sogar besser, erreichen.
Wohl schon in der zweiten Hälfte des 17 Jh. setzt in Frankreich der Run auf die Flamen ein. Die flämische Bauweise wird sklavisch kopiert, und man kauft alles, was sich irgendwie mit dem Namen Ruckers in Verbindung bringen lässt, auf. Besonders auf die Resonanzböden hat man es abgesehen. Man verwendet sie wieder in neuen Cembali, geht sogar soweit, dass man aus mehreren Virginalböden einen Resonanzboden für ein Cembalo zusammenflickt, nur damit man flämisch draufschreiben kann. Das gipfelt in einer grandiosen Fälscherkultur, in der sich auch renommierte Meister nicht zu schade waren, komplett neue Instrumente so zu bauen, dass der optische Eindruck entsteht, sie wären aus kleineren Flamen entstanden. Betrachtet und hört man vor allem heute solche Cembali, wundert man sich, denn die Qualität ist kein bisschen schlechter als die der Original-Flamen. Aber für die echten bzw. umgebauten Flamen wurde oft das Doppelte von dem bezahlt, was man bereit war, für einheimische Produkte auf den Tisch zu zählen.
Hier muss jetzt was zum Ravalement stehen: Dabei handelt es sich um Erweiterungen, die die Instrumente an die inzwischen gestiegenen Ansprüche an den Umfang anpasst. Es kommen im Bass und Diskant Töne hinzu. Die Unterscheidung zwischen grand und petit ravalement sind nicht ganz klar, aber ein kleiner Ausbau, petit ravalement, begnügt sich mit dem Hinzufügen einiger Saiten und der entsprechenden Tasten. Vergrößert man das Gehäuse und folglich auch den Resonanzboden, ist es ein großer Umbau, grand ravalement. Die späten frz. Cembali haben meist einen Umfang von FF bis f3.
Dazu kommen Register, die den Klang färben, ohne eigene Saitenreihen zu besitzen. Da wäre zunächst der auch anderswo gebaute Lautenzug, der durch seitliches Abdämpfen der Saiten mit Filz-, seltener Lederstückchen den Klang mildert und verkürzt. Und das typisch französische peau-de-buffle-Register, das statt mit Kielen aus Federkielen die Saiten mit solchen aus einem speziellen Büffelleder anreißt. Dadurch entsteht ein obertonärmerer, leiser Klang, der noch heute bezaubernd wirkt. Allerdings bekommt den nicht jeder Cembalobauer hin.
Auch der 4’ wird wesentlich leiser als bei den Flamen intoniert, es entsteht mehr ein Obertonzusatz als eine deutlich hörbare Oberoktave, ein bisschen wie die Mixtur einer klassischen frz. Orgel. Später werden für die Register Kniehebel eingeführt, die das Umregistrieren ohne Spielunterbrechung möglich machen.
Der Klang reicht von intim und lieblich bis prächtig bis pompös mit noch mehr Bass als bei den Flamen. Über die Literatur brauche ich nichts zu sagen, die ist Legion. Eine sehr gelungene, charakteristische LP gab es einmal von van Immerseel, wo er auch das peau de buffle sehr schön einsetzt; kann sein, dass sie zu dieser CD mutiert ist:
Äußerlich fehlt es ebenfalls an nichts: Der Resonanzboden ist bemalt, die Außenseite des Kastens oft extrem luxuriös ausgestattet; feine Chinoiserien auf Goldgrund sind nicht selten. Die Innenseiten der Deckel tragen eindrucksvolle Gemälde. Das kostbarste Instrument ist wohl ein Flame à grand ravalement mit einem echten (?) Rubens im Deckel. Es hat Marie Antoinette gehört. Preislich dürfte jede Stradivari daneben blass aussehen.
Diese Hochkultur hielt lange an – das Hammerklavier konnte sich hier nicht so durchsetzen wie anderswo –, und erst die französische Revolution setzt ihr ein Ende. Dann aber richtig. Die Cembali stehen als Symbol für den Feudalismus und fliegen gleich reihenweise aus den Fenstern und/oder enden als kostbares Brennholz. Trotzdem haben sich im Ausland und vornehmlich in der Provinz zahlreiche Instrumente erhalten, die man sich auch heute noch ansehen und –hören kann. Falls Interesse an bestimmten Adressen (Museen mit bedeutenden Sammlungen vor allem) besteht, kann ich die gerne nennen.
Einen Mausklick wert ist auf alle Fälle die
Russell Collection of Early Keyboard Instruments in Edinburgh
(die entsprechende Adresse nach dem www lautet: music.ed.ac.uk/euchmi/ucki.html). Hier gibt es oft mehrere Pläne und Fotos von den Instrumenten, auch vom Innenleben, und zusätzliche Informationen.
Schöne Grüße
Hildebrandt
edit: Franzosen angehängt