Ihr habt es so gewollt.
Etwas vorweg: Instrumente sind bis ins 20 Jahrhundert hinein fast immer Einzelanfertigungen. Das gilt natürlich erst recht für Tasteninstrumente der Renaissance und des Barock. Deshalb gibt es große individuelle Unterschiede. Allerdings ist es bei einem Cembalo sehr einfach, durch den Saitenbezug und die Intonation (vor allem Stärke und Schnitt der Kiele) ein bestehendes Klangbild deutlich zu verändern. Nichtsdestotrotz gibt es zeitliche und regionale Charakteristika.
Nehmen wir uns erst einmal das deutsche Cembalo vor, das es aber gar nicht gibt.
Norddeutsche Cembali sind etwas anderes als mitteldeutsche, westdeutsche oder süddeutsche.
Ein bisschen verhält es sich hier wie bei den Orgellandschaften, wo es ja ebenfalls ausgeprägte Charakteristika nicht nur bestimmter Zeiten, sondern bis weit ins 19. Jahrhundert hinein eben auch der einzelnen Regionen gibt.
Fangen wir im Norden an, sind es drei oder vier bis heute bekannte Namen: Fleischer, Hass, Vater und Zell. Bis auf Vater, einen Schnitger-Schüler, war keiner Orgelbauer.
Typisch für die Instrumente aus diesen Werkstätten ist die doppelt gebogene Hohlwand, es gibt also keinen Knick am schmalen Ende, sondern eine Kurve zur Längswand – ganz wie die heutigen Flügel, die diese Form wohl daher haben.
Von Vater ist nur ein kleineres, einmanualiges Intrument überliefert, von Fleischer drei, von Hass und Zell einige mehr.
Besonders Hass und Zell sind berühmt für ihre großen, repräsentativen Cembali. Geld spielte offenbar manchmal keine Rolle, und so erklärt sich da auch die Ausstattung mit manchmal drei Manualen und solchen Exotismen wie 2’-Register. Einen 16’ gab es schon öfter einmal bei zweimanualigen Instrumenten, wie der überhaupt keine so besondere Seltenheit war. Aber das bekommen wir ein ander Mal.
Das Klangideal wurde oft als orgelähnlich beschrieben, und tatsächlich können diese Schiffe einen Krawall produzieren, der eben das ganze Spektrum abdeckt – aber dabei durchaus angenehm klingt.
Was spielt man auf solchen Boliden? Die Frage lässt sich nicht so einfach beantworten, vielleicht die großen Händel-Suiten?
Puyana hat als Besitzer eines originalen dreimanualigen Hass-Cembalos damit eine Fandango-Aufnahme (Soler u. a.) gemacht. Sicherlich reizvoll, aber ...
Staier spielt auf „Hamburg 1734“ eine gelungene zweimanualige Hass-Kopie und brilliert u. a. mit Tastenfassungen Telemannscher Orchesterwerke – kommt schon eher hin. Und auch die Buxtehudeschen und Böhm’schen Orgelwerke machen eine gute Figur.
Die Resonanzböden sind fast alle bemalt – meistens mit den üblichen Streublumen. Die Innenseiten der Deckel zeigen oft eigens angefertigte Gemälde, auf denen z. B. der Besitzer in einer historischen oder biblischen Szene verwewigt ist. Das Gehäuse ist unterschiedlich gefasst; mal schlicht lackiert, mal mit aufwändigen Verzierungen bis hin zum Farb- und Malstil Delfter Kacheln ausgestattet.
Westdeutschland ist nicht so spannend, weil hier der französische Einfluss sehr stark war. Am Rastätter Hof spielte man entweder auf französischen Originalen oder ähnlich konzipierten Cembali aus der Region.
Süddeutschland ist mit Österreich ein Kapitel für sich, weil hier lange der italienische Einfluss prägend war: Leichtere Gehäuse, die ebenfalls zur Resonanzabstrahlung dienen, kürzere Mensuren (Saitenlängen), etwas kürzerer, wärmerer, aber trotzdem tragender Klang. Von Frescobaldi bis Kerll und sonstwohin ist die Literaturauswahl groß.
Das problematischste, aber allein schon wegen Bach reizvollste Kapitel ist Mitteldeutschland. Silbermann kann man hier ausklammern, weil der eine eigene Tradition mitbringt, die mit seinem älteren Bruder, bei dem er gelernt hatte, von Sachsen in den Elsaß gewandert war. Von dort bringt er diesen Stil zurück nach Freiberg und entwickelt ihn natürlich auch weiter. Gediegene, großvolumige Instrumente, mit denen sich alles mögliche verwirklichen lässt – von den Franzosen bis zu Bach, aber es klingt immer nach Silbermann.
Dabei gibt es eine eigene spannende Tradition in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Die Namen sind Mietke (bei dem kaufte JSB ein Instrument für die Weimarer Hofkapelle und saß höchstvermutlich beim 5. Brandenburgischen höchstselbst daran), Gräbner, Harrass und Hildebrandt – ja der, der auch die Naumburger Orgel gebaut hat. Oft handelt es sich um große, edel furnierte Möbel, manchmal aber auch – bei Gräbner in Dresden oft – um bemalte und dekorierte Instrumente, die äußerlich sehr den französischen ähneln. Die Hohlwand ist mal einfach, mal doppelt gebogen.
Hildebrandt ist ein Sonderfall, nicht weil er Schüler von Silbermann war – davon hat er sich ziemlich schnell emazipiert -, sondern weil er engeren Kontakt zu Bach hatte. Das Bestreben nach Gravität, das ja allgemein und nicht nur Bachs Anliegen war, führte bei dieser Zusammenarbeit zu einem Instrument mit eigenem Resonanzboden für den Bass, was diesem einen erheblichen Schub verpasste. Übrigens ist eine ganz ähnliche Konstruktion etwa gleichzeitig von Dulcken in Antwerpen entwickelt (aber bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts falsch verstanden) worden – es lag also in der Luft.
Da das aber eine anspruchsvolle, zeitaufwändige Konstruktion war, kam man mehr und mehr dazu, einen zusätzlichen Saitenchor aufzuziehen, den 16’. Lange war das berühmt-berüchtigte Berliner Instrument „MI 316“ Vorbild für 16-füßige Cembali, allerdings mit Metallrahmen und in Rastenbauweise, wie sie ähnlich Wanda Landowska schon vor sich hatte. Diese zweimanualigen Eierschneider haben nichts mit dem inzwischen eruierten Zustand des Berliner Kielflügels zu tun, der aller Wahrscheinlichkeit nach zumindest ein Zwilling des „großen furnierten Clavessin“ (oder so ähnlich) aus Bachs Nachlass sein könnte, wenn er es nicht sogar selbst ist. Dieses Instrument stammt mit ziemlicher Sicherheit von Harrass und besaß einen 16’. Mittlerweile sind eine ganze Reihe 16-füßiger Instrumente nachgewiesen. Sie waren nicht selten und machten sicherlich einen "sonderlichen Effect". Man muss sich das wie den 32’ bei einer Orgel vorstellen: Der Bass schafft eine zusätzliche Dimension nach unten. Immerhin reicht er unter den Umfang des Violons, ein Subkontra-F oder –G war der tiefste Ton.
Was man drauf spielt? Bach natürlich. Und alles, was Bach drauf gespielt hat.
Für heute genug. Was darf es noch sein?
edit: kleine Schreibfehler ausgebessert. Sind wo noch welche? *hüstel*