Beim Durchforsten meiner Rätsellösungen auf weitere auslagerungsfähige Beiträge stieß ich auf den nachfolgenden Beitrag, den ich, da ich für diese Oper(ette) keinen eigenen Thread aufmachen möchte, nach der üblichen Überarbeitung und Aktualisierung, die schon deswegen nötig war, weil ich einiges davon schon weiter oben geschrieben habe, hier einstellen möchte.
Puccini und Franz Lehar schätzten und bewunderten einander sehr, und so war es wenig erstaunlich, dass Lehar seinem Freund aushalf, als dieser einen Librettisten für eine Auftragsoperette für Wien suchte. Er empfahl ihm zwei Librettisten die beide schon für ihn gearbeitet hatten und das auch erneut tun sollten, nämlich A.M. Willner (DER GRAF VON LUXEMBURG, EVA u.a.), und Heinz Reichert (DER ZAREWITSCH), der mit Willner gemeinsam u. a. auch die Libretti für WO DIE LERCHE SINGT und FRASQUITA verantwortete, um nicht zu sagen verbrach.
Obwohl sich das in letzter Zeit, nicht nur wegen der MET-Aufführung, die zu diesem Thread führte, zu bessern scheint, handelt es sich bei dieser Operette an der Schwelle zur Oper (oder umgekehrt) um das mit Abstand unbekannteste und am seltensten aufgeführte Werk des späten Puccini, das zudem fast von Anbeginn an unter einem Unstern stand. Die Fertigstellung seiner ersten Fassung fiel in den Auftakt des ersten Weltkriegs, der Puccinis österreichische Auftraggeber auf der Gegenseite seiner italienischen Heimat sah. Zwar haben die meisten schon mal den Titel gehört, aber kaum jemand kennt die verschlungene Handlung. Glücklicherweise gibt es dank der verdienstvollen Vervollständigung des Oeuvres von Puccini im hiesigen OPERNFÜHRER eine sehr gute Inhaltsangabe. Ich kann mich hier also auf die Werksgeschichte dieser mindestens hübschen, aber doch auch seltsamen Kreuzung aus LA TRAVIATA und DIE FLEDERMAUS konzentrieren.
Puccini nahm den Auftrag des Verlegers Emil Berté und "seines" Wiener Carlstheaters trotz seiner Abneigung gegen die Operette an, weil er mit einem äußerst lukrativen Vertrag verbunden war. Er wollte allerdings keine richtige Operette schreiben, eher eine komische Oper "wie DER ROSENKAVALIER, nur unterhaltsamer und mehr organisch". Bekanntlich gelang ihm das in keiner Weise. Schuld daran ist nicht zuletzt das operettige deutschsprachige Originallibretto (das heute als verloren gilt), das sich nicht scheute, die bittersüßen Elemente der TRAVIATA mit Schwankmotiven aus DIE FLEDERMAUS zu kreuzen, was auch in der professionelleren Überarbeitung von Puccinis späterem Stammlibrettisten Giuseppe Adami nur zu einem uneinheitlichen Ergebnis führte, dessen konträre Elemente einander nur zu oft neutralisieren.
Dennoch schuf Puccini eine sehr gefällige, eingängige und keineswegs oberflächliche Musik, die in dem heutigen langen Abstand von der Entstehungszeit (jedenfalls mir) wesentlich besser zu gefallen vermag als seinerzeit. Puccinis Versuch, einen musikalischen Gegenpol zu der "hässlichen Weltkriegsmusik" seiner Zeit zu errichten, hatte zwar zunächst bei der kriegsbedingten Uraufführung in Monte Carlo großen Erfolg, wurde aber sehr bald angesichts des gleichzeitigen Massensterbens in den Schützengräben als rückständig und oberflächlich disqualifiziert. Der Vorwurf hat zwar einen zutreffenden Kern, überrascht aber dennoch insoweit, als zur gleichen Zeit Lehàr mit ähnlichen Elementen seine größten und dauerhaftesten Erfolge feierte.
Wahrscheinlich wollte man Puccini einfach nicht als Operettenkomponisten akzeptieren, denn seinen Zeitgenossen LEONCAVALLO und MASCAGNI ging es ja mit ihren Zwitterwerken LA REGINETTA DELLE ROSE und SÌ, die als Opern schwach, als Operetten aber hochinteressant waren, kaum besser. Sie alle wurden von den Opernliebhabern missachtet, von den Operettenliebhabern aber auch nicht angenommen, weil denen wiederum die Musik nicht schmissig genug und zu opernhaft war. Wir hatten es halt schon immer mit den Schubladen und Prokrustesbetten. Wer aber die Scheuklappen ablegt, wird hier ein sehr schönes und im musikalischen Umfeld seiner Zeit erstaunlich eingängiges Werk kennen lernen, das die Begegnung zumindest für all diejenigen lohnt, die sich von derart bittersüßen Stoffen und der entsprechenden Musik, zumal auf dem hier gebotenen, hohen Niveau, nicht von vornherein abschrecken lassen.
Meine Lieblingsaufnahme ist leider auch die teuerste, sollte aber auch diejenigen begeistern, die, wie ich auch, mit dem Gheorghiu/Alagna in ihrer heutigen Verfassung sonst nicht so viel anfangen können. Dies ist das Verdienst Antonio Pappanos, der aus den beiden, aber auch aus dem Orchester und den Nebenrollen das Optimale herausholt, was diese Oper(ette) zu bieten hat. Ich habe sie schon weiter oben genannt. Auch die übrigen Einspielungen, unter denen die mit Anna Moffo herausragt, wurden bereits aufgeführt. Die Ausnahme ist diese, zu der ich aber mangels eigenem Anhören weiter nichts sagen kann, außer dass sie mindestens billig, womöglich aber auch preiswert ist. Vielleicht kann jemand dazu noch etwas sagen, denn Haralds Hinweis auf diese "Billigaufnahme" finde ich etwas kryptisch:

Ich habe ihm jedoch für den Hinweis auf die kanadische TV-Verfilmung mit Teresa Stratas zu danken, die ich daraufhin bei Opera Share fand. Sie ist dank einer hinreißenden Stratas definitiv das Anhören wert, und auch der Umstand, dass das Werk unter dem Titel "The Swallow" in englischer Sprache aufgeführt wird, stört mich bei einem ursprünglich nach einem deutschen Text komponierten Partitur Puccinis nicht besonders. Leider ist ihr Umfeld ihrem Standard nur sehr partiell Weise gewachsen. Das gilt bestimmt nicht für die ziemlich einfallslose und konventionelle Regie Norman Campbells, aber auch das sehr undifferenzierte Dirigat Brian Priestmans kann wenig überzeugen, und der Tenor Anastasios Vrenios, der schon die Bonynge-Aufnahme von Meyerbeers HUGUENOTS fast ruinierte, lässt Alagna in seiner heutigen Fassung mindestens nicht ganz schlecht aussehen bzw. anhören. Unter diesen Umständen ist es verschmerzbar, dass die Aufnahme gekürzt ist. Ohne die Stratas wäre sie sogar sehr leicht verzichtbar. Deren Darstellung aber ist es wert, sich die Aufnahme einmal anzusehen und trotz gravierender technischer Probleme (Übersteuerung) mindestens der mir vorliegenden Kopie auch anzuhören.
Deshalb würde ich eher zu meinem Mitschnitt der MET-Aufführung greifen, wenn ich das Werk mal wieder sehen und nicht nur hören will.
Auf eine wirklich zufriedenstellende DVD des Werkes werden wir aber wohl weiterhin warten müssen.
Jacques Rideamus