Aber Bach hat religiös anders empfunden als einer, der heutzutage seinem Glauben angehört.
Lieber Helmut,
zuerst einmal, ich bin froh über jede Diskussion die nicht in Wortklauberei abdriftet, sondern die in gegenseitiger Achtung und mit geteilter Freude an der Sache geführt wird - daher passt auch der Dank! 
Zweitens: " Gänsehaut" verstehe ich natürlich AUCH als Synonym für Momente in der Musik, bei denen für mich einfach alles stimmt und ich, manchmal für Sekundenbruchteile mit der Musik eins werde, das geschieht bei mir wortwörtlich manchmal mit Gänsehaut, manchmal mit einer Träne und manchmal hebt mich Musik körperlich spürbar an ( ich meine gute Musik, schlechte kann das aber auch...
) Und ich glaube, die Symptome mögen sich unterscheiden, diese besondere Kraft der Musik kann dennoch jeder spüren, auf seine ganz eigene Weise.
Doch nochmal zu dem ausgewählten Zitat: Ihr habt natürlich recht, wir glauben niemals wie Bach, denken nicht wie Robespierre und können uns auch nicht komplett in die Gedankenwelt von Franz Liszt eindenken - als Beispiele.
Und doch, versuche ich als theologisch nicht gänzlich unbewanderter Hörer mich bewußt über das Medium Musik in den Glauben Bachs einzufühlen, will sagen, mich interessiert gar keine zeitgemäße Übertragung der Inhalte eines Kantatentextes, sondern ich versuche zu erspüren, wie ein Glaube sein muss, der Sätze wie: " Komm, oh Tod, Du Schlafes Bruder" oder " Lieber Gott, wenn werd ich sterben"spricht. Und ich kann sagen, dieses Nachspüren bereichert mich und rückt mich näher an Bach heran,an dessen lebensfrohen, widerständigen, aber auch stets mit getroster Gewissheit über das Grab hinausschauenden, gottergebenen Glauben. Und über das Bereichern hinaus, empfinde ich oft einen tiefen Trost, den ich sonst in unserer hoch abgesicherten und doch stets furchtsam zitternden modernen Welt vermisse...
Tja so gehts es mir - ganz unwissenschaftlich - mit der Rezeption... 
Herzliche Grüße
Stefan