Beiträge von Oolong

    Hallo,


    ich muss hier noch einmal eine Lanze brechen für dieses tolle Folksong - Album



    Ich bin ebenso wie einige Forianer hier im Thread kein Crossover- Freund. Doch Folksongs sind für mich auch nicht wirklich Crossover, sondern ein eigenständiges Genre, dass mit den vielfältigsten Stimmen gut und " richtig" gesungen werden kann. Und da reicht das Spektrum eben vom knarzigen Folk- Reibeisen in der Kehle bis zum brillianten Altisten.


    Jenseits aller Analyse liebe ich dieses Album wegen der Schönheit des Gesanges aber vor allem wegen der alles durchdringenden Melancholie in der Stimme von Andreas Scholl. Eine Melancholie die nichts Depressives hat sondern von einer ganz warmen Traurigkeit bestimmt ist. diese Musik bietet damit sehr oft einen Resonanzboden für meine Stimmung.



    Mein Lieblingstück auf dieser Platte ist übrigens das Lover's Lament " Charming beauty bright" - das könnte auch Steine zum Weinen bringen... :yes:



    Gruß


    Stefan

    Hallo zusammen,


    dieses Mal werden Zauderer belohnt. Da die Aufnahmen der Brandeburgischen kombiniert mit den anderen Instrumentalkonzerten von Cafe Zimmermann noch nicht vollständig vorlagen, habe ich mit dem Kauf noch gewartet. Und sehe mit einiger Genugtuung, dass nun parallel zum abschließenden Vol. 6 eine Gesamtbox erscheint. Die ist bei dem einen Werbepartner noch recht teuer, beim anderen jedoch schon unschlagbar günstig. Meinen die amazonier diesen Preis ernst?? 20,99 für alle 6 CDs??8o Egal, die wird schnell bestellt, bevor man sich das anders überlegt... :baeh01:





    Gruß


    Stefan

    Lieber Dr. Pingel,


    da liegen wir dann tatsächlich wieder beieinander - auf dem internationalen Plattenmarkt kann man sicher mit den traditionellen deutschsprachigen Knabenchören nicht bestehen, weder gegen die professionellen Spezialensembles noch gegen die englische Chortradition! Und bei den Aufnahmen schien mir Biller tatsächlich - gerade auch im Vergleich mit den Lokalrivalen des Dresdner Kreuzchores unter Roderich Kreile - nicht immer so eine glückliche Hand gehabt zu haben. Auch wenn für die Dresdner das o.g. strukturelle Grundproblem ebenso besteht, scheinen sie es bisher besser zu verkraften. Nach meiner Meinung ist der Kreuzchor derzeit ( auch durch die geringere Bindung ans " überlaufene"Bachsche Werk) derzeit agiler und spannender!


    Schauen wir mal, was die Zukunft bringt


    Gruß


    Oolong

    Hallo Dr. Pingel,


    ich möchte nur eine kurze Anmerkung zum Randthema " Thomaner und Kantor Biller" machen. Deine künstlerische Bewertung von Billers Leistung möchte ich nicht diskutieren, sie sei Dir unbenommen - ich teile sie allerdings so nicht!


    Mir geht es nur darum, darauf zu verweisen, dass die Ausgangssituation des Chores, die Kantor Rotzsch in der DDR hatte, ÜBERHAUPT NICHt mit der heutigen Situation vergleichbar ist. Der Thomanerchor galt bei den bürgerlichen und kirchlich geprägten Eliten der DDR als eines der ganz wenigen Refugien staatsfernerer Bildung mit der Möglichkeit zu reisen ( ob Rotzsch diese Staatsferne nicht gerade untergraben sollte, wird unterschiedlich gesehen, aber das möchte ich nicht hier bewerten) . Der Chor hatte also die Auswahl aus den begabtesten Jungen der ganzen DDR.


    Heute nun ist die Nachwuchsaquise ungemein schwierig geworden und der Teich, in dem die Talente gefischt werden, sehr klein. Der damit sicher einhergehende Rückgang sängerischen Potentials ist aber wahrlich nicht Biller zuzuschreiben. Dass er auch Probleme hat, bestreite ich nicht - ich rechne es ihm jedoch hoch an, dass er die Bindung des Chores an den Gottesdienst wieder deutlich verstärkt hat und ich habe manche musikalisch UND geistlich überzeugende Kantate oder Motette in der Thomaskirche gehört. Rotzsch mag den besseren Chor geleitet haben, sein geistliches Profil mußte jedoch durch Biller erst wieder rekonstruiert werden. Das mag manchen Hörer nicht interssieren - seis drum - mir ist das wichtig.


    Gruß


    Oolong

    Hallo Accuphan,


    nun weiß ich ja nicht, wie es um Deinen privaten Kantatenbestand bestellt ist, aber als ALLEINIGE Grundlage des Hörens heute noch Rilling zu wählen, fände ich noch einmal überdenkenswert. Wohlgemerkt, ich gehöre nicht zu den Leuten, die Rilling eines langweiligen Musizierens zeihen, aber die Jahre sind nicht spurlos an diesen Einspielungen vorbeigegangen. Viele an sich tolle Solisten klingen halt mehr nach Opernhaus als nach Thomaskirche und die Durchhörbarkeit ist trotz der brillianten Gächinger Kantorei aufgrund der Chorgröße nicht immer optimal, ebenso der Klang. Wenn ich also unverbindlich raten darf: Aus den von mir voll akzeptierten nostalgischen Erwägungen Rilling kaufen und mit ein wenig Gardiner, Koopman, Suzuki, Rifkin, Coin, Herreweghe, Leusink oder manch anderem modernen Musikanten unterfüttern.


    :hello: Stefan

    Alle Jahre wieder... die gleiche Situation!


    jpc hält es wie der Nikolaus: man beschert in freier Gnadenwahl, man hätschelt Groß-wie Kleinbesteller mit Geschenken,anderen zeigt man trotz riesiger Umsätze die kalte Schulter, so ist das halt. Ich habe - bei nahezu gleich gebliebenem Umsatz von ca. 1000€ vor 2 Jahren die Lotti- Vespern bekommen, 2010 und 11 gabs aber nichts für mich.


    Das halte ich aus, glaube aber, das jpc mit dieser wohl willkürlichen Gratifikation marketingstrategisch nicht optimal vorgeht. aber das schöne daran ist - DIES IST NICHT MEIN PROBLEM! :pfeif:


    Gruß


    Stefan

    Hallo Volker,



    ich wünsche Dir ein behütetes neues Jahr mit überbordendem Genuss unserer geliebten Musik! Leider hat MDR Figaro keine auswertung mehr im Netz, ich habe aber kurz hineingehört und kann deshalb sagen,dass mein Tip zutraf - Chailly hat mit weitem Abstand gewonnen - der Reiz des Neuen kann da wohl nicht überboten werden.Es wurde aber nur der übliche I-III Torso gesendet ( und weil noch Zeit war die IV von Schreier) Den 2. Platz finde ich da überraschender, aber keinesfalls unverdient: Martin Flämig mit dem Kreuzchor Dresden. Abgeschlagen hinten lag wohl Harnoncourt und dann kam schon bald " unser" Richter ( ob vor oder nach Jacobs weiß ich nicht).


    Aber bei mir gibts am Donnerstag Kantate Nr. 6 - mit Karl Richter! :D


    Gruß


    Stefan

    Hallo,


    meine - zugegeben unverbindlichen Vorhaben sind:


    1. Paralleles Hören vieler Bachkantaten zur Einordnung der jetzt vollständigen Gardiner - Aufnahmen ( ich vergleiche mit Rilling und Leusink, komplementär manchmal Harnoncourt / Leonhardt und Herreweghe


    2. British Light Music


    3. und zur ästhetischen Läuterung wieder mehr Renaissance- Messen und Motetten


    4. Händelopern und die Jacobs'sche Mozartsichtweise


    Und in wenigen Stunden beginne ich damit - da dann mein Weihnachtsurlaub startet! :jubel:


    Ich wünsche Euch allen ein gesgnetes Fest und einen behüteten Schritt nach 2011


    Gruß :hello:


    Stefan

    Hallo,


    der MDR Figaro begeht Weihnachten basisdemokratisch und läßt die Hörer wählen, welches WO am ersten Weihnachtstag um 15.15 Uhr gesendet werden soll.


    Zur Wahl stehen:


    Peter Schreier ( als Dirigent)



    Martin Flämig mit dem Kreuzchor



    Karl Richter ( mit Fritz Wunderlich)



    Nikolaus Harnoncourt ( 2006 )



    Rene Jacobs



    Georg Christoph Billers Neuaufnahme mit den Thomanern



    und schließlich Ricardo Chailly



    Ich habe mitgemacht und als Freund HIPer Aufnahmen, der sächsischen Musiktradition und als Verehrer von Peter Schreier blieb mir nur eine Wahl: MEIN Weihnachtsoratorium dirigiert von Karl Richter.


    Prognostisch gesehen dürfte diese Aufnahme aber kaum eine Chance auf Sendung haben. Ich tippe da momentan eher auf Chailly.


    Gruß


    Stefan

    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Aber Du wirst doch z.B. nichts dagegen haben, ein Schwein als Schwein und ein Kalb als Kalb zu erkennen, oder? Insofern durchschaust Du Dein Essen womöglich mehr als die Musik, die Du hörst.


    Das mag sein...! Wenn ich von Grundbestandteilen sprach, meinte ich die ISOLIERTEN Einzelkomponenten, die in einer perfekt zubereiteten Gesamtheit aufgehen. Und tatsächlich schmeckst Du nicht, wie gut ich es in einem Gericht koche, wenn Du zuvor das Schwein in die Keule beißt...


    Und, mit Verlaub, zumindestens im städitschen Lebensumfeld kann es sein, das die Segnungen der Lebensmittelindustrie dazu führen, dass DU die Musik, die Du hörst, wesentlich besser durchschaust, als das, was Du isst...


    Gruß
    Stefan

    Hallo Reinhard,
    also von " durchschauen" kann zumindest bei mir Laien keine Rede sein. Ich bezog mich allein auf die für mich fassbaren Informationen, DIE bringen mich weiter. Also etwas zu Hintergründen und Wesen des Werkes - ein musiktheoretisches Sezieren hingegen wäre so, als müßte man jedes köstliche Essen erst in seine Grundbestandteile zurückverfolgen...


    Gruß
    Stefan

    Lieber Musikwanderer,



    hier nur ein schneller Tip für Einspielungen des " Transeamus usque in Bethlehem" - welches ich ebenfalls sehr schätze:



    Diese Texgrundlage wurde ja auch für eine kleine Kantate durch Johann Heinrich Schmelzer verwendet. Ich kann da die Einspielung mit den Tenören Eberhard Büchner und Peter Schreier empfehlen




    oder aber eine neuere Einspielung mit Bell'arte Salzburg für zwei Soprane- Emma Kirkby und Susanne Rydén



    Beide ganz tolle Weihnachtsplatten!


    Gruß


    Stefan

    zuert einmal möchte ich Dir zustimmen- mir geht es genauso, wie Dir. Das Wissen, dass ich mir als musikalisch ungebildeter, bzw. nur durch Hören gebildeter Mensch zu einem Stück aneignen konnte, erhöhte stets meinen Genuß beim Hören.
    Da ich keine Partituren lesen kann, geht es bei mir oft um die Hintergründe und Deutungen bestimmter musikalischer Erscheinungen, die ich " aus zweiter Hand" erfahre und nachzuerleben versuche. In meinem Stammgebiet, der geistlichen Musik, geht es mir hingegen um das semiotische Prinzip der Musik, also welche theologische Essenz, welche " Predigt" steckt in den Noten. In diesem Bereich war Bach so genial, dass wir es heute nur erahnen und partiell nachvollziehen können.


    Ich nenne mal ein ganz bekanntes Beispiel:
    Im Eingangschor der Matthäuspassion sind viele unerfahrene Hören ganz berührt, wenn die Knaben im Cantus Firmus " O, Lamm Gottes unschuldig" anstimmen - da wird ja auch sehr deutlich gepredigt.
    Entsprechend verunsichert war ich, als ich vor Jahren den bei brilliant erschienenen BBC-Mitschnitt unter Paul Goodwin anhörte - und da einfach kein Knabenchor kam. Flugs nachgelesen, erfuhr ich, dass Bach in einer Frühfassung den Choral nur von der Orgel in das doppelchörige Wogen hineinspielen ließ. Und diese zarte,silbrige Orgelstimme, die immer vom Untergang in den Klangwogen bedroht zu sein schein - die öffnet mir den Himmel. Der Knabenchor scheint dagegen eine fast unnötige Unterstreichung dieses kargen Chorals. Nur, würde man ihn beim Gelegenheitspublikum heute noch erkennen...?


    Gruß
    Stefan

    Hier mal wieder eine Gänsehaut, eine novemberliche:


    Aus den von mir witer oben schon gepriesenen " Musikalischen Exequien" von Heinrich Schütz in der Aufnahme unter Rudolf Mauersberger




    Diesesmal ist es eine Stelle der " teutschen Begräbnismissa", in der die Solisten in kargen, strengen Worten das Leid eines Menschenlebens, seine Verstrickung in Schuld besingen und konkret das oft jämmerliche, gnadenlose Sterben der Gläubigen ( als führen sie ins Verderben) in die Ohren meißelt, singt der Knabenchor ganz schlicht dagegen an:"....aber sie sind im Frieden!"


    Da brauchts keine Worte mehr!


    Gruß


    Stefan

    Da antworte ich mal. Obwohl ich den gesamten Kantatenzyklus in der Leusink und der Rilling -Einspielung, danaben eine lange Reihe von Einzeleinspielungen Richters, Herreweghes, Suzukis, Harnoncourts/ Leonhardt und mit den Thomanern schon besessen habe, konnte ich es - nach anfänglichem Zögern- nicht unterlassen, mir den gesamten Gardiner noch zuzulegen. Sehr hilfreich war dabei Volkers dankenswerter Hinweis auf die Subskription im Direktbezug bei Monterverdi u.k. - dies hat mir viel Geld gespart!


    Konkret auf Deine Frage geantwortet: Wenn Du Kantaten nur nebenbei mal hören willst, brauchst Du sicher keine vollständige Einspielung, da könnte ein Pasticcio von verschiedenen Interpretationsansätzen bei Deinen Highlights vollauf genügen. ABER wenn Du die Einzigartigkeit von Gardiners Projekt und die Wunder des Bachschen Kantaten- Kosmos erfahren willst, gehts nicht ohne die Gesamtaufnahme.


    Gardiners Ansatz gefällt mir dabei ausgesprochen gut, dort wird knackig und begeisternd musiziert und aus meiner Sicht dennoch der geistliche Gehalt der Kantaten mit großer Ernsthaftigkeit gepflegt.


    Im HIP- Bereich war also Gardiner meine erste Wahl - ich gebe zu, dass der Vorzug insbesondere vor Suzukis ähnlich guter und eleganter Einspielung, auch mit meiner Liebe zur englischen Chortradition verbunden ist( die Koopman- Aufnahmen habe ich dann nicht mehr probegehört, kann also nichts dazu sagen).


    Gruß


    Stefan

    Hallo, zweiterbass!


    Klar, offizielle Doktrin aus Rom ist, es gibt nur eine " Ecclesia", nämlich die römisch- katholische! Nun weiß ich aber aus sicherster Quelle, dem Neuen Testament, dass diese Frage nicht in Rom, sondern vom HERRN entschieden wird. Und ich glaube, der hat den dicken, poltrigen Bruder Martin, den jähzornigen und doch frommen Johann Sebastian, Dich und mich genauso gern in seiner einen ( katholischen) Kirche, wie den sich selbst zu wichtig nehmenden Bischof von Rom... ;)


    Gruß


    Stefan

    Hallo, zweiterbass,


    zur Frage des " catholicam et apostolicam Ecclesiam" in der h-moll Messe und der Frage der Bedeutung dieser Formel für Bach habe ich eine explizite Meinung: Wie oben geschrieben, war Bach orthodoxer Lutheraner sächsischer Tradition, Luthers Theologie springt mich oft in Reinform aus Bachs Werk an ( un verbindet mich über die Jahrhunderte mit ihm). Doch weder der theologisch hochgelehrte Bach noch der ursprünglich " Verantwortliche", Bruder Martin, waren konfessionelle Separatisten. Vielmehr verstanden sie das "catholicam" im ursprünglichen Wortsinne des griechischen καθολικος (katholikos) - als die eine, allgemeine, weltumspannende ( apostolische) Kirche Jesu Christi. Und dies ist fest verankert im Neuen Testament. "Andienern" musste er sich also gar nicht - Konfessionstreit als Kirchenpolitik im Alltag war und ist das Eine, die Sicht auf die EINE Kirche im spirituellen, ja transzendentalen Sinn das Andere und Entscheidende.



    Herzliche Grüße


    Stefan

    Nun, die Frage nach Bachs " innerer Konfession" stellt sich mir so gar nicht- ich halte sie für mich im zentralen Punkt für beantwortet.


    Formal war Bach Protestant - aber dieser Begriff sagt bei der modernen Zersplitterung des Protestantismus NICHTS über seinen Glauben aus. Formal korrekter wäre zu sagen, er war orthodoxer Lutheraner in sächsischer Ausprägung.
    Aber außerdem war Bach theologisch überkonfessionell gebildet - in einem Maße, dass der Großteil evangelischer und katholischer Geistlicher mit Hochschulabschluß sehr blass gegen ihn aussähen. Er hatte also das Christentum geistig in seinen verschiedenen Ausprägungen durchdrungen und so eine eigenständige Frömmigkeit erlangt.


    ABER diese eigenständige und weite Frömmigkeit trifft sich IM ZENTRUM mit der Luthers. Und da sind mir beide sehr nahe.
    Nahezu jede geistliche Komposition Bachs läßt sich zurückführen auf die Kernsätze des Luthertums: Sola Gratia, Sola Fide, Sola Scriptura und Solus Christus!
    Oder wie Paulus es verschiedentlich schreibt :allein durch Gnade seid ihr selig geworden durch den Glauben an Christus.
    DAS höre ICH bei Bach in jedem Ton!
    Gruß
    Stefan

    Zitat

    Original von Luis.Keuco
    Bei Gardiner besteht etwas Schwankungsbreite, man kann vielleicht auch sagen: mehr Temperament. Da sind manche Aufnahmen dabei, die sind so schön, da will man das einfach nur wirken/sacken lassen und will nicht weiter hören und dann gibt es auch manche, die sagen einem wenig. Ich will das nicht verallgemeinern, aber was bei Gardiner ins fröhliche Dur läuft, das ist phantastisch, moll dagegen ein wenig unter ferner liefen.


    Hallo Luis,


    Du triffst meine mir bisher eher unbewußt präsente Wahrnehmung auf den Punkt! :jubel:


    Immer wenn es festlich- strahlend oder fröhlich tänzerisch wird, gefällt mir Gardiner ausnehmen gut, ist er meine Referenz. Die sehr getragenen, zerknirschten Kantaten in schlichtem musikalischen Gewand strengen mich bei ihm sehr an und hinterlassen mich manchmal trotzdem unberührt. Obwohl ich mich eigentlich gern von der herben Strenge und tiefen Traurigkeit mancher Kantate ansprechen lasse - aber Du hast recht- wenn dies geschieht, ist es meist nicht Gardiner...!

    Lieber Joseph II,


    also ein " akademisches" Musizieren kann ich bei Gardiner nun gar nicht feststellen. Vielmehr nähert er sich den einzelnen Werken durchaus risikobereit- das heißt da wird in Besetzung und Tempiwahl auch mal eine steile These aufgestellt, die natürlich auch mal daneben geht. Spannend ist solches musizieren aber allemal - und für mich eher unakademisch. Hellmuth Rillings Ansatz hingegen meidet solche Risiken eher - das macht seine Aufnahmen zu einer sicheren Bank - ohne das Risiko von Abstürzen, aber auch ohne große Aha-Effekte.


    Beides hat in meinem hören Platz - wenn mir auch im Moment Gardiner da nähersteht. Deine Wertschätzung für Karl Richter kann ich verstehen und teile sie partiell - doch nur mit seinem Ansatz möchte ich im Bachschen Kosmos nicht unterwegs sein.


    Gruß
    Stefan

    Hallo Wolfram,


    zuerst einmal möchte ich Dir herzlich danken, dass Du die Bachkantaten hier mal wieder aus dem Foren- Koma erweckt hast!!! :jubel:


    Ich besitze ( fast) 3 Gesamtaufnahmen:


    Die erste war Leusink: Ich hab damals die Gesamte Bach- Edition gekauft, weil dieser musikalische Kosmos damals nur durch die Brilliant- Ausgabe erschwinglich schien. Und ich muß sagen, Leusink macht seine Sache für mich oft deutlich besser als man es nach mancher öffentlichen Schmähung erwarten konnte. eine ordentliche Einsteiger- Variante! Nur Sytse Buwalda als Altus geht so total an meinem Geschmack vorbei, dass ich noch eine Alternative brauchte.


    Ich war der Meinung, dies müsse warten, bis bei mir der Wohlstand ausbricht.


    Doch dann kam Nummer 2: Ich gestehe es - ich gehörte zu den schnellreagierenden Leichenfledderern, die die kurzfristige Chance nach der Hänssler- Insolvenz ergriffen und die Bach- Edition günstig erstanden.
    Rilling ist nun mal eine Institution, dessen Kantaten grundsolide und mit tollen Solisten eingespielt sind. Aber die Aufnahmen haben - nun-ein wenig Patina angesetzt. Immer noch gut hörbar, aber nicht die ganz vollständige Erfüllung


    Um schließlich mein kultur-ethisch bedenkliches Kaufverhalten unter 2 in Absolution zu bringen...
    Natürlich NICHT, sondern weil Volker hier im Forum so fundiert und Leidenschaft warb, habe ich mich ein wenig mit Gardiner befasst und bin zum Schluss gekommen, sein SDG- Projekt durch Subskription zu unterstützen.
    Mittlerweile sind wir auf der Zielgeraden mit einer tollen Edition, die hochspannende, lebendige Aufnahmen in meinen Plattenschrank brachte, die oft auch noch wunderschön musiziert und editiert waren.


    Ich glaub, diese Gesamteinspielungen reichen mir erstmal - für einzelne Kantaten greife ich aber gern nochmal zu Herreweghe und Suzuki und besitze auch ein paar in der Harnoncourt / Leonhardt- Einspielung.
    Für Koopman und Kujiken sah ichbisher keine Anschaffungsnotwendigkeit, obwohl sie deshalb sicher nicht schlechter sind.


    Gruß
    Stefan

    Lieber operus,


    so unterschiedlich nehmen wir Aufnahmen wahr...! Wie ich schon weiter oben vor ein paar Jahren schrieb, habe ich als großer Freund der Musik Haydns - besonders seiner Symphonien und Messen- von je her Schwierigkeiten mit der " Schöpfung" und den "Jahreszeiten".


    Die Aufnahme unter Karl Forster war meine erste, Jahre habe ich mit ihr gerungen, es sprang kein Funke über - dies sagt natürlich NICHTS über die Qualität dieser Aufnahme, aber es wurde bis heute nicht meine Aufnahme.
    Obwohl ich alles andere als ein HIP- Purist bin, hat dieses Musizierpraxis die " Schöpfung" für mich dann doch noch von der persönlichen schwarzen Liste gerettet - nämlich konkret mit Andreas Sperings großartiger Aufnahme bei Naxos. Diese Energie, dieses Leben hat mir immer gefehlt!
    Und nebenher habe ich erstmals begriffen, wie wichtig ein auftrumpfendes, freches Kontrafagott für die " Schöpfung ist, denn das habe ich so noch nie erlebt: Es lebe dieser wunderbare Exzentriker unter den Orchesterinstrumenten! :yes:



    Nun kann ich auch bald mal wieder Karl Forster mit neu justierten Ohren eine Chance geben.


    Gruß
    Stefan

    Hallo zusammen,


    Musikfestivals gibt es landauf, landab- von mittelalterlicher Musik bis Heavy Metal, von massentauglich bis exklusiv, in Kirchen, Konzerthallen,ganzen Innenstädten, auf freiem Feld...


    Nur - wo fing das eigentlich an? Das erste Musikfest auf deutschem Boden - wohl inspiriert vom englischen Vorbild-über 2 Tage, mit 200 Mitwirkenden wurde im Jahre 1810 abgehalten. Aber wo? Und wenn Euch nun einer von den mondänen Namen in den Sinn kommt, die ich hier nicht aufsagen brauche,kann ich nur sagen- FALSCH!
    Das erste deutsche Musikfest wurde von Kantor Georg Friedrich Bischoff in der wunderschönen Kleinstadt Bad Frankenhausen am Kyffhäuser veranstaltet - die nicht einmal Residenzstadt war. Es gab Haydns " Schöpfung" und Beethovens 1. Symphonie unter Leitung von Louis Spohr.


    Bis heute ist dieses Gebiet tiefste kirchenmusikalische Diaspora. Und dennoch gibt es die damals begonnene Tradition bis heute. Gestern gab es darum einen Festgottesdienst - die Liturgie ward durch Thomas Müntzers " Deutzsch- Euangelisch Mesze", der auf den original-gregorianischen Tonfolgen basierenden, behutsam ins deutsche übertragenen Pfingstmesse von Allstedt ( veröffentlich 1524) geprägt.


    Im Rahmen der Sommermusiken wird auch die " Schöpfung wieder erklingen.


    Respekt vor dieser durch schwierige Zeiten geretteten Tradition!!


    Gruß
    Stefan

    Nun, ich finde das Naserümpfen über Günter Wewels Rolle im Fernsehen unangebracht.
    " Kein schöner Land" ist zwar nicht MEINE Sendung, die ich regelmäßig sehe, wenn ich aber dabei war, konnte ich absolut nichts " Ehrenrühriges" für einen Kammersänger entdecken. Im Gegenteil: Günter Wewel vermittelte mit großer Sympathie ein Stück Lebenskultur: wunderschöne Landschaften und Orte als Hintergrund für die etwas leichtere klassische Muse, ein bißchen Geplauder, Naturaufnahmen... was soll daran peinlich sein? Wers nicht mag, schaut sichs nicht an. Wers aber mag, hat nicht so viele Alternativen im Fernsehen 2010- denn er oder sie gehört nicht zur Premium- Zielgruppe der Werbewirtschaft.


    Und außerdem-ein bißchen von dem altmodischen Charme, den diese Sendung und den Günter Wewel ausstrahlen, täte unserer Spaß- und Eventgesellschaft sehr gut...!


    Gruß
    Stefan

    Zitat

    Original von Wolfram


    Advent ist Advent und Weihnachten ist Weihnachten. Zwei verschiedene Dinge. "Advent" ist die Bußzeit vor der Festzeit "Weihnachten". Oder anders gesagt: Advent verhält sich zu Weihnachten wie Passionszeit/Fastenzeit zu Ostern.


    Lieber Wolfram,


    wir müssen akzeptieren - kirchenfernen Menschen ist DAS ziemlich egal und Menschen,die im Rhythmus des Kirchenjahres leben, wissen DAS natürlich alle.
    Und obwohl ich dieses Thema auch schon manchmal in Predigten oder Andachten verarbeitet habe, glaube ich, es ist aus o.g. Grund langsam genug damit.
    Natürlich ist Advent NICHT Weihnachten aber - Du sagst es selbst- es verhält sich mit ihnen wie mit Passion und Ostern. Das heißt, trotz unterschiedlicher " Grundstimmung" gehören sie vor allem ZUSAMMEN.


    Und wer die Vielfalt der Weihnachtsmusik liebt, soll sie meines Erachtens genießen so oft und wann er dies will. Einen dogmatischen Kalender brauchts nicht!


    Herzliche Grüße
    Stefan


    Lieber Wolfram,


    hab herzlichen Dank für die Erhellung dieser bei mir bisher unterbelichteten Kalenderkenntnisse.Hilf mir bitte nochmal auf die Sprünge: Das Abendmahl wäre nach Johannes dann eine Nacht früher als traditionell am " Gründonnerstag" anzusetzen. Am " Donnerstag"- Mittag der Prozeß und die Kreuzigung am gleichen Tag?? Aber das wäre doch nicht der Rüstag für den Sabbat ?( Oder lag dann logischerweise zwischen Prozess und Kreuzigung noch eine - im Evangelium nicht geschilderte- Nacht.


    Und der erste Tag des Passah- Festes ( also von " Donnerstag" bis " Freitag"- Abend) ist dann Rüsttag für den Sabbat gewesen ?


    Wäre denn dann ( nach der Datierung der Synoptiker) ein Prozess vor dem Sanhedrin am ersten Passah- Tag nach den Kultusgeboten überhaupt erlaubt gewesen?


    Ich vermute, ganz schlüssig kriegen wir es nicht. Und wie oben geschrieben kann ich bei allem Interesse an solchen Details gut mit dieser Lücke leben.


    Sei herzlich gegrüßt


    Stefan


    Lieber Wolfram,


    vom Datum des jüdischen Kalenders her mag das sein.Ich sehe diese Abweichung dennoch momentan nicht. Sowohl Mt 27,62; Mk 15 42 als auch Lk 23,54 stellen klar, dass es der Rüsttag war und stimmen damit mit Joh 19,42 überein. Aber zum Ablauf des Kreuzigungstages gibt es tatsächlich Abweichungen.Die tradierte Vorstellung ist: Verhaftung am Abend, Verhöre in der Nacht, Verurteilung am frühesten Morgen, Kreuzigung um die dritte Stunde ( Mk 15,25 - also 9.00 Uhr) und Tod um die neunte Stunde( Mk 15,34 - also 15 Uhr)


    Nach Johannes fand hingegen der Prozess erst um die 6. Stunde, also gegen 12 statt ( Joh, 19,14) Das Kreuzigungsgeschehen fand also deutlich später am Nachmittag statt und sollte durch das Brechen der Beine ja vorgreifend " erledigt" werden. Ob dieses knappe Zeitfenster am Ende eines Rüsttages - der Sabbat begann ja am Sonnenuntergang dieses " Karfreitags"- wirklich einen realistischer Verlauf darstellt, mögen die Experten beantworten. Ich stelle die Differenz mit Interesse fest, bedeutsam ist sie nicht für mich.


    Gruß
    Stefan