Beiträge von Martin

    Warum ist Mahler so populär? Natürlich dem Rang seiner Musik gemäß, aber das ist sicher nicht der einzige Grund.


    Diese Musik hat überhaupt keinen Staub angesetzt und ich denke, daß sich auch heutige Musikhörer in ihr noch ohne weiteres spiegeln können. Ob Mahler ein moderner Komponist war, weiß ich nicht, das interessiert mich auch nicht, daß er aber ein moderner Künstler, weil moderner Mensch war, das ist für mich unbestritten.


    Die Grundproblematiken der Moderne tauchten jedenfalls schon zu Mahlers Zeiten auf, deshalb ist seine Zeit auch ohne weiteres aktuell und zeitgemäß. Die geistesgeschichtliche Position der Moderne ist es ja wohl, daß in ihr alles, was der Klassik und Romantik hoch und heilig war, sozusagen zertrümmert wurde. Da fasse ich mich kurz und nenne nur einmal die Namen Darwin, Nietzsche und Freud. Oder auch Natur, Psyche, Moral. Alles wurde fragwürdig: Die Liebe, das Gute, die Natur. Ja, und dann darf man auch nicht vergessen, daß diese Zeit bereits einer Zeit hektischer Industralisierung und wissenschaftlichen und technischen Fortschritts war.


    Mahlers Position ist nun die Position eines zutiefst humanen, ja sicher auch romantischen Künstlers. In dieser Hinsicht sind seine geistigen Inhalte auch die eines romantischen Künstlers: Natur, Religion, Liebe sind seine Inhalte. Insofern dürfen ihn die Konservativen für sich reklamieren.


    Worin die Konservativen ihn jedoch nicht für sich reklamieren können, ist, daß Mahler ein Künstler gewesen wäre, der sich auf seine konservative Wagenburg zurückzog, um die Rollläden hochzuziehen und dort dann eine gediegene, beschauliche, erbauliche, heitere und schöne Kunst zu machen.


    Was ich jedoch nicht mag ist das Klischee Mahlers als eines "gebrochenen" Künstlers. Etwa in dem Sinne, Mahlers Musik spiegele etwa ein Verhältnis zur Natur, aber bereits ein modernes, durch die Modernität bereits gebrochenes. Ich sehe das nicht so. Ich empfinde seine Musik als etwas ungebrochenes. Diese Musik ist wahrhaft, sie hat überhaupt nichts nostalgisches. Allerhöchstens vielleicht gelegentlich einen Anschein von Nostalgie.


    Damit will ich es mal gut sein lassen, vielleicht kommen wir ja noch auf das eine oder andere zu sprechen. Man mag auch kritisieren, daß ich Mahler zu sehr als geistiges und zu wenig als musikalisches "Phänomen" sehe, aber ich denke, das läßt sich nicht voneinander trennen. Das Temperament dieser Musik ist jedenfalls ein durchaus modernes.


    Gruß Martin

    Strawinsky gehört nicht zu meinen Lieblingskomponisten. Ich glaube nicht, daß das unbedingt an mangelndem Zugang liegt, ich habe seine Ballette ja ganz gern gehört. Aber er gehört definitiv nicht zu den Komponisten, die mich begeistern oder erschüttern. Ich habe bei ihm auch nicht den Eindruck von Tiefe, sondern von genialer Oberflächlichkeit. Apollon Musagete ist allerdings schon wirklich ein sehr schönes Ballett, das liebe ich sehr, vor allem den Anfang.


    Aber vielleicht höre ich trotzdem mal wieder Strawinsky, nett zu hören ist er ja. Und wiegesagt, seine Genialität will ich ihm nicht absprechen. Nur ist das keine Genialität, die mich auf Dauer fesselt.


    Le sacre zum Beispiel schockiert mich keineswegs, im Gegenteil, ich höre es mit großem Genuß, aber vielleicht ist das gerade das Problem, daß hier eine junge Frau so höchst genußreich geopfert wird.


    Gruß Martin

    Ich habe noch ein schönes Zitat von Richard Strauss gefunden ( aus dem Aufsatz "Gibt es für die Musik eine Fortschrittspartei?" von 1907, abgedruckt in Kontrapunkte 2- Tonger Musikverlag 1958 )


    Dort steht auf Seite 8


    "(es) war die große Masse des unbefangen genießenden Publikums, das sich in seiner naiven Empfänglichkeit (...) als der zuverlässigste Träger jeglichen Fortschrittsgedankens bewährt hat. (...) Die Hauptsache ist der zwingende Kontakt zwischen dem schaffenden Genie und der über den Rahmen jeder möglichen Partei weit hinausreichenden fortschrittswilligen Masse."


    Nun ja, zu der Zeit lag die Salome ja zwei Jahre zurück und Strauss galt wohl zu jener Zeit durchaus als fortschrittlicher Komponist. Aber das sind wirklich Töne in Bezug auf den Fortschrittsglauben in der Musik aus längst vergangenen Zeiten ...


    Gruß Martin

    Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Alfred baut im Anfangsposting einen sehr durchsichtigen Strohmann auf, nämlich eine These von einer Art linearen Fortschritt in der Kunst, die kaum jemals einer vertreten haben dürfte und die fast jeder absurd finden wird (und die BTW nicht mal in Wissenshcaft u. Technik so einfach stimmt). Außerdem lenkt er damit davon ab, dass er selbst zu der durchaus fragwürdigen Position tendiert, es habe bis ungefähr Mozart eben doch einen "Fortschritt" gegebn, danach aber einen graduellen Abstieg, bis zum Absturz um 1900. Man ist einfach nicht damit zufrieden seinen eigenen Geschmack zu haben, sondern, was man mag, muß der einsame Höhepunkt der Kunstgeschichte sein (der schon geschmälert wird, wenn ihm anderes als ebenbürtig zur Seite gestellt wird), und was man nicht mag, ein Irrweg, eine Perversion... :rolleyes:


    Lieber Johannes,


    ich hoffe, Alfred da nicht zu nahe zu treten, aber ich muß Dir da einfach hundertprozentig recht geben, und Du hast das perfekt formuliert.


    Händel zum Beispiel ist für mich ein unbedingter Höhepunkt der Musikgeschichte, desgleichen Bruckner und Wagner, und da ließen sich noch viele Höhepunkte nennen.


    Wenn wir das Thema ernsthaft diskutieren, müssen wir darauf zu sprechen kommen, was denn die Parameter des Fortschritts sind. Alfred hat völlig zu Recht gesagt, daß Fortschritt ab einem gewissen Punkt auch darin bestand, sich über einmal gesetzte Regeln der Musik auch hinwegzusetzen, was er allerdings weniger als Fortschritt, sondern eher als Dekadenz begreift. Nun behaupte ich einmal, daß der Parameter des Fortschritts zu einer gewissen früheren Zeit möglicherweise gerade darin bestanden hat, sich solche Regeln zu erringen.


    Diese beiden Ideen des Fortschritts pflanzen sich im übrigen bis ins 20. Jahrhundert fort; die 12 Tonmusik wurde ja auch als Fortschritt empfunden, obwohl sie nun wieder neue strenge, dem Liebhaber tonaler Musik allerdings wenig schmeckende Regeln setzt. Andere moderne Richtungen - Stichwort Aleatorik - experimentieren nun wieder mit dem Unregelhaften.


    Was also genau ist Fortschritt? Besteht er darin, sich über Regeln hinwegzusetzen, oder besteht er darin, sich Regeln, und seien sie auch neu, zu geben? Wie die Argumentationsmuster aussehen, ist auch klar. Sofern wir von Regelhaftigkeit sprechen, wird eine "fortschrittliche" Argumentation in Bezug auf Vergangenheit so aussehen, diese ältere Musik gewissermaßen als "unkultiviert", "noch etwas wild", "unausgegoren" und dergleichen zu bezeichnen. Sofern wir vom Fortschritt im Sinne des Regeln erweiterns sprechen, wird man ältere Musik als "altbacken", "steif", "reglementiert" und dergleichen bezeichnen.


    Diese beiden Argumentationsmuster werden uns in der Musik, wie auch in der Kultur überhaupt, beständig begleiten und ständig miteinander im Widerstreit stehen. Und in diesem Sinne meinte ich auch, daß es völlig offen ist, was spätere Zeiten einmal als Fortschritt ansehen werden - auch in der Musik.


    Gruß Martin

    In Punkto Fortschritt fällt mir ein, daß ich mal einige Stücke aus der frühen Renaissance gehört habe und diese Stücke klangen erstaunlich schräg, interessant und in dieser Hinsicht "modern". Leider ist dies überhaupt nicht mein Steckenpferd, sonst könnte ich sicherlich mehr zu diesem Thema sagen. Aber vielleicht kann ja jemand anderes mehr zu diesem Thema sagen.


    Zu diesem Thema ist sicherlich schon viel richtiges gesagt worden. Selbstverständlich sind große Kunstwerke aus der Vergangenheit nie überbietbar.


    Trotzdem glaube ich, daß es in der Musik ganz ohne Zweifel auch "Fortschritt" gegeben hat, zum Beispiel im Sinne einer weitergehenden Harmonik. Es ist nur nie völlig klar, worin Fortschritt eigentlich besteht, möglich, daß man im 21. Jahrhundert den Fortschritt an ganz anderen Dingen festmachen wird als vor 200 Jahren. Also um beim Beispiel Renaissance zu bleiben: Jemand aus der späten Renaissance hätte sich vielleicht ein Stück aus der frühen Renaissance angehört und gesagt: Was ist denn das für ein unmögliches altbackenes, geradezu unzivilisiertes Zeug. Ein Mensch aus der Moderne sagt vielleicht: Das klingt ja erstaunlich modern.


    Ich hatte im übrigen schon mal in einem anderen Forum den Gedanken angeregt, ob es möglich wäre, eine fiktive Musikgeschichte zu schreiben, die die Musikgeschichte umdrehte. Also man würde die Moderne im 16. Jahrhundert ansiedeln, die Romantik im 17. Jahrhundert usw. bis man vermutlich irgendwann mit der Renaissance im 20. Jahrhundert angekommen wäre.


    Daß das völliger Unsinn ist, weiß ich selbst. Aber es wäre schon interessant, wie eine solche umgedrehte Musikgeschichte, in der die Zeit rückwärts statt vorwärts liefe, aussehen könnte. Da müßte man dann natürlich schon begründen, inwiefern Beethoven ein Fortschritt gegenüber Wagner war, und Bach gegenüber Mozart.


    Gruß Martin

    Ich weiß nicht, ob diese Werke von Saint Saens oder auch von Cesar Franck, die hier genannt wurden, wirklich so sehr unter den Threadtitel "Unbekannte Meisterwerke" passen. Denn zunächst mal sind ja diese beiden Komponisten zwei überaus bekannte, zum absoluten Standard gehörende französische Komponisten.


    Ich kenne jedenfalls beide Werke ( jedenfalls habe ich sie gehört, aber ich kenne sie zugegebener Maßen nicht gut), also können sie ja wohl so unbekannt nicht sein. Allerdings werden die Orgelsinfonie von Saint Saens oder die D Moll Sinfonie von Cesar Franck sicher andere Werke überschatten. Aber das ist völlig normal. Und vielleicht sind die bekannteren Werke dieser Komponisten auch tatsächlich die besseren, wiewohl ich solche Vorschläge für solche "vergessenen" Meisterwerke trotzdem nicht für sinnlos halte, denn sie regen mich dazu an, diese Werke mal wieder zu hören.


    Gruß Martin

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    dass in Österreich mehr Bruckner gespielt wird als außerhalb der Grenzen dieses fernen exotischen Landes, das Martin so fremd geblieben ist,


    Lieber Edwin,


    also Bruckner wird hier in Hamburg nun wirklich ohne Ende gespielt. Günther Wand ist ja sicher auch über die Grenzen Hamburgs als Brucknerinterpret bekannt.


    Um mal einen extremen Fall der Brucknerliebe der Hamburger zu nehmen: Vor einiger Zeit kam Blomstedt nach Hamburg, um mit den NDR Sinfonikern Bruckners 6. zu spielen. Er gab zwei Konzerte mit demselben Programm, ich habe es nicht unterlassen können, mit beide Konzerte anzuhören. Eine Woche später ( oder früher, habs vergessen) kam Simone Young nach Hamburg und gab ihr Antrittskonzert mit den Hamburger Philharmonikern. Und was stand auf dem Programm? Bruckners 6.! Also mehr Bruckner geht nun wirklich nicht.


    Die Sache mit dem "fernen exotischen Land, daß mir zutiefst fremd geblieben ist", solltest Du wirklich nicht zu hoch hängen. Das war selbstverständlich ein Scherz und war auch wirklich nicht böse gemeint. Ich weiß, mit solchen Scherzen soll man vorsichtig sein. Aber ich konnte ihn mir nunmal nicht verkneifen.


    Gruß Martin

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Nein, Martin, das tust Du selbst. Du lässt nicht die geringste Kritik an Elgar zu. Nicht ein einziger Eintrag in dem ganzen Thread hat gelautet "Elgar hat nur Mist produziert".


    Lieber Edwin,


    ich habe jetzt keine Lust danach zu suchen. Also es war wohl im Vaughan Williams Thread. Da bezeichnetest Du so wie Du es Deine Art ist einige Werke von Vaughan Willliams als "Kitsch". Da habe ich dann gesagt, Vaughan Willliams, nein, das ist kein Kitsch. Aber bei Elgar, ja, der hat schon richtigen Kitsch produziert. Lies das nach im Vaughan Williams Thread, ich habe danach gesucht aber nicht gefunden, aber ich habe jetzt echt keine Lust weiter danach zu suchen.


    Zitat

    Jeder, absolut jeder (mich eingeschlossen) hat Werke Elgars genannt, die er für gut hält. Du kannst es nur nicht ertragen, wenn man nicht den ganzen Elgar verehrt. Das macht Dich in meinen Augen, also ganz subjektiv, zu einem unkritischen Elgar-Verehrer. So, wie einer, der keine Kritik an Wagner zulässt, ein unkritischer Wagner-Verehrer und einer, der keine Kritik an Menotti zulässt, ein unkritischer Menotti-Verehrer ist.


    Edwin da reden wir wirklich völlig aneinander vorbei. Sieh mal, der Ausgangspunkt unserer gesamten Diskussion war einfach Deine Abqualifizierung des Elgars als "zweitklassigem Komponisten". Das hat mich gestört, das hat auch Michael gestört. Diese gewisse Paradoxie, die offensichtlich einfach nicht in Deinen Kopf will, besteht doch nun gerade darin, daß Du ohne eine solche Abqualifizierung den Elgar kritisieren hättest können bis zum Abwinken! Erstklassige Komponisten kann man immer kritisieren! Nur zweitklassige, die ein anderer eben doch für erstklassige hält, da erwachen genau die Empfindlichkeiten.


    Ich finde Dich - entschuldige - in diesem Punkte einfach äußerst unsensibel! Die Unsensibilität besteht für mich gerade darin, daß ein absolut unmusikalischer Dummkopf einen "bewiesenen Mann" nie kritisieren wird ( der ist ja erstklassig, da traut er sich gewissermaße nicht ran), aber gebe ihm nur den Begriff "zweitklassig", da darf dann zum großen Halili geblasen werden und da darf dann jeder Idiot den "zweitklassigen" Elgar kritisieren. Verstehst Du wirklich nicht, worauf ich hinaus will?


    Zitat

    Eine Unterstellung ist eine Behauptung ohne Beweis, unabhängig davon, ob das unterstellte Faktum korrekt ist oder nicht. Damit ist die einzige Unterstellung, die ich in dem ganzen Thread entdecke, Deine in Bezug auf Pahlen. Übrigens: Da eine Musikgeschichte nicht identisch ist mit einer Elgar-Bibel, könnte Pahlen mit der Einordnung sogar recht haben. Auch ein blindes Huhn...


    Ja die "Behauptung ohne Beweis" besteht aber gerade darin, daß ich nun den Elgar über allle gestellt habe und diesen Beweis wirst Du allerdings sooft Du es auch behaupten magst, ewig schuldig bleiben.


    Zitat

    Ja, wer die Ösis nicht versteht, ist für Elgar prädestiniert...


    Das erfreut mich sehr. Dann sind ja die 6 Milliarden, die die Ösis nicht verstehen, offensichtlich für Elgar prädestiniert.


    Zitat

    Gruß - und ich will hoffen: Zu der Vorhang - und seien auch alle Fragen offen.[


    Welche Fragen hier offen sind, ist auch nicht so interessant, aber abseits Deiner Einordnung Elgars fände ich es schon erfreulich, wenn das Thema Elgars hier möglich wäre, zum Beispiel von Seiten Michaels, ohne daß Du es hier niederknüppeln würdest. Das wäre jedenfalls mein Wunsch.


    Gruß Martin

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Kämpfe weiter um Gerechtigkeit für Elgar, mit seiner Musik allein dürfte er diese Gerechtigkeit ja nicht herstellen können. Aber wenigstens hat er einen echten Anhänger außerhalb von England.
    Gruß


    Lieber Edwin,


    Du magst hier soviel rumätzen wie Du willst, aber ich bin doch ziemlich sicher, daß der Elgar mehr und zwar sehr viel mehr Anhänger hat und mit Sicherheit auch in Deutschland ( wie es in Österreich aussieht, weiß ich nicht, dieses ferne exotische Land ist mir zutiefst fremd geblieben) als die gesamte Avantgarde zusammen.


    Weglassen ist legitim, solange man denn beim Punkt bleibt. Der Punkt ist und bleibt aber, daß Du hier mit Unterstellungen arbeitest. Und zwar in dem Sinne, daß Du mich seit unserer ganzen Diskussion in die Ecke eines blinden "Elgarfans" zu stellen versuchst. Du arbeitest mit Unterstellungen und wiederholst sie sogar wider besseres Wissen. Und das ist eine ziemlich niedrige Ebene der Argumentation.


    Gruß Martin

    Also ich finde, daß diese "Kontroverse" auch wenig Sinn macht. Ein paar Zitate:



    Ich, 27.2.


    Zitat

    Wichtig ist für mich nur zu betonen, daß Elgar eben nicht zweitklassiger Mahler oder zweitklassiger Bruckner ist, sondern erstklassiger Elgar. Und trotzdem ist erstklassiger Elgar doch nicht erstklassiger Mahler. Jedoch mag ich Elgar nicht deklassieren, einen Komponisten, den ich wirklich so schätze, den ich in seiner Eigenart lieben gelernt habe, kann ich einfach nicht deklassieren.


    Edwin, gestern


    Zitat

    So kamen mir auch Martins Vergleiche vor: Michael, Du wirst doch nicht auch der Meinung sein, dass Elgar über Debussy und Mahler steht und dass auch Schuberts Kunst gegenüber der Elgars zu relativieren ist (das nämlich hat Martin zwischen den Zeilen behauptet)?


    ich gestern


    Zitat

    dann mußt Du mich aber sehr falsch "zwischen den Zeilen" gelesen haben. Das habe ich hier nie behauptet! Sage mir bitte einmal wo ich das behauptet habe? ( Meine "große Komponistenschelte" war nur eine Antwort auf die respektlose Art wie hier mit Elgar umgegangen wurde).
    Ich habe mich immer nur dagegen gewehrt, daß Elgar als zweitklassiger Komponist bezeichnet wird. Obwohl ich Dir sogar soweit entgegengekommen bin daß ich geschrieben habe, daß ich Mahler vielleicht auch höher bewerten würde als Elgar, obwohl mit dieses höher und tiefer eigentlich zutiefst zuwider ist.


    Edwin gestern ( etwas später)


    Zitat

    Dass Du und ich aus völlig gegensätzlichen Gründen dieser Meinung sind, nämlich Du, weil Pahlen Elgar nicht als den bedeutendsten Komponisten seit Perotin bezeichnet


    Ich gestern


    Zitat

    Ich habe im übrigen gar keine übersteigerte Wertschätzung für Elgar, das siehst Du falsch, mir geht es nur um Gerechtigkeit.


    Tut mir leid, mit jemandem, der mit Unterstellungen arbeitet, und eine gerade zurückgewiesene Unterstellung dann auch gleich noch mal am selben Tag wiederholt, kann ich nicht diskutieren.


    Gruß Martin

    Lieber Barbirolli,


    ich weiß, der Edwin hält irgendwie nichts von der Stilistik. Allerdings wenn Du irgendwie meinst, daß dieses Zitat irgendwie treffend ist, dann kann ich Dir irgendwie auch nicht weiterhelfen. Ich finde jedenfalls Elgar irgendwie gut.


    Mit irgendwie freundlichen Grüßen


    Martin

    Lieber Barbirolli,


    ob ich nun Edwin "Steilvorlagen" liefere oder nicht, ist mir eigentlich herzlich egal. Mir geht es nur um die Sache. Allerdings finde ich es nicht schön von Edwin, daß er mir hier unterstellt, daß ich hier Dinge bewußt fälsche und falsch darstelle. Ich lese doch nicht den Pahlen, der den Elgar über den grünen Klee lobt und schreibe dann hier das Gegenteil. Meiner Erinnerung nach war die Darstellung Pahlens der englischen Musik in hohem Maße herablassend und in dieser Hinsicht verfälschend. Aber das läßt sich ja alles überprüfen.


    Und wenn Du schreibst:


    Zitat

    Ich finde, objektiv betrachtet, haben all die Zitate aus den Konzertführern ihre Berechtigung.


    dann weiß ich zwar nicht was Du meinst, denn ich hatte ja nicht aus Konzertführern zitiert. Wenn Du auf meine Zitate aus der "Welt der Musik" Bezug nimmst, dann sehe ich das eben nicht so. Ich empfinde sie als widerwärtig und mir ist es herzlich egal, ob das nun Experten sind, die sowas schreiben oder nicht. Wenn ich etwa in der Welt der Musik lese:


    Seine Musik dürfte irgendwie die Gewißheit geweckt haben, daß die vom britischen Publikum hochgeschätzten Lebensumstände unverändert blieben


    dann bezeichne ich das als das was es ist nämlich einfach als Quatsch. Das ist feuletonistisches Gerede, allerdings sagen wir mal nicht Frankfurter Allgemeine, sondern eher Dinkelsbühler Wochenblatt.


    Gruß Martin

    Lieber Edwin,


    die Fakten werde ich selbstverständlich überprüfen. Ich hatte ja auch ein anderes Werk Pahlens gelesen. Ich glaube eigentlich auch nicht, das mich mein Gedächtnis so sehr täuscht. Aber ich werde Dir das Zitat mit Seitenangabe und so weiter nachliefern. Es freut mich selbstverständlich, daß Pahlen in dem von Dir genannten Werk so freundlich über Elgar schreibt. Übrigens schreibt auch die Propyläen Welt der Musik nicht durchgehend negativ über Elgar. Aber die Zitate sind echt. Und auch in Pahlens Musikgeschichte steht meiner Erinnerung nach etwas von dem, was ich als Quatsch ansehe, nämlich etwas in der Richtung von Elgars Musik als der eines "englischen Untertanen". Ich liefere Dir das Zitat mit Seitenangabe. Falls ich mich wiegesagt nicht täusche.


    Ich habe im übrigen gar keine übersteigerte Wertschätzung für Elgar, das siehst Du falsch, mir geht es nur um Gerechtigkeit.


    Gruß Martin

    Vielleicht noch mal zur Illustration dessen, was mich an der deutschen Rezeption Elgars stört einige Passagen aus Propyläens Welt der Musik:


    Die Blütezeit des englischen Bürgertums unter Königin Viktoria (...) Die Kunst folgte derselben Richtung: Konservativismus, Historizismus, Patriotismus wurden gepflegt und fanden Beifall, so oberflächlich die einzelnen Erzeugnisse der mit Titel und Ehren überhäuften Persönlichkeiten oft waren. Die Musik dieser Zeit war glatt (...) und spiegelte das Wohlverhalten wider, das von einem britischen Untertanen erwartet wurde.


    (...) Elgar wurde in England gefeiert wie kein zweiter Komponist seit Henry Purcell, im Ausland fand er nie viel Beachtung.


    Der Versuch von Edward Elgar, Romantik und Klassizismus zu verbinden, hat sich nicht immer gut auf seine Kompositionen ausgewirkt und ihnen einen stark antiquierten Charakter verliehen. (...) Seine Musik dürfte irgendwie [ irgendwie !] die Gewißheit geweckt haben, daß die vom britischen Publikum hochgeschätzten Lebensumstände unveränderten Lebensumstände unverändert blieben [ ja, das schafft der Elgar "irgendwie"]


    In Kurt Pahlens Musikgeschichte steht meines Wissens derselbe Quatsch mit der Musik Elgars als die des angepaßten Untertanen auch ( reiche ich vielleicht noch nach, das liegt bei meiner Freundin). Wobei Pahlen dann noch den Vogel abschießt, indem er Vaughan Williams als "volkstümlichen Komponisten" lobt, sozusagen der Ganghofer der englischen Musikgeschichte ( während die Propyläen "Welt der Musik" - eigentlich sehr zu empfehlen, weil enorm umfangreich, 5 Bände, 3000 doppelspaltige Seiten mit wirklich sehr vielen Komponisten die besprochen werden - gegenüber Vaughan Williams doch sehr fair ist).


    Mein Reklam Konzertführer erwähnt Elgar im Anhang kurz, immerhin nicht unfreundlich.


    Wenn etwa Edwin darüber redet, daß man nicht bei der Beschäftigung mit "ausländischer Musik" die Meinungen dieser Nationen übernehmen soll, mag das in der Tat eine Gefahr sein. Aber wenn in Musikliteratur, die nicht unbedingt nur für den musikalisch hochgebildeten Experten interessant ist, ein solch widerwärtiges bescheuertes Zeug steht, dann bleibt einem ja wohl auch gar nichts anderes übrig, als sich über englische Musik dann doch lieber in englischen Publikationen zu informieren und diese dann vielleicht auch mal zu übernehmen. Oder kennt jemand ein deutsches Erzeugnis, das nicht bloß für den Experten gedacht ist, daß über Elgar fair informiert?


    Wobei ich sagen muß, daß ich zum Beispiel neulich mal daran dachte, mir einen neuen Konzertführer zu kaufen ( weil mein alter auseinanderfällt), dann aber in einen funkelnagelneuen hineinschaute, ihn mir dann aber doch nicht anschaffte, weil ich den Eindruck hatte, daß da im Grunde immer noch derselbe Quatsch drin steht wie vor 20 Jahren ( zum Beispiel die Sinfonik Schostakowitschs nicht so gewürdigt wurde, wie sie es verdiente).


    Gruß Martin


    Lieber Edwin,


    lege bitte nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Ich denke einfach, daß die Wahrnehmung von Komponisten auch viel mit Konditionierung zu tun hat. Mahler zum Beispiel ist - bevor er sich durchsetzte - nun wirklich unendlich kritisiert worden. Da waren die Themen dann trivial, das ganze zu lang und ich weiß nicht was. Der deutsche Konzertführer, den meine Eltern hatten, bringt diesen alten Schmu von Mahler der "das größte gewollt habe, aber nicht erreicht" hätte, die unbedeutenden Sinfonien 5 - 7 " sind heute vergessen". Ein englischer Konzertführer aus dem Jahre 1934 macht Mahler in einem Halbsatz runter ( und den Bruckner gleich dazu).


    Mahler selber wiederum spricht von Bruckner und Brahms in einem Fall vollkommenen Größenwahns von "Zwergen". Von Bruckner war er wohl der Ansicht, daß er keine richtige Sinfonie schreiben könne, daß er den Bruckner aber "trotzdem verehre". Usw. usw.


    Ich bin gerade bei Bruckner, den ich in höhstem Maße schätze, der Meinung, daß, wenn er nicht inzwischen in der ersten Liga angekommen wäre, man vermutlich auch an seinem Werk beständig herum kritisieren würde. Immer völlig zu unrecht? Und ja: Das hat schon viel mit nationalen Wahrnehmungen zu tun. Der englische Penguins Guide etwa würde nie etwas gegen Elgar sagen, aber, wie es da heißt: Bruckners 2. sei doch schon sehr lang und das sein schon ein Problem.


    Ich bin nun kein Komponist und auch kein Orchestermusiker wie Michael, aber ich habe gerade bei Bruckners frühen Sinfonien, also zum Beispiel 2 und 3 auch schon gelegentlich den Eindruck des "nicht ganz konzisen", trotzdem schätze ich sie sehr. Das gilt auch für die Sinfonien Elgars, die ich schlicht und einfach nicht auf "ein paar schöne Stellen" reduziert wissen will. Aber jetzt bitte nicht wieder eine Diskussion anfangen, daß ich Bruckner mit Elgar verglichen hätte!


    Gruß Martin

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    So kamen mir auch Martins Vergleiche vor: Michael, Du wirst doch nicht auch der Meinung sein, dass Elgar über Debussy und Mahler steht und dass auch Schuberts Kunst gegenüber der Elgars zu relativieren ist (das nämlich hat Martin zwischen den Zeilen behauptet)?


    Lieber Edwin,


    dann mußt Du mich aber sehr falsch "zwischen den Zeilen" gelesen haben. Das habe ich hier nie behauptet! Sage mir bitte einmal wo ich das behauptet habe? ( Meine "große Komponistenschelte" war nur eine Antwort auf die respektlose Art wie hier mit Elgar umgegangen wurde).


    Ich habe mich immer nur dagegen gewehrt, daß Elgar als zweitklassiger Komponist bezeichnet wird. Obwohl ich Dir sogar soweit entgegengekommen bin daß ich geschrieben habe, daß ich Mahler vielleicht auch höher bewerten würde als Elgar, obwohl mit dieses höher und tiefer eigentlich zutiefst zuwider ist.


    Es ist mir jedenfalls völlig rätselhaft, wieso ich derjenige sein soll, der hier mit Vergleichen arbeitet. Ich will das gar nicht und von mir ist das auch nicht ausgegangen.


    Ich werde jedoch nicht dafür zu haben sein, einen bedeutenden wichtigen Komponisten in irgend einer Weise zu deklassieren. Ansonsten kann ich mich nur den Worten Michaels anschließen.


    Gruß Martin

    Ich habe zu diesem Thema gar nichts zu sagen, außer vielleicht, daß ich außer den Planeten nur noch die St. Pauls Suite kenne, die mir sehr gut gefällt. Es ist nur traurig, daß der Thread, der so vielversprechend begann, nun so schnell wieder versandet ist. Ich habe ihn bisher mit großem Interesse gelesen und hoffe sehr, daß er fortgesetzt wird.

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Und die wären Dir keinen Plausch in einem netten Café wert?
    Siehst Du, genau so sehe ich für mich Elgar: Eine nette Nachmittagsbeschäftigung, aber nichts, womit ich alt werden will. :D


    Ich weiß nicht was Du willst, Edwin, die jungen hübschen Damen sind doch gerade bei den älteren Herren höchst beliebt. :D


    In diesem Sinne hoffe ich, daß Du dann auch im höheren Alter doch den jungen hübschen Damen noch mal ein Auge schenkst.


    Außerdem bin ich der Meinung, daß man mit einer klugen jungen Dame mit Sicherheit ein gescheiteres Gespräch führen kann ( das mit Sicherheit über einen bloßen Plausch hinaus geht) als mit einer stockblöden älteren. :baeh01:

    Gruß Martin

    Lieber Edwin,


    ich habe Deinem Sachverstand natürlich wenig entgegenzusetzen. Außer meinem musikalischen Empfinden.


    Mein musikalisches Empfinden sagt mir nun, daß Du die Schwächen Elgars, die aus "fachmännischer Sicht" ja da sein mögen, zu hoch bewertest und das Talent Elgars zu wenig in Rechnung stellst.


    Vielleicht ist Elgar ja in der Sinfonik ein Außenseiter, das mag sein. Trotzdem, wenn Du sagst, daß er kein guter Sinfoniker war, so setze ich dagegen, daß ich bei Elgar unbedingt den Eindruck habe, daß er die Art von Sinfonik geschrieben hat, die er eben gut schreiben konnte. Und die nimmt mich durchaus gefangen.


    Ich weiß auch nicht, was ich mit einem Statement wie "hübsche Musik, zweifellos" anfangen soll. Ein Begriff wie "hübsch" empfinde ich im Zusammenhang mit Elgar einfach als sehr herablassend. Hübsch sind die jungen Damen, die die Titelseiten der Illustrierten zieren. Elgar ist nicht bloß hübsch, er will als Komponist ernst genommen sein.


    Immerhin, auch wenn ich kein Fachmann bin, so ermutigen mich Deine mir selber zugestandenen Urteilsschwankungen ( etwa gegenüber dem langsamen Satz von Elgars 2., aber auch gegenüber Mahlers 7.), daß bei Dir in der Zukunft noch weitere Urteilsschwankungen möglich sind.


    Mein unfachmännisches Gefühl gegenüber Elgar war stets, daß ich seine Sinfonik nie als perfekt empfunden habe, aber auch nie als sinnlos, jedoch unbedingt als genial und deshalb auch als interessant. Ich gebe unumwunden zu, daß ich schon Musik gehört habe, die mir als schlüssiger erschienen ist. Das mag bisweilen vielleicht ein bißchen spekulativer erscheinen als "bewiesenere" Sinfoniker, aber in diesem Spekulativen liegt auch eine Lebendigkeit.


    Mir sind bei einem sinfonischen Werk wirklich nur zwei Dinge wichtig: Daß kein leeres Stroh gedroschen wird und daß das Werk für mich persönlich Sinn macht. Diesen Eindruck habe ich bei Elgar durchaus, auch wenn da mal ein "Auftrumpfen" sein mag, aber das gehört für mich bei Elgar dazu und steht bei weitem nicht so im Vordergrund, wie Du den Anschein erweckst.


    Gruß Martin

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Lieber Martin!


    Dein obiger Rundumschlag ist schon beachtlich. Er hat nur einen Fehler: Er ist, verzeih das harte Wort, Unsinn.


    Ich will Dir auch sagen, weshalb: Wenn Du die schlechtesten Werke von einigen Komponisten mit den besten eines anderen vergleichst, kommst Du nie zu einem vernünftigen Ergebnis. Auf dieser Basis führe ich Dir spielend vor, dass der in Wahrheit bestenfalls mittelmäßige Russe Tichon Chrennikow ein besserer Komponist als Bruckner war..


    Lieber Edwin,


    ich verzeihe Dir alles, schon mal weil ich in meinem innersten Herzen ein zutiefst verzeihender Mensch bin, aber Dir werde ich sowieso alles verzeihen. Trotzdem kann ich der Bezeichnung meines Beitrages als "Unsinn" denn doch nicht zustimmen.


    Was ich nur sagen wir mal ein bißchen karikieren wollte, ist die Unterscheidung der musikalischen Welt in Komponisten, die zwar voller lichter Momente stecken, aber leider leider doch nur zweitrangig sind und denen die voller schwacher Momente sind aber doch erstrangig.


    Zitat

    Bitte, Martin, verteidige Elgar, liebe ihn, verehre ihn; erkläre, dass Du seine Musik lieber hörst als die von Schubert, Mahler, Debussy etc; das ist Dir unbenommen, niemand würde Dich wegen Deines Geschmacks scheel anschauen. Aber spiele Elgar nicht im Versuch einer Objektivierung gegen eine Oberliga von Komponisten aus, in der er nichts verloren hat.


    Wenn ich dagegen jetzt wieder argumentiere, wird sich die Diskussion nur ewig im Kreis drehen. Ehrlich gesagt interessiert es mich überhaupt nicht, welche Komponisten Du für erstrangig und welche für zweitrangig hältst. Ich schätze alle diese Komponisten, die ich - anscheinend - niedergemacht habe sehr.


    Ich mag ja im übrigen auch durchaus Kontroversen. Was mich nur an der ganzen Sache stört, ist der Respekt, den man einem genialen Komponisten wie Elgar schuldet. Und ich finde alle solche Ausdrücke wie "zweitrangig", oder "nicht Oberliga" oder "wie schlechtes englisches Essen" oder "englischer Nebel" oder "dabei muß man zur Uhr gucken" oder "die Engländer klammern sich an ihm fest" etc. etc. einfach über die Maßen respektlos, eine Respektlosigkeit, die mich gegenüber Mahler nun zweifellos kaum stören würde ( wo ich nur müde drüber lächeln würde), die mich aber bei Elgar nun doch stört. Abgesehen davon aber: Wenn Du schon mit einer solchen Haltung an Elgar herangehst, ist das natürlich eine "self fullfilling prophecy", das Du bei Elgar genau das finden wirst, was Du erwartest, etwa in der 2. Sinfonie, die sicher nicht ganz so zugänglich ist wie Khataturians Säbeltanz.


    Bei "Erstklassigkeit" denke ich einfach nur an die Geschichte von Ravel und Gershwin, als Gershwin Kompositionsschüler von Ravel werden wollte und Ravel antwortete: Warum wollen sie ein zweitklassiger Ravel werden, wenn sie ein erstklassiger Gershwin werden können. Das ist die richtige Haltung.


    Jedenfalls gehen mir deine ewigen "Rangvergleiche", überhaupt diese ewigen zum Teil wirklich abwegigen Vergleiche einfach entschieden auf den Senkel.


    Gruß Martin







    Lieber Michael,


    ich werde mir den Handley mit der 2. Sinfonie auf jeden Fall mal holen. Worüber ich auch nachdenke, ist das Violinkonzert mit Kennedy und Handley ( Orchester habe ich schändlicherweise vergessen). Das ist ja sehr billig ( 5 Euro) und vielleicht ist dies ja eine Interpretation, die die Längen des Violinkonzerts doch ein bißchen besser auffängt ( vielleicht ist die Naxosaufnahme ja auch nicht so gut?). Kennst Du diese Aufnahme?


    Gruß Martin

    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Das "Land ohne Musik" war seinerzeit keineswegs bloß dummes Gerede von Kontinentaleuropäern, sondern die verbreitete musikalische Ignoranz auch der gebildeten Schichten wurde am heftigsten von englischen Musikern und Komponisten beklagt, z.B. von dem konservativen Elgar-Verehrer Donald F. Tovey noch in Texten aus der Zeit nach dem I. Weltkrieg.


    Davon habe ich gehört.


    Zitat

    Englische Schriftsteller(innen) wie Dickens, Austen, Thackeray, die Brontes etc. werden seltsamerweise kaum von Kulturhistorikern ignoriert; es ist doch absurd hier irgendwelche nationalen Vorurteile als entscheidends Kriterium zu wittern.


    Was hier absurd sein soll, leuchtet mir überhaupt nicht ein. Die Musik und Literatur der Russen wird auch nicht ignoriert, aber wer redet bitteschön über die russische Philosophie? Aber vielleicht ist die gut, wer weiß, trotzdem hätte vermutlich jeder Furz aus Frankreich größere Chancen, hier wahr genommen zu werden als selbst der brillianteste russische Philosoph ( wenn es ihn denn gibt).


    Zitat

    Umgekehrt ist es außerdem völlig verständlich, wenn Engländer sich an ihre wenigen Komponisten klammern und diese hoch einschätzen.


    Es waren ja auch nur so ein paar Leutchen, an die sich die Engländer halt "geklammert" haben. Nur Elgar, Vaughan Williams, Bax, Britten, Arnold usw. usw.. Na, wenn halt nichts besseres da ist ...


    Zitat

    Niemand hat bestritten, dass Elgar seinerzeit einer der wichtigsten englischen Komponisten war, aber er war nur mit ziemlicher Nachsicht einer der wichtigsten europäischen Komponisten, völlig unabhängig von seiner Nationalität.


    Die wichtigsten Komponisten werden die sein, die in hundert Jahren oder besser 200 Jahren wahrgenommen werden. Und da wird es sicherlich noch einige "Unschichtungen" geben, da bin ich sicher.


    Gruß Martin


    Lieber Theophilus,


    das Problem ist, daß trotz meiner wählerischen Ader, eben doch immer noch viel zu viel übrig bleibt. Also kein Mitleid nötig.


    Gruß Martin

    Also Elgar hat meines Erachtens zwei sehr große Probleme:


    Erstens ist er ein musikalischer Konservativer ( damit ist er für Kulturhistoriker nur bedingt interessant).


    Zweitens ist er Engländer.


    Engländer haben es schwer. Vom Gröfaz stammt das Zitat von den Engländern als "dem unmusikalischsten Volk der Erde". Justament dasselbe aber sagt auch der sicher nicht über die Maßen dumme ( wenn auch in dieser Hinsicht höchst oberflächliche) Hermann Hesse. Solches dumme Gerede hält sich bis heute.


    Ich kann nur sagen, daß ich etliches der sogenannten Großen gehört habe, was mich einfach unsterblich gelangweilt hat. Das fängt bei meinem Hausgott Händel schon mal an, setzt sich fort über Bach, Haydn, Mozart ( der sowieso), Beethoven ( sind wirklich alle Klaviersonaten gut?), Schubert, Schumann, Mendelsson, Brahms, Verdi, Wagner, Debussy ( mein Gott, was waren einige von den orchestralen Sachen, die ich neulich hörte, langweilig). So gesehen kann ich eigentlich die gesamte Musikgeschichte niedermachen und die einzigen, die da etwas besser da stehen sind allerhöchstens die, mit denen ich mich noch nicht näher auseinander gesetzt habe. Und selbst Mahler, der für mich der erste Kandidat eines vollkommenen Komponisten war ( und der sicher auch selbstkritischer war als andere), selbst da mußte ich vor einiger Zeit denken, na, ob der 4. und 5. Satz der 7. wirklich Musik allerhöchsten Ranges ist? Bruckner mag ich zu sehr, um gegenüber ihm objektiv zu bleiben. Über vieles was Richard Strauss schrieb, sollte vielleicht auch besser der Mantel des Schweigens gedeckt werden. Was ich von Schostakowitschs Streichquartetten gehört habe, hat mich nicht vom Hocker gerissen. Villa Lobos Streichquartette meistens auch nicht. Ich könnte diese Reihe fast endlos fortsetzen. Es gibt wirklich keinen Komponisten, bei dem mir alles gefällt und wo ich auch alles gut finde.


    Nur mit dem Elgar kann mans ja machen. Der war ja auch nur Engländer.


    Gruß Martin

    Zitat

    Original von klingsor
    es gibt auch vieles mittelmäßiges, langweiliges, gar schlechtes .. meine wertung ein guter komponist der zweiten reihe mit einigen außerordentlichen (meisterhaften) werken


    Der Unterschied besteht für mich lediglich darin, daß man sich bei Elgar traut, das "Mittelmäßige, Langweilige, gar schlechte" anzusprechen und bei jemandem aus der "ersten Reihe" dann aber eben nicht! Und was "erste Reihe", was "zweite Reihe" ist, das ist sehr kulturbedingt.


    Gruß Martin

    Ich habe gerade mal wieder eine nette Mail aus England bekommen, von Julian, der an der Musikbibliothek in London arbeitet. Wie es sich für einen ordentlichen Engländer natürlich auch gehört, schätzt er Elgar selbstverständlich über alles.


    Seine Empfehlungen sind mir doch mal den Dream of Gerontius anzuhören, das sei doch der Klassiker unter den Elgarschen Oratorien. Er hat die Aufnahme mit Boult ( das muß allerdings natürlich schon eine ältere Aufnahme sein). The Kingdom hat er auch und findet er auch ein gutes Oratorium, hat er auch mit Boult. Dann hat er noch die Apostel mit Hiccox, wozu er allerdings nicht viel sagt.


    Den Falstaff hat er mir als "großes Meisterwerk" auch ans Herz gelegt. Und dann noch einiges andere, was ich sowieso schon habe.




    Lieber Michael,


    auch wenn ich den Downes bei Elgars 2. schätze, werde ich doch mal nach dem Handley Ausschau halten ( wo er denn vielleicht auch noch so günstig ist!). Danke für den Tip!


    Aber weiß niemand etwas zu Elgars 3. zu sagen? Irgendwie beschäftigt mich dieses rätselhafte Werk, das Elgar selber nicht vollendet hat, doch sehr. Ich glaube es ist auf Naxos auch raus gekommen. Wenn die unvollendete 3. auch nur annähernd so gut ist wie die ersten 2, dann müßte ich sie eigentlich haben.


    Gruß Martin


    Also daß der Handley klasse ist, das glaube ich unbesehen. Ich habe ihn selbst mit den Vaughan Williams Sinfonien und den Planeten von Holst. Große Klasse. Der Handley ist übrigens auch die erste Empfehlung des Penguins Guide. Der Downes, den ich habe, kommt aber auch sehr gut weg, bekommt auch nur Lob und ich höre die Sinfonie in dieser Version sehr gerne. Bei der ersten habe ich halt den James Judd. Der ist dort die erste Empfehlung des Penguins Guide und ich finde ihn klasse. Wobei ich glaube, daß der Penguins Guide mit seinen Empfehlungen für Bruckner und Mahler nicht immer richtig liegt, aber den Elgar werden sie als Engländer wohl kennen.


    Von Downes und dem BBC Philharmonic Orchestra habe ich auch eine Einspielung von Miaskovskis 5. und 9. Auch sehr schön. Guter Dirigent und gutes Orchester.


    Gruß Martin

    Zitat

    Original von klingsor
    hallo, michael, du sprichst mir mit deinen bemerkungen aus dem herzen.


    und noch eine kleine anmerkungen für die allgemeinheit: jeder darf natürlich schreiben was er will, doch ich fände es vorteilhafter, anstelle der nun wirklich erschöpfend ausgebreiteten meinungen über rang oder nicht-rang sich lieber mit den einzelnen werken auseinanderzusetzen und diese zu analysieren oder zu bewerten. ...


    Also mein aufrichtiger Wunsch war es hier nur, meine Begeisterung von der Musik Elgars zum Ausdruck zu bringen. Aber wenn Elgar dermaßem der Zweitklassigkeit bezichtig wird, daß man bei Elgars 2. immer zur Uhr schaut (Edwin), oder sie mit dem schlechten Essen in England vergleicht ( Johannes), muß ich den Elgar einfach in Schutz nehmen.


    Wenn Michael hier schreibt:


    Zitat

    vielleicht ist mit mir ja etwas nicht in Ordnung ,
    aber ich habe die 2.Elgar-Sinfonie immer sehr geschätzt


    weiß ich nicht, warum er das schreibt, denn ich habe in den letzten Tagen immer wieder geschrieben, wie gut ich Elgars Sinfonien und auch gerade seine zweite finde. Nur schien es in den letzten Tagen beim "bashing" gegenüber Elgar ( wie Johannes es geschrieben hat), daß ich hier allein auf weiter Flur stünde ( zumindestens was Elgars Sinfonien anbetrifft). Ich freue mich, daß dies offensichtlich doch nicht so ist!


    Mich würde halt sehr interessieren, welche Werke Elgars ich denn noch kennen lernen sollte ( welche ich kenne, hatte ich gesagt). Ich hätte mich da schon sehr gefreut, wenn auf meine Vorstellung von Elgar ein Feedback derart gekommen wäre wie: Hör Dir doch mal den "Dream of Gerontius" ( den kenn ich zum Beispiel noch nicht) an, der ist sehr gut, vielleicht auch mal mit einer möglichst günstigen CD empfehlung ( Naxos hat ihn glaube ich eingespielt, ist diese Einspielung lohnenswert)? Das hätte mich halt sehr gefreut. Ich selber habe es ja auch so gemacht, daß ich hier Elgars Sinfonien, Konzerte und Kammermusik vorgestellt habe, in der Hoffnung, hier Menschen auf die große Schönheit der Elgarschen Musik hinzuweisen.


    Gruß Martin

    Lieber Edwin,


    ich denke, wir bewegen uns wieder aufeinander zu. Ich will Elgar nicht unter die Riesen einreihen. Ich will ihn ehrlich gesagt überhaupt nicht einordnen. Vielleicht gefällt es mir hier nicht, wie seine Sinfonien niedergemacht werden. Aber mit einem Vergleich Elgar und Franz Schmidt kann ich schon leben. Wobei ich mit Franz Schmidts 2. und 3. Sinfonie nicht so viel anfangen konnte ( ohne mich allerdings, und vielleicht war das ja auch ein Fehler, intensiv mit ihnen auseinandergesetzt zu haben), aber die 1. Sinfonie fand ich gar nicht schlecht ( wiewohl doch schon "fast Kitsch", aber trotzdem toll) und die 4. ist natürlich ein Klassiker ( und überragt seine anderen Sinfonien wohl weit). Da ist es nicht unehrenhaft für Elgar mit Franz Schmidt verglichen zu werden, ganz im Gegenteil.


    Franz Schmidt ist unbedingt ein Komponist, der, wie Elgar, im Schatten größerer steht, aber unbedingt interessant ist, aber vermutlich nicht mit jedem Werk. Nur alle Vergleiche hinken, Elgar hat schon besondere Qualitäten, die ihn über andere auch hinausheben. Auch der Vergleich Elgars mit Mjaskovski ( den du anderswo brachtest) muß nicht ehrenrührig sein, nur daß mich die 24. und 25. neulich sehr enttäuscht haben, aber muß ein nicht ganz erstklassiger Komponist auch 27 Sinfonien schreiben? Elgar hat 2 geschrieben und die sind gut. Oder hat Elgar doch 3 Sinfonien geschrieben, da geistert ja immer diese unvollendete 3. herum, die aber glaube ich auch auf Naxos herausgekommen, was ist von der zu halten?


    Wir müssen uns im übrigen über Kategorien nicht herum streiten. Wichtig ist für mich nur zu betonen, daß Elgar eben nicht zweitklassiger Mahler oder zweitklassiger Bruckner ist, sondern erstklassiger Elgar. Und trotzdem ist erstklassiger Elgar doch nicht erstklassiger Mahler. Jedoch mag ich Elgar nicht deklassieren, einen Komponisten, den ich wirklich so schätze, den ich in seiner Eigenart lieben gelernt habe, kann ich einfach nicht deklassieren. Elgar ist für mich schlicht kein "normaler Komponist" sondern ein Herausragender, ich würde ihn immer in die erste der drei von Dir genannten Kategorien setzen.


    Der Name Draeseke ist mir schon gelegentlich begegnet. Es erstaunt mich, daß Du ihn so hoch ansiedelst. Vielleicht sollte ich dem auch irgendwann mal meine Aufmerksamkeit widmen.


    Gruß Martin

    Ich finde auch, daß man Elgar nicht mit späteren Komponisten vergleichen sollte. Es ist ja im übrigen auch so, daß wir alle unsere Präferenzen haben. Ich habe mich zwar bei der Frage nach der musikalischen Lieblingsepoche verweigert, aber es ist doch ganz eindeutig so, daß ich eigentlich völlig von der spätromantischen Sinfonik herkomme. Da kenne ich sehr viel, diese Musik ist mir eigentlich immer zugeflogen. Das ist gewissermaßen in der klassischen Musik meine Muttersprache, diese Musik hat mich in meiner Jugend fast ausschließlich begeistert.


    Menschen mit ähnlichen Präferenzen werden den Elgar sicher sehr interessant finden, sie werden sich vielleicht auch die Mühe machen, sich in diese Musik "einzuhören". Und werden sich am Ende vielleicht sogar für sie begeistern. Allen anderen möchte ich vielleicht gar nicht raten, sich mit Elgar auseinanderzusetzen, auch wenns mir weh tut, das sagen zu müssen. Die klassische Musik ist einfach ein sehr weites Feld, da wird man wohl damit leben müssen, daß der Elgar bei dem einen oder anderen "unter die Räder kommt". Es ist im übrigen aber trotzdem auch schön, daß wir verschiedene Präferenzen habe, auf diese Weise geht doch eigentlich nichts, was des "Aufbewahrens" und auch des "Lebendighaltens" würdig ist, verloren.


    Trotzdem möchte ich doch noch mal der hier geäußerten These widersprechen, daß Elgar "nur für die Engländer interessant" ist. Ich denke in solchen nationalen Kategorien sollten wir nicht mehr denken. Für einen Engländer, dessen Präferenz die Frühromantik, oder möglicherweise sogar die Moderne ist, wird Elgar möglicherweise gar nicht so interessant sein. Umgekehrt wäre es jammerschade, wenn Menschen, die keine Engländer sind, die aber für diese Musik "eine Ader" haben, den Elgar nicht kennen lernen würden.


    Gruß Martin