Beiträge von Spielmann

    Und noch ein „Übrigens“: Hermann Hesse hat sich sehr kritisch über das Werk geäußert. Er mochte es nicht, fand es klanglich viel zu überladen, Man muss dabei wissen: Hesse war Mozart-Liebhaber und – wie er das ja literarisch dokumentiert hat – Brahms-Hasser.


    Bei Hesses Ablehung der Strauss-Lieder kommt wohl manches zusammen: eine grundsätzliche Skepsis gegenüber der Vertonung seiner Gedichte (diejenigen von Schoeck vielleicht ausgenommen), die erwähnten Vorbehalte gegenüber den "überladenen" Spätromantikern, und dann speziell auch Strauss gegenüber, dessen Haltung im 2. WK ihm opportunistisch vorkam. Während eines Kuraufenthaltes im Verenahof in Baden suchte Strauss die Bekanntschaft des ebenfalls anwesenden Hesse zu machen, aber Hesse liess sich entschuldigen, "obwohl der schöne alte Herr mir gut gefiel" (Brief an Ernst Morgenthaler, 1.2.1946)

    Hallo Alfred,

    Da mir kaum ein Clip im Bezug auf SHIGERU KAWAI wirklich gefiel (es waren einige wirklich abschreckende dabei, was aber an der Raumakustik oder den Pianisten lag) habe ich vor allem einen Link auf die OFFIZIELLE Seite des Herstellers gesetzt - Die dort enthaltenen Klangbeispiele sind zumindest passabel und geben wenigstens eine groben Überblick - zudem sind sie quasi "autorisiert"......

    Im Sostenuto-Mittelteil des dort zu hörenden Des-Dur Walzers op. 64,1 von Chopin kommt ein bisschen etwas von der oben beschriebenen Charakteristik durch. Die ersten drei "as" haben diesen speziellen Klang, solange der Spieler im piano bleibt. Aber es ist schon so, wie du sagst: zwischen dem Naturklang und dem elektronisch aufbereiteten Klang, mit all seinen Unwägbarkeiten, ist ein grosser Unterschied. Der Minutenwalzer-Flügel klingt elektronisch auch sehr viel trockener als derjenige den Pletnev gespielt hat.


    Liebe Grüsse
    Spielmann

    Ich hatte versprochen, auch die Präsentation anderer Konzertflügel durch ihre Erbauer zu ermöglichen.
    Passend zum Beitrag von "Spielmann" verlinke ich hier auf die website von SHIGERU KAWAI, wo man auch ein paar vom Hersteller bereitgestelte - allerdings recht kurze - Hörproben finden kann, sowie diverse Referenzen von Pianisten.

    Ob die beiden Clips geeignet sind den hohen Anspruch, den die Shigaru Kawai Flügel offenbar erheben wollen, zu untermauern, darf bezweifelt werden ;(


    Liebe Grüsse
    Spielmann

    "At the request of Mikhail Pletnev this Recording was made on a Blüthner Concert Grand"


    Vergangene Woche spielte Mikhail Pletnev in Basel ein Programm mit Beethoven (Sonaten op. 14/2 & op. 31/2), Schumann (Humoreske op. 20) und Skrjabin (24 Préludes op. 11). Ich konnte von meinem Platz aus nicht erkennen, was er für einen Flügel spielte, aber es klang nicht nach einem Steinway. Besonders die Mittellagen waren auffällig singend, wie ich es so noch nie gehört habe. Um diesen singenden Klang zu erhalten, schien Pletnev die ganze dynamische Palette nach unten versetzt zu haben. Alles spielte sich mehr oder weniger im Pianobereich ab, vom Dreifachpianissimo bis zum Mezzoforte. Bei letzterem erschrak man beinahe. Was spielte er für ein Klavier? Ich konnte es von meinem Platz aus nicht erkennen. In der Pause klärte sich das Rätsel: es war ein Shigeru Kawai, den er offenbar selber mitgebracht hat. Die Klangästhetik hat bei Pletnev einen hohen Stellenwert und er ist auf ein Instrument angewiesen, welches in der Lage ist, seine nuancierten Klangvorstellungen wiederzugeben, was bei den ihm üblicherweise vorgesetzten Konzertflügeln (meist Steinways) offenbar nicht in ausreichendem Mass der Fall ist. Angeblich war diese Situation der ihm nicht genügenden Instrumente der Grund, wieso Pletnev sechs Jahre nicht mehr konzertiert hat. Jetzt reist er mit seinem Shigeru Kawai und einer Crew mit Technikern, die den Flügel unmittelbar nach Ende des Konzert gleich zerlegten.


    Der Auffälligste, wie gesagt, waren die wunderbar weichen und tragfähigen Mittellagen, eine Wonne, speziell bei Schumanns Humoreske, die er auch einmalig schön und inspiriert spielte, aber auch bei den klangsinnlichen Préludes von Skrjabin. Der Diskant erinnerte an den Steinway'schen Silberklang. Die Bässe waren keine Offenbarung (wie manche Bösendorfer), aber doch füllig und mit klaren Konturen. Insgesamt ein tolles und unerwartetes Klangerlebnis. Ob ein Shigeru Kawai "von der Stange" auch so edel klingt, ist natürlich fraglich. Die mitreisenden Techniker optimieren wohl das Instrument auf die akustischen Gegebenheiten in jedem Konzertsaal. Was ich gelesen habe, ist aber beim Kauf eines jeden Shigeru Kawai der Besuch eines Technikers des Mutterhauses dabei, der den Flügel am Standort einrichtet! Das kann mehrere Tage dauern.


    Spielmann

    Hallo Rheingold,


    Dass im Nachkriegsdeutschland lange ein Bogen darum gemacht wurde, liegt doch sicher auch an diversen Versuchen unter dem Kaiser und später unter Hitler, das Werk konform zurecht zu schnitzen.


    Im Dritten Reich wurde der erste Teil mit dem dritten vertauscht, so dass statt der Reuetränen des Sünders das Blut des Krieghelden den Eintritt ins Paradies bewirkte! Fies, aber dies hat offenbar dazu geführt, dass dem Werk nach dem Krieg der Nimbus der Kriegheldenverehrung anhaftete.


    Spielmann

    Hallo Johannes,



    ich finde das Teil insgesamt schon ziemlich schräg. Sowohl von der Form als auch vom Inhalt der Dichtung. Mich wundert tatsächlich, dass das so populär war.


    Der Inhalt der Dichtung ist freilich angreifbar und ist sicher nicht zeitgemäss. Das wird man irgendwann auch von den heutigen Fantasy-Geschichten sagen (Harry Potter, Herr der Ringe etc.). Die Erlösungsmythen und das orientalische Ambiente entsprachen damals offenbar dem Zeitgeist. Was meinst du mit der "schrägen Form"? Die Anlage der Komposition? Das Stück hat zwar noch Nummern, mit ariosen Rezitativen, zeigt aber bereits Elemente der späteren durchkomponierten Oper, war insofern also recht innovativ für das Jahr 1843, auch was die Form des weltlichen Oratoriums anbelangt.


    Zitat


    es gibt angeblich einen Brief von Wagner, in dem der Schumann lobt, diesen Stoff bearbeitet zu haben


    Wagner hatte sich offenbar auch bereits mit dem Peri-Stoff auseinandergesetzt. Er schreibt an Schumann: »Ich kenne dieses wundervolle Gedicht nicht nur, sondern es ist mir auch schon durch meine musikalischen Sinne gefahren: ich fand aber keine Form, in welcher das Gedicht wiederzugeben sei, und wünsche Ihnen daher nun Glück, die richtige gefunden zu haben.« (Brief vom 21. Sept. 1843).


    Gruss
    Spielmann

    Ich kann mich der Begeisterung für die Peri im Gewandhaus nur anschliessen. Ich war in beiden Vorstellungen, beide waren top, so dass ich den Eindruck hatte, dieses Werk im Konzertsaal wohl kaum noch einmal auf diesem Niveau hören zu können. Die Ensembleleistung in der zweiten Vorstellung war womöglich noch um eine Nuance kompakter.


    Es war mein erster Besuch im Gewandhaus, bin für die beiden Vorstellungen extra aus der Schweiz angereist und es hat sich voll ausgezahlt. Hier wird königlich musiziert, mit einem wunderbaren Klangkörper, in ausgezeichneter Akustik. Warme, intensive Streicher, präzise Bläser (speziell aufgefallen: die 1. Klarinette, aber auch die Hörner und der Paukenspieler: ein echter Liebhaber seines Instruments!). Ich sass einmal hinten und einmal ganz vorne. Beide Male klang es gleich gut und gleich transparent. Über die stimmliche Indisponiertheit von Hannah Morrison wurde hier schon berichtet. Die zweite Vorstellung gelang ihr besser, aber immer noch sang sie etwas verhalten, wenig klar in Ausdruck und Gestaltung. Wahrscheinlich war sie wirklich erkältet. Der "Erzähler" James Gilchrist (Tenor) sang zwar sehr ausdrucksvoll und mit klangschönem Timbre, aber die Textverständlichkeit litt unter seinem Akzent. Die übrigen Sänger alle top: speziell Christina Landshammer (Sopran) und Ann Hallenberg (Mezzo), markig auch die Auftritte von Panajotis Iconomou (Bass). Über jedem Zweifel - und für mich neben dem Orchester und seinem famosen Gastdirigenten Gardiner das Highlight des Abends - war der Monteverdi Choir, der sich wohl weltweit zu den besten Chören überhaupt zählen darf.


    Aber was wären all die guten Leistungen der Instrumentalisten und Sänger ohne dieses bezaubernde Werk von Schumann? Woran liegt's, dass dieses Kleinod so selten aufgeführt wird? Hat Schumann überhaupt etwas Inspirierteres geschrieben? Liegt's am Libretto, an der blumigen Sprache, die heute als zu süsslich empfunden wird? Oder ist es das Zwitterwesen, weder (kirchliches) Oratorium, noch Oper, so was dazwischen, man kann's nicht recht einordnen? Fehlen die Bravourarien? Beim Hinausgehen hatte ich jedenfalls den Eindruck, dass die Konzertbesucher begeistert waren. Die beiden Vorstellungen werden sicher ihren Teil dazu beitragen, dass die Peri nicht mehr nur ein Geheimtip bleibt.


    Spielmann

    Hatte eben Gelegenheit bei einem Kollegen die ersten 20 Minuten der oben erwähnten Matthäus-Passion von McCreesh anzuhören. Ein starkes Stück. Das schnelle Tempo von "Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen" überrascht. Und noch mehr das tänzerische Element darin. Man könnte Walzer dazu tanzen. Jos van Veldhoven betont in seinem Weihnachtsoratorium ebenfalls das Tänzerische, was die Dominanz der 3er-Takte deutlich werden lässt. Beim Weihnachtsoratorium leuchtet das Freudig-Tänzerische eher ein als bei der Passion. Auffällig die dramatische Ausgestaltung des Textes - eine spannende Kammeroper. Die grosse Orgel, ein Pluspunkt, zweifelsohne. Mark Padmore, ein "mitfühlender" Evangelist, sauber und klangschön intonierend, kein störender Akzent. Verglichen mit Türk etwas "cremiger" im Timbre, mit bestechender Leichtigkeit in den Höhen. Peter Harvey, gewohnt souverän, etwas metallisch klingend, muss an der Aufnahme liegen. Überhaupt kommen die Sänger etwas "aggressiv" rüber, singen das Orchester an die Wand. Deborah York müsste ich länger hören. Schöne, klare Stimme, gelegentliche Intonationstrübungen, Vibrato gewohnheitsbedürftig. Nur ein erster Eindruck, war gefesselt und musste mich losreissen. Die Bestellung ist getätigt.


    Spielmann

    Zitat

    Osterzeit ist Bachzeit.


    So isses. Aber zum Glück nicht nur.


    Am Karsamstag konnten meine Frau und ich uns einen langgehegten Traum erfüllen: eine Live-Aufführung der Matthäus-Passion mit der Netherlands Bach Society in der Grote Kerk in Naarden. Eine lange Reise von hier in der Schweiz, 10 Stunden mit dem Zug nach Utrecht, dann weiter mit der Regio-Bahn und schliesslich mit dem Bus nach Naarden. Aber jeder Meter hat sich gelohnt - kein Thema. Ich sehe es als Privileg an, so eine Aufführung erleben zu dürfen, egal wo. Weltklasse in jeder Beziehung.


    Musiziert wurde in der üblichen Kompaktbesetzung: 9 Solisten, 8 Ripienisten, plus 6 Knaben des Kampen Boys Choir, total also 23 Sänger, wobei die Knaben bei den Chorälen nur gelegentlich mitsangen, im 2. Teil gar nicht mehr). Bei den beiden Orchestern total 33 Instrumentalisten (drei erste und drei zweite Violinen, sonst alles einfach besetzt). Dirigiert (am Cembalo) hat dieses Jahr Lars Ulrik Mortensen. Nächstes Jahr wird wieder Jos van Veldhoven leiten. Ich war zuerst enttäuscht, dass nicht der Chefdirigent am Pult sass, aber nach der Vorstellung mit Mortensen wäre es mir für ein anderes Mal egal. Mortensen hat voll überzeugt. Wer waren die Solisten?


    Evangelist: Jan Kobow
    Sopran: Dorothee Mields, Susanne Rydén
    Alt: Robin Blaze, Alex Potter
    Tenor: Leif Aruhn-Solén, Mathias Hedegaard
    Bass: Peter Harvey, Matthew Brooke


    Wenn man kleine Abstriche machen musste, dann allenfalls beim Evangelisten. Hier ist man mit Gerd Türk arg verwöhnt. Punkto Diktion und Ausgestaltung des Textes konnte Jan Kobow da nicht ganz mithalten, wenngleich auch er eine grundsolide Leistung bot. Sonst waren alle Sänger auf Topniveau. Gleiches gilt für die Instrumentalisten, die bestechend homogen, rhythmisch präzise und klangschön musizierten. Dazu kommt die tolle Akustik in der Kirche. Wir sassen relativ weit hinten, verstanden aber jedes Wort. Eine wunderbare Aufführung. Wir sind heute noch ganz verzaubert.


    Wie wir am CD-Stand am Eingang der Kirche erfuhren, ist für nächstes Jahr eine Neueinspielung der Matthäus-Passion mit der Netherlands Bach Society geplant, diesmal in Kompaktbesetzung. Die Live-Aufnahme von 1997 ist zwar sehr schön, aber halt noch mit dem grossen Apparat. Auch die Aufnahmetechnik hat noch nicht das Niveau der neueren Aufnahmen (Johannes-Passion, Weihnachtsoratorium, h-Moll Messe). Man darf sich freuen darauf.


    Spielmann

    Hab gestern in Zürich den hochklassigen Tristan mit Nina Stemme und Ian Storey gesehen und musste weit zurückdenken, die Oper so eindrücklich erlebt zu haben. Es kamen mir die Aufführungen mit Catarina Ligendza in Bayreuth 1975/76 in den Sinn. Punkto Ausdruckskraft und Bühnenpräsenz habe ich seither kaum etwas besseres gesehen. Ligendzas Stimme fehlte auf der Bühne nichts (was man auf den Tonträgern kaum glauben mag). Die Textverständlichkeit war vorbildlich, ihre Stimme wunderbar warm und ausgeglichen. Vielleicht verklären sich künstlerische Eindrücke im Rückblick - oder sie sind am Ende sogar erotisch infiltriert, sei's drum - aber ich bin offenbar nicht der einzige der Ligendzas Isolde für ausserordentlich hält, zumindest auf der Bühne.


    Hier ein paar aktuelle Fotos aus einem Meisterkurs mit ihr. Sie sieht immer noch toll aus mit ihrem Wuschelkopf. Siebzig? Kaum zu glauben.
    http://www.junge-musiker-stift…na-ligendza/158/#more-158


    Liebe Grüsse und schöne Weihnachten allerseits!
    Spielmann

    Zitat

    Original von Diabolus in Opera
    Ich hätte da aber mal ne Frage zur Kraus-Aufnahme: Bei mir gibt es ausgerechnet beim letzten Lied des Spielsmanns nach der Stelle "Kniet nieder und weint!" ein kurzes Störgeräusch. Das macht mich jedesmal rasend!


    Hab mir die Stelle in der Kraus-Aufnahme eben angehört. Kein Störgeräusch hier. Im gleich nachfolgenden kurzen Englischhornsolo gibt es es ein dumpfes Geräusch, aber das wird es nicht sein was du meinst. Also: CDs umtauschen ;)


    Liebe Grüsse
    Spielmann

    Gestern Königskinder in Zürich - ein tolles Erlebnis! Radagast hatte angeboten für ein Forumsmitglied zwei Karten mitzubesorgen und ich war der Glückliche. Und es waren Superkarten: erste Reihe, Mitte. Mag sein, dass sich so weit vorne der Orchesterklang weniger gut mischt wie 10 Reihen weiter hinten, aber die Tuchfühlung zu den Protagonisten auf der Bühne und der gelegentliche Blick in den Orchestergraben schaffen eine besondere, prickelnde Nähe zum Geschehen, die auch Details scharf werden lassen.


    Nähe offenbart auch Schwächen, sei es in der Partitur, bei den Sängern, im Orchester. Solche gab es aber gestern nicht. Eine rundum gelungene Ensembleleistung. Ingo Metzmacher betont das impressionistische Element der Partitur. Transparenz und Klangfarbe statt einlullender Klangteppich, wozu die äusserst differenzierte Instrumentierung von Humperdinck auch Anlass genug gibt. Zum ersten mal habe ich gestern an manchen Stellen auch die Herkunft vom Melodram wahrgenommen. Insbesondere Jonas Kaufmann wechselte bisweilen ins deklamatorische, meist an leisen Stellen, was diesen Momenten eine überraschende Präsenz und Natürlichkeit verlieh. So ausgeführt wünschte man sich einmal die Melodram-Fassung der Königskinder zu hören, aber ich weiss auch nicht, ob sich der Effekt auf Dauer nicht doch abnutzt.


    Die Sänger boten eine durchs Band überzeugende Leistung. Herausragend Jonas Kaufmann mit einer wirklich beeindruckenden Vorstellung, stimmlich und darstellerisch. Weltklasse. Anstelle des erkrankten Oliver Widmer fügte sich Martin Gantner als Spielmann nahtlos ins Ensemble, mit seinem warmen Bariton und klarer Diktion ebenfalls beeindruckend. Hervorstechend auch Liliana Nikiteanu als Laborantin-Hexe und Martina Welschenbach als deftig zupackende Wirtstochter. Kein Wermutstropfen? Nicht wirklich. Bei Isabel Rey als Gäsemagd hätte ich mir allenfalls gewünscht, dass sie ihre schüchterne Gestik spätestens im dritten Akt aufgegeben hätte, um ihre Wandlung zur Königin auch von ihrer Körpersprache her glaubhaft zu machen.


    Bei den Regiekonzepten ist man sich inzwischen gewohnt, dass man grobe Diskrepanzen zwischen dem gesungenen Text und den Gegebenheiten auf der Bühne in Kauf nehmen muss. Das war auch gestern nicht anders. Aber das Regiekonzept von Jens-Daniel Herzog war in sich stimmig, den Inhalt auslotend, gelegentlich augenzwinkernd und jederzeit unterhaltsam. Die Personenregie war eng mit der Musik verbunden. Da gab es berückende Momente. Also, ein berauschender Opernabend, der vielleicht anderen Intendanten zeigt, dass die Königskinder durchaus inszenierbar sind und auf ein dankbares Publikum stossen.


    Spielmann

    Hallo Knusperhexe,


    Zitat

    Original von Knusperhexe
    Kann ich noch ein wenig Hoffnung auf Romatik hegen?


    Du meinst Chromatik? Ja, sicher, vor allem im dritten Akt ;)


    Scherzchen beiseite - es ist wohl besser mit dem schlimmsten zu rechnen und sich allenfalls mit der Romantik aus dem Orchestergraben zufrieden zu geben. Aber manchmal gibt es ja schlüssige moderne Inszenierungen. Lassen wir uns überraschen.

    Denke auch, dass es an beidem liegt. Im Juni gab es in Zürich zwei Arabella-Vorstellungen mit Renée Fleming und Thomas Hampson, die im Nu ausverkauft waren. Als Hampson kurzfristig absagte, wurden einige Karten zurückgegeben und man konnte am Tag vor der Vorstellung noch beste Plätze ergattern. Sollen wir also hoffen dass Kaufmann absagt? ;)

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Aber im Grunde habe ich eine andere Theorie bezüglich des Zweiten Aktes "Königskinder" - die Theorie vom Niveaugefälle. Die Außenakte sind so gut, daß dagegen der Mittelakt etwas abfällt - was aber an der hohen Qualität der Außenakte liegt.


    Lieber Edwin,


    Das scheinen mir zwei spannende Aspekte, die dur hier anschneidest: die Assimilierung an ein gegebenes Niveau einerseits - und die Relativität von Sinneseindrücken. Ein Glas Wasser schmeckt nach dem Genuss von Salzigem süss, nach Süssem eher salzig.


    Auf die Musik übertragen, gibt es ein Spannungsfeld zwischen, nennen wir's: Ergriffenheit und Langeweile, mit zahlreichen Zwischenstufen. Nach längeren Phasen der Langeweile wirkt schon die kleinste Spannungserhöhung stark in die andere Richtung (es sei denn, man sei zwischenzeitlich schon eingeschlafen). Umgekehrt ist ein Zustand des andauernden Ergriffenseins auf Dauer schwer erträglich und wirkt nivellierend. Höhepunkte sind demnach nur deshalb Höhepunkte, weil es auch Nichthöhepunkte gibt. In den Bach-Kantaten werden z.B. die Choräle oft als Höhepunkte empfunden. Wie wär's also, nur noch die Choräle zu hören und das Beigemüse wegzulassen? Spätestens nach dem fünften Choral würde man sich vermutlich nach einer "langweiligen" Da-Capo-Arie sehnen (langweilig auf hohem Niveau, versteht sich), um sich hernach wieder gehörig auf einen Choral zu freuen. Man hat ihn sich "verdient".


    So gesehen ist der 2. Akt Königskinder die notwenige Verschnaufpause zwischen zwei Höhepunkten. Das ganze aber auf hohem Niveau! Inzwischen wurde von Knuspi und dir festgestellt, dass der 2. Akt so langweilig eigentlich gar nicht ist, bzw. dass auch er ein internes Spannungsgefälle hat. Das ist auch meine Erfahrung.


    Zu meiner Arbeitsstätte fahre ich, hin und zurück, etwa 50 Minuten mit der Strassenbahn. Lang genug, sich einen (schallabsorbierenden) Kopfhörer in die Ohren zu stecken und den MP3 Player anzuwerfen. Ich höre dann oft ein Werk der Wahl mehrmals hintereinander, um es wirklich gut kennenzulernen. Eine Zeit lang tat ich dies mit verschiedenen Aufnahmen der Königskinder. Den 2. Akt habe ich anfangs oft übersprungen. Nach dem ersten Akt ging's gleich zum dritten, dann wieder zum ersten usw. Irgendwann habe ich mir dann auch den zweiten Akt wieder vorgenommen und fand ihn zum ersten mal hinreissend! Unterhaltsam von A bis Z - bringt die ganze Palette: Humor, Sex, Intrige, Märchenhaftes, Andächtiges, und die Musik nie nur routinehaft komponiert. Was will man mehr? Ich habe dann tatsächlich eine Weile nur noch den zweiten Akt gehört. Er gewinnt absolut bei besserem Kennenlernen.


    Liebe Grüsse!
    Spielmann

    Zitat

    Original von Holger Sambale
    Burgmüller kenne ich schon länger. Seine Zweite Sinfonie (in D-Dur), die Burgmüller leider nicht vollenden konnte (das Scherzo wurde von Robert Schumann zu Ende orchestriert, vom Finale existiert nur ein kurzes Fragment - Burgmüller ist übrigens ertrunken, als er bei einem Kuraufenthalt in Aachen ein Bad nahm und einen epileptischen Anfall erlitt), gilt als noch bemerkenswerter als die Erste.


    Im Grabbe Jahrbuch 2000/2001 hat der Norbert Burgmüller-Forscher Klaus Zehnder-Tischendorf Dokumente zur Geschichte der Oper Der Cid publiziert, die u.a. auch auf das verschollene Finale der 2. Sinfonie eingeht und Burgmüllers Todesursache in einem neuen Licht erscheinen lässt. Die Dokumente basieren auf unlängst aufgetauchten Aufzeichnungen seines Bruders Friedrich Burgmüller, dem berühmten Klavieretüdenschreiber. Die Geschichte ist zu lang, um sie hier ganz wiederzugeben, auch möchte ich kein Copyright verletzen.


    In Kürze geht es in den Aufzeichnungen von ca. 1870 darum, dass Norbert Burgmüller 1835 eine Oper auf einen Text von Grabbe komponiert hat. Er scheint sein gesamtes genialisches Potential in das Werk investiert zu haben und spricht seinem Bruder gegenüber davon, dass ihm "ganz neue Harmonien im Kopfe herumgegangen seien", er hoffe mit diesem Werk etwas gefunden zu haben, was "der deutschen Musik die Vorherrschaft auf lange Zeit" zu sichern vermöge. Am 26. Februar 1836 steht in Düsseldorf die Uraufführung an. Hohe Gäste haben sich angesagt: Spohr, Schindler, Fétis, Hiller, Prinz Friedrich Nesselrode. Anwesend ebenfalls der damals noch unbekannte Richard Wagner. Burgmüller dirigiert, hinter der Bühne spielt ein zweites Orchester. Schon nach kurzer Zeit gibt es erste Pannen. Das Hauptorchester patzt. Auch ist die Musik "überraschend neu", so dass die grosse Menge des Publikums schon bald den Faden verliert. Der Wechsel zwischen den Orchestern erzeugt im Publikum "grösste Heiterkeit". Die Vorgänge auf der Bühne sind unverständlich, auch sind einzelne Sänger indisponiert, man versteht kein Wort. Unruhe breitet sich im Saal aus, Rufe der Missbilligung, Pfiffe, Zischen. Bei einer Szene, bei der einem Schaf eine Hauptrolle zufällt, verlässt Spohr den Saal. Weitere Zuschauer folgen ihm, unter lauten Unwillenskundgebungen. Die Irritation wird immer grösser. Statt im Wechsel spielen die beiden Orchester nun gleichzeitig im Fortissimo, was eine Kakophonie erzeugt, die auch den Wohlmeinenden im Auditorium die Sprache verschlägt. Die im Saal anwesende Gruppe um Grabbe fängt nun an zu kreischen, betätigen Geräuschinstrumente und brennen ein Feuerwerk ab. Der sich im Saal ausbreitende Qualm und der grosse Lärm vertreiben die restlichen Zuhörer, die auf der Flucht das ganze Stuhlwerk umwerfen.


    Ein Fiasko also. Burgmüller ist untröstlich und sagt leise zu seinen Leuten: "Das ist das Ende. Die Leute wollen nichts von mir wissen". Er vernichtet in der Folge die Partitur und alle Stimmen der Oper. Friedrich Burgmüller endet seine Erinnerungen an den Vorfall mit dem Satz: "Mir aber gingen einige der genialischen Gedanken aus des Bruders Werke nicht mehr aus dem Kopfe, und ich habe mich bemüht, sie, mit meinen bescheidenen Mitteln, in einem erheblich später entstandenen Trio würdig zu verarbeiten".


    Was das rätselhafte Verschwinden des Finales zur 2. Sinfonie Burgmüllers anbelangt, so vermutet Klaus Zehnder-Tischendorf: "höchst wahrscheinlich verbrannte er es irrtümlich zusammen mit den Noten des Cid. Ob auch der frühe Tod Burgmüllers, im Wissen um das oben Geschilderte, einer anderen Beurteilung unterliegen sollte, mag im Ermessen des Lesers liegen".


    Spielmann

    Es scheint, dass sich die Teilnehmer an diesem Thread darüber einig sind, dass die Königskinder eine ausnehmend schöne Oper ist. Insbesondere der dritte Akt gehört sicher zum besten, was zwischen Parsifal und Wozzeck im spätromantischen Stil geschrieben wurde, und man mag sich die Frage stellen, wieso die Oper in den letzten 70 Jahren so selten auf den Spielplänen auftauchte, nachdem sie in den ersten zwei Jahrzehnten ein so grosser Erfolg war.


    Woran liegt's? Ich liste mal ein paar mögliche Gründe:


    Die Märchenoper ist für Kinder kaum geeignet, schon der Länge wegen
    Die Musik ist für einen Märchenoper zu schwer
    Es fehlen die süffigen Lieder. Ein Rosenkranz macht noch kein Hänsel und Gretel.
    Die Musik ist epigonal: Meistersinger (1. & 2. Akt), Tristan, Parsifal, Walküre (3. Akt)
    Das Libretto ist in seiner Aussage zu wenig griffig und entspricht nicht dem Zeitgeist
    Die Oper hat kein Happy End
    Die Oper ist in ihrer jugendstilartigen Anlage heute schwer zu inszenieren. Welcher Regisseur will sich, mit einer der Vorlage mehr oder weniger entsprechenden, "unkritischen" Inszenierung, in die Nesseln setzen?
    Die Opernintendanten halten sich an die Top 100. Wenn eine Oper einmal aus diesem Kanon rausfällt, hat sie es schwer, je wieder reinzukommen
    Es gibt keine Humperdinck-Lobby. Die beiden führenden Humperdinck Forscher (Eva Humperdinck & Hans-Josef Irmen) ziehen nicht am gleichen Strick (to say the least)


    Was denkt ihr? ?(

    Zitat von Der-wonnige-Laller

    Die Uraufführung in der Fassung als Oper fand erst dreizehn Jahre später, am 28. Dezember 1910 in New York, statt (u.a. mit Geraldine Farrar und Hermann Jadlowker).

    Von Geraldine Farrar und Hermann Jadlowker gibt es historische Aufnahmen mit Auszügen aus Königskinder. Hochinteressante Dokumente, erschienen bei Truesound Transfers. Die Aufnahmen stammen aus dem Jahr 1912, geben also einen direkten Einblick in die Gesangsästhetik der Uraufführungszeit. Die Farrar war wohl damals ein Topstar. Von ihr sind auf der CD enthalten: "Lieber Spielmann" und "Weisst du noch das grosse Nest" aus dem dritten Akt. Ebenfalls enthalten sind drei Einspielungen mit Lola Artôt de Padilla aus dem Jahr 1911, die Gänsemagd der ersten Aufführung in Deutschland.


    Spielmann

    Zitat von Knusperhexe

    sehr schön - trotz des merkwürdigen Regieansatzes - soll Cottbus gewesen sein.

    Bin damals zur Premiere hingereist nach Cottbus. Dachte, es sei wohl die einzige Gelegenheit die Königskinder je auf der Bühne zu sehen - was ja nun mittlerweile nicht mehr stimmt.


    Die "semiszenische" Aufführung war so angelegt, dass die Handlung von Gästen einer privaten Salongesellschaft um 1860 gespielt wurde. Ein Theaterspiel im Salon also, zu gemeinschaftlichem Amusement. Die Mitwirkenden bekamen von der Hausherrin das Textbuch ausgeteilt, aus dem sie ihre Rolle prima vista ablasen bzw. absangen. Die Mitglieder der Soirée, die keine Rolle erhielten, gaben das Publikum, das mit Applaus und Missfallenskundgebungen die szenischen Vorgänge begleitete.


    Ein Theater (Königskinder) im Theater (Salongesellschaft) im Theater (Staatstheater Cottbus) also. Oder mit anderen Worten: modernes Regietheater. Vom Ansatz her vielleicht nicht uninteressant - nach längerem Verlauf nur noch mühsam, aufgesetzt und - langweilig. Ich habe mich damals gefragt, wieso man eine Oper, die so selten aufgeführt wird, derart entfremden muss. Wer die Königskinder nicht schon kannte, musste einen ganz schrägen Eindruck von dieser Oper bekommen, und zugleich eine Erklärung, wieso sie nie aufgeführt wird. Eine konzertante Aufführung, wie in Montpellier, hätte jedenfalls dem Werk mehr gedient.


    Musikalisch war die Aufführung gar nicht schlecht, vor allem vom Orchester her wurde unter GMD Reinhard Petersen auf beachtlichem Niveau musiziert. In den Hauptrollen waren zu hören:


    Königssohn: Jens Klaus Wilde
    Gänsemagd: Evgenia Grekova
    Spielmann: Michael Junge
    Hexe: Carola Fischer


    Ob durch Cottbus die Aufmerksamkeit auf die Königskinder wieder angefacht wurde - ich weiss es nicht. Immerhin gibt es jetzt in Zürich - nach München und Montpellier - die vierte Aufführung innerhalb der letzten drei Jahre. Das wäre immerhin ein Verdienst.


    Spielmann (Hei! Hei! Tanderadei!)

    Noch keine passende Ferienlektüre gefunden? Wie wär's mit einem spannenden, herzergreifenden und vergnüglichen Liebesroman aus der Zeit Mozarts?


    Johann Carl Wezel: Herrmann und Ulrike (1780)


    Eine Lektüre die man kaum bereuen wird. 900 Seiten - dann ist leider Schluss!


    Derzeit lieferbar ist der Roman innerhalb Wezel Gesamtausgabe beim Mattes Verlag:



    Antiquarisch (ZVAB) gibt es diese Ausgaben:


    Herrmann und Ulrike. Ein Roman von Johann Carl Wezel. Hg. und eingeleitet von Carl Georg von Maassen. 2 Bde. München 1919, Georg Müller.
    Herrmann und Ulrike. Ein komischer Roman. Hg. und mit einem Nachwort von Gerhard Steiner. Leipzig 1980, Insel.


    und einen Reprint der Erstausgabe:
    Herrmann und Ulrike. Ein komischer Roman in vier Bänden. Reprint der Ausgabe Leipzig: Dyk 1780. Mit einem Nachwort von Eva Becker. Stuttgart 1971, Metzler.



    Spielmann

    Zitat

    das Klavierquartett op.84 z.B. ist sehr lohnendswert.


    Es gibt eine schöne Aufnahme davon mit dem Fauré Quartett:



    Einen schönen Einblick in die kammermusikalische Miniaturen-Seite von Kirchner bietet eine CD mit den Noveletten op. 59 und den reizenden Kindertrios op. 58, die es unter dem Titel "Stücke für Enkel" auch in einer Klavierfassung gibt. Ganz delikate Stücke. Im Klavierunterricht eine echte Alternative zum stereotyp verordneten "fröhlichen Landmann".



    Spielmann

    Zitat

    Original von Zwielicht
    Handelt es sich vielleicht um Theodor Kirchner?


    Danke, Bernd - Du rettest (grad noch eben) Theodor Kirchners Ehre. Schade, dass er so wenig bekannt ist. Besonders seine frühen Sachen (Klavierstücke op. 2, Albumblätter op. 7 und vor allem die Clara Schumann gewidmeten Präludien op. 9 brauchen in ihrer Art keinen Vergleich zu scheuen. Schumann ist sein Leitstern, ohne Frage, und doch atmen seine Stücke ein ganz eigenes Kolorit. Der gelegentliche Vorwurf eines "Epigonen" trifft ihn nicht wirklich. Auch als "Brotschreiber" ist er nie banal. Es gibt immer etwas zu entdecken.


    Gruss
    Spielmann

    Zitat

    Original von Fugato
    Keine Ahnung, nach wem Spielmann fragt.


    Es tut mir allmählich leid um meinen Komponisten. Da schreibt einer 1000 Klavierstücke, wurde protegiert von Mendelssohn und Schumann, war über lange Jahre befreundet mit Brahms - und niemand kennt ihn! Vielleicht hätte er sich doch mehr zusammenreissen sollen, um seine etwas chaotische Lebensführung und seine Spielsucht unter Kontrolle zu bringen, da wäre ihm vielleicht mehr Grossformatiges geglückt, wie ihm das bereits Clara Schumann nahe gelegt hatte. Seinen Namen verbindet man vielleicht eher mit einem expressionistischen Maler. Jetzt aber...


    Spielmann

    Muss ich für den Brahms als Klavierbegleiter ausstechenden Komponisten noch kleine Hilfen liefern?


    Ich sagte schon, dass der Bezug zu Wagner in die Irre führen könnte. Der gesuchte Komponist war vom anderen Lager. Ein Schumannianer par excellence.


    "Morgen früh fahre ich nach Düsseldorf zu meinem lieben Schumann. Bis jetzt habe ich doch noch keinen so grossen Verehrer von Schumann gefunden wie mich, und das ist mein grösster Stolz. [...] Es wunderte ihn, dass ich alle Stücke mit ihm besprach, die er selbst für seine besten hält und worüber ihm sonst noch niemand etwas gesagt habe".


    Nach Schumanns Tod blieb unser Mann in Kontakt mit Clara Schumann und widmete ihr auch sein wohl ambitioniertestes Klavierwerk. Reicht das jetzt? Falls nicht, kommt später noch was über seine Freundschaft mit - Brahms.


    Spielmann

    Die Entdeckung der letzten Monate waren für mich die Bach-Einspielungen der Netherlands Bach Society unter Jos van Veldhoven:



    Dorothee Mields (Sopran I)
    Johannette Zomer (Sopran II)
    Matthew White (Countertenor)
    Charles Daniels (Tenor)
    Peter Harvey (Bass)
    Total 36 Mitwirkende



    Caroline Stam (Sopran)
    Peter de Groot (Countertenor)
    Gerd Türk (Tenor - Evangelist)
    Charles Daniels (Tenor)
    Stephan MacLeod (Bass - Christus)
    Bas Ramselaar (Bass - Petrus/Pilatus)
    Total 21 Mitwirkende (!)



    Johannette Zomer (Sopran)
    Annette Markert (Alt)
    Gerd Türk (Tenor)
    Peter Harvey (Bass)
    Total 59 Mitwirkende


    Auffällig sind die sehr kleinen Besetzungen, vor allem in der Johannes-Passion. Der "Chor" besteht lediglich aus den Solisten, die durch einige "Ripienos" verstärkt werden. In der Johannes Passion sind das gerade mal 4 zusätzliche Sänger, in der h-Moll Messe sind es 8. Man wähnt spröden Sektierer-Klang. Eine h-Moll Messe braucht doch die sakrale Wucht eines grossen Chors. Das erstaunliche ist aber, dass hier von Magerklang keine Rede sein kann. Schon die 4 Eröffnungstakte im Kyrie bringen den gewohnt satten Chorklang, allerdings in einer Kompaktheit, wie er im grossen Chor kaum zu erreichen ist. Dass dies gelingt, liegt sicher einerseits an den hervorragenden Solisten (es sind ja alles Solisten, auch die Ripienos), aber auch an der ausgezeichneten Akustik (Waalse Kerk, Amsterdam) und der state-of-the-art Aufnahmetechnik (Super Audio CD). Was der Masse abgeht, wird an Transparenz und kammermusikalischer Präzision gewonnen. Nie hat man Bachs polyphones Stimmengewebe durchsichtiger, verfolgbarer gehört. Die Johannes-Passion war für mich an vielen Orten geradezu eine Neuentdeckung, nicht nur weil hier die Erstfassung von 1724 rekonstruiert wurde (ohne Traversen!), sondern wegen der kammermusikalischen Anlage, die das Werk von einer ganz neuen, intimen Seite zeigen.


    Die Gesangs- und Instrumentalsolisten musizieren auf betörendem Niveau. Die historische Aufführungspraxis hat in den letzten 30 Jahren eine unwahrscheinliche Entwicklung genommen. Über Leonhardt, Harnoncourt, Brüggen, Hogwood, Gardiner, Koopman, Goebel, Herreweghe, Suzuki u.a. sind wir inzwischen in der 4. oder gar 5. Generation angelangt. Die jungen Solisten haben die Erkenntnisse der jeweils älteren Generation sozusagen mit der Muttermilch eingesogen und musizieren auf den alten Instrumenten inzwischen mit einer Selbstverständlichkeit, der alle Dogmatik fremd ist. Hier muss nichts mehr "bewiesen" werden. Es gibt auch keine Scheu mehr vor Schönklang, vor gelegentlichem Vibrato, vor fliessenden Tempi. Mit einem Wort: es wird undogmatisch. mit Herzblut musiziert. Das Wissen um adäquaten Stil ist da - es braucht nicht mehr doziert zu werden.


    Auich ein anderer Streitpunkt hat sich inzwischen erledigt: die Frage nämlich, ob das Wort oder die Musik bei Bachs Kantaten und Passionen das Primat haben soll. Das "oder" wird hier kurzerhand durch ein "und" ersetzt ("das süsse Wörtlein und"). Wieso soll das eine dem anderen aufgeopfert werden? Wieso soll die Ausdeutung von Text nicht auch klangästhetischen Reiz haben? Hier wird es exemplarisch vorexerziert. Der Text wird beim Wort genommen und klangsinnlich umgesetzt. Mal steht der Text im Vordergrund, mal die Musik.


    Bei der Frage Countertenor oder Alt scheiden sich die Geister. Ich persönlich mag Alt-Stimmen sehr, habe erst durch Andreas Scholl den Männeralt schätzen gelernt. Was dem Countertenor vielleicht an Fülle und weiblichem Charme abgeht, macht er durch Klarheit wett. Im Vergleich h-Moll Messe/Johannes Passion und den Weihnachtskantaten, wo eine Altistin singt, kann man die jeweiligen Vor- und Nachteile schön vergleichen. Ich bin mittlerweile indifferent, mit einer leichten Bevorzugung der Countertenöre. Nach längerer Gewöhnung an die klare Diktion der hohen Männerstimmen erscheinen die Alt-Stimmen oft etwas schwer.


    Also, eine warme Empfehlung für diese wunderbaren Einspielungen, die zudem noch von aufwändig gestalteten, kartonierten 200-Seiten Booklets angereichert werden. Es gibt von der Netherlands Bach Society auch eine Matthäus-Passion. Es war ihre erste grosse Bach-Einspielung. Eine ebenfalls sehr schöne Aufnahme, aber für meinen Geschmack noch nicht ganz auf dem Topniveau der drei hier vorgestellten Einspielungen.


    Spielmann

    Der Sänger Julius Stockhausen hielt nicht viel von Brahms als Klavierbegleiter, dem "übermütigen Kraftmenschen aus Hamburg".


    Zitat

    "Er ist viel gewissenhafter im Begleiten als Brahms. Was er einmal übernommen hat, macht er auch recht und scheut die Mühe nicht, und bildet sich nicht gleich ein, alles zu können."


    Er war nicht nur ein geschätzter Begleiter, Orgelspieler und Korrepetitor (u.a. für Wagners Ring-Einstudierung - aber das ist jetzt möglicherweise eine ganz trügerische Fährte!), sondern auch ein äusserst fruchtbarer Komponist, vor allem von Klaviermusik. Von wem ist die Rede?


    Spielmann

    Im Opernhaus Zürich gibt Jonas Kaufmann in der kommenden Spielzeit den Königssohn in Humperdincks Königskinder (Premiere am 21. Oktober 2007). Diese Rolle hat er vor einem Jahr bereits in Pontpellier gesungen - in konzertanten Aufführungen. Ein Mitschnitt davon ist mittlerweile auf CD erschienen. Es ist die letzte Einspielung des Dirigenten Armin Jordan. Sehr gelungen, in jeder Beziehung.


    Gruss
    Spielmann