Beiträge von Galeriefan

    Es freut mich, dass sich das Tamino-Forum in einer Reihe von Beiträgen mit dem von der Plattenindurstrie zu Unrecht ziemlich stiefmütterlich behandelten Wolfgang Brendel beschäftigt hat. Ich durfte vor allem die ersten zwei Jahrzehnte seiner Karriere in München intensiv miterleben und erinnere mich an viele große Abende mit ihm.
    Brendel war laut "gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen" eine Entdeckung von Erika Köth und kam von Kaiserslautern nach München. Ich hörte ihn erstmals im Dezember 1971 in der "Boris"-Premiere als Schtschelkalow und war von dieser balsamisch warmen, runden Stimme sofort begeistert. Im Lauf der 70er-Jahre sang er in München- von der Presse zunächst völlig unbeachtet - u.a. den Papageno, den Posa, den Germont, vor allem aber - schon in seinen ersten Jahren - immer wieder - meist an der Seite bzw. als Gegenspieler von Hans Hopf - den Wolfram. Die Feuilletons wurden erst auf ihn aufmerksam, als die Herren Rezensenten ein Venus-Gastspiel von Grace Bumbry besuchten.
    Ich fand Brendel nicht in allen Rollen gleich gut. So blieb in meinen Ohren z.B. der Luna immer ein bisschen ein Problemfall. Außerdem fanden meine Freunde und ich ihn schauspielerisch meist etwas blass.
    Aber was stand dem an stimmlich wirklich großen Abenden gegenüber! Er war - als "rüstiger Endzwanziger" (Karl Schumann)- ein herrlicher Germont, ein (in dieser Rolle auch schauspielerisch) wunderbarer Simon Boccanegra, ein großartiger Posa, der Cappuccilli und Bruson (die alle sangen in der Ära Everding in München ) absolut ebenbürtig war.
    Vorallem aber wird er für mich immer der ideale Wolfram bleiben. Wenn Brendel sang " O kehr zurück, du kühner Sänger" oder "O Himmel, lass Dich jetzt erflehen", dann stand wirklich der Opernhimmel offen.
    Zuletzt habe ich Wolfgang Brendel im Oktober 2007 als - für einen 60jährigen - beeindruckend stimmstarken "Holländer" erlebt.
    Ich bin ihm für viele schöne Opernabende dankbar.

    Ich habe Calleja zweimal live gehört, vor 3 oder 4 Jahren in Wien als Herzog und in einem Arienabend in Regensburg (wo er in ganz jungen Jahren einmal engagiert war).
    Ich finde seine Stimme weich und schön. Wenn man ihn in eine Schublade einordnen wollte, dann m.E. (vom Typus her) eher Gigli als Caruso.
    Die extreme Höhe ist wohl nicht seine Stärke. Den Schlusston in der Cabaletta in "Rigoletto" hat er nicht gesungen.
    Ich würde ihn nicht mit Villazon oder Beczala gleichsetzen, aber doch in der Reihe dahinter einordnen.

    Ich hatte das Glück, Helen Donath bei ihrem Durchbruch zur Weltelite als Pamina bei den Salzburger Festspielen 1968 zu hören.
    Als ich mit meinem Vater auf das Festspielhaus zusteuerte, stand da eine (nach unserm Eindruck ziemlich) junge Frau in einem - damals modischen - knallroten Minikleidchen und gab Autogramme. Auf Nachfrage erfuhren wir: "Das ist die Pamina". "Na ja", dachten wir uns ob des für eine Opernsängerin - zumindest damals - etwas ungeöhnlichen Outfits.
    Wir dachten es nur, bis sie zu singen anfing. Sie sang herrlich und ihr "Tamino mein" werde ich nie vergessen. Da stand der Opernhimmel offen.
    In den folgenden Jahren habe ich Helen Donath noch öfter in München gehört. Besonders in Erinnerung sind mir ein stimmlich insgesamt ziemlich trostloser "Fidelio", in dem der alte GottlobFrick und die junge Helen Donath die (hellen) Lichtpunkte waren , und eine "Carmen", in der man wirlich nicht verstand, warum sich Don Josè nicht für Micaela entschied.
    Nach den Vorstellungen, wenn wir die Sänger(innen) am Bühnentürl zum Autogrammholen abpassten, war sie immer die Freundlichkeit und gute Laune in Person.


    Das Geheinmis ihrer langen Karriere dürfte wohl darin liegen, dass sie (jedenfalls) auf der Bühne nie etwas gesungen hat, was ihrer Stimme nicht gut getan hätte.

    Ich habe di Stefano nur noch einmal in natura erlebt, 1969(!) als Rudolf am Münchner Nationaltheater. Da war er nur noch eine Stimmruine. Man schwankte als Zuschauer zwischen Entsetzen und Mitleid.
    Aber aufgrund seiner Ausnahmen bis zur Mitte der 50er Jahre würde ich ihn aber selbstverständlich unter die Jahrhundertstimmen einordnen. Ich fand sein Timbre einfach einmalig. Soweit ich als stimmtechnischer Laie seine Stimme analysieren kann, würde ich den profunden Ausführungen von Zauberton voll zustimmen.
    Ich wünsche ihm von Herzen, dass er sich von dem Überfall nochmal erholt. In meiner Kindheit und Jugend war er für mich der italienische Tenor. Ich kaufte mir die "Columbia"-Querschnitte nicht wegen der Callas, sondern seinetwegen.

    Vielen Dank an antracis, dass er an Martti Talvela erinnert hat!
    Für mich war Talvela - trotz Gottlob Frick, Karl Ridderbusch und Nicolai Ghiaurov - die schönste Bassstimme, die ich je gehört habe.
    Unvergesslich sind mir etwa sein Gurnemanz oder ein Verdi-Requiem im Münchner Herkulessaal unter Kubelik.
    In einem Liederabend im Herkulessaal hatte ich einmal das Glück, ihn aus der 3. Reihe zu erleben: eine Orgel in Menschengestalt.
    Sein summum opus aber war für mich sein "Boris", in dem er nicht nur - dem Verständnis des Geschehens sehr förderlich auf Deutsch - grandios sang, sondern auchgroßartig und zu Herzen gehend spielte.
    Ghiaurovs Stimme war noch gewaltiger. Sein Münchner Konzert von 1966 gehört zu meinen ganz großen Opernerlebnissen. Aber an balsamischem Wohllaut, meine ich, war ihm Talvela noch überlegen.

    Heute möchte ich an eine Sängerin erinnern, die ich leider nur in ihrer Spätzeit erlebt habe, der ich aber trotzdem viele unvergessliche Abende verdanke, - Erika Köth.
    Sie war das Paradox eines warmherzigen, seelenvollen Koloratursoprans.
    Gleich ob Königin der Nacht (die ich nur von der Platte her kenne), Konstanze, Lucia oder Gilda, - es gab bei ihr keine schrillen Töne und ihre Darstellung war immer anrührend. Das galt erst recht für ihre lyrischen Partien wie Pamina, Susanne oder Micaela.
    Fricsay antwortete seinerzeit auf die Frage, aus welchem Grund er in München die - damals nördlich der Alpen kaum gespielte- "Lucia" bringe: "Weil ich eine Köth habe". Zu meiner Studentenzeit sang die Köth die Rolle, die sie eigentlich schon abgegeben hatte, anläßlich der 100. Aufführung der damaligen Inszenierung noch einmal. Im Gegensatz zur Callas oder etwa zur Moffo war der Wahlnsinn der Köth kein kalter, sondern - wenn man es so ausdrücken kann - ein süßer Wahn. Nach der Wahnsinnsarie gab es 8 Minuten Beifall.
    Die Rolle, die ihr vielleicht am meisten auf den Leib geschrieben war, war die Gilda. Nicht umsonst betitelte ihr Biograph Klaus Adam einen Nachruf "Lassù in cielo".
    Ihr letzter großer Triumph war die Premiere von "La Bohème" im Münchner Nationaltheater am 14.6.1969.Vorher verlautete auf der Galerie gerüchteweise, die alte Köth solle ausgebuht werden. Hinterher gab es "Erika, Erika"-Sprechchöre, - das einzige Mal übrigens, dass ich so etwas im Nationaltheater erlebt habe.
    Wie populär Erika Köth war und wie hoch sie geachtet wurde, zeigt wohl nichts besser, als dass die Straße, in der sie wohnte (in Baldham-Kolonie) schon zu ihren Lebzeiten nach ihr benannt wurde.
    Ein Gefallen, den sie den Münchner Opernfans neben ihren eigenen Auftritten auch noch tat, soll nicht unerwähnt bleiben: sie entdeckte meines Wissens in Kaiserslautern Wolfgang Brendel, seit 1971 bis heute lyrischer und Heldenbariton am Nationaltheater und lange Jahre vor allem ein wunderbarer Wolfram und Posa.


    Ich bin dankbar, dass die meisten großen Rollen der Köth auf Tonträger dokumentiert sind. Leider gilt das jedoch meines Wissens nicht für die Mimi.

    Ich habe in meinem Beitrag über Julia Varady Ingrid Bjoner erwähnt.
    An sie sollte auf diesem Forum auch einmal erinnert werden.
    Die Bjoner war eine ungemein vielseitige Sängerin, deren Spektrum von der Figaro-Gräfin über Desdemona, Aida, Tosca, Turandot, Rezia, Tannhäuser-Elisabeth, Senta bis zur Isolde reichte.
    Sie war etwas lyrischer als die etwas ältere Birgit Nilsson. Was ihr die Aufnahme in den absoluten Gipfel des Sänger-Olymps verwehrte, waren vielleicht weniger gewisse Defizite in puncto jungmädchenhafter Erscheinung (die hatten die Nilsson und die Varnay genau so), sondern eher eine kleine Schwäche und Schärfe in der mittleren Höhe.
    Aber was sie darüber dann in der extremen Lage an Glanz und Strahlkraft brachte, - das war einfach phänomenal.
    "Die Turandot ist eine wunderbare Rolle", meinte sie einmal in einem Interview zu ihrem 70., "man darf nur nicht in der Höhe schwindlig werden." Sie wurde es nicht.
    Unvergesslich ist sie mir auch als Fidelio-Leonore. Ich hatte die Rolle – durchaus nach Interpretinnen wie Rysanek und Gwyneth Jones – schon als unsingbar abgehakt, da zeigte die Bjoner, dass es doch ging, - dramatisch und schön zugleich.
    Was man kaum glauben möchte: sie war auch eine großartige Aida. Ich hörte sie in dieser Rolle in den "Italienischen Wochen" des Münchner Nationaltheaters 1969(?) zusammen mit Ludovic Spieß als Radames. Was die beiden im Schlussduett als piano-Kultur boten, habe ich so nie wieder gehört.
    Die Rolle, die ich mit der Bjoner identifiziere, war aber die Senta. Bis ich die Bjoner in dieser Partie hörte, war die Ballade für mich ein Problemfall, - erhebliche Schärfen offenbar unvermeidlich (wie bei der Fidelio-Leonore). Die Bjoner sang auch die Ballade ohne Schärfen, mit piani, dass einem das Herz stehen blieb und mit einem leuchtenden, furiosen Ausbruch zum Schluss.
    Ich danke ihr viele schöne und einige ganz große Abende.

    Eine Sängerin, die mir in der "Tamino"-Galerie der berühmten Stimmen noch fehlt, ist Julia Varady.
    Ich konnte Sie von 1973 als Donna Elvira bis 1996 als Aida in München erleben.
    Sie war für mein Empfinden und das meiner Freunde einer der ganz seltenen Fälle, in denen eine Stimme in reiferen Jahren besser wurde, - was heißt "besser wurde"?, - zur absoluten Weltklassestimme wurde.
    In den 70er-Jahren störten mich noch gelegentliche Höhenschärfen. Doch auf einmal waren die völlig verschwunden. Wir rätselten, ob es ihr Ehemann Dietrich Fischer-Dieskau war, der ihr den letzten stimmtechnischen Schliff verpasst hatte, - jedenfalls war sie nun das Ideal eines (lyrisch)-dramatischen italienischen Soprans schlechthin. Dazu war sie eine hinreißende Darstellerin, - die Callas-Fans mögen es mir verzeihen, - die Varady war eine Callas ohne Höhenschärfen. Ich hatte das Glück, sie als Troubadour-Leonore, Traviata, Elisabetta, Aida und Desdemona zu hören, - lauter ganz große Abende. Daneben war sie auch im deutschen Fach etwa eine hervorragende Senta, - wenngleich ich in dieser Rolle (1o Jahre früher) Ingrid Bjoner noch höher schätzte.
    Die Rolle, mit der ich die Varady immer identifizieren werde und bei der ich immer an sie denken werde, war aber die Abigail. Was sie in dieser immens schweren Rolle an Innigkeit des pianos in der großen Arie und an strahlendem, jubelndem, mühelosem Höhenglanz in der folgenden Cabaletta auf die Bühne brachte, - das war einer der ganz großen Momente, die ich in der Oper erlebt habe.
    Auf ihrer Solo-CD unter Fischer-Dieskau ist leider nur die Arie erhalten, - aber ich hüte als Kleinod eine Audiocassette von einem Wiener Konzert mit Bruson, Scandiuzzi und Malagnini, in dem sie auch die Chor-Cabaletta gesungen hat.


    Der in seinem Urteil überaus harte Manuel Brug schreibt in seinem Lexikon "Die neuen Sängerstimmen", die Geschichte des Verdigesangs werde umgeschrieben werden müssen, wenn einmal die Aufführungsmitschnitte von Julia Varady veröffentlich seien. Ich kann ihm nur beipflichten.

    Ich bin "Zauberton " dankbar, dass er die Erinnerung an Hans Hopf wieder erweckt hat.
    Seiner Charakterisierung der Stimme kann ich in vielen Punkten zustimmen. Widersprechen möchte ich allerdings seiner Kritik an der Textdeutlichkeit. Ich fand sie immer tadellos. Nachdrücklich widersprechen möchte ich der Einschätzung, Hopfs Stimme sei in erster Linie für einen "wilden, unbehauenen Charakter" geeignet gewesen. Nach eigener Aussage hat er noch 1956 an der Wiener Staatsoper den Tamino gesungen und auf seine alten Tage brillierte er gerade mit technisch anspruchsvollen und piano-Stellen.
    Ich habe Hans Hopf nur noch in seiner späten Zeit (1968 – 1978 ) auf der Bühne erlebt. Er war nicht in allen Rollen und an allen Tagen gleich gut, legte aber doch noch eine ganze Reihe von eindrucksvollen Vorstellungen hin, als Siegmund, als Tristan, als Florestan und vor allem als Tannhäuser. Unvergesslich ist mir ein – nach mäßigem Venusberg – glanzvoller Tannhäuser vom Februar 1973. "Was schreibt die Presse? – Ewige Jugend!", strahlte er hinterher beim Autogrammholen und spielte damit vielleicht auch auf die Kritiken an, die er als Siegfried im Rahmen des Rennert-Rings 1969 bekommen hatte ("Jubel um Hans Hopf"; ich war leider nicht drin). Wenn Hopf als Tannhäuser sang: "EinWunder ist's, ein unbeschreiblich hohes Wunder", dann war es wirklich ein Wunder, dann stand der Opernhimmel offen.


    "Zauberton" sollte sich ruhig auch an Hopfs Gesamtaufnahmen von italienischen Opern wagen. Als Othello und Chenier, aber auch als Bajazzo (unter Sawallisch), als Kalaf (unter Solti), Radames oder als Manrico hat Hopf, glaube ich, keine Konkurrenz zu fürchten. Er kam eigentlich vom italienischen Fach, gab dieses aber mehr und mehr auf, als es usus wurde, in der Originalsprache zu singen. Das konnte oder wollte er offenbar nicht. Seine letzte italienische Rolle und seine letzte Premiere (die vorletzte war der Tristan in Wien 1973 unter Carlos Kleiber!) war 1975 ein glanzvoller Canio am Münchner Gärtnerplatztheater.


    Wie ist es zu erklären, dass Hans Hopf heute weitgehend vergessen ist oder zumindest war, bis in den letzten Jahren doch eine ganze Reihe von Gesamtaufnahmen aus seiner Glanzzeit wieder erschien?
    Sicher, er war kein großer Darsteller, obwohl er für mein Empfinden rein stimmlich durchaus eindringlich und anrührend gestaltete. Vielleicht liegt es daran, dass er für Intendanten, Regisseure und Dirigenten wohl nicht immer ganz einfach zu nehmen war. "Ich war immer ein nissiger Kerl", sagte er in einem persönlichen Gespräch einmal, - was immer das auf Fränkisch genau heißt, - aber so etwas Ähnliches wie "schwierig" heißt es schon.


    Der letzte Auftritt von Hans Hopf war meines Wissens 1983, als er im Rahmen eines Benefizkonzerts für die Restaurierung des Prinzregententheaters das Rienzi-Gebet sang, immer noch mit einer für seine (damals) 67 Jahre erstaunlichen Strahlkraft. "Erz in der Stimme hat man oder man hat's nicht; Hans Hopf hat's" schrieb Karl Schumann danach in der "Süddeutschen Zeitung"


    Für mich – und nicht nur für mich – war Hans Hopf einer der ganz großen Heldentenöre der 20. Jahrhunderts.