Lange, vielleicht viel zu lange Zeit war ich der Ansicht, außer historischem Instrumentarium kommt mir nichts auf den Tisch, und zwar möglichst mit Originalinstrumenten, Nachbauten nur notfalls. Dem lag die Auffassung zugrunde, dass eine historisch informierte Aufführung nur auf historischen Instrumenten möglich sei und dass eine historisch informierte Aufführung die einzig "richtige" Herangehensweise sei, um dem in dieser oder jener Form dokumentierten Willen des Komponisten gerecht zu werden. Die immer wieder gerne geäußerte Rechtfertigung, Beethoven habe sich stets um eine Weiterentwicklung der Klaviermechanik bemüht, der historisch vorhandene Zustand der Klaviere habe ihm zu keiner Zeit genügt, hat mich nie überzeugt und tut dies bis heute nicht. Denn tatsächlich hatte er eben nur die Instrumente zur Verfügung, die es mit dem damaligen Entwicklungstand nun einmal gab. Das Leben ist kein Wunschkonzert, und ich sehe es als Augenwischerei an, wenn wir aus heutiger Sicht meinen, Beethoven habe sich immer bessere Klaviere gewünscht, also müsse er sich den heutigen Flügel gewünscht haben - wer bitte will das denn wissen?
Inzwischen sehe ich die Wahl des Instruments aber pragmatischer. Anders als zum Beispiel Alfred bin ich nicht (mehr) der Auffassung, dass bestimmte Instrumententypen besser zu bestimmten Komponisten oder zu einzelnen Zeitabschnitten innerhalb der Kompositionskarriere bestimmter Komponisten passen. Wie atemberaubend die späten Beethovensonaten auf dem Nachbau eines historischen Instruments klingen können, hat zum Beispiel Brautigam unter Beweis gestellt. Viele andere haben dasselbe bewiesen auf modernem Konzertflügel. Mir würden so viele Aspekte dieser Musik entgehen, wenn ich nicht beide Klangwelten für mich zuließe.
Was für ein Verlust wäre es für mich gewesen, auf der Ausführung von Mozarts Klaviersonaten auf dem historischen Instrument zu beharren, und deswegen Gulda auf dem Bösendorfer zu verpassen oder die Schlichtheit der Interpretation bei Uchida.
Badura-Skoda hat es vorgemacht, wie schön beide Klangwelten zum Beispiel bei Schubert zusammen gehen, und ich möchte weder seinen Schubert auf seinen diversen Hammerflügeln missen, noch jenen auf seinen Bösendorfern.
Die Wahl des Instruments durch den Musiker - hoffentlich durfte er eine Wahl treffen - ist teil der uns zur Verfügung stehenden klanglichen Vielfalt und der Klang ist Bestandteil der Interpretation. Wenn ich Richters Schubert hören möchte oder, wie Willi, Radu Lupus, bekomme ich das nun mal nur auf Steinway. Das bedauere ich noch nicht einmal, denn ich will ja Richters oder Lupus Interpretation hören.
Statt uns hier künstlich fest zu legen, dürfen wir die uns heute gebotene Auswahl doch schätzen und genießen.
Und am wirkungsvollsten kann diese Sonaten dasjenige Instrument ins Publikum tragen, das der Musiker für seinen Vortrag ausgewählt hat. Denn mit diesem Instrument wird er sich am wohlsten fühlen und am ehesten das zum Ausdruck bringen, was ihm bei dieser Musik am Herzen liegt.
ps.: Dass das mit der Wahl für die Ausführenden heute oft eher theoretisch ist und genommen werden muss, was auf der Bühne steht, ist mir bei diesen eher idealtypischen Überlegungen natürlich schon bewusst.